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Prekär geliefert: Aus für Deliveroo in Deutschland
Dossier
„Deliveroo zieht sich aus Deutschland zurück – 1000 Fahrer verlieren von einer Woche auf die andere ihren Job. Das Unternehmen verspricht „passende Kulanzpakete“. Reicht das? (…) Ab dem 16. August gibt „Deliveroo“ sein Geschäft in Deutschland auf, das teilte das britische Unternehmen seinen Fahrern an diesem Montag mit. Man will sich auf wachstumsstärkere Märkte konzentrieren. Für die deutschen Fahrer kam der Schritt überraschend. Sie erfuhren in einer knappen Mail, unterschrieben von Deutschland-Chef Marcus Ross, von dem Rückzug ihres Arbeitgebers. Einige hielten sie zunächst für eine Fälschung. Schließlich war Ross erst im März angetreten, um Deliveroo gegen den übergroßen Konkurrenten Takeaway (Lieferando, Lieferheld, Foodora) zu verteidigen. (…) Stattdessen müssen sich nun rund 1100 Fahrer nach einer neuen Arbeit umsehen. Anders als die rund 100 Deliveroo-Angestellten und -Mitarbeiter mit Zeitverträgen waren die sogenannten „Rider“ freiberuflich tätig, Anspruch auf eine Abfindung haben sie also nicht. Sie stehen Knall auf Fall vor dem Aus. Deliveroo stand schon lange für Arbeitsbedingungen ohne Absicherung in der Kritik. Das Unternehmen teilte allerdings mit, dass man den Fahrern „angemessene Vergütungs- und Kulanzpakete“ schnüren wolle. Fahrer, die in den letzten zwölf Wochen „aktiv“ gearbeitet haben, erhalten: Eine „Good-Will“-Zahlung in Höhe von zehn Tagessätzen, basierend auf den durchschnittlichen wöchentlichen Einnahmen der 12 Wochen vor dem 3. August. Dieses Geld bekommen Fahrer in jedem Fall bis zum 16. August. Eine zweite Zahlung in Höhe von zwei Wochen Lohn, basierend auf denselben Durchschnittswerten – vorausgesetzt, die Fahrer unterschreiben einen „Brief“ mit noch unklaren Bedingungen, der ihnen demnächst per Post zugestellt wird. Pro Arbeitsjahr einen Monatslohn – vorausgesetzt, die Fahrer waren länger als ein Jahr für Deliveroo tätig…“ Artikel von Anton Rainer vom 12.08.2019 beim Spiegel online , siehe dazu auch Sozial, fair, umweltfreundlich: Nach dem Rückzug von Deliveroo planen Berliner Fahrer*innen ein eigenes Lieferkollektiv und hier zur Schliessung die NGG und weitere Beiträge:
- Ein Kurierfahrer siegt über Deliveroo und gründet sein eigenes Lieferkollektiv in Berlin
“… Das Ende kam plötzlich. Chatrenet war gerade im Urlaub, als er in einer Messenger-Gruppe las, dass Deliveroo Deutschland verlässt. Im E-Mail-Postfach lag das Schreiben vom Unternehmen. An einem Montag kündigte Deliveroo an, zum Donnerstag die Geschäfte in Deutschland einzustellen. Im Rahmenvertrag stand, dass die Rider gehen können, wann sie wollen, Für das Unternehmen aber galt eine 15-tägige Kündigungsfrist. Deliveroo bot eine Abfindung auf Basis des Durchschnittseinkommens der letzten zwölf Wochen an. »Ein schlechtes Angebot«, sagt Anwalt Klaus Stähle. Chatrenet und drei weitere Rider, die sich in der anarchosyndikalistischen Gewerkschaf Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (FAU) organisierten, entschieden sich daher, mit Unterstützung ihrer Gewerkschaft für mehr Geld zu streiten. Es ging dabei sowohl um die Abfindung als auch um ein Feststellungsverfahren ihres Status, also die gerichtliche Prüfung, ob die Rider nun eigentlich Selbstständige oder Angestellte sind. Diese Prüfung kann für eine Firma schmerzhaft sein: Würde festgestellt, dass die Fahrer*innen angestellt waren, wären Nachzahlungen an Krankenkasse, Unfallversicherung, Pflege- und Rentenversicherung fällig. »Alle Verfahren haben wir in einer Güteverhandlung mit einem Vergleich abgeschlossen, weil Deliveroo die Sache vom Tisch haben wollte«, sagt Rechtsanwalt Klaus Stähle. Das Unternehmen habe kein Interesse gehabt, es auf eine Entscheidung vor dem Arbeitsgericht ankommen zu lassen. Die vier Fahrer haben sich letztlich alle dafür entschieden, die Abfindungen zu nehmen und die Statusfeststellung nicht weiter zu verfolgen. »Das war für sie letztlich lukrativer«, so Stähle. Ein Rider, den die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) vertritt, zieht nach nd-Informationen unterdessen in die zweite Instanz vor das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg. (…) Er wollte nicht mit dem Job aufhören, sagt Chatrenet heute. Die Arbeit bei Deliveroo habe ihm Spaß gemacht. Zuletzt arbeitete er als Kurierfahrer und transportierte Dokumente und Briefe für Geschäftskunden. Doch dabei hat er den persönlichen Kontakt zu den Kund*innen vermisst, wie er ihn hatte, als er ihnen noch das Essen nach Hause lieferte. Derzeit baut Chatrenet mit drei anderen Ex-Deliveroo-Ridern ein Lieferkollektiv auf, die »foodfairies«. Theoretisch könnte es bald losgehen, doch vorher steht noch der Papierkram, die behördliche Anmeldung des Unternehmens, an. Die Corona-Pandemie macht auch ihnen einen Strich durch die Rechnung. Die Website foodfairies.de gibt es schon, darauf ist bisher aber nur die E-Mail-Adresse zu sehen. Christophe Chatrenet wartet nur darauf, dass das neue Kollektiv endlich die Arbeit aufnimmt. Er ist ein Rider aus Leidenschaft.“ Beitrag von Jörg Meyer vom 21.03.2020 in Neues Deutschland online – siehe auch Sozial, fair, umweltfreundlich: Nach dem Rückzug von Deliveroo planen Berliner Fahrer*innen ein eigenes Lieferkollektiv - Wenn der Schein trügt. Ehemalige Fahrer von Lieferdienst Deliveroo ziehen gegen den Konzern vor Gericht: Vergleich in den beiden ersten Fällen
“… Am Montag fanden vor dem Berliner Arbeitsgericht für zwei der ehemaligen Rider Güteverhandlungen statt. Das Ergebnis war in beiden Fällen einen Vergleich: Rund 3000 Euro soll Deliveroo für ausgefallene Löhne und Urlaubsgelder den beiden Männern zahlen. Der Vergleich ist noch nicht rechtskräftig. Das Unternehmen hat zwei Wochen Zeit, um die Einigung zu widerrufen. Dann ginge der Fall vor die nächste Instanz. Akseli Aittomäki, einer der Ex-Deliveroo-Rider, der mit der Unterstützung der FAU Klage eingereicht hatte, zeigte sich nach der Verhandlung zufrieden. »Es ist immerhin etwas«, sagte er. Sein Anwalt, Klaus Stähle, hatte in der Vergleichsverhandlung rund 4000 Euro Schadensersatz für die entgangenen Einnahmen gefordert. »Wir werden sehen, ob das Unternehmen den ausgehandelten Vergleich akzeptieren wird und wie es dann weitergeht«, sagte Stähle. Weiter geht es für den Rechtsanwalt in Sachen Deliveroo in jedem Fall. Einer der in der FAU gewerkschaftlich organisierten ehemaligen Fahrer des Unternehmens hatte einen ähnlich gelagerten Vergleich wie den vom Montag ausgeschlagen. Seine Klage geht damit in die nächste Instanz. Rechtsanwalt Stähle wird den Ex-Rider vor Gericht vertreten. »Bei dem Kammertermin wird es grundsätzlich um die Frage gehen, ob für die Fahrer bei Deliveroo ein reguläres Arbeitsverhältnis bestand«, sagte Stähle. Sollte von den Berliner Arbeitsrichtern bei dem Termin Ende Oktober festgestellt werden, dass die Rider abhängig beschäftigt waren statt wie von Deliveroo angegeben in einem selbstständigen Verhältnis, wäre die Kündigung unwirksam und es bestünden weitgehende Lohnansprüche der Ex-Fahrer gegen das Unternehmen…“ Artikel von Jérôme Lombard vom 07.10.2019 in ND online
- Güteverhandlung Fahrer*innen gegen Deliveroo vor dem Arbeitsgericht Berlin am 07. Oktober 2019
“Schuldet Deliveroo seinen ehemaligen Arbeiter*innen nicht mehr? Am kommenden Montag findet eine der ersten Güteverhandlungen zwischen gewerkschaftlich organisierten Fahrern und Deliveroo statt. Zwei (insgesamt 4) (Ex-)Deliveroo-Rider klagen auf Statusfeststellung (Scheinselbständigkeit) und gegen ihre Kündigung. Das Ergebnis könnte richtungweisend sein.“ Meldung der FAU Berlin vom 02.10.2019 , siehe auch die Pressemitteilung der FAU Berlin vom 04.10.2019:- Plötzlicher Rückzug von Deliveroo: Rider ziehen vor Gericht
„Am kommenden Montag findet eine der ersten Güteverhandlungen zwischen gewerkschaftlich organisierten Fahrern und Deliveroo statt. Das Ergebnis könnte richtungweisend sein. Über Nacht standen die Fahrer*innen von Deliveroo ohne ihren Job da, als Mitte August publik wurde, dass der app-basierte Auslieferdienst in Berlin den Betrieb einstellen wird. Das Unternehmen beendete die Selbstständigen-Verträge mit den Fahrer*innen zum 28. August. Vier Rider, die in der Basisgewerkschaft Freie Arbeiter*innen Union Berlin (FAU) organisiert sind, wehren sich nun dagegen. Für sie ist klar: Mit selbstständiger Arbeit hatte der Job nichts zu tun. Daher klagen sie nun auf Feststellung, dass ein reguläres Arbeitsverhältnis bei Deliveroo bestand – und somit ihre Kündigung unwirksam ist und noch Ansprüche gegen das Unternehmen ausstehen. Rechtsanwalt Klaus Stähle, der die vier Fahrer vertritt: „Wir sind davon überzeugt, dass die Essensauslieferung, internetbasiert und gesteuert von Apps und Algorithmen, elektronischen Schichtplänen und automatisierter Auftragszuteilung bei standardisierten Preisen, die Fahrer soweit in die Organisation von Deliveroo eingliedert, dass für eine Selbstständigkeit kein Raum bleibt. Das sind ganz klar abhängig beschäftigte Arbeitnehmer. Die ‚Freiheit’ des Selbstständigen, einzelne Aufträge ablehnen zu können, wird umgehend vom Algorithmus bei neuen Schichtzuteilungen bestraft.“ In abhängigen Arbeitsverhältnissen gelten im Unterschied zu einem Vertragsverhältnis mit Selbstständigen gesetzlich geregelte, einst gewerkschaftlich erkämpfte Schutzbestimmungen – etwa Verletztengeld nach Unfällen oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Auch sind Abfindungszahlungen nach Massenentlassungen üblich. Deliveroo bot den Rider*innen aber lediglich eine willkürlich berechnete Entschädigungszahlung an. Dazu Fahrer Lukas Malik: „Die größere Hälfte dieses ‚good will payments’ war an die Bedingung geknüpft, mit einer Unterschrift auf alle weiteren Ansprüche zu verzichten. Ich betrachte es als einen Versuch der Befriedung enttäuschter Kolleg*innen. Viele haben unterschrieben. Aber ich kann und will Deliveroo nicht so einfach davonkommen lassen. Ein derart abruptes Ende ist existenzbedrohend und verlangt danach, sich zu wehren“. Mit dieser Entscheidung geht auch die FAU-Kampagne „Deliverunion“ in eine nächste Runde. Jahrelang hatte das Unternehmen die hier vorgebrachten legitimen gewerkschaftlichen Forderungen ignoriert. Nun sieht man sich vor Gericht – mit Aussicht auf eine Signalwirkung für die sogenannte „Gig-Economy“: „Dieses Geschäftsmodell fördert Scheinselbstständigkeit, schafft rechtsfreie Räume und damit hohe Risiken für Arbeiter*innen. Ein Urteil gegen Deliveroo kann ähnlichen agierenden Unternehmen eine Warnung sein. Die oftmals marginalisierten Beschäftigten wird es dazu ermutigen, sich gegen prekäre Arbeitsbedingungen zu organisieren“, so Gewerkschaftssekretär Johnny Hellqvist von der FAU Berlin…“ - Die Verhandlungen vor dem Arbeitsgericht sind öffentlich. Wo? Magdeburger Platz 1, 10785 Berlin, Saal 206. Wann? 07.10.2019 11:30 Uhr.
- Plötzlicher Rückzug von Deliveroo: Rider ziehen vor Gericht
- Deliveroo: Entlassene Fahrer wollen wegen Scheinselbstständigkeit klagen
„Ehemalige Fahrerinnen von Deliveroo verbünden sich mit Gewerkschaften und wollen juristisch gegen den Lieferdienst vorgehen. Sollten sie Erfolg haben, müsste das Unternehmen Versicherungsbeiträge und vielleicht auch Löhne nachzahlen. In Frankreich und Spanien hatten Fahrer mit ähnlichen Klagen Erfolg. Vor zwei Wochen entließ der Lieferdienst Deliveroo seine Fahrerinnen. Berliner Betroffene wollen den Konzern nun verklagen. Der Vorwurf: Scheinselbstständigkeit. Mehrere Fahrerinnen sind deshalb mit der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG) im Gespräch, bestätigte ein Sprecher der NGG gegenüber netzpolitik.org. Parallel wollen einige Fahrer auch zusammen mit der kleineren Freien Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union Berlin (FAU) gegen Deliveroo vorgehen. Das Ziel ist dabei nicht, die Kündigungen für ungültig zu erklären: Deliveroo ist in Deutschland nicht mehr aktiv. „Man kann also schlecht auf Weiterbeschäftigung klagen“, so der NGG-Sprecher. Das Unternehmen müsste aber bei einem Erfolg wohl Versicherungsbeiträge nachzahlen, auf die möglicherweise auch die Fahrer Ansprüche hätten. Außerdem wollen die Betroffenen in einer Kündigungsschutzklage feststellen, ob die Fahrerinnen überhaupt so kurzfristig entlassen werden durften. Dadurch könnten für die Klagenden Lohnansprüche anfallen. Man wolle beim Amtsgericht Berlin Klage einreichen, sagte der Sprecher der Gewerkschaft. Das muss allerdings schnell gehen, denn es gibt dafür eine Frist von drei Wochen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Bis zum 4. September müsste die Klage also eingereicht sein. Das erhoffte Urteil soll dabei auch eine abschreckende Wirkung für Geschäftsmodelle haben, die auf Scheinselbstständigkeit basieren. (…) Bisher war nur eine geringe Anzahl der Deliveroo-Fahrerinnen in der NGG organisiert. Deshalb bietet die Gewerkschaft momentan ein beschleunigtes Verfahren an: Anstatt wie üblich vor einer Klage drei Monate Mitglied sein zu müssen, können neu beigetretene Ex-Deliveroo-Fahrer direkt Beratung durch einen Anwalt und Unterstützung bei einer Klage erhalten. Sie sollen sich aber dazu verpflichten, danach für mindestens drei Jahre in der Gewerkschaft zu bleiben…“ Artikel von Maximilian Henning vom 28.08.2019 bei Netzpolitik
- Gewerkschaft NGG will gegen Deliveroo klagen
„Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hat den Fahrern des Lieferdienstes Deliveroo geraten, das Unternehmen zu verklagen. (…) Klenke sagte dem rbb, dass die Gewerkschaft mehrere Verfahren zusammen mit Fahrern vorbereite. Von dem, was etwa an Abfindungen möglich sei, werde versucht, alles auszuschöpfen. Klenke sieht aber auch die Chance, dass sich die ganze Branche neu ausrichtet. „Wir gucken, was für Arbeitsverhältnisse haben sich da etabliert. Es kann nicht sein, dass die Leute scheinselbstständig arbeiten“, sagte Klenke dem rbb. Deliveroo hatte seinen Fahrern keinen konkreten Grund genannt, weshalb das Geschäft in Deutschland eingestellt werde. Einige Fahrer wollen einen neuen Lieferdienst gründen.“ Meldung vom 17.08.19 bei rbb24
- Warum dieser Fahrradkurier das Ende von Deliveroo feiert
„… Schon seit einiger Zeit kämpften die Fahrerinnen und Fahrer der Lieferdienste für mehr Mitbestimmung und gründeten Betriebsräte. 2018 initiierten einige Fahrradkuriere die Kampagne „Liefern am Limit“. Das Ziel: bessere Arbeitsbedingungen und mehr Mitbestimmung für die Fahrerinnen und Fahrer von Deliveroo und Lieferando. Einer von ihnen war der 23-jährige Keno Böhme. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, was das Deliveroo-Aus in Deutschland für die Fahrerinnen und Fahrer bedeutet. Keno arbeitete selbst bereits bei den Lieferdiensten Foodora, Deliveroo und Lieferando. Er war an Betriebsratsgründungen beteiligt und initiierte im Februar 2018 mit anderen Fahrerinnen und Fahrern die Kampagne „Liefern am Limit“. Sein Vertrag bei Deliveroo wurde nach der Betriebsratsgründung nicht verlängert, auch bei Lieferando wurde er nach eigenen Angaben entlassen. Heute arbeitet er für die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten und ist dort zuständig für den Bereich Lieferdienste. (…) [Keno] Der Rückzug von Deliveroo aus Deutschland wird einen positiven Langzeiteffekt für Lieferdienstmitarbeiter haben. Unserer Meinung nach hängt der Rückzug nämlich damit zusammen, dass das Modell der Scheinselbstständigkeit der Fahrerinnen und Fahrer nicht funktioniert hat. Die sogenannten Rider waren bei Deliveroo solo-selbstständig tätig. Sollte es Überlegungen beim deutlich größeren Konkurrenten Lieferando gegeben haben, dieses Modell auszuprobieren, dürfte sich das hiermit erledigt haben. Das bedeutet mehr Sicherheit in Zukunft für deutlich mehr Beschäftigte, als jetzt ihren Job verlieren – und das feiern wir. (…) Wie macht ihr nach dem Deliveroo-Aus jetzt mit „Liefern am Limit“ weiter? [Keno] Wir schauen auf Lieferando und wie das Unternehmen mit der Foodora GmbH umgeht – denn die existiert noch. Uns liegen interne Informationen vor, dass Foodora bis Ende Oktober geschlossen werden soll und damit auch die Betriebsratsstrukturen abgeschafft werden, die wir dort in den vergangenen zwei Jahren hart erkämpft haben. Unser Ziel ist es, auf einen geregelten Betriebsübergang hinzuwirken, um damit die Betriebsräte zu Lieferando zu überführen und langfristig einen Tarifvertrag für die Branche auszuhandeln.“ Interview von Pia Seitler vom 14.08.2019 bei bento.de
- Fahrer über Ende des Lieferdienstes „Deliveroo war nie transparent für uns“
„Am Freitag stoppt der Essens-Lieferant Deliveroo kurzfristig seine Aktivitäten in Deutschland. Im Interview spricht ein Berliner Fahrer über die Arbeitsbedingungen – und nennt das jetzige Vorgehen „scheinheilig“. rbb|24: Sie haben sich am Montagabend mit anderen Deliveroo-Fahrern getroffen, um darüber zu sprechen, wie es weitergeht. Wie viele waren dabei – und wie weit sind sie bei den Diskussionen gekommen? Deliveroo-Fahrer*: Es waren etwa 19 Personen. Es hätten meiner Meinung nach mehr sein können, aber viele sind im Urlaub und viele versuchen auch, in den letzten Tagen noch so viel wie möglich zu arbeiten – am Freitag ist ja Schluss. Es war trotzdem sehr produktiv, wir haben auch darüber gesprochen, welche Forderungen wir möglicherweise an Deliveroo stellen können. Dazu werden wir uns mit einem Arbeitsrechtsanwalt zusammensetzen, das wird sich in den nächsten Tagen klären. (…) Wir bei Deliveroo sind freie Mitarbeiter, die bei Lieferando sind Angestellte. Sie bekommen einen fixen Stundenlohn von aktuell – wenn ich richtig informiert bin – neun Euro brutto. Allein dieser Unterschied macht schon viel aus. (…) Klar haben sie eine Frist und ich gehe davon aus, dass sie die einhalten – alles andere wäre auch dumm. In unseren Verträgen steht aber auch, dass Deliveroo nicht verpflichtet ist, uns irgendwelche Aufträge zu geben. Sie können uns also ab sofort keine geben, wir kriegen dann kein Geld, obwohl wir immer noch im Vertragsverhältnis sind. Das macht dann keinen Unterschied. Wenn man sich ansieht, dass unsere Frist bis Freitag läuft und wir darüberhinaus eine Sondervergütung von zehn Tagen bekommen sollen, dann kommt man de facto auf 14 Tage Kündigungsfrist. (…) Bis jetzt sieht es so aus: Zehn Tage Lohn bekommt jeder vergütet, zwei Wochen, wenn wir einen Brief unterschreiben. Den haben wir noch nicht. Das Problem ist: Keiner weiß, wie sie das berechnen. Wir wissen von zwei Fahrern, die ihre Vergütung für zehn Arbeitstage erhalten haben: Es waren 403 und 407 Euro. Diese Berechnung basiert auf dem Tagesdurchschnitt der letzten zwölf Wochen. Diese Fahrer haben das durchgerechnet und kommen auf einen Tagessatz von 89 bis 93 Euro. Ich finde es ungerecht, dass Deliveroo da scheinbar Tage einberechnet, an denen wir nicht gearbeitet haben. Das muss ja so sein, sonst wäre diese Zahl nicht zustande gekommen. Deliveroo war nie transparent, was die Vergütung der Aufträge angeht und wie sie die berechnen – dass das nun auch am Ende so ist, ist ärgerlich, aber vielleicht sogar konsequent…“ Interview von Sebastian Schneider vom 13.08.19 beim rbb24
- [DE+EN] Deliveroo zieht sich zurück – Kämpfe gegen prekäre Arbeitsbedingungen gehen weiter
„Auch bei seinem Rückzug aus der BRD zeigt Deliveroo, dass die Entlohnung und soziale Absicherung seiner stark von Minderheiten geprägten Belegschaft keinen Stellenwert im Unternehmenshandeln hat. Der Kampf gegen die besonders prekären Arbeitsbedingungen der Plattform-Ökonomie in ihrer heutigen Form geht trotzdem weiter – bei Deliveroo in anderen Ländern und bei anderen Plattformen in der Lieferbranche oder anderen Wirtschaftsbereichen in der BRD. Zum 16.08.2019 zieht sich die Firma Deliveroo aus dem deutschen Markt zurück. Deliveroo hinterlässt ein Heer von scheinselbstständigen Arbeiter*innen, die ohne soziale Absicherung für Hungerlöhne schufteten. Für Deliveroo hatte das Prinzip einer sozialen Verantwortung nie Priorität – dass die Arbeiter*innen nun heute erst informiert wurden, dass sie ab Samstag erwerbslos sind, passt da ins Bild. Den Ridern statt vernünftigen Abfindungen nun Kleinzahlungen als sogenannte “goodwill payments” anzubieten ist in diesem Kontext fast unüberbietbar zynisch…“ Statement vom 13.8.2019 von und bei deliverunion der FAU
- [NGG] Lieferdienst Deliveroo stellt Deutschland-Geschäft kurzfristig ein. Zeitler: „Politik muss diesem Geschäftsmodell grundsätzlich einen Riegel vorschieben!“
„Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) wirft dem Essenslieferdienst Deliveroo fehlende soziale Verantwortung vor: „Wir weinen dem Unternehmen und seinen Geschäftspraktiken, die komplett auf Scheinselbständigkeit basieren, keine Träne nach. Aber diese sehr kurze Frist zwischen Bekanntmachung und Umsetzung der Geschäftsaufgabe ist ein Schock für die Beschäftigten. Innerhalb weniger Tage verlieren sie ihr Einkommen, also ihre Existenzgrundlage. Auch das zeigt, welche Nachteile dieses Geschäftsmodell birgt“, so der NGG-Vorsitzende Guido Zeitler. Auch eine Abfindung oder dergleichen schaffe da keine Abhilfe. Zeitler: „Wir fordern von der Politik, dass sie derartigen Geschäftspraktiken, die das unternehmerische Risiko und die Kosten vorwiegend auf die Rider, also die Lieferdienstfahrer, abwälzen, einen Riegel vorschiebt. „Was wir auch in dieser Branche brauchen, ist eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung – und zwar vom ersten Tag an!““ PM vom 12. August 2019
- »Eine Mischung aus Wut, Frust und Verzweiflung«
Ende der Woche werden alle Deliveroo-Fahrer in Deutschland ihren Job verlieren. Ein Fahrer erzählt, wie sich das anfühlt. Interview von Alina Leimbach vom 13.08.2019 beim ND online
- Deliveroo hat in Deutschland ausgeliefert. Fünf Tage Frist zwischen Bekanntmachung und Schließung. Beschäftigte schockiert
„… Mit dem Rückzug von Deliveroo wird die Konkurrenz für den Marktführer Takeaway.com in Deutschland immer geringer. Die mit der Marke »Lieferando« bekannt gewordenen Niederländer hatten das Deutschland-Geschäft des Rivalen »Delivery Hero« (»Lieferheld«, »Pizza.de«, »Foodora«) geschluckt und sind gerade dabei, die britische »Just Eat« zu übernehmen. Bei Deliveroo steht trotz des Deutschland-Aus der US-Technologiekonzern Amazon vor dem Einstieg. Der Lieferdienst war bislang in fünf deutschen Großstädten vertreten und beschäftigte dort 1100 Kuriere. Offenbar kam das Aus für die Belegschaft nicht ganz überraschend. »Wir haben geahnt, dass etwas nicht in Ordnung ist, als vor zwei Monaten Kollegen in der Buchhaltung entlassen wurden«, sagt ein Kurier, der anonym bleiben will, gegenüber jW. »Statt dessen wurde eine neue Bezahl-App benutzt, um unser Auftragsgeld zu erhalten.« Am Montag sei die App abgestürzt, weil alle Auslieferer sofort ihr Geld ausgezahlt haben wollten. Das Vertrauen in den Arbeitgeber scheint nicht besonders groß…“ Artikel von Gerrit Hoekman in der jungen Welt vom 13.08.2019
- Deliveroo zieht sich aus Deutschland zurück
„Schon am Freitag ist Schluss: Der Lieferdienst Deliveroo gibt sein Geschäft in Deutschland auf. In anderen Märkten soll es weitergehen. Der britische Lieferdienst hat sein Aus auf dem deutschen Markt bekanntgegeben. In einer Mitteilung an die Kunden schrieb das Unternehmen, dass diese Entscheidung „nicht einfach“ gewesen und „nicht leicht gefallen“ sei. Deliveroo wolle sich nun auf andere Märkte konzentrieren und dort das Geschäft ausbauen. Als Grund nannte das Unternehmen in einer Pressemitteilung, dass sich der Umsatz auf diesen Märkten verdoppelt habe. Dabei gehe es um andere europäische Länder sowie die Asien-Pazifik-Region. Das Geschäft in Deutschland werde mit Ablauf des 16. August eingestellt…“ Agenturmeldung vom 12.08.2019 beim Spiegel online