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Thalia-Management kündigt Betriebsfrieden. Miese Tricks: Buchhandelskette Thalia zerschlägt Sozialpartnerschaft und begeht Tarifflucht
Dossier
„Unglaublich, aber wahr: Mit der Mitteilung, er habe den Berliner Betrieb mit seinen dreizehn Filialen rückwirkend zum 01.01.2021 aufgespalten und im Wege von Betriebsübergängen in zwei verschiedene, nicht tarifgebundene Gesellschaften überführt, kündigt der Arbeitgeber den Betriebsfrieden bei Thalia auf. Ein gutes Betriebsklima, transparente Diskussionen und Kooperation unter Sozialpartnern will die Unternehmensleitung nicht mehr: Sie stellt die 220 Beschäftigten kurzerhand vor vollendete Tatsachen. „Das Unternehmen nutzte in infamer Weise die Widrigkeiten der Corona-Pandemie und den Jahreswechsel, um in grober Missachtung der gesetzlichen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats eine derart gravierende Betriebsänderung zum Nachteil der Beschäftigten durch die Hintertür durchzuziehen“, sagte Erika Ritter, zuständige ver.di Landesfachbereichsleiterin in Berlin-Brandenburg. „Geltende arbeitsrechtliche Bestimmungen scheinen den Herrschaften an der Unternehmensspitze völlig egal zu sein.“ Die Thalia-Gesellschaft in Berlin war bis vor acht Tagen tarifgebunden. Mit der vorgestern verkündeten Unternehmensentscheidung flüchtet das Management aus der Tarifbindung und greift die Einkommens- und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten von einem auf den anderen Tag frontal an…“ Meldung des ver.di Bezirks Berlin FB 12 (ohne Datum), siehe dazu:
- Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden: Gütetermin am 3. Mai ohne Einigung – Hauptverhandlung am 18. August 21
- Kampf gegen Mitbestimmung: Die Buchhandelskette Thalia will ihren Betriebsratsvorsitzenden loswerden. Der wehrt sich vor Gericht
„Rund 50 Personen protestierten am Montagmorgen vor dem Berliner Arbeitsgericht, während drinnen die Kündigungsschutzklage des langjährigen Betriebsratsvorsitzenden der Buchhandelskette Thalia, Thomas Sielemann, verhandelt wurde. Das Unternehmen hatte ihn nach Umstrukturierungen betriebsbedingt gekündigt. Per Live-Schaltung zum Thalia-Hauptsitz in Hagen wurde vor dem Gerichtsgebäude übertragen, wie Kolleg*innen über 3600 Unterschriften gegen die Kündigung überreichten. Das alles konnte jedoch nichts daran ändern, dass der Gütetermin ohne Einigung endete. »Der Arbeitgeber hat heute nichts zu einer gütlichen Einigung angeboten. Darum ist die Hauptverhandlung für den 18. August terminiert«, sagte Sielemann zu »nd«...“ Artikel von Jörg Meyer vom 03.05.2021 im ND online , siehe auch: - Thalia vor Gericht. Betriebsrat Thomas Sielemann klagt gegen Kündigung und Union Busting. Breite Unterstützung vor Prozessbeginn
„Wochenbeginn, kurz nach halb neun, aber etwa 50 Gewerkschafter sind bereits hellwach. Sie stehen ihrem Kollegen Thomas Sielemann solidarisch zur Seite, der gegen einen Betriebsübergang und eine Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch die Buchhandelskette Thalia vor dem Arbeitsgericht Berlin geklagt hat. »Du hast unseren Rückhalt. Wir lassen uns dieses Vorgehen nicht gefallen«, ruft Conny Weißbach, Leiterin des Fachbereichs Einzelhandel im Verdi-Landesbezirk Berlin-Brandenburg, unter dem Applaus der Teilnehmer ins Mikrofon. Anwesend sind Betriebsratsmitglieder und gewerkschaftlich organisierte Thalia-Beschäftigte aus Berlin und Hamburg wie auch Pascal Meiser, Berliner Bundestagskandidat für Die Linke. Diesem Termin vorausgegangen ist eine der vielen sich flächenbrandartig ausbreitenden Geschichten von Tarifflucht und Zerschlagung bestehender Unternehmensstrukturen, um engagierte Betriebsräte kaltzustellen. (…) Vor dem Berliner Arbeitsgericht gab es bis jW-Redaktionsschluss noch keine Entscheidung. Für Sielemann und seine Rechtsvertretung ist jedenfalls klar, dass sie für die Rechte des Betriebsrates und für die Rückkehr in die Tarifbindung weiterkämpfen werden.“ Artikel von Gudrun Giese in der jungen Welt vom 04.05.2021 - Buchriese unter Beschuss. Bundesweiter Protest gegen Tarifflucht und Filialausgliederung bei Thalia. Aktionen für Betriebsrat in Berlin
„… »Die demokratische Grundhaltung wurde hier bis ins Letzte zerschlagen. Zu allem Überfluss hat man in infamer Weise die Coronapandemie ausgenutzt und die in dieser Ausnahmesituation verunsicherten Mitarbeitenden vor vollendete Tatsachen gestellt«, erklärte Sielemann vergangene Woche auf jW-Nachfrage. Der 57jährige klagt vor dem Arbeitsgericht Berlin gegen seinen alten Betrieb, ein erster Termin fand in den Morgenstunden des 3. Mai statt, zwei Wochen später soll der zweite folgen. Der überregionalen Unterstützung kann sich Sielemann dabei sicher sein. Innerhalb kürzester Zeit haben mehr als 3.600 Menschen eine Petition zur sofortigen Rücknahme seiner Kündigung unterschrieben. Auch Verdi Berlin-Brandenburg unterstützt den bundesweiten Protest…“ Artikel von Julian Städing in der jungen Welt vom 04.05.2021
- Kampf gegen Mitbestimmung: Die Buchhandelskette Thalia will ihren Betriebsratsvorsitzenden loswerden. Der wehrt sich vor Gericht
- Aufruf zur Soli-Aktion gegen Arbeitgeberwillkür vor dem Arbeitsgericht Berlin am 03. Mai 2021
„Am 03. Mai 2021 findet ein erster Gerichtstermin beim Arbeitsgericht in Berlin statt. Wir wollen ein öffentliches Zeichen setzen, um Thomas Sielemann zu unterstützen und dabei deutlich zu machen, dass der Schutz von Betriebsräten und gewerkschaftlichen Funktionsträgern vor Arbeitgeberwillkür dringend verbessert werden muss. Wir laden Sie herzlich ein, am 03. Mai 2021 ab 8:30 Uhr vor dem Eingang des Berliner Arbeitsgerichts, Magdeburger Platz 1 dabei zu sein und Thomas Sielemann den Rücken zu stärken. Selbstverständlich werden wir die erforderlichen Hygienemaßnahmen gemeinsam strikt einhalten. Dazu gehört, dass Sie Ihre Teilnahme bitte unbedingt kurz unter der Telefonnummer 0151/ 251 64 998 anmelden, damit wir die Gesamtteilnehmerzahl entsprechend nachhalten können. Auf Ihre Beteiligung freuen wir uns sehr! Vielen Dank und herzliche Grüße, Ralph Thomas, Administrator der Petition (Gewerkschaft ver.di, Fachbereich Handel Berlin-Brandenburg)“ Meldung zur Petition bei Campact - Buchhändler Thalia: Vereint gegen Union Busting
„… Am Mittwoch trafen sich über 60 Betriebsrät*innen und Gewerkschafter*innen aus verschiedenen Branchen und mehreren Bundesländern auf Einladung der Linke-Bundestagsfraktion zu einer Videokonferenz, um unter anderen darüber zu beraten. Mit dabei: Der Berliner Betriebsrat des Buchhändlers Thalia. »Thalia zeigt eine der härtesten Vorgehensweisen, die ich bisher mitbekommen habe«, stellte Franziska Foullong, Gewerkschaftssekretärin im Bereich Handel bei Verdi Berlin-Brandenburg, bei der Veranstaltung fest. Wie in vielen Unternehmen gilt auch hier: Informationen würden oft zu spät oder gar nicht an den Betriebsrat weitergegeben, häufig entscheidet dann der längere Atem. »Die Arbeitgeber haben das Geld, den Nerv und die Zeit für Gerichtsverfahren«, berichtete etwa ein Betriebsratsmitglied des Handelskonzerns Footlocker. Doch zurück zu Thalia. Der Konzern mit seiner bundesweiten Filialstruktur und etlichen Tochterunternehmen hatte kurz nach dem Jahreswechsel überraschend angekündigt, seine Berliner GmbH umzubauen – oder besser: zu zerschlagen. Das Unternehmen hat einen Betriebsrat und ist seit Jahr und Tag tarifgebunden. Mit dem neuen Modell wurden zwölf Filialen an eine Thalia-Tochter verkauft, die 13. blieb allein in Spandau. Das »alte« Unternehmen Thalia blieb als leere Hülle zurück (»nd« berichtete). Thalia hat den Plan im Geheimen ausgetüftelt und den Betriebsrat im letzten Moment vor vollendete Tatsachen gestellt. Der langjährige Vorsitzende des neunköpfigen Betriebsrats wurde nach Spandau ins Exil geschickt, die anderen Mitglieder arbeiten in der neuen Firma. Klagen gegen die neue Struktur scheiterten vor dem Arbeitsgericht. Das Gremium hätte rechtzeitig informiert werden müssen, damit ein Interessenausgleich geschlossen werden kann. Damit sollen Nachteile für die Beschäftigten abgemildert werden. Aber: Der Interessenausgleich, den das Betriebsverfassungsgesetz vorsieht, ist nicht erzwingbar. Das Gericht habe zwar schwere Gesetzesverstöße festgestellt, sagte Rechtsanwältin Sirkka Schrader, die den Thalia-Betriebsrat vertritt, aber da war nichts mehr zu machen. Wenn der Unternehmensumbau erst vollzogen ist, kann die Uhr nicht zurückgedreht werden. Der Betriebsratsvorsitzende Thomas Sielemann klagte zwar erfolgreich gegen seine Zuordnung zur Spandauer Filiale und wurde der alten GmbH wieder zugeordnet. Da diese aber keine Filialen mehr hat, bekam er in der Folge eine betriebsbedingte Kündigung, »zusammen mit zwei schwerbehinderten Kolleg*innen, die nicht gekündigt werden können«, wie er erzählt. Auch er kann als Betriebsrat nicht einfach gekündigt werden. Die Kündigungsschutzklagen laufen noch…“ Artikel von Jörg Meyer vom 09.04.2021 im ND online - [Petition] Thalia Betriebsratsvorsitzender Thomas Sielemann muss bleiben
„… unlängst haben Sie gesagt, dass gerade in der aktuellen Situation jede(r) Einzelne aufstehen und für Ihre Überzeugungen einstehen muss. Hier nehmen wir Sie beim Wort. Wir fordern Sie auf, das Vertrauensverhältnis zwischen Firmenleitung und Beschäftigten wieder aufzubauen, das faktisch gerade nicht existent ist. Als ersten Schritt verlangen wir die sofortige Rücknahme der Kündigung des Berliner Betriebsratsvorsitzenden Thomas Sielemann. Als zweiten Schritt fordern wir Sie zum Abschluss eines Anerkennungstarifvertrages auf die Flächentarifverträge des Einzelhandels auf. Mit diesen Maßnahmen würden Sie Motivation und Identifikation ihrer Mitarbeiter:innen erheblich erhöhen. Warum ist das wichtig? Wir sind überzeugt davon, dass Tarifverträge der einzige Weg zu einer fairen Sozialpartnerschaft mit guten und planbaren Einkommen sind und für diese Überzeugung stehen wir ein. Sie vermitteln in der Öffentlichkeit immer wieder, dass Ihnen das Wohl der Beschäftigten besonders am Herzen liegt. Leider haben wir in letzter Zeit wenig bis gar nichts davon wahrnehmen können. In einer Nacht- & Nebelaktion haben Sie die Mitarbeiter:innen der Thalia Buchhandlung Berlin mit der Tatsache konfrontiert, dass es für sie keine soziale Sicherheit durch einen Tarifvertrag mehr geben wird. Darüber hinaus haben Sie nur eine Berliner Filiale, in der nun auch „zufällig“ der langjährige Betriebsratsvorsitzende formal angegliedert ist, an einen Franchiseunternehmer verkauft. Diese Vorgehensweise ist für die Beschäftigten angesichts der aktuellen Situation besonders empörend! (…) Auch der Betriebsrat wollte – freilich aus der Sicht der Beschäftigten – alles zu einem möglichst ertragreichen Weihnachtsgeschäft beisteuern. Möglicherweise begünstigte dies die durchaus erstaunliche Tatsache, dass bis nach Vollzug des Betriebsübergangs weder Betriebsrat noch Mitarbeiter:innen etwas von den Plänen der Geschäftsleitung erfuhren. Sie konnte den Betriebsübergang geheim halten, obwohl Sie vier Wochen im Voraus über die Pläne hätte informieren müssen. Das ist ein klarer Verstoß gegen das Betriebsverfassungsgesetz. Noch gravierender ist die Tatsache, dass der Berliner Wirtschaftsausschuss gezielt fehlinformiert wurde. (…) Aus unserer Sicht haben Sie nicht nur auf die Schnelle den Betriebsratsvorsitzenden „entsorgt“, sondern auch alle Mitarbeiter:innen der Filiale Spandau von den sozialen und wirtschaftlichen Vorteilen eines großen Wirtschaftsunternehmens abgehängt…“ Petition bei Campact an die Geschäftsführung Thalia: Michael Busch, Marcus Droste, Roland Kölbl, Ingo Kretzschmar, Corinna Offer - Streit bei Thalia
„Die Buchkette organisiert sich neu und steigt aus dem Tarif aus. Nun muss auch noch der Berliner Betriebsratschef gehen – nachdem er sich gegen die Auslagerung seiner Filiale gewehrt hatte. Als Thalia-Chef Michael Busch vor einer Woche in der Bundespressekonferenz saß, um in Pandemiezeiten für eine Wiederöffnung der Buchhandlungen zu werben, sprach er auch von der Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern. Zur selben Zeit flatterte bei Thomas Sielemann die Kündigung in den Briefkasten – „aus den Ihnen bekannten Gründen (…) fristgerecht zum 30. September 2021“, heißt es in dem Schreiben. „Dann sind gut 30 Jahre bei Thalia vorbei“, sagt Sielemann bitter. Dabei hat er lediglich einem Betriebsübergang an einen Franchisepartner widersprochen, weil er im Hauptbetrieb bleiben wollte und eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen fürchtete. Thalia hatte Anfang Januar angekündigt, die Vertriebsstrukturen und das Vergütungssystem anzupassen. In diesem Zuge hat das Unternehmen zwölf Berliner Filialen an die Vertriebsgesellschaft Nord verlagert sowie die Filiale Spandau an einen früheren Thalia-Manager übertragen. (…) Das Erstaunliche: Der Spandauer Filiale war Thomas Sielemann, 57, zugeordnet – der Betriebsratschef der 13 Berliner Thalia-Niederlassungen, der auch noch als Vorsitzender der Verdi-Tarifkommission Einzelhandel aktiv ist. Besteht da ein Zusammenhang? „Bei Thalia verfolgen wir immer das Ziel, ein konstruktives wie vertrauensvolles Verhältnis mit unseren Betriebsräten herzustellen. Das gilt auch für Berlin. Und natürlich gibt es in Berlin weiter Betriebsräte“, antwortet das Unternehmen. Warum Thalia der Bitte nach Versetzung nicht nachgekommen ist, will die Firma nicht sagen, weil „wir uns zu einzelnen Personen grundsätzlich nicht äußern“. Das hätte sich angeboten, da Sielemann als Betriebsratschef sowieso freigestellt war und nie in der Filiale Spandau gearbeitet hat. Sielemann bereitet sich auf ein Kündigungsschutzverfahren vor. „Ich stehe nach wie vor auf dem Standpunkt, dass ich als freigestellter Betriebsrat zum Hauptbetrieb gehöre“, sagt Sielemann. Zuvor hatte er noch versucht, für die Spandauer Mitarbeiter gerichtlich einen Interessenausgleich zu erzielen. Den gebe es regulär nämlich nur, wenn der Vorgang noch nicht abgeschlossen sei. Und da der Betriebsrat erst nach Vollzug informiert worden sei, war es dafür zu spät. (…) Der Arbeitsrichter der Einigungsstelle habe das Vorgehen Thalias mit deutlichen Worte missbilligt, was den Buchhändlern aber letztlich nichts brachte. „Thalia hat es offenkundig geschafft, das so geheim zu halten, dass niemand etwas wusste“, kritisiert Sielemann, „und das ist offenbar konform mit der Rechtssprechung“. Dass Betriebsratschef Sielemann sozusagen auf diese Weise aus dem Betrieb gekegelt wurde, ist jedoch nur ein Aspekt der neuen Strukturen. Und dass die etwa 220 Berliner Beschäftigten mit ihrem erzwungenen Wechsel zu Thalia Nord, von denen laut Verdi bisher nur einige Bereiche tarifgebunden waren, um ihre tarifgerechte Entlohnung fürchten, wird angesichts des künftigen Vergütungssystems bei Thalia bekräftigt. (…)Die Beschäftigten streben nun zumindest einen Haustarifvertrag an, der sich nach dem normalen Tarifvertrag richtet. Gut möglich, dass es weiteren Thalia-Filialen so ergehen könnte wie der Spandauer…“ Artikel von Dieter Sürig vom 3. März 2021 in der Süddeutschen Zeitung online - Plötzlich ohne Betriebsratsvorsitzenden: Buchhandelskette Thalia schafft vollendete Tatsachen und steigt aus Tarifbindung aus
„»Die wollen letztlich raus aus der Tarifbindung und Geld bei den Beschäftigten sparen. Dafür müssen sie den Betriebsratsvorsitzenden wegschießen«, sagt Erika Ritter. Sie ist Landesfachbereichsleiterin Handel bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Der Ärger der Gewerkschaftsfunktionärin entzündet sich an der Ankündigung der Buchhandelskette Thalia, ihre 13 Berliner Filialen in neue Gesellschaften umzuwandeln und den Tarifvertrag des Einzelhandels zu verlassen. Zum 1. Januar ist das Unternehmen in eine sogenannte OT-Mitgliedschaft beim Handelsverband gewechselt – in die Mitgliedschaft ohne Tarifbindung. Konkret wurden von den 13 Berliner Filialen zwölf in die bereits existierende Thalia Nord eingegliedert, für die 13., die Filiale in Spandau, in der der Betriebsratsvorsitzende arbeitet, wurde eine neue GmbH gegründet. (…) An dieser Stelle wird Gewerkschafterin Ritter deutlich: »Corona ist hier eine günstige Gelegenheit, um einen Plan, den sie schon lange in der Schublade hatten, umzusetzen.« Der Betriebsratsvorsitzende habe sein Amt seit Jahren und sei äußerst erfahren und für die Geschäftsführung unbequem. Das Unternehmen will überdies »langfristig eine einheitliche Vergütung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Vertrieb erreichen«. (…) Nebenbei: Im Sommer stehen Tarifverhandlungen um die Löhne und Gehälter für die Handelsbranche an. Keine Tarifbindung zu haben, heißt für die rund 220 Berliner Beschäftigten, dass sie von künftigen Erhöhungen keinen Euro sehen würden. Rechtlich nennt man den Vorgang einen Betriebsübergang nach Paragraf 613 a BGB. Der Arbeitgeber muss demzufolge Regelungen aus Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen mit ins neue Unternehmen nehmen und darf sie nicht vor Ablauf eines Jahres ändern. Mit einer Ausnahme: Die Gewerkschaft oder der Betriebsrat treffen eine neue Vereinbarung oder Beschäftigte unterschreiben einen neuen Vertrag. Zudem muss der Arbeitgeber den Betriebsrat »rechtzeitig und umfassend« informieren. »Jetzt prüfen wir, ob die Betriebsspaltung und die Betriebsübergänge überhaupt rechtens sind«, sagt Erika Ritter, »weil der Arbeitgeber mindestens gegen seine Informations- und Verhandlungspflichten verstoßen hat.« (…) Breit aufstellen will sich auch Verdi, um den Angriff abzuwehren. Die im Februar beginnenden Betriebsversammlungen will die Gewerkschaft nutzen, um die Belegschaften weiter zu organisieren. Während in Hamburg, wo ein ähnlicher Prozess läuft, Friedenspflicht bis zum Jahresende herrscht, wären die Thalia-Belegschaften in Berlin theoretisch sofort »kampffrei«, könnten das Unternehmen also zu Verhandlungen über einen neuen Tarifvertrag auffordern und bei dessen Weigerung dafür streiken…“ Artikel von Jörg Meyer vom 12.01.2021 im ND online - Dumping aus dem Bilderbuch: Thalia stellt über Nacht seine Vertriebsstrukturen um und schickt 220 Berliner Beschäftigte in die Tariflosigkeit
Böse Überraschung für die Beschäftigten bei Thalia zum Jahresauftakt. In einem Brief an die »lieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter« vom 5. Januar hat das Management der Buchhandelskette »wichtige strukturelle Veränderungen« mit dem Ziel der »Verbesserung unserer Wettbewerbsposition« angekündigt. Im Kern laufen die Maßnahmen auf den flächendeckenden Ausstieg aus der Tarifbindung und dem Aufbau eines einheitlichen »Leistungs- und Vergütungssystems« hinaus. In einem ersten Schritt wurden dafür zum 1. Januar die 13 Berliner Filialen an zwei nicht tarifgebundene Gesellschaften angegliedert, ohne die Belegschaften davon vorab unterrichtet zu haben. Damit stelle man 220 Betroffene »kurzerhand vor vollendete Tatsachen« und »kündigt der Arbeitgeber den Betriebsfrieden auf«, beklagte die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi am Donnerstag in einer Stellungnahme. (…) Die außergewöhnliche Behandlung kommt wohl nicht von ungefähr: In Spandau ist der Berliner Betriebsratsvorsitzende an- und mit der Ausgründung praktisch kaltgestellt. Es dränge sich die Frage auf, »ob man sich hier mit miesen Tricks eines unbequemen Kollegen entledigen will«, bemerkte Erika Ritter, zuständige Verdi-Landesfachbereichsleiterin in Berlin-Brandenburg. (…) Auch die Kollegen in der Hansestadt müssen sich auf das Schlimmste gefasst machen. Wie jW am Freitag aus verlässlicher Quelle erfuhr, wurde dort die Mitgliedschaft im Unternehmerverband des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels Nord zum 30. Dezember 2020 mit Wirkung zum 31. Dezember 2021 gekündigt. Zugleich hat Thalia deutschlandweit eine OT-Mitgliedschaft (»ohne Tarifbindung«) im Handelsverband Deutschland (HDE) angemeldet…“ Artikel von Ralf Wurzbacher in der jungen Welt vom 09.01.2021