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Streikrecht vor dem Bundesarbeitsgericht
Dossier
Am 20. November 2012 wird das Bundesarbeitsgericht darüber entscheiden, ob Beschäftigte in kirchlichen Wirtschaftsunternehmen streiken dürfen.
- Streik ja, aber nur ein bisschen
Die Erwartungen hätten kaum höher sein können: Dürfen kirchliche Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen streiken? Sie tun es immer häufiger, obwohl Caritas, Diakonie und Kirche auf einem strikten Streikverbot bestehen. Jetzt hat das Bundesarbeitsgericht entschieden: Der »Dritte Weg« der Kirchen bleibt. Aber die Gewerkschaften bekommen einen Fuß in die Tür. Ein Kommentar von Franz Segbers im Publik-Forum vom 21.11.2012 zum Kommentar
- Arbeitskampf in kirchlichen Einrichtungen – Dritter Weg
„Verfügt eine Religionsgesellschaft über ein am Leitbild der Dienstgemeinschaft ausgerichtetes Arbeitsrechtsregelungsverfahren, bei dem die Dienstnehmerseite und die Dienstgeberseite in einer paritätisch besetzten Kommission die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten gemeinsam aushandeln und einen Konflikt durch den neutralen Vorsitzenden einer Schlichtungskommission lösen (sog. Dritter Weg), dürfen Gewerkschaften nicht zu einem Streik aufrufen. Das gilt jedoch nur, soweit Gewerkschaften in dieses Verfahren organisatorisch eingebunden sind und das Verhandlungsergebnis für die Dienstgeberseite als Mindestarbeitsbedingung verbindlich ist…“ Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichtes vom 20.11.2012
- Arbeitskampf in kirchlichen Einrichtungen – Zweiter Weg
„Entscheidet sich die Kirche, die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten ihrer diakonischen Einrichtungen nur dann durch Tarifverträge auszugestalten, wenn eine Gewerkschaft zuvor eine absolute Friedenspflicht vereinbart und einem Schlichtungsabkommen zustimmt, sind Streikmaßnahmen zur Durchsetzung von Tarifforderungen unzulässig…“ Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichtes vom 20.11.2012
- Sieger auf beiden Seiten: Ver.di und Kirchen interpretieren BAG-Entscheidung zum Streikrecht in ihrem Sinne
„Die vom Bundesarbeitsgericht (BAG) am Dienstag nachmittag in Erfurt getroffene Entscheidung zum Streikrecht in der Diakonie erfreut sich allgemeiner Zustimmung. Einerseits versteht die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di das Urteil als Bekräftigung des Rechts der rund 1,3 Millionen Kirchenbeschäftigten, an Arbeitsniederlegungen teilzunehmen. Auf der anderen Seite lesen Kirchenfunktionäre aus der Urteilsbegründung eine Bestätigung ihres »dritten Wegs« zur kircheninternen Aushandlung von Arbeits- und Einkommensbedingungen. Auch aus der Politik kommt vor allem Zustimmung…“ Artikel von Herbert Wulff in der jungen Welt vom 22.11.2012
- Urteil zu Arbeitskampf in Kirchen: Ein bisschen streiken ist erlaubt
Ein schaler Sieg für die Gewerkschaft Ver.di: Mitarbeiter von Kirchen dürfen auch in Zukunft nur ausnahmsweise streiken, urteilt das Bundesarbeitsgericht. Artikel von Christian Rath in der TAZ vom 20.11.2012
- Und wieder siegt die Kirche
Das Urteil des höchsten deutschen Arbeitsgerichts ist kein Erfolg für die Beschäftigten und die Gewerkschaft Ver.di. Grundsätzlich haben die Richter nicht am Dritten Weg der Kirchen gerüttelt. Kommentar von Eva Völpel in der TAZ vom 21.11.2012
- Dorniger Dritter Weg
Das Urteil zum Streikrecht verschafft den Kirchen eine Atempause – nicht mehr. Sie müssen zügig ihre Angriffsflächen verkleinern. Artikel von Reinhard Bingener in der FAZ vom 21.11.2012
- Bundesarbeitsgericht bestätigt Streikrecht in der Diakonie
„Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) sieht sich in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zum Streikrecht in kirchlichen Einrichtungen bestätigt. „Damit ist das von der Diakonie beantragte Streikverbot vom Tisch. Arbeitnehmer in kirchlichen Einrichtungen und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft können sich auf die Koalitionsfreiheit und damit auf das Streikrecht berufen, weil der Dritte Weg unzureichend ist“, sagte der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske am Dienstag in Erfurt…“ Pressemitteilung von ver.di vom 20.11.2012
- Bundesgericht mahnt Kirchen und Gewerkschaften zu Zusammenarbeit
Meldung beim Evangelischen Pressedienst vom 20.11.2012 Aus dem Text: „…Der Präsident des diakonischen Bundesverbandes, Johannes Stockmeier, indes sieht das kirchliche Arbeitsrecht durch das Urteil gestärkt: «Das bestehende System des Dritten Weges hat eine dicke Unterstreichung erfahren.» Er erklärte die BAG-Entscheidungen, dass die Revisionen von Diakonie und Kirche zurückgewiesen wurden, damit, dass es sich in den verhandelten Streitfällen um «atypische Einzelfälle» gehandelt habe….“
- Gemeinsam sind wir stark
„Gestern war ein guter Tag für die Kirche und ihre Caritas: der erste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat in Erfurt entschieden, dass Streik und Aussperrung in kirchlichen Einrichtungen nicht zulässig sind, wenn der Dritte Weg konsequent eingehalten wird. Erst die ausführliche Urteilsbegründung, die voraussichtlich in einigen Monaten vorliegt, wird die Argumente im Einzelnen deutlich werden lassen. Doch eines kann jetzt schon festgestellt werden: Die Dienstgemeinschaft lebt vom Konsens, nicht von einem Recht auf Streik und Aussperrung…“ Kommentar von Peter Neher, Präsident des Deutschen Caritasverbandes, auf katholisch.de vom 21.11.2012
- „Punktsieg für die Gewerkschaften“
Presseschau Streikrecht in der Frankfurter Rundschau vom 21.11.2012
- Bundesarbeitsgericht Erster Senat 20. November 2012: Arbeitskampfrecht; Zulässigkeit von Streiks in kirchlichen Einrichtungen – 1 AZR 179/11 –
„Die Kläger verfolgen das Ziel, der beklagten Gewerkschaft den Aufruf ihrer Mitglieder zu Arbeitskampfmaßnahmen sowie die Organisation und Durchführung der Kampfmaßnahmen untersagen zu lassen. Die Kläger zu 1. bis 4 sind privatrechtlich organisierte diakonische Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Die Kläger zu 5. 7. und 8. sind diakonische Einrichtungen. Die Klägerinnen zu 6. und 9. sind die Evangelische Kirche von Westfalen und die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannover. Nachdem die Beklagte die Kläger zu 1. bis 4. zur Aufnahme von Tarifverhandlungen aufgefordert und für den Weigerungsfall Maßnahmen des Arbeitskampfs angedroht hatte, kam es in den Einrichtungen der Kläger zu 1. bis 3. zu Arbeitsniederlegungen. Die Kläger machen im Wesentlichen geltend, die Durchführung von Arbeitskämpfen im Bereich der Diakonie sei aufgrund des grundgesetzlich garantierten Selbstbestimmungsrechts der Kirchen grundsätzlich ausgeschlossen. Für die Regelung der Arbeitsbedingungen sei der „Dritte Weg“ vorgesehen. Er sehe anstelle der konfrontativen Auseinandersetzung um den Abschluss von Tarifverträgen einvernehmliche Regelungen durch paritätisch besetzte Arbeitsrechtliche Kommissionen vor. Komme es nicht zu einer einvernehmlichen Regelung, sei ein unabhängiger Schlichterspruch vorgesehen. Die Kläger meinen, die Voraussetzungen für den Unterlassungsausspruch seien erfüllt. Auch den Klägern zu 5. bis 9. stehe ein Unterlassungsanspruch aus eigenem Recht zu. Die Beklagte beruft sich darauf, sie sei zu den Arbeitskampfmaßnahmen aufgrund von Art. 9 Abs. 3 GG berechtigt. Es gebe keine rechtliche Grundlage dafür, das Tarif- und Arbeitskampfrecht im Bereich kirchlicher Einrichtungen auszuschließen. Den besonderen Anforderungen des kirchlichen Dienstes, etwa im Bereich der Krankenpflege, könne im Konfliktfall durch den Abschluss entsprechender Notdienstvereinbarungen Rechnung getragen werden, wie es bei staatlichen Einrichtungen der Daseinsvorsorge üblich sei. Darüber hinaus beruft sich die Beklagte auf prozessuale Einwände. Die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs seien jedenfalls nicht erfüllt…“ Mitteilung des Bundesarbeitsgerichts
- Dienstgemeinschaft: „Gleiches Recht für alle“
Diese Woche entscheidet das Bundesarbeitsgericht über das Streikrecht in kirchlichen Betrieben. Verdi-Chef Frank Bsirske über Verbote, miese Bezahlung und das Ende der Harmonie. Das Interview von Raoul Löbbert in Christ & Welt Ausgabe 47/2012 . Aus dem Text: „(…) C & W: Was passiert, wenn Sie vorm Bundesarbeitsgericht recht bekommen? Bsirske: Dann werden wir erleben, dass viele diakonische Einrichtungen Tarifverträge abschließen werden, so wie es sich für jedes Wirtschaftsunternehmen, egal wer es betreibt, gehört. C & W: Warum konzentriert sich Ihre Kritik eigentlich auf die Diakonie? Die Caritas als katholisches Unternehmen ist genauso betroffen. Sind Protestanten schlechtere Arbeitgeber? Bsirske: Tatsächlich hält die Caritas sich noch in stärkerem Maße verbindlich an das Tarifniveau des öffentlichen Dienstes, während die deutlich disparateren diakonischen Einrichtungen einen unübersichtlichen Regel-Dschungel entwickelt haben. Dennoch schippert die katholische Kirche beim Thema Streikrecht quasi im Schlepptau der diakonischen Wirtschaftsunternehmen. Richtig absurd wird es, wenn man bedenkt, dass der Vatikan Tarifverträge abschließt, während seine Vertreter auf deutschem Boden diese generell als kirchenfremd bezeichnen. Hier verwickelt sich die katholische Kirche in Deutschland in unauflösbare Widersprüche…“
- Gewerkschaften und Organisationen fordern „Kirchlichen Arbeitgebern klare Grenzen setzen!”
„Auf Münchner Ebene konnte eine Initiative mit dem AKS, den Gewerkschaften ver.di und GEW sowie der Fachschaft Soziale Arbeit der Hochschule für angewandte Wissenschaften entstehen. Gemeinsam fordern wir: “Schluss mit der Diskriminierung! Legal ist nicht legitim. Den kirchlichen Arbeitgebern klare Grenzen setzen!…” Pressemitteilung der Münchner Initiative gegen Diskriminierung durch kirchliche Arbeitgeber vom 16.11.2012
- Presse- und Dokumentationsmappe: „Kirchliche Arbeitgeber“
bereitgestellt vom Arbeitskreis kritische Soziale Arbeit –München – 11/2012
- Aktion Absageagentur
Im Rahmen der Kampagne zu „kirchlichen Arbeitgebern“ stellt der Arbeitskreis kritische Soziale Arbeit München eine „Absageagentur“ zur Verfügung. Von November 2012 bis März 2013 sammelt der Arbeitskreis Jobabsagen zu religiös diskriminierenden Stellenausschreibungen und leitet diese am die Arbeitgeber weiter. Siehe die Pressemitteilung vom 16.11.2012 . Aus dem Text: „Vorlage für katholische Arbeitgeber: Sehr geehrte Damen und Herren, ich danke Ihnen für die Ausschreibung oben genannter Stelle als Sozialpädagogin im Bereich Jugendarbeit. Auf der Grundlage meines Anforderungsprofils habe ich nach einer sorgfältigen Auswertung der Stellenanzeigen eine Vorauswahl getroffen. Auch wenn ich einer christlichen Kirche angehöre, ist es mit meinem Gewissen nicht vereinbar für einen Arbeitgeber zu arbeiten, der die Kirchenzugehörigkeit als verpflichtend ansieht, da die ausgeschriebene Tätigkeit de-facto von Steuermitteln refinanziert wird und mit ihr lediglich staatliche Aufgaben umgesetzt werden. Generell ist mir zudem bekannt, dass die sexuelle Orientierung und die private Lebensweise (nicht-kirchliche Heirat, uneheliches Kind, 2. Heirat etc.) bei Ihnen grundsätzlich zu Problemen führen kann und immer wieder zu Problemen führt. Dies sehe ich als aktive Diskriminierung und Einmischung in das Privatleben der Beschäftigten. Darüber hinaus sind bei Ihnen die Mitarbeiterrechte eingeschränkt u.a. da das Betriebsverfassungsgesetz nicht bei kirchlichen Arbeitgebern gilt. Daher kann ich Ihr Angebot leider nicht berücksichtigen und muss Ihnen mit Bedauern mitteilen, dass Ihre Ausschreibung nicht in die Endauswahl gekommen ist. Ich hoffe, dass Sie mit Ihrer Ausschreibung bei anderen Arbeitssuchenden auf mehr Interesse gestoßen sind. Mit freundlichen Grüßen..“
- AKS München – Arbeitskreis kritische Soziale Arbeit – München
Die Homepage des Arbeitskreises mit vielen weiteren interessanten Dokumenten
- Kirchenarbeitsrecht
„Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren, am 20. November 2012 wird das Bundesarbeitsgericht darüber entscheiden, ob Beschäftigte in kirchlichen Wirtschaftsunternehmen streiken dürfen. Mit diesem Schreiben möchten wir Ihnen die Hintergründe der Auseinandersetzung verdeutlichen…“ Das Schreiben von Verdi-Chef Frank Bsirske an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages vom 13.11.2012