Der ver.di-Vorstoß, die Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen wieder einzuführen, ist erneut gescheitert

Dossier

ver.di-Kampagne zur Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen im Handel: „Einer für alle - Tarifverträge, die für alle gelten!“„Der Begriff der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen ist bei den meisten Beschäftigten schon wieder aus dem Kopf, viele hörten während der Tarifauseinandersetzung im Handel davon zum ersten Mal. (…) Seit nun mehr über 20 Jahren fliehen im Riesenwirtschaftsbereich Handel mit seinen 5,1 Millionen Beschäftigten immer mehr Betriebe aus der Tarifbindung. (…) Vor diesem Hintergrund trat ver.di in den Tarifrunden 2021 und im Bundestagswahlkampf für eine Stärkung der Tarifbindung und die Rückkehr zur Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen im Einzel- wie im Großhandel ein, auch um die schlechten Arbeitsbedingungen zu thematisieren und die Altersarmut der heute Beschäftigten zu verhindern. Dazu forderte die Gewerkschaft eine Änderung der geltenden Gesetze, um die Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen zu erleichtern und vor allem eine Abschaffung des Vetorechts der Unternehmen. (…) Die Umsetzung der Forderung der Gewerkschaft, die tarifvertraglich festgesetzten Einkommen durch das Arbeitsministerium für allgemeinverbindlich erklären zu lassen, ist am Veto der Unternehmerseite gescheitert.“ Beitrag vom 3. Dezember 2021 beim gewerkschaftsforum.de externer Link, siehe Hintergründe:

  • Tarifdrücker im Handel: Im Jahr 2023 arbeitete weniger als ein Viertel der Beschäftigten im Einzelhandel in tarifgebundenen Unternehmen New
    Vor 20 Jahren waren es noch mehr als drei Viertel. Beschäftigte im Einzelhandel konnten aufatmen: Nach zähem Ringen stand nach mehr als einem Jahr der Auseinandersetzungen mit dem Handelsverband ein Tarifabschluss. Die Kolleginnen und Kollegen »stehen bundesweit wieder unter dem Schutz rechtsverbindlicher Tarifverträge«, hatte die für den Handel zuständige Bundesvorständin der Gewerkschaft Verdi, Silke Zimmer, zur Einigung erklärt. Das letztlich erreichte Gehaltsplus war nach dem beinahe festgefahrenen Ringen mit den Handelsvertretern ein Erfolg für die Gewerkschaft – der leider für weniger als ein Viertel der Beschäftigten in der Branche gilt. Denn wie die Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linke-Gruppe im Bundestag zeigt, sind aktuell gerade einmal 22,9 Prozent der Beschäftigten im Einzelhandel in tarifgebundenen Unternehmen tätig. Vor zehn Jahren hatte der Anteil noch bei 38,2 Prozent gelegen, teilte das Bundesarbeitsministerium mit Verweis auf Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit mit. Demnach ist noch immer knapp ein Drittel (31,8 Prozent) der Erwerbstätigen im Einzelhandel im Niedriglohnbereich, mehr als doppelt so viele wie in der Gesamtwirtschaft (15,3 Prozent). Immerhin: Der Anteil an Niedriglöhnern im Einzelhandel ging demnach seit 2014 um fünf Prozentpunkte zurück. Vor 20 Jahren hätten noch mehr als drei Viertel der Beschäftigten Tariflohn erhalten, doch »die Arbeitgeber betreiben seit über 20 Jahren systematisch Tarifflucht«, erklärte Verdi-Vorständin Silke Zimmer am Montag gegenüber jW. Die aktuelle Tarifbindung in der Branche sei »unterdurchschnittlich und beschämend«. Vielfach seien die Beschäftigten infolgedessen »von Armut trotz Arbeit und Altersarmut bedroht«. Der Mindestlohn müsse bei der nächsten Erhöhung gestärkt werden, »denn der Kaufkraftverlust der Beschäftigten ist immens«. Aktuell müsse der Mindestlohn nach der EU-Richtlinie bereits 14 Euro betragen, so Zimmer. Verdi fordere eine Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge für alle Betriebe der Branche, »damit der ruinöse Verdrängungswettbewerb zu Lasten der Beschäftigten im Einzelhandel gestoppt wird«. Die Lücke zwischen Tarifbeschäftigten und tarifungebundenen Beschäftigten ist deutlich: Rund 500 Euro liegen zwischen den Monatsgehältern, wie aus der Antwort des Ministeriums hervorgeht. (…) Der Anteil sozialversicherungspflichtig Beschäftigter ging laut Ministeriumsantwort von 81 Prozent im Jahr 2022 auf 80,7 Prozent im Jahr 2023 zurück. Gleichzeitig seien mit 60 Prozent »überdurchschnittlich« viele Beschäftigte in Teilzeit, bemerkte das Linke-Büro. Mehr als zwölf Prozent aller Erwerbstätigen im Bürgergeldbezug (sogenannte Aufstocker) waren der Regierung zufolge im Einzelhandel beschäftigt. Wie der Antwort von Hubertus Heils Regierungsressort zu entnehmen ist, klafft bei den Gehältern im Einzelhandel eine deutliche Lohnlücke zwischen Ost und West. Während Tarifbeschäftigte in Brandenburg im Schnitt 19,44 Euro erhielten, waren es in Hamburg zwölf Euro pro Stunde mehr. Kamen tarifgebunden Beschäftigte insgesamt im vergangenen Jahr auf einen mittleren Bruttomonatslohn von 3.796 Euro, waren es im Einzelhandel demnach 2.952 Euro. Im Osten lag dieser zudem auch noch rund 200 Euro niedriger als im Westen. Am wenigsten erhielten nicht tarifgebundene Frauen aus Ostdeutschland mit 2.682 Euro brutto im Monat…“ Artikel von David Maiwald in der jungen Welt vom 17. September 2024 externer Link
  • Skizzierung einer Neuausrichtung der Tarifpolitik im Handel: Eine Branche mit einheitlichen bundesweiten Tarifverträgen
    Sinn und Zweck der Einheitsgewerkschaft besteht in der Akkumulation allgemein-, gewerkschafts- und tarifpolitischer Durchsetzungsstärke und Handlungsmacht. Voraussetzung dafür ist die Fähigkeit des Zusammenführens der lohnabhängig Beschäftigten in eine gewerkschaftliche Einheit. Eine Einheit in der Sache und eine Einheit, mit der wir die Lohnkonkurrenz zwischen den lohnabhängig Beschäftigten per Tarifvertrag abschaffen. Eine Einheit für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen und eine Einheit gegen die kapitalistische Ausbeutung sowie gegen jegliche Formen der Diskriminierung. In der betrieblichen, aber auch in der branchenpolitischen Auseinandersetzung zählt letztlich ein einheitliches Vorgehen aus dem Bewusstsein heraus, dass die Interessen der Beschäftigten nur durch geschlossenes, bewusstes Handeln durchgesetzt werden können. Dies gilt insbesondere in der Tarifpolitik. Die Kapitalvertreter und Personalführungen sind nach dem Motto geschult: „Teile und herrsche“. Wir setzen die gewerkschaftliche Einheit dagegen. Diese Einheit entsteht aus der Summe teils kontroverser Überlegungen um den richtigen Weg. Das ist notwendig und gelingt nur in einem offenen, vorbehaltlosen Dialog. Am Ende steht die Einigung, der Beschluss, das richtige Handeln, die Zustimmung der größtmöglichen Zahl von abhängig Beschäftigten, die Erweiterung unserer Mitgliederbasis. Es ist Zeit, dass wir mit unserer Gewerkschaft im Handel mit dieser offenen und kontroversen internen Diskussion beginnen. Dazu lade ich ein…“ Artikel vom 27. Januar 2023 von und bei Orhan Akman externer Link

Siehe Hintergründe im LabourNet:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=196085
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