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Arztruf 116117 – die Nummer, die dich entsorgt. Arztrufzentrale GmbH entläßt in Duisburg: V.a. Frauen. Am 8. März 2023.

Arztruf 116117 – die Nummer, die dich entsorgt. Arztrufzentrale GmbH entläßt in Duisburg: V.a. Frauen. Am 8. März 2023.„Pünktlich zum internationalen Frauentag am 8. März setzt die Arztrufzentrale GmbH, ein Tochterunternehmen der Kassenärztlichen Vereinigungen Nordrhein und Westfalen-Lippe, die Beschäftigten in Duisburg auf die Straße. Etwa 80 % der rund 200 Beschäftigten sind Frauen, darunter viele Alleinerziehende. Viele stehen kurz vor der Rente. Viele waren vorher als Arzthelferinnen oder in der Pflege tätig. Der Rauswurf kam nach Schilderung von Beschäftigten wie ein Schock. In einem exakt siebenminütigen Online-Meeting am 7. März wurde der Belegschaft von zwei unbekannten Beauftragten der Geschäftsführung mit abgeschalteter Webcam mitgeteilt, dass sie alle ab sofort freigestellt seien…“ Bericht der FAU Ruhrgebiet, Sektion westliches Ruhrgebiet, vom 8. März 2023 externer Link und mehr daraus:

  • »Es hieß knapp, wir würden alle freigestellt«. Kassenärztliche Vereinigungen in NRW kündigen ohne große Vorwarnung rund 150 Mitarbeitern von Callcenter New
    „[In Nordrhein-Westfalen gibt es Unmut über die Kündigung von rund 150 Mitarbeitern eines Callcenters zweier Kassenärztlicher Vereinigungen. Auch Sie wurden vor kurzem entlassen. Wie sah Ihr Arbeitsalltag aus?]
    Meine Tätigkeit drehte sich um die Notversorgung aller Patienten in NRW, die unmittelbar einen Bereitschaftsarzt benötigen. Dazu habe ich festgestellt, wie dringlich der Bedarf nach einer ärztlichen Versorgung ist. Daraufhin haben wir die Patienten dann entweder zu Notdienstpraxen verwiesen oder haben einen Hausbesuch von einem Bereitschaftsarzt angeordnet. Viele unserer Patienten kommen aus Seniorenheimen.
    [Der DGB kritisiert unter anderem die Art und Weise der Kündigungen. Wie ging das vonstatten?]
    Uns wurde sechs Tage im voraus Bescheid gegeben, dass es ein Onlinemeeting geben werde, in dem uns etwas Wichtiges mitgeteilt werden müsse. Rund 30 Minuten vor dem Termin am Dienstag vergangener Woche wurde unser Betriebsrat von der Auflösung der Arztrufzentrale in Kenntnis gesetzt. Das Onlinemeeting dauerte exakt sieben Minuten, in dem uns eine Power­pointpräsentation vorgestellt wurde. Die Liquidatoren hielten es nicht für notwendig, uns ihre Gesichter zu zeigen. Parallel zum Meeting wurde eine Pressemitteilung veröffentlicht, laut der es bei der Arztrufzentrale eine Umstrukturierung geben werde. Uns wurde in knappen Worten eröffnet, dass wir ab sofort alle freigestellt wären. Daraufhin wurden die Mitarbeitenden, die vor Ort in der Firma waren, von einem uns unbekannten Sicherheitsdienst aufgefordert, unverzüglich von den Arbeitscomputern Abstand zu nehmen. Es wurden sämtliche Tür-Chips eingesammelt, dazu blaue Müllsäcke verteilt, damit die Mitarbeitenden ihre Habseligkeiten aus den Spinden räumen. Daraufhin wurden sie aufgefordert, die Räumlichkeiten zu verlassen. Man muss sich das einmal vorstellen: Mitarbeitende, die 20 Jahre im ärztlichen Notdienst tätig waren, mussten mit blauen Säcken in der Hand Bus und Bahn fahren, um nach Hause zu kommen. Das war ein zutiefst erniedrigender Akt. (…) Vom Ministerium hieß es nur: »Körperschaften des öffentlichen Rechts, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen, sollten bei der Vergabe von Aufträgen darauf achten, mit tarifgebundenen Dienstleistern zusammenzuarbeiten.« Über unseren Verbleib wurde sich nicht geäußert. Uns ist jedoch sehr wohl bekannt, wer die neuen Dienstleister sind, da sie schon parallel mit uns telefoniert haben. Es handelt sich hierbei um die Firmen Sanvartis und Sitel. (…) Wir fordern einen anständigen Sozialplan, in dem es zum einen eine weitaus bessere Abfindung gibt. Darüber hinaus muss es eine sozialverträgliche Lösung für alle Mitarbeitenden geben, die kurz vor der Rente stehen, da sie es auf dem Arbeitsmarkt besonders schwer haben werden. Auch die vielen Alleinerziehenden müssen besonders berücksichtigt werden…“ Interview von Henning von Stoltzenberg in der jungen Welt vom 16.03.2023 mit Elias Witzler externer Link – er ist Gewerkschafter und verlor kürzlich seinen Job als Callcentermitarbeiter
  • Weiter im Bericht der FAU Ruhrgebiet, Sektion westliches Ruhrgebiet, vom 8. März 2023 externer Link: „… Nach Angaben von Mitarbeiter:innen wurden sie nach dem Ende des Meetings von einem unbekannten Sicherheitsdienst erwartet, der sie anwies, die Computer nicht herunterfahren und den Beschäftigten Mülltüten ausgehändigte um ihre Habseligkeiten einzupacken. Anschließend wurde die Belegschaft von der Security aus dem Gebäude eskortiert. In der Belegschaft wurde dieses Vorgehen so kommentiert, dass man so etwas bislang lediglich aus schlechten US-Filmen gekannt habe. Mitarbeiter:innen, die zu diesem Zeitpunkt nicht da waren, kämen nun nicht einmal mehr an ihre Spinde, weil das Gebäude seither rund um die Uhr von Security bewacht würde, die jeden Zutritt verweigerten. Nach Angaben von Beschäftigten scheint dieser – als generalstabsmäßig organisiert wahrgenommene – Rauswurf durch das Management von langer Hand vorbereitet worden zu sein. Im vergangen Jahr waren Unternehmensberater in der Firma, seitdem mehrten sich die Anzeichen, dass Teile der anfallenden Arbeiten der Arztrufzentrale zu anderen Callcentern verlegt werden sollten. So wurde uns aus der Belegschaft berichtet, dass ein Teil des Führungspersonals in zwei andere Callcenter oder zu den Kassenärztlichenvereinigungen gewechselt sei und Trainer:innen die Anweisung erhalten hätten, Mitarbeiter dieser Callcenter zu schulen. Auch die Kassenärztliche Vereinigungen als verantwortliche Gesellschafter der Arztrufzentrale GmbH hätten sich an diesen Schulungen beteiligt um das Wissen der langjährigen Beschäftigten abzugreifen. In der Belegschaft vermuten nun viele, dass in diesen Callcentern jetzt die Arbeit zu schlechteren Bedingungen und zu niedrigeren Löhnen abgewickelt werden soll. Heute am 8.3 organisierten Beschäftigte der Arztrufzentrale NRW eine spontane Mahnwache vor dem Betrieb. Dabei machten die Beschäftigten auf den entwürdigenden Umgang mit Ihnen aufmerksam. Auch konnten die 8. März-Demonstrationen, welche zeitgleich in der Innenstadt stattfanden, von den Betroffenen genutzt werden um auf ihren Fall aufmerksam zu machen. Uns zeigt dieser Fall einmal mehr wie wenig Respekt den Beschäftigten im Gesundheitsbereich entgegengebracht wird, insbesondere wenn diese keine Chefärzt:innen sind, sondern jene die tagein, tagaus im Unsichtbaren das Gesundheitssystem am Laufen halten.“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=209666
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