- Automobilindustrie
- Bauindustrie und Handwerk
- Chemische Industrie
- Elektro- und Metall(-Zulieferer)
- Elektrotechnik
- Energiewirtschaft (und -politik)
- Fahrzeugbau (Vom Fahrrad, über Trecker bis zum Flugzeug)
- Gewerkschaften als Arbeitgeber
- Holz, Papier, Glas und Kunststoffe
- Landwirtschaft und Gartenbau
- Lebens- und Genussmittelindustrie
- Maschinen- und Anlagenbau
- Medien und Informationstechnik
- Rüstungsindustrie und -exporte
- Sonstige Branchen
- Stahl-Industrie
- Stoffe und Bekleidung
- Abfall/Umwelt/Ver-/Entsorgung
- Banken und Versicherungen
- Bildungs- und Erziehungseinrichtungen
- Call-Center
- Dienstleistungen allgemein/diverse
- Gastronomie und Hotelgewerbe
- Gesundheitswesen
- Groß- und Einzelhandel
- Kultur und/vs Freizeitwirtschaft
- Öffentlicher Dienst und Behörden
- Reinigungsgewerbe und Haushalt
- Sex-Arbeit
- Soziale Arbeit, Kirche und Wohlfahrts-/Sozialverbände
- Sportwirtschaft
- Transportwesen: (Öffentlicher) Personen (Nah)Verkehr
- Transportwesen: Bahn
- Transportwesen: Luftverkehr
- Transportwesen: Post- und Paketdienste
- Transportwesen: Speditionen und Logistik
- Wachdienste und Sicherheitsgewerbe
„Billigflaggen“ ermöglichen Ausbeutung und Umweltverschmutzung auf hoher See
„90 Prozent des Welthandels findet heute auf dem Seeweg statt. Auf den Schiffen steht es um ArbeitnehmerInnen- und Umweltschutz oft sehr schlecht. Grund dafür ist auch eine Rechtslücke: Reedereien steht es frei, den Flaggenstaat ihrer Schiffe zu wählen und sich so geltende Arbeits- und Umweltstandards quasi auszusuchen. Auf einem Schiff gilt das Recht des Flaggenstaates. Also das Recht jenes Staates, dessen Flagge auf dem Schiff gehisst ist. Durch diese Besonderheit des Seerechtes ist ein Wettbewerb zwischen Flaggenstaaten entstanden. Staaten mit sogenannten offenen Registern buhlen um Reedereien. Offenes Register heißt, dass es jeder Reederei freisteht, die Flagge des Landes anzunehmen – auch wenn keine weitere „echte Verbindung“ zwischen Person und Land besteht…“ Aus dem Artikel von Hans Heyduck vom 30. Juli 2019 im A&W-Blog des ÖGB
, siehe mehr daraus und dazu:
- Internationaler Seehandel: »Sie wollen die Waren, und sie wollen sie billig«. Ohne Bezahlung auf hoher See: Reeder setzen auf Billigflaggen und lassen Crews an Bord zurück
Im Gespäch mit Niki Uhlmann in der jungen Welt vom 5. März 2025erläutert der Koordinator des Inspektorats bei der International Transport Workers, Steve Trowsdale, die Berichtsergebnisse zu den allein 2024 312 nicht bezahlten Crews und Schiffe: „In den vergangenen Jahren haben wir Transportarbeiter deutlich proaktiver für das Problem sensibilisiert. Dank unserer Seminare erkennen sie früher, wenn sie und ihre Crew zurückgelassen werden. Das macht die Runde. Viele Schiffsleute haben Freunde oder Kollegen auf anderen Schiffen. Zudem klären wir in sozialen Medien mehr über das Thema auf, insbesondere bei Facebook, wo viele Transportarbeiter aktiv sind, um mit ihrer Heimat in Kontakt zu bleiben. So wurden auch andere Medien und mit ihnen Konzerne und die Öffentlichkeit darauf aufmerksam. (…) Eine signifikante. Schiffseigner sind an die Regeln und Gesetze des Landes gebunden, dessen Flagge sie nutzen. Das System der Billigflaggen ermöglicht es, in Länder zu flüchten, die kaum Vorschriften und Kontrollen vorsehen. Davon haben einige keine maritime Industrie, manche nicht mal eine Küste. Dort können Steuern und arbeitsrechtliche Mindeststandards umgangen werden. Tausende Konzerne machen davon Gebrauch. Unter den Billigflaggen von Panama, den Marshallinseln und Liberia segeln rund 15.000 Schiffe. (…) Schon bei zwei Monaten ohne Bezahlung gilt eine Crew nach dem internationalen Seearbeitsübereinkommen als verlassen. Letztes Jahr lagen uns 3.133 einzelne Fälle vor. Ihnen schuldete man 20 Millionen US-Dollar. Etwa elf davon wurden inzwischen ausgezahlt. Auf den Schiffen dürften aber deutlich mehr Arbeiter sein. Viele kommen nicht zu uns, weil sie Angst haben, ihre finanzielle Existenz zu verlieren. Die einzelnen Gewerkschaften organisieren Arbeitskämpfe. Manchmal funktioniert das, manchmal nicht. Die ITF beschlagnahmt gelegentlich Schiffe. Im Moment haben wir zwei in Kapstadt festgesetzt, auf denen sich etwa 90 Besatzungsmitglieder befinden. Das können wir aber nicht bei allen 312 Schiffen machen. Die Kosten sind einfach zu hoch. Zudem kontaktieren wir die Reedereien, üben Druck auf die Schiffseigner aus und melden Arbeitsrechtsverstöße bei der Internationalen Arbeitsorganisation. (…) Wenn man die Regierungen nicht dazu bringen kann, Sorgfaltspflichten vorzuschreiben, dann können andere Organisationen nicht viel tun. Einige Länder dieser Welt interessiert es nicht, dass Schiffe unter Billigflaggen ihre Häfen anlaufen. Sie wollen die Waren, und sie wollen sie billig. Für die Menschen an Bord, die diese Waren liefern, haben sie wenig Respekt. Aber das sind Menschen, die Familien haben, die von ihnen abhängig sind. Wenn Konzerne ihre Beschäftigten zwei, vier Monate oder gar 16 Monate lang nicht bezahlen: Wie soll da die Familie zu Hause überleben?“
- ITF: 2024 ist das schlimmste Jahr, in dem Seeleute im Stich gelassen wurden
„Neue Daten der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF) zeigen, dass die Zahl der von Schiffseignern im Stich gelassenen Seeleute im Jahr 2024 gegenüber dem Vorjahr um 87 % gestiegen ist. Die Überlassung von Seeleuten gerät immer mehr außer Kontrolle und hat sich fast verdoppelt: 2024 wurden 3.133 Seeleute von Reedern im Stich gelassen, verglichen mit 1.676 im Jahr 2023. Insgesamt 312 Schiffe wurden im letzten Jahr aufgegeben, verglichen mit 132 Schiffen im Jahr 2023 – ein atemberaubender Anstieg um 136 %. Achtundzwanzig Schiffe waren im selben Jahr für die Aufgabe mehrerer Besatzungen verantwortlich, wobei drei Schiffe dreimal und 25 zweimal gemeldet wurden. Ein ITF-Bericht, der der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) vorgelegt wurde, beschreibt den sprunghaften Anstieg der gemeldeten Zurücklassungen und verdeutlicht das Versagen des Systems der Billigflaggen, das für die anhaltende Straffreiheit bei Verstößen gegen die Rechte von Seeleuten ausschlaggebend ist…“ engl. Meldung vom 23. Januar 2025 von ITF - „Billigflaggen“ ermöglichen Ausbeutung und Umweltverschmutzung auf hoher See
Weiter aus dem Artikel von Hans Heyduck vom 30. Juli 2019 im A&W-Blog des ÖGB: „(…) Zu den sogenannten Billigflaggen zählen neben Panama vor allem Liberia, aber auch Länder wie Nordkorea und sogar die Mongolei, wohlgemerkt ein Binnenstaat. Insgesamt arbeiten etwa 1,5 Millionen Menschen in der Branche, für 300.000 von ihnen hat die International Transport Workers‘ Federation (ITF) einen Tarifvertrag verhandeln können. Zwischen den Flaggenstaaten herrscht mittlerweile ein „Race to the bottom“. Auch die panamaische Flagge hat schon negative Aufmerksamkeit wegen schlechter Arbeitsbedingungen erfahren. Die Flaggenstaaten helfen des Weiteren ReederInnen dabei, ihre Identität zu verschleiern, es gibt Verbindungen zu terroristischen Netzwerken und Menschenhandel. (…) Die ITF prangert schon seit vielen Jahren die Bedingungen auf den Schiffen, die unter Billigflaggen fahren, an. ArbeiterInnen auf den Schiffen sind oft unzureichend ausgebildet; 80 Prozent der Unfälle auf hoher See sind auf menschliches Versagen zurückzuführen. Ein großes Frachtschiff hat eine Besatzung von 20 bis 25 Seeleuten. Die Offiziere stammen oftmals aus Osteuropa, die Matrosen in den meisten Fällen aus Niedriglohnländern in Asien. Den Seeleuten wird teilweise verboten, Gewerkschaften und dem ITF beizutreten, weshalb sich die Verhältnisse auf den Schiffen kaum ändern…“
Siehe auch unser Dossier: Reeder nutzen Pandemie als Gelegenheit für Entlassungen von Seeleuten und Lohndumping. Gewerkschaftsbund ITF fordert besseren Schutz