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Betriebsrat bricht das Schweigen über den Pflegenotstand am Uniklinikum Gießen-Marburg

Dossier

Überlastungsanzeige“… Der Pflegenotstand wirkt sich am UKGM derzeit in all seiner Härte aus. Die Verantwortlichen sind alarmiert. Solch eine bedrohliche Situation gab es noch nie. Der gesetzlich festgelegte Personalschlüssel – die Relation zwischen Pflegepersonal und Patienten, der für einige Bereiche gilt – hat das Klinikum nun dazu gezwungen, gleich drei Stationen komplett zu schließen. Das bestätigte UKGM-Sprecher Frank Steibli auf Anfrage. Konkretere Angaben dazu wollte das Klinikum nicht machen. Auch nicht darüber, wie lange die Schließungen nötig sein werden und ob weitere drohen. (…) Wie viele Stellen in der Pflege derzeit im Klinikum unbesetzt sind, will die Geschäftsführung nicht sagen. Auch dem Betriebsrat gegenüber macht die Klinikleitung dazu keine Angaben…“ Artikel von Marc Schäfer vom 08.11.2019 bei Gießener Allgemeine online externer Link – siehe mehr daraus und dazu:

  • Betriebsrat will gegen „fürsorgliche“ Einzelgespräche und Repressionen nach Belastungsanzeigen am UKGM vorgehen New
    • UKGM: Betriebsrat will Informationen zu Belastungsanzeigen – Schwarzarbeit durch unbezahlte Überstunden?
      Das Management des privatisierten Uni-Klinikums-Gießen-Marburg hat ein Problem mit Belastungsanzeigen Beschäftigter. Der Betriebsrat des Hauses meldet nun, keinen Zugriff mehr auf das entsprechende Tool zu haben, sondern erfahre über handgeschriebene Papierzettel von eingereichten Überlastungsanzeigen. Darüber berichtet die Frankfurter Rundschau.
      Wer jetzt eine Überlastungsanzeige stelle, so warnt der Betriebsrat müsse jetzt damit rechnen, einzeln zur Rechenschaft gezogen werden, im Beisein eines Juristen des UKGM. Das Management behauptet dagegen dreist, die Einzelgespräche würden aus Fürsorge geführt. Die Pressestelle der UKGM streitet einen Anspruch des Betriebsrats auf Information über gestellte Überlastungsanzeige ab.
      Der Vorsitzende des Betriebsrats bestätige gegenüber der Frankfurter Rundschau die Einleitung juristischer Schritte. Der Betriebsrat kritisiert die permanente Überlastung. Sie schade der Gesundheit der Beschäftigten und der Qualität der Versorgung. Bei einer Stationsbesetzung mit einer Pflegekraft und einer Hilfskraft seien Pausen nicht möglich. Das seien unbezahlte Überstunden und damit Schwarzarbeit. Aufsichtsbehörden seien informiert. Der Betriebsrat hat außerdem mit Briefen an das hessische Sozialministerium sowie an das Regierungspräsidium Gießen auf die Situation aufmerksam gemacht.“ Meldung in den Union Busting-News 18/23 externer Link von Jessica Reisner vom 2. November 2023 bei der Aktion gegen Arbeitsunrecht, siehe dazu:
    • Hessen: Zoff um Überlastung in privatisierter Uniklinik
      Der Marburger Betriebsrat wirft der Geschäftsführung vor, gegen das Informationsrecht zu verstoßen. Die kommt mit einem Anwalt zu Beschäftigten, die Belastungen anzeigen…“ Artikel von Jutta Rippegather vom 18.10.2023 in dre FR online externer Link
  • Personalmangel gefährdet Patient:innen: Aufruf für ärztliche Unterstützung für eine verbindliche Personalbesetzung am Universitätsklinikum Gießen und Marburg 
    Die Covid-19 Krise hat uns in den vergangenen drei Jahren drastisch vor Augen geführt, wie knapp die Personalressourcen in wichtigen Kernbereichen der klinischen Versorgung über die letzten Jahre geworden sind. Wir Ärztinnen und Ärzte sowie Medizinstudierende wissen schon lange aus eigener Erfahrung, wie die aktuelle Personalbesetzung bei den Krankenhausbeschäftigten eine an den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten orientierte und pflegerisch und medizinisch anspruchsvolle Versorgung erschwert, manchmal unmöglich macht und dass sie in Einzelfällen Leben gefährden kann. Den Mangel an Pflegefachkräften und seine Folgen erleben wir jeden Tag: Überlastete Pflegefachkräfte, eine angespannte Arbeitsatmosphäre, erschwerte Teamarbeit und eine ansteigende Quote krankheitsbedingter Ausfälle aufgrund der Arbeitsbedingungen. Krankenhaus ist Teamarbeit. Alle Beschäftigten erbringen ihren Beitrag zu einer bedarfsgerechten Patientenversorgung. Ohne Reinigung, Küche, Speiseversorgung, Logistiker, Kita, Zentralsterilisation und IT u.v.a. funktioniert kein Krankenhaus. Deshalb sind auch die nicht-pflegerischen Bereiche Teil der Entlastungbewegung am UKGM. (…)  Das Konkurrieren um die „kosteneffizientesten Behandlungen“ hat über viele Jahre immer wieder zu Schließungen von Abteilungen und Bereichen in anderen Kliniken der Region Mittelhessen geführt, und somit dazu beigetragen, dass die Fallzahlen am UKGM massiv gestiegen sind. Das vorzeitige Ausscheiden vieler Pflegekräfte aus dem Berufsleben und ihre berufliche Umorientierung konterkarieren darüber hinaus Initiativen, die auf verstärkte Ausbildungskapazitäten als Lösung des Fachkräftemangels setzen. (…) Die Aktivitäten der Beschäftigten am Universitätsklinikum Gießen und Marburg hinsichtlich eines substanziellen Schritts zu verbindlichen Personalbesetzungsregeln können wir deshalb nur begrüßen. Wir rufen alle Ärztinnen, Ärzte und Medizinstudierenden dazu auf, sich auch im Alltag auf den Stationen für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen mit den nicht-ärztlichen Kolleginnen und Kollegen solidarisch zu zeigen und damit auch das ärztliche Interesse an einer interprofessionellen Zusammenarbeit im Krankenhausalltag zu demonstrieren.“ Aufruf vom 06. Februar 2023 auf der neuen Aktionsseite externer Link für ärztliche Unterstützung – siehe dazu und dem Kampf um den Tarifvertrag Entlastung unser Dossier: [Enteignungskampagne] Zurück in Landeshand. Vergesellschaftung des Uniklinikums Gießen-Marburg möglich – Entlastung auch
  • Pflegenotstand an Uniklinik Gießen-Marburg: Der Betriebsrat der Uniklinik zitiert aus Überlastungsanzeigen. Die Geschäftsleitung wiegelt ab 
    “Die Personalsituation in Marburg habe sich entspannt, behauptet die Geschäftsführung der privatisierten Uniklinik Gießen-Marburg. Doch das deckt sich nicht mit dem, was der Marburger Betriebsratsvorsitzende Wolfgang Demper berichtet: „Wir erleben nicht, dass sich grundsätzlich etwas ändert“, sagt Demper der Frankfurter Rundschau. „Immer wieder sitzen Kollegen weinend vor mir.“ 145.000 Überstunden hätten die Beschäftigten am Standort Marburg Stand September angehäuft, die Information stamme von der Klinikleitung. Auch fragt Demper, wie die Geschäftsleitung zu dem Urteil komme, dass es weniger Überlastungsanzeigen gibt. Die Situation sei alarmierend: „Wir sehen in einigen Anzeigen strafrechtlich relevante Tatbestände.“ So berichteten Kollegen, dass Patienten wegen Personalmangels ohne ärztliche Anordnung fixiert würden oder eine Magensonde gelegt bekämen. (…) Überlastungsanzeigen in Kliniken dienen dazu, Schwachpunkte in der Patientenversorgung zu identifizieren, um sie abzustellen. Doch an Wochenenden sei das zuständige Meldesystem mitunter ausgeschaltet, sagt Betriebsrat Demper. Mitarbeiter seien auch schon angewiesen worden, Anzeigen zu unterlassen. Die Kolleginnen und Kollegen täten ihr Bestes. Trotzdem reichten die Kräfte nicht aus. Demper zitiert aus einer Überlastungsanzeige: Das Personal habe nur noch sicherstellen können, „dass niemand länger als 30 Minuten in seinem eigenen Stuhlgang und/oder Urin liegen musste“. Körperpflege musste bei den zehn Schwerstpflegebedürftigen ausfallen…“ Artikel von Patrick Seeger vom 28.11.2019 in der Frankfurter Rundschau online externer Link
  • Weiter aus dem Artikel von Marc Schäfer vom 08.11.2019 bei Gießener Allgemeine online externer Link: „… Aktuell läuft eine juristische Auseinandersetzung, mit der die Vertretung der Arbeitnehmer eine Herausgabe der Zahlen erzwingen will. „Man behauptet, es gäbe keinen Soll-Plan, wir wissen aber, dass es einen gibt“, sagt Schaub. Dem Vernehmen nach sind Hunderte Stellen unbesetzt. (…) „Das UKGM ist das Uniklinikum in Deutschland, das am schlechtesten bezahlt“, sagt Schaub. In Gießen verdiene man im Bereich der nichtärztlichen Assistenzberufe 400 bis 500 Euro weniger als im öffentlichen Dienst. Pflegekräfte gingen mit 100 Euro weniger nach Hause. Um die Patientenversorgung sicherzustellen, muss das Klinikum zudem in erheblichem Maß auf Leiharbeiter zurückgreifen. „Im Bereich der Allgemeinchirurgie arbeiten mittlerweile mehr Leiharbeiter als Festangestellte“, erklärt Schaub. Dass diese nicht nur wesentlich besser bezahlt würden als Stammpersonal, sondern sich auch die Arbeitszeiten frei aussuchen könnten, sorge für großen Unfrieden. Nicht wenige Pflegekräfte würden darüber nachdenken, aus einem festen Arbeitsverhältnis in eine Leiharbeitsfirma zu wechseln. Das würde die Situation weiter verschärfen…“

Siehe zum Thema:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=157097
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