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Streikbruch oder Krankschreibung?
Beitrag von Dr. Rolf Geffken vom 19.5.2015 – wir danken!
Die Deutsche Post hat 28 Beamte in den Briefniederlassungen Frankfurt und Gießen, der Zustellbasis Frankfurt und im Paketzentrum Rodgau auf im April bestreikten Arbeitsplätzen eingesetzt gehabt.
Das Bundesverfassungsgericht hatte in einem Beschluss vom 02.03.1993 (1 BVR 1213/85) entschieden, dass die damalige Bundespost nicht den Einsatz von Beamten auf bestreikten Arbeitsplätzen hätte anordnen dürfen. Soweit die Post Arbeitnehmer auf arbeitsrechtlicher Grundlage beschäftige, betätige sie sich als Privatrechtssubjekt. Hingegen bediene sie sich bei einem angeordneten Einsatz von Beamten auf bestreikten Arbeitsplätzen eines Mittels, dass ihr nur als Hoheitsträger zustehe. Dadurch würde die öffentliche Verwaltung im Gegensatz zu privaten Arbeitgebern über ein zusätzliches Kampfmittel bei kollektiven Streitigkeiten verfügen. Das Recht auf ein solches Kampfmittel aber könne nur durch Gesetz garantiert werden.
Die Post hat zunächst den Einsatz bestritten gehabt und sich dann damit versucht, herauszureden, der Einsatz sei ja „freiwillig“ und nicht angeordnet. Tatsächlich hatte das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss darauf abgehoben, dass private Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer ja auch nicht anweisen könnten, auf bestreikten Arbeitsplätzen zu arbeiten. Damit war indirekt natürlich eingeschlossen, dass Arbeitnehmer rechtlich nicht gehindert sind, als Streikbrecher während des Streiks zu arbeiten. Die Gewerkschaft ver.di meint hingegen, der Einsatz von Beamten in Streiks als Streikbrecher sei schlicht verboten, egal ob der Einsatz freiwillig sei oder angeordnet.
In der Tat stellt sich die Frage, inwieweit der „Dienst“ von Beamten überhaupt „freiwillig“ sein k a n n. Nimmt man das Beamtenrecht ernst – was angesichts der ständig zunehmenden Kritik internationaler Organisationen am Deutschen Beamtenrecht keineswegs selbstverständlich ist – dann gibt es gar keinen freiwilligen Dienst. Im hierarchischen Dienstverhältnis des Beamten ist kein Platz für die Kategorie der „Freiwilligkeit“. Zudem wäre die Berufung der Post auf eine solche Kategorie im Zusammenhang mit dem Einsatz von Beamten als Streikbrecher wohl auch rechtsmissbräuchlich. Andererseits gibt es gerade kein gesetzliches Verbot eines solches Einsatzes. Wer dieses fordert, muss sich darüber im Klaren sein, dass diese Frage kaum gelöst würde, ohne nicht zugleich ein Arbeitskampfgesetz zu verabschieden. Die Nebenwirkungen eines solchen Gesetzes könnten für die Gewerkschaften verheerend sein.
Der neuerliche Versuch, auf den reaktionären Beamtenstatus zurückzugreifen, wirft vielmehr in aller Schärfe die Frage nach der Verfassungswidrigkeit des ebenfalls gesetzlich nicht ausdrücklich verankerten Streikverbots auf, das zudem gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt. (vgl., Geffken, Die Legende vom Streikverbot für Beamte – Vortrag Ver.di Südhessen, in: http://archiv.labournet.de/branchen/dienstleistung/oed/streikverbot_geffken.pdf
Diese Auffassung teilen zwar die meisten Verwaltungsgerichte nicht, sie wird sich aber auf Dauer schon angesichts der Europarechtswidrigkeit einer solchen Rechtsprechung durchsetzen. Abkürzen kann man die Dauer dieses Prozesses nur durch Praxis. Beamte sollten sich wehren. Ob durch eigene Streiks, durch Verweigerung von Streikverbrecherarbeit, durch Dienst nach Vorschrift oder durch „Arbeitsunfähigkeit“ ist dabei ziemlich sekundär.
Siehe zum Hintergrund: