Getir Berlin und Warenlager-Betreiber Fast/Furious/Food GmbH: Bis zu Null-Wochenstunden und keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall

Getir Workers CollectiveNahezu seit Betriebsbeginn des Lieferdienstes Getir in der Bundesrepublik hat Maikel (Name geändert) als Lieferfahrer, in der Branche Rider genannt, in Berlin gearbeitet. Habe es zu Beginn keine Probleme gegeben, so scheint das nun offenbar kriselnde Unternehmen Beschäftigte illegalerweise von heute auf morgen ohne Lohn nach Hause zu schicken, wie Maikel am Mittwoch im jW-Gespräch erklärte. Die Probleme hätten im Januar mit einem Eigentümerwechsel des Warenlagers angefangen. Der Rider verwies dabei auf eine von ihm unterschriebene und jW vorliegende Erklärung zum Betriebsübergang von Getir zur Fast/Furious/Food GmbH, die nun das Getir-Warenlager in der Warschauer Straße in Berlin-Friedrichshain betreibt…“ Artikel von Simon Zamora Martin in der jungen Welt vom 17.08.2023 externer Link („Krisenreflexe bei Getir Berlin: Beschäftigten von Lieferdienst werden mittels Vertragsklausel Stunden gestrichen“) und mehr daraus:

  • Weiter im Artikel von Simon Zamora Martin in der jungen Welt vom 17.08.2023 externer Link: „… Die Vorwürfe, die Maikel gegen seine erst Anfang 20jährigen Chefs erhebt, wiegen schwer: Löhne seien nicht mehr pünktlich gezahlt, Schichtpläne nicht mehr vorab für die ganze Woche, »sondern beinah nur Tag für Tag« veröffentlicht worden. Vor allem aber habe der Betrieb die Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall eingestellt, erklärt er. (…) Auf die offenbar zahlreichen Beschwerden von Beschäftigten reagierte einer der Chefs mit einer wütenden Nachricht, die um halb zwei Uhr morgens in der besagten Messengergruppe geschickt wurde. »Die kranken Leute unter euch sollten einen anderen Job suchen wo sie ganze Zeit krank machen können und Geld erbeuten können« (Originalzitat), hieß es darin. In einem Arbeitsvertrag von Getir, der jW vorliegt, wird mit der Formulierung »bis zu« lediglich eine maximale Stundenzahl pro Woche festgelegt. Mit Verweis darauf wird nun offenbar ein Großteil der Belegschaft ohne Geld nach Hause geschickt – eingeteilt zu null Wochenstunden. Laut Rechtsanwalt Martin Bechert sind solche »Klauseln des Raubtierkapitalismus« illegal, wie er im jW-Gespräch am Mittwoch erklärte.
    Für den Arbeitsrechtler ist indes neu, dass Getir mit Firmen zusammenarbeitet, die ihre Warenhäuser betreiben. »Die Firma behauptet vor Gericht stets, es würde nur einen deutschlandweit einheitlichen Betrieb geben«, so Bechert. Mit dieser Begründung habe Getir auch die Wahl eines deutschlandweiten Betriebsrates im vergangenen Jahr für zulässig erklärt. Doch bei diesem Gremium handele es sich eher um einen »Alibibetriebsrat«, so der Jurist. (…)
    Getir hatte sich Ende 2022 mit engagierten Beschäftigten, die infolge der Betriebsratswahl gekündigt wurden, auf die Zahlung von Abfindungen geeinigt. Wie Bechert am Mittwoch gegenüber jW erklärte, seien diese in mindestens einem Fall bis zum heutigen Tag nicht geleistet worden. Der ehemalige Getir-Beschäftigte Ronnie Thomas, der in Berlin versuchte, eine Betriebsratsliste von Ridern aufzustellen, zeigte sich gegenüber dieser Zeitung empört: »Das Arbeitsgericht hat keine Macht gegen Getir.« Das Unternehmen erklärte auf jW-Anfrage, sich nicht zu den Vorwürfen äußern zu wollen. Eine Anfrage an die Fast/Furios/Food GmbH blieb bis jW-Redaktionsschluss unbeantwortet.“
  • Siehe zum darin angesprochenenen „Kölner Fall“ unser Dossier: [Kündigung vor BR-Wahl] Zu wenig Lohn und Bedrohung? Ex-Mitarbeiter attackiert Kölner Lieferdienst Getir scharf
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=214393
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