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Krieg ist keine Lösung: verein demokratischer ärzt*innen (vdää*) gegen Militarisierung von Gesellschaft und Gesundheitswesen

Dossier

Bundeswehr: Du (Pflegekraft) hast Burn-out? Wir haben 100 Mrd. Euro extra„Neben einer Verteidigung der geplanten Krankenhausreform kündigte Minister Lauterbach im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung vom 2. März einen zusätzlichen Gesetzentwurf an: Eine „Gesetzeslücke“ soll angegangen werden, um „für einen Katastrophenfall oder sogar einen militärischen Bündnisfall (…) vorbereitet zu sein.“ Dafür finde ein Austausch mit Spezialist*innen der Bundeswehr statt. Analog zu anderen Bereichen der Gesellschaft soll nun also auch das Gesundheitswesen „kriegstüchtig“ werden. Begründet wird dies von Lauterbach vor allem mit Blick auf den Ukrainekrieg. (…) Wir stellen uns der weiteren Militarisierung des Gesundheitswesens mit einem lauten Nein entgegen…“ vdää*-Pressemitteilung vom 3. März 2024 externer Link und mehr daraus/dazu:

  • SIPRI-Bericht über Rüstungskonzerne: Ärzt*innenorganisation IPPNW kritisiert weltweite Aufrüstung und Militarisierung New
    Die ärztliche Friedensorganisation IPPNW ist sehr besorgt über die weltweite Aufrüstung und Militarisierung, die unter anderem durch die Kriege in der Ukraine und in Gaza befeuert wird. Die IPPNW appelliert an die Bundesregierung, sich in beiden Konflikten für diplomatische Lösungen stark zu machen. Statt weiter auf Aufrüstung und Abschreckung gegenüber Russland zu setzen, können nur Waffenstillstand, Verhandlungen und Rüstungskontrolle Sicherheit für Europa bringen. Angesichts der Völkermord-Vorwürfe durch Menschenrechtsorganisationen und des Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs gegen Ministerpräsident Netanjahu wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit dürfen bis zur Klärung keine deutschen Rüstungsgüter mehr nach Israel geliefert werden, bereits erteilte Rüstungsexportgenehmigungen müssen widerrufen werden… “ IPPNW-Pressemitteilung vom 2. Dezember 2024 externer Link

  • Das BRD-Gesundheitssystem käme bei direkter Kriegsbeteiligung schnell an seine Grenzen. Manche Mediziner wollen das nicht glauben, andere den Krieg verhindern 
    Die Frage von »Kriegstüchtigkeit« wird längst auch für das Gesundheitswesen diskutiert. In der vergangenen Woche widmete der Deutsche Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie einen großen Teil seiner Veranstaltungen dem Thema »Wie gut sind Deutschlands Krankenhäuser auf den militärischen Bündnisfall vorbereitet?« Sein Fazit: gar nicht. (..) Anstatt die Frage zu stellen, wie eine Ausweitung des Krieges unbedingt zu verhindern ist und wie die Mediziner dazu beitragen können, interessieren sich die Chirurgen von der DGOU dafür, wie diese Masse an Kriegsopfern zu bewältigen wäre. Sie fordern gar eine »gemeinsame Kommandozentrale«, die helfen soll, Patienten »zu sichten« und dann auf die 600 Krankenhäuser des Traumanetzwerkes »entsprechend der Verletzungsstärke zu verteilen«. Daran wird gearbeitet. Eine zivilmilitärische Planungsgruppe aus Bund, Ländern und Kommunen, den »Blaulichtorganisationen«, der Wirtschaft und der Bundeswehr entwickle »einen Operationsplan, der auch gesundheitliche Aspekte adressiert«, erklärte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) auf jW-Anfrage. Die Planungen würden flankiert von »zivilen Alarmplanungen, die ebenfalls stetig verbessert werden«. Im Fokus sei dabei die »Konzeptionierung einer ›Nationalen Reserve Gesundheitsschutz‹ (NRGS)«. (…) Zumindest ein Teil der Ärzteschaft will da nicht mitmachen. »Wir sehen unsere Aufgabe (…) darin, über die unvermeidbaren und entsetzlichen gesundheitlichen Folgen von Kriegen aufzuklären, um diese einzudämmen oder zu verhindern«, erklärte der Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte (VDÄÄ) im Juli als Reaktion auf die beabsichtigte Stationierung von US-Langstreckenraketen in Deutschland. Die Mediziner wollten sich »nicht an der Illusion beteiligen, dass ein Krieg mit direkter Beteiligung der Bundesrepublik beherrschbar oder gar zu ›gewinnen‹ sein wird und dass menschliche Schäden mit Hilfe von uns Ärztinnen und Ärzten dabei in einem akzeptablen Maße gering gehalten werden könnten«. Mit der Schaffung einer solchen Illusion »und zynischen Kalkulation zur Beherrschbarkeit der gesundheitlichen Folgen« bereite die Bundesregierung den Boden »für künftige Kriege«…“ Artikel von Susanne Knütter in der jungen Welt vom 28.10.2024 externer Link („1.000 Kriegsversehrte pro Tag“)
  • (Online)Veranstaltung mit Wilhelm Heitmeyer am 22.10.: Autoritärer Nationalradikalimus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit
    Die AFD ist mittlerweile in Sachen autoritärer Nationalradikalimus zum Treiber geworden. Dies geschah nicht voraussetzungslos. Schon vor der Gründung der AFD gab es in der Gesellschaft weitverbreitet Einstellungsmuster die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit beförderten. Als Folge des Neoliberalismus kam es zu einem Kontrollverlust demokratischer Strukturen, so dass wir uns heute auf dem Weg in einen autoritären Kapitalismus befinden. Wie erklärt sich diese aktuelle politische Attraktivität rechter Positionen? Handelt es sich dabei um einen neuen Typus rechter Politik? Dies wollen wir diskutieren mit Prof. Dr. Wilhelm Heitmeyer, dem emeritierten langjährigen Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld. Hier führte er Langzeitstudien zur gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit und warnte bereits 2001 vor einer Rechtsentwicklung.  Er ist u.a. Autor des Buches Autoritäre Versuchungen  und Mitautor von Rechte Bedrohungsallianzen. Hier ist ein aktuelles Interview in der taz externer Link mit ihm. Hier externer Link könnt ihr euch über Zoom für die Veranstaltung anmelden: https://us02web.zoom.us/meeting/register/tZIkde-hrDMtEtHuf6aPnF2VxERY5nsygtUY externer Link. Ihr erhaltet danach automatisch eine Mail mit den Zugangsdaten. Wenn irgendetwas nicht funktioniert, meldet Euch bitte bei der Geschäftsstelle: info@vdaeae.de “ Aus der Einladung beim vdää externer Link zur Veranstaltung am 22.10.2024 ab 19.30 Uhr: vom Arbeitskreis gegen Rechts von vdää* und Solidarisches Gesundheitswesen e.V. im Rahmen der Reihe Solidarität verteidigen
  • Johanniter und Bundeswehr beschließen enge, „regelmäßige und feste“ Kooperation: „Gesellschaftsaufgabe Bevölkerungsschutz und Landesverteidigung“
    Johanniter-Unfall-Hilfe und Bundeswehr schaffen mit neuer Kooperation Grundlage für eine regelmäßige und feste Zusammenarbeit (…) Mit dieser Kooperation wird eine Grundlage für eine regelmäßige und feste Zusammenarbeit im Bereich der Ausbildung sowie bei der Bewältigung von Katastrophen und Großschadensereignissen geschaffen. (…) Wir sind hierbei Profis für Erste Hilfe und Selbstschutz, sowie für die Qualifizierung von Fach- und Führungskräften im Rettungsdienst, in der Pflege und im Bevölkerungsschutz. Gerne unterstützen wir hierbei die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr – gerade auch im Rahmen von Landes- und Bündnisverteidigung in Deutschland. Gleichermaßen sind wir dankbar, wenn wir mit unseren haupt- und ehrenamtlichen Kräften an den Ausbildungs- und Übungsangeboten der Bundeswehr partizipieren können. Die Kooperationsvereinbarung ist dafür ein guter Startschuss und eine sehr gute Grundlage, um die bereits langjährige Zusammenarbeit fortzusetzen.“
    Befehlshaber des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr, Generalleutnant André Bodemann: „Von der Kooperationsvereinbarung profitieren beide Seiten. Wir sind froh, mit der Johanniter-Unfall-Hilfe einen Partner an unserer Seite zu wissen, von dem wir gerade im Bereich der Ausbildung des Selbstschutzes lernen können und der im Rahmen von Landes- und Bündnisverteidigung ein wichtiger Unterstützer geworden ist. (…)
    Gesellschaftsaufgabe Bevölkerungsschutz und Landesverteidigung
    Die Vereinbarung wird vor dem Hintergrund der Rückbesinnung auf eine mögliche Landes- und Bündnisverteidigung geschlossen. Beide Seiten teilen die Ansicht, dass Bevölkerungsschutz und die Verteidigung der Souveränität Deutschlands als gesamtstaatliche und vor allem gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu verstehen sind…“ Pressemitteilung vom 07.08.2024 der Johanniter-Unfall-Hilfe externer Link („Johanniter und Bundeswehr beschließen enge Kooperation“)
  • Das Deutsche Rote Kreuz will «kriegstüchtig» werden und das deutsche Gesundheitssystem auf bewaffnete Konflikte vorbereiten
    „Das Deutsche Rote Kreuz will dabei sein, wenn es darum geht, Deutschland, wie von Kriegsminister Boris Pistorius (SPD) gefordert, wieder «kriegstüchtig» zu machen. Das zeigt ein am 26. August veröffentlichtes DRK-Papier unter dem Titel «Das deutsche Gesundheitssystem auf bewaffnete Konflikte vorbereiten». Dabei werden die Folgen von Privatisierung und Kommerzialisierung des Gesundheitswesens genutzt, um nun mehr Geld zu fordern, damit man sich auf den Kriegsfall vorbereiten kann. Das DRK-Papier geht aber nicht von einer konkreten Bedrohung Deutschlands aus, sondern erwähnt wiederholt nur einen möglichen «bewaffneten Konflikt» auch im Inland. Die Hilfsorganisation beruft sich auf die von Kanzler Olaf Scholz (SPD) ausgerufene «sicherheitspolitische Zeitenwende». (…) Das Papier macht darauf aufmerksam, dass das DRK im Kriegsfall per Gesetz verpflichtet ist, die Bundeswehr zu unterstützen. Das habe zur Folge, dass dann Fachpersonal fehle, um die Zivilbevölkerung zu versorgen. Und: Das DRK müsse im NATO-«Bündnisfall» auch ausländische Streitkräfte unterstützen. Die im Kriegsfall notwendigen medizinischen Ressourcen seien nicht vorhanden, wird festgestellt, wofür auch die Krankenhausreform des Bundesgesundheitsministeriums unter Karl Lauterbach (SPD) sorge. Der will das Gesundheitswesen aber «kriegstüchtig» machen, wie er im März dieses Jahres verkündete. In dem Papier wird beschrieben, welche massiven Folgen die seit Jahrzehnten betriebene Kommerzialisierung und Privatisierung des Gesundheitswesens hat, einschließlich des «Kaputtsparens». (…) Das DRK fordert ebenfalls dazu auf, die Bevölkerung auf den Krieg vorzubereiten. Das könne nur gelingen, «wenn eindringliche Appelle seitens der Bundesregierung erfolgen und diese mit Kompetenzaufbau und Übungen hinterlegt werden». Das wird sich die regierende und kriegstreibende Politik nicht zweimal sagen lassen. Die Menschen sollen wieder vor allem in der sogenannten Ersten Hilfe ausgebildet werden, ebenso in Grundkenntnissen der Pflege. Aber auch die Nachbarschaftshilfe will das DRK gestärkt sehen, ebenso wie das sogenannte Ehrenamt. Für all diese Aufgaben in der Vorbereitung auf einen Krieg bietet sich die Organisation an: «Das DRK bereitet sich mit allen ehren- und hauptamtlichen Kräften darauf vor, sein gesamtes Hilfeleistungspotenzial in der Bundesrepublik Deutschland und über die Grenzen hinaus bei Katastrophen, Krisen und bewaffneten Konflikten einsetzen zu können und stets ein fundiertes Krisenmanagement zu gewährleisten.» So will das DRK die verkündete «Zeitenwende» umsetzen und zur «gesamten Neuausrichtung der zivilmilitärischen Fähigkeiten der Bundesrepublik» beitragen. Die politischen Vorgaben werden dabei nicht hinterfragt…“ Beitrag vom 3. September 2024 von und bei transition-news.org externer Link („Das Deutsche Rote Kreuz will «kriegstüchtig» werden“)

  • Neue „Rahmenrichtlinie Gesamtverteidigung“ plant enge Verzahnung des Militärischen mit dem Gesundheitswesen: Gesundheitswesen friedenstüchtig machen!
    Mit dem letzte Woche bekannt gewordenen Beschluss vom Rande des NATO-Gipfels, US-Langstreckenraketen nach Deutschland zu verlegen, steigt die Gefahr einer erneuten Eskalation und regionalen Ausweitung des Krieges in der Ukraine weiter an. Von russischer Seite wurden militärische Reaktionen angekündigt.
    Die Anwendung militärischer Mittel, bis hin zu Kriegen und Invasionen wie die Russlands in der Ukraine, stellt seit Jahrzehnten eine katastrophale und entschieden zu bekämpfende Realität dar. Wir beobachten mit großer Sorge, wie seit einigen Jahren auch in Deutschland scheinbar leichtfertig Kriegsvorbereitungen getroffen werden und wie sich diese Entwicklung in alle Sektoren der Gesellschaft zieht. Am 5. Juni 2024 hat Bundesverteidigungsminister Pistorius bei einer Regierungsbefragung erklärt: „Wir müssen bis 2029 kriegstüchtig sein … Wir müssen Abschreckung leisten, um zu verhindern, dass es zum Äußersten kommt“. Am gleichen Tag hat das Bundeskabinett unter der Überschrift „Veränderte Sicherheitslage in Europa: Bundesregierung stärkt militärische und zivile Verteidigung Deutschlands“ eine neue „Rahmenrichtlinie Gesamtverteidigung“ beschlossen, in der konkrete Anforderungen an die Vorbereitung eines Kriegsfalls benannt werden. Diese ersetzt die Rahmenrichtlinie aus dem Jahr 1989.
    Es wird dort Folgendes angeordnet: „Mit den für die Gesundheitsversorgung der Bundeswehr zuständigen Stellen ist eng zusammenzuarbeiten. Die Mitwirkung aller Akteure des gesundheitlichen Bevölkerungsschutzes, z. B. auch der Gesundheitsämter, bei der Planung ist sicherzustellen. Dazu wirken die gesetzlichen Berufsvertretungen der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker und der Pflegeberufe, die Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen sowie die Träger der Einrichtungen der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung und ihre Verbände bei der Planung und Bedarfsermittlung mit und unterstützen die Behörden.“ Und: Nach Freigabe durch die Bundesregierung können die zuständigen Landesbehörden anordnen, dass „Einrichtungen der gesundheitlichen Versorgung ihre Leistungsfähigkeit auf die Anforderungen im Verteidigungsfall umzustellen, zu erweitern und ihre Einsatzbereitschaft herzustellen haben“.
    Für die Vorbereitungen im Gesundheitswesen sollen die Länder laut neuer Rahmenrichtlinie „ergänzende Maßnahmen zur gesundheitlichen Versorgung im Verteidigungsfall … planen. Sie ermitteln insbesondere die Nutzungs-, Erweiterungs- und Ersatzmöglichkeiten (z. B. temporäre Behandlungseinrichtungen) der vorhandenen Einrichtungen und Dienste sowie den voraussichtlichen personellen und materiellen Bedarf. Dabei werden auch mögliche CBRN-Gefahren berücksichtigt.“ Mit CBRN sind chemische, biologische, radiologische und nukleare Gefahren gemeint.
    „Ärzt*innen und das Gesundheitswesen insgesamt werden die Bevölkerung nicht mit ein paar ergänzenden Maßnahmen vor radiologischen und nuklearen Gefahren schützen bzw. die durch diese entstandenen Verletzungen behandeln können.“, so Jürgen Seeger, Co-Vorsitzender des vdää*. „Wie wir in den aktuellen Kriegen sehen, ist die medizinische Infrastruktur bevorzugtes Ziel moderner Kriegsführung. Es ist also zu erwarten, dass in einem Krieg mit direkter Beteiligung der Bundesrepublik, gerade die nun vorbereitete enge Verzahnung des Militärischen mit dem Gesundheitswesen zu einer Bedrohung für die medizinische Versorgung wird.“, ergänzt Jürgen Seeger.
    Wir sehen unsere Aufgabe als demokratische Ärzt*innen darin, über die unvermeidbaren und entsetzlichen gesundheitlichen Folgen von Kriegen aufzuklären, um diese einzudämmen oder zu verhindern. Wir wollen uns nicht an der Illusion beteiligen, dass ein Krieg mit direkter Beteiligung der Bundesrepublik beherrschbar oder gar zu „gewinnen“ sein wird und dass menschliche Schäden mithilfe von uns Ärzt*innen dabei in einem akzeptablen Maße gering gehalten werden könnten
    …“ Pressemitteilung des Vereins demokratischer Ärzt*innen vom 16. Juli 2024 externer Link („Gesundheitswesen friedenstüchtig machen!“)

  • Deutschland wird kriegstüchtig. Machen wir mit? Zur Wiederkehr des Militärischen auch im Gesundheitswesen
    Seitdem Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius am 29.10.2023 in einem Fernsehinterview die Kriegstüchtigkeit der deutschen Gesellschaft und einen entsprechenden Mentalitätswandel forderte, wird dieser Appel von Vertreter*innen aller Ampelparteien sowie der CDU/CSU in unterschiedlichen Variationen fortwährend wiederholt. Mit dieser Formulierung wurde seitens des Verteidigungsministers bewusst verbal eskaliert: Bisher wurde eine Militarisierung stets mit der notwendigen Stärkung der Verteidigungsbereitschaft begründet. Die jetzige mentale Aufrüstung wirkt multifunktional: Zum einen soll sich ein relevanter Widerstand gegen die immensen Ausgaben, die die militärtechnische Aufrüstung auf Kosten von Sozialausgaben hervorrufen wird, erst gar nicht formieren. Zum anderen soll militärisches Denken in allen Bereichen der Gesellschaft fest verankert werden. Davon ist natürlich auch das Gesundheitswesen angesichts seiner immensen Bedeutung im Kriegsfall nicht ausgeschlossen. Dabei erzeugen Pistorius‘ Worte einen katalysatorischen Effekt, der ubiquitär in der Gesellschaft wirkt. Bundesgesundheitsminister Lauterbach sekundierte dann auch seinem Kabinettskollegen und forderte „eine Zeitenwende auch für das Gesundheitswesen“, da Deutschland zukünftig resilient gegen Pandemien sein solle und sich auch „für große Katastrophen und eventuelle militärische Konflikte besser aufstellen müsse“[i]. Selbstredend sind auch die Ärzteschaft und Ärztekammern von den Umbrüchen nicht ausgenommen. Aber zunächst der Reihe nach.
    Militarisierung des Gesundheitswesens ohne uns.
    (…) Bisher regt sich wenig Widerstand gegen die Militarisierung des Gesundheitswesens. Unterschiedliche Einschätzungen des Krieges in der Ukraine erschweren ein gemeinsames Vorgehen. In den 1980er Jahren war die Gefahr eines Atomkrieges das zentrale mobilisierende Moment gewesen. Diese Gefahr scheint aktuell in diesem Ausmaß nicht zu bestehen, stellt sich doch der Krieg in der Ukraine dar als zermürbender Stellungskrieg, der mit konventionellen Waffen geführt wird. Dabei sollte allerdings nicht übersehen werden, dass mit jeder neuen Eskalationsstufe dieses Krieges die Gefahr einer atomaren Auseinandersetzung wächst. Die Erkenntnis: „Wir werden Euch im Falle eines Atomkrieges nicht helfen können“, bleibt von daher unverändert aktuell. Die Militarisierung des Gesundheitswesen bleibt unabdingbare Voraussetzung der Kriegsführung, insbesondere in einem so dicht besiedelten Gebiet wie Europa. Es ist Zeit, sich wieder und auch international zu vernetzen, um dem entgegenzutreten
    .“ Beitrag von Bernhard Winter vom 10. Juli 2024 beim Verein demokratischer Ärzt*innen – Bernhard Winter ist Mitglied der GbP-Redaktion und Vorsitzender des Solidarischen Gesundheitswesen e. V. externer Link
  • Weiter aus der vdää*-Pressemitteilung vom 3. März 2024 externer Link: „… Selbstverständlich ist es unsere professionelle Aufgabe als Ärzt*innen, Opfer militärischer Konflikte medizinisch bestens zu versorgen. Politisch ist es aber unsere Aufgabe genauso wie die der Kolleg*innen überall in der Welt, immer wieder auf die verheerenden gesundheitlichen sowie humanitären Auswirkungen von Kriegen hinzuweisen und uns dafür einzusetzen, dass Kriege gar nicht geführt, eskaliert und aktuelle Kriege gestoppt werden. Statt das Gesundheitswesen mit Bundeswehrbeteiligung auf einen Kriegseintritt vorzubereiten, setzen wir uns weiterhin dafür ein, das Gesundheitswesen solidarischer und besser für Patient*innen und Beschäftigte zu machen. (…) „Die Fehlentwicklungen im deutschen Gesundheitswesen der letzten Jahre erschweren bereits heute für alle spürbar die Versorgung der Menschen hierzulande. In dieser Situation und vor dem fiskalpolitischen Hintergrund einer olivgrünen Austeritätspolitik und entsprechend auf Militarisierung ausgerichteten Reformmaßnahmen im Gesundheitswesen zu priorisieren, halten wir für einen Irrweg, der weder die medizinische Versorgung der Bevölkerung noch die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten nachhaltig stärken wird“, so Dr. Thomas Kunkel, Co-Vorsitzender des vdää*. Wir kritisieren den aktuellen Paradigmenwechsel hin zu einer Normalisierung von Krieg und Militarisierung, in der Aufrüstung, und „Kriegstüchtigkeit“ unhinterfragte Forderungen in der öffentlichen Rhetorik darstellen.“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=219034
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