Solidaritätstreff in Berlin: Hart am Limit – Soziale Arbeit im Kapitalismus

Dossier

[Solidaritätstreff] Hart am Limit – Soziale Arbeit im KapitalismusSeit Februar 2020 organisieren wir im Kiezhaus Agnes Reinhold im Afrikanischen Viertel, gemeinsam mit Kolleg*innen der Sozialen Arbeit, einen monatlichen Solidaritätstreff unter dem Motto: Hart am Limit – Soziale Arbeit im Kapitalismus. Gemeinsam benennen wir die Ursachen für schlechte Arbeitsverhältnisse und stärken uns in der Durchsetzung menschenwürdigerer Lohnarbeitwelten. Langfristig werden wir gemeinsam handlungsmächtig und entkommen der Ohnmacht durch Vereinzelung. Kolleg*innen und solidarische Unterstützer*innen sind jederzeit willkommen! Die nächsten Termine erfahrt ihr immer über unseren Newsletter oder unter Aktuell externer Link ...“ Selbstdarstellung der Initiative bei Hände weg vom Wedding! externer Link – siehe mehr daraus und dazu, nun auch als Berliner Solidaritätsbündnis:

  • Über 1.000 ArbeiterInnen und NutzerInnen der sozialen Arbeit demonstrierten am 21.10.23 in Berlin für ein Ende des Kaputtsparens und soziale Versorgungsstruktur für alle New
    • Soziale Arbeit geht in die Offensive. Ein Solidaritätsbündnis ruft zum betrieblichen Kampf und zur sozialen Revolution auf
      „… Beschäftigte der sozialen Arbeit sind »am Limit« und fordern »ein Ende des Kaputtsparens bei steigenden Anforderungen«. »Streik, Streik, Streik heißt die Devise – wir zahlen nicht für eure Krise!«, ruft Sozialarbeiter Marc Seilheimer ins Mikrofon vom Lautsprecherwagen. Die Sonne wärmt am Samstagnachmittag das bunte Publikum am Weinbergspark: Wo sonst das gutbürgerliche Milieu Mittes bruncht und Tourist*innen Fotos für Instagram schießen, sind heute viele gelbe Westen, rote Fahnen, Kinder und Gewerkschafter*innen zu sehen. »Tag für Tag beobachten wir, was es bedeutet, arm zu sein im Kapitalismus«, erzählt eine Sozialarbeiterin auf der Bühne. »Wir alle haben viel zu viele Fälle und zu wenig Zeit. Darunter leidet unsere körperliche und psychische Gesundheit.« Viele der hier Demonstrierenden arbeiten getrennt voneinander – in befristeten Arbeitsverträgen oder als Honorarkräfte. Aber am heutigen Tag wollen sie »gemeinsam für einen sozialen Bereich« stehen. (…) Das Bündnis hat die soziale Frage an diesem Samstag mit der Systemfrage verbunden: Es sind Facetten der Ausbeutung, die sich nicht nur in den Lebensbedingungen der Empfänger*innen sozialer Arbeit, sondern auch in den Arbeitsbedingungen der Sozialarbeitenden selbst widerspiegeln. In wenigen Tagen beginnen die Tarifverhandlungen. Die Demonstrierenden hoffen auf einen echten Inflationsausgleich, aber auch auf langfristige Konzepte gegen Altersarmut und für den Schutz ihrer Gesundheit.“ Demobericht von Jule Meier vom 22.10.2023 im ND online externer Link
    • siehe auch Fotos und Videos von der Demo bei Solidaritätstreff Soziale Arbeit externer Link auf Twitter und der Aufruf zuvor:
    • „Soziale Arbeit am Limit“ – Neues Solidaritätsbündnis plant Demonstration am 21.10.23
      Das vielstimmige „Solidaritätsbündnis Soziale Arbeit“ ruft in Berlin anlässlich der Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Beschäftigte, Studierende, Lehrende sowie Nutzerinnen der Sozialen Arbeit und gesellschaftspolitisch Aktive auf, „gemeinsam gegen prekäre Arbeitsverhältnisse und für eine soziale Versorgungsstruktur für Alle“ zu demonstrieren. Die Soziale Arbeit ist unterfinanziert und das Hilfenetz hat große Löcher. Schuld daran sind Einsparungen bei gleichzeitig steigendem Bedarf an sozialen Angeboten. Eine Überlastung der Beschäftigten und die Unterversorgung von Nutzerinnen sind die Folgen. Das befeuert Spaltungsprozesse zwischen den Beschäftigten bei öffentlichen und freien Trägern und Dis- kussionen um eine Einschränkung der Unterstützung bestimmter Nutzerinnen, die als “systemüberfordernd“ bzw. „unrentabel/riskant“ markiert werden. Aktuelle Studien (siehe unten) zeigen, dass viele Kolleginnen unbezahlte Mehrarbeit auf Kosten der eigenen Gesundheit leisten. Immer mehr flüchten in Teilzeitarbeit, um übermäßige psychische Belas- tungen auszugleichen oder steigen gänzlich aus dem Beruf aus. Beides verschärft den Fachkräfte- mangel, der – trotz aller sozialer Sprengkraft – auf politischer Ebene erfolgreich verdrängt wird…“ PM des „Solidaritätsbündnis Soziale Arbeit“ externer Link zur Demonstration am 21.10.23 (14 Uhr, Brunnenstraße/ Ecke Veteranenstraße) und der Aufruf externer Link: „Soziale Arbeit am Limit“ – Wir kämpfen gemeinsam! Gegen prekäre Arbeitsverhältnisse und für eine soziale Versorgungsstruktur für Alle!
  • Mit Solidarität geht es: Sozialarbeiter vernetzten sich gegen Ausbeutung 
    „Langsam füllt sich der Raum im Kiezhaus Agnes Reinhold in Wedding. Wasser und Kaffee stehen auf kleinen Tischen bereit. Die im Kreis aufgestellten Stühle müssen aufgestockt werden. Denn über 20 Sozialarbeiter*innen sind im Januar zum Solidaritätstreff – Soziale Arbeit im Kapitalismus gekommen, der jeden dritten Mittwoch im Monat stattfindet. Initiiert wurde er vor drei Jahren von der Stadtteilinitiative »Hände weg vom Wedding«, die sich vorgenommen hatte, sich verstärkt mit Arbeitskämpfen auseinanderzusetzen. »Für uns ist es wichtig, dass wir uns in den Bereichen organisieren, in denen wir auch selbst aktiv sind. Viele von uns sind im Bereich Soziale Arbeit beschäftigt, also wollen wir auch dort mit der Selbstorganisierung ansetzen«, erklärt Marc Seilheimer, der den Solidaritätstreff vor drei Jahren mitbegründet hat. »Einige von uns sind bereits seit Jahren politisch aktiv, haben aber haben ihre eigenen prekären Lohnarbeitsverhältnisse bisher kaum in den Blick genommen«, sagt Seilheimer. (…) Kurz nach der Gründung waren wegen der Corona-Pandemie öffentliche Treffen nicht möglich. Doch für die junge Initiative bedeutete der Lockdown nicht das Ende der politischen Arbeit. In dieser Zeit erstellte sie eine »Handreichung für betriebliche Organisierung in der Sozialen Arbeit«, die mittlerweile in zweiter Auflage erschienen ist. Dort wird die Rolle der Sozialarbeit im Kapitalismus kritisch reflektiert. Möglichkeiten und Grenzen betrieblicher Mitbestimmung in der Sozialen Arbeit werden erörtert. Einen großen Raum in der Broschüre nimmt die Frage ein, wie sich Sozialarbeiter*innen an ihrem Arbeitsplatz gewerkschaftlich organisieren können. »Wenn wir unsere Arbeitsbedingungen substanziell verbessern wollen, müssen wir den gewerkschaftlichen Organisationsgrad in der Sozialen Arbeit deutlich erhöhen. Daher motivieren wir Kolleg*innen, in die Gewerkschaften einzutreten«, betont Seilheimer. Dabei gibt es erste Erfolge. Der Bericht eines Sozialarbeiters, der als Betriebsrat in ständigem Konflikt mit Trägern seiner Einrichtung steht, nahm auf dem Januartreffen einen großen Raum ein. Auch andere Sozialarbeiter*innen fühlten sich davon ermutigt, auf die Situation an ihren Arbeitsplätzen einzugehen. Mehrere betonten, dass sie sich durch den Solidaritätstreff motiviert fühlen, selbstbewusster an ihrem Arbeitsplatz aufzutreten und Forderungen nach Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen zu stellen. Nora, die ihren vollständigen Namen nicht in der Zeitung lesen will, nennt ein konkretes Beispiel: »Ich habe beim Solidaritätstreff erfahren, dass der Träger mehr Gelder für meine Arbeit beantragen kann und ich dann auch mehr Lohn bekommen würde. Das habe ich meinem Träger sofort mitgeteilt und auch auf die rechtlichen Grundlagen verwiesen. Da habe ich gemerkt, wie der Chef geschluckt hat, weil er nichts erwidern konnte.« Selbstbewusst wollen die Kolleg*innen vom Solidaritätstreff in den nächsten Monaten auch bei den anstehenden Tarifkämpfen im Öffentlichen Dienst auftreten. Sie wollen die Kolleg*innen der Berliner Stadtreinigung und der Berliner Krankenhausbewegung bei ihren Arbeitskämpfen unterstützen. Auch eine Demonstration ist geplant. Dort soll auch gegenüber den Gewerkschaften Druck von links gemacht werden. Beim nächsten Treffen am 15. Februar soll es um die konkreten Vorbereitungen dafür gehen.“ Artikel von Peter Nowak vom 30. Januar 2023 in Neues Deutschland online externer Link
  • Hart am Limit. Kollegiale Handreichung für betriebliche Organisierung in der Sozialen Arbeit
    Liebe Kolleg*innen, wir begrüßen Euch zu unserer Handreichung für Fachkräfte, Ehrenamtliche und Interessierte der Sozialen Arbeit. Ihr haltet hier nicht einfach eine weitere Fachbroschüre in der Hand, denn diese widmet sich unseren eigenen Lohnarbeitsverhältnissen. Der tägliche Arbeitswahnsinn, der auf unseren Rücken und unseren Zielgruppen ausgetragen wird, muss dringend auf den Tisch gepackt werden. Denn die schwierigen Arbeitsverhältnisse haben System. (…) Anstatt auf kleine Besserungen zu hoffen, liegt es an uns selbst für Bewegung in unserer Profession zu sorgen. Mit dieser Handreichung fangen wir an. Sie vermittelt Kraft, Wissen und politische Inspiration, um mit Kolleg*innen und im Team in das Gespräch zu kommen und gemeinsam für kleine und große Verbesserungen zu streiten. So gehen wir in der Handreichung darauf ein, was die Chancen und Grenzen betrieblicher Mitbestimmung in der Sozialen Arbeit (S.4) sind. Wo sind reale Verbesserungen möglich? Wo bestehen Interessensunterschiede zwischen Geschäftsführung und uns Beschäftigten (S.6)? Was kann ein Betriebsrat ausrichten? Die wirtschaftliche Schieflage in der Förderung der Sozialen Arbeit hat (neoliberales) System. Darum geben wir hier eine kurze Geschichte des Neoliberalismus und der Sozialen Arbeit (S.12) wieder. Sie zeigt die Systematik des Abbaus finanzieller Zuwendungen und die Zurichtung der Reste des Sozialstaates zugunsten privater Profite und staatlichem Sparzwang. Die neoliberalisierte Trägerlandschaft hat hier ihren Ursprung. Kein Wunder, dass unsere Berufszweige immer mehr mit wirtschaftlichen Erwartungen konfrontiert werden. Die bedingungslose Arbeit für Menschen orientiert sich zunehmend an der Messbarkeit und Effizienz von Warenproduktionen. Die Arbeit soll sich sprichwörtlich „lohnen”, aber für wen!? Im Interview „Wie Kolleg*innen betrieblich organisieren?“ (S.28) sprechen wir mit dem langjährig erfahrenen, ehemaligen Kollegen aus dem Betriebsrat eines sozialen Trägers. Hier erfahren wir ganz praktisch, wie erfolgreiche Betriebsarbeit und die Einbindung von Gewerkschaften möglich ist. In der neoliberalen Vereinzelung der in zig tausenden Projekten und Einrichtungen arbeitenden Kolleg*innen braucht es kollektive Momente. Im abschließenden Beitrag „Über den Tellerrand schauen: Sozialistische Kritik an der aktuellen Funktion der Sozialen Arbeit“ (S.38) machen wir uns bewusst: Es braucht innerhalb und außerhalb des Betriebes und des Trägers eine politische Organisation als Arbeiter*innen. Dabei gilt es, sich von Berufsethik, Trägerverständnis und dem fachlichen Selbstbild nicht gänzlich integrieren zu lassen, sondern klare Kante gegen unzumutbare Lebens- und Arbeitsbedingungen zu zeigen. Mit den folgenden Texten gehen wir gewappneter in die notwendigen Auseinandersetzungen in der Lohnarbeit…“ Aus dem Vorwort der Handreichung vom Sommer 2021 bei Hände weg vom Wedding! externer Link
  • [Solidaritätstreff „Systemrelevanz” am 17.6.20 in Berlin] Hart am Limit – Soziale Arbeit im Kapitalismus
    Die Coronakrise und damit die verschärfte Krise des Kapitalismus treffen die Kolleg*innen in der Sozialen Arbeit erheblich. Bisher ist das konkrete Ausmaß der kommenden Wirtschaftskrise für die bestehende Landschaft an staatlichen Sozialprogrammen, Solo-Selbstständigen und privaten Trägern noch nicht absehbar. Doch folgendes ist klar: Sparmaßnahmen werden in naher Zukunft aus Sicht der Bundesregierung zur Finanzierung des beschlossenen Konjukturpaketes notwendig sein. Dies wird unter anderem die Streichung von Sozialausgaben zur Abfederung der staatlichen Neuverschuldungen beinhalten. Damit sind auch Kürzungen bei den Mitteln für Personal und Ausstattung absehbar. Das Ganze wird in einer gesellschaftlichen Phase passieren, in dem vor allem die bereits ausgegrenzten und entrechteten Teile der Bevölkerung (sogenannte Zielgruppen oder Klient*innen) noch weniger Chancen auf gerechtere Teilhabe an Kultur, Bildung, mehr Lohn, Wohnraum und Pflege haben werden. Die Coronakrise vertieft schließlich die Klassengegensätze. Für Sozialrarbeiter*innen scheint nicht mal mehr der systemstabilisierende Aspekt ihrer Arbeit zu greifen, nämlich der der Abfederung größtmöglicher Widersprüche für die Ausgebeuteten und Unterdrückten in diesem System. (…) Die Bedingungen in der Sozialen Arbeit waren vor Corona mies und durch die profitorientiere Krisenverwaltung der Bundesregierung wird es aller Voraussicht nach kein Stück besser. Es ist davon auszugehen, dass die Umstellungen, die die aktuelle Krisensituation mit sich bringt, auch nicht spurlos an den Arbeitsalltag der Sozialarbeiter*innen vorüber geht…“ Analyse vom 11.6.2020 bei Hände weg vom Wedding! externer Link und zugleich Einladung zum nächsten Solidaritätstreff im Wedding mit dem Schwerpunkt „Systemrelevanz” am Mi. 17.06.2020 | 19 Uhr | Kiezhaus Agnes Reinhold (Afrikanische Str. 74)

Grundinfos:

  • Das „Solidaritätsbündnis Soziale Arbeit“ ist ein Zusammenschluss verschiedener Akteure, die den ökonomischen Kampf der gewerkschaftlich Organisierten für faire Arbeitsbedingungen und gerechte Entlohnung in der Sozialen Arbeit politisch organisieren. Das Bündnis hat sich im Rahmen der anstehenden Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) gegründet und besteht aus Beschäftigten, Studierenden und Lehrenden der Sozialen Arbeit und ist mit gesellschaftspolitisch aktiven, progressiven Gruppen vernetzt. Im Rahmen einer Großdemonstration am 21. Oktober 2023 hat sich das Bündnis zum Ziel gesetzt, neben Sozialarbeiter*innen und Nutzer*innen Sozialer Arbeit alle Menschen in Berlin zur Teilnahme zu mobilisieren, um die kritische Lage der gegenwärtigen Sozialen Arbeit öffentlich zu machen, menschenwürdige Lohnarbeitswelten durchzusetzen und Streiksolidarität mit den Kolleg*innen im Öffentlichen Dienst zu zeigen. Indem wir uns gemeinsam bei verschieden Aktionen rund um die TVL-Verhandlungen unterstützen, organisieren wir einen kämpferischen Herbst der Sozialen Arbeit! (Aus der Selbsdarstellung auf deren Homepage)
  • In der Selbstdarstellung der Initiative externer Link heißt es weiter: „… Soziale Arbeit sollte ursprünglich die gröbsten Widersprüche im Kapitalismus abfedern. Seit geraumer Zeit bildet sich jedoch ein professionelles, politisches Selbstverständnis, welches soziale Misstände nicht nur analysiert, sondern ihre Überwindung sucht. Aus Sicht linker Sozialer Arbeit ist die Abschaffung des Kapitalismus notwendig, um eine menschenwürdige Existenz in der Gesellschaft zu ermöglichen. Während Sozialarbeiter*innen, Erzieher*innen und andere Pädagog*innen mit ihren Zielgruppen tagtäglich versuchen Gesellschaft solidarisch zu gestalten, leiden sie selber konkret unter schlechten Arbeitsverhältnissen. Ausbeutung durch schlechte Bezahlung, Ver- und Behinderung von Betriebsratsarbeit, prekäre Beschäftigungsverhältnisse, Überbelastung und vieles mehr sind mitunter Folgen der stark neoliberal geprägten Arbeitswelt.“
  • Solidaritätstreff Soziale Arbeit externer Link auf Twitter

Siehe auch:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=173855
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