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[Umfrage zu Arbeitsbedingungen in der Forschung] Hast du Machtmissbrauch an der Uni erlebt?
Dossier
„Die Arbeitsbedingungen in der Forschung sorgen für ein Machtgefälle, das auch ausgenutzt werden kann. Hast du selbst Machtmissbrauch erlebt und möchtest darüber sprechen? Wer in der Wissenschaft arbeitet und Mobbing von Vorgesetzten erlebt, bleibt meist damit allein. Zwar bieten viele Hochschulen und Interessenvertretungen Beratungen und Beschwerdestellen an, laut einer Untersuchung meldet sich aber nur ein Drittel der Betroffenen bei offiziellen Stellen. Und nur ein Viertel der Menschen, die sich dort Hilfe suchen, ist zufrieden damit, wie es danach weitergeht. Wie genau Machtmissbrauch in der Wissenschaft aussieht, ist unterschiedlich. Die Bandbreite reicht von wissenschaftlich unsauberem Arbeiten wie Datenmanipulationen bis zu Schikanen, Rassismus und sexueller Belästigung. Das Fehlverhalten der Vorgesetzten wird durch die Strukturen in der Forschung begünstigt – und die Hürden, sich zu wehren, sind groß…“ Umfrage seit 2. August 2022 in der Zeit online – leider keine Auswertung gefunden… siehe zum Thema:
- Machtmissbrauch an Hochschulen – Wie sich Strukturen ändern müssen
„Mobbing, Belästigung, Demütigung, systematische Überlastung mit Arbeit, Aneignung von geistigem Eigentum. Die Liste der Vorwürfe gegen Hochschulmitarbeitende, meist in Führungspositionen, ist lang. Viele Fälle von Machtmissbrauch wurden in den vergangenen Monaten öffentlich gemacht. Meist auf Social Media.
Zu den Ursachen gibt es gespaltene Meinungen: Für die einen handelt es sich um menschliches Versagen, andere sehen ein strukturelles Problem. Gerade Hochschulen scheinen besonders anfällig für Machtmissbrauch zu sein. Um das Problem zu lösen, muss sich also auch etwas an ihren Strukturen ändern.“ Audio des Beitrags von Janine Funke in der Sendung „Das Wissen“ vom 14.12.2024 in SWR Kultur mit dem Manuskript zur Sendung - „Risse in der Hochschulfassade“: Schweigende Opfer von Machtmissbrauch und machtlose Betriebsräte
„Betriebsräte stehen den von Machtmissbrauch Betroffenen zur Seite, aber erhalten selten ein Mandat, um tätig zu werden. »Es ist mir egal, ob du Urlaub hast, du bist am Montag um 8 Uhr in meinem Büro. Du weißt, was das für deine wissenschaftliche Karriere bedeuten kann, wenn du nicht da bist.« Das sagte eine Professorin zu einem bei ihr promovierenden Kollegen. Da zuckt es jedem Betriebsrat in den Fingern, diese Drohung zu skandalisieren und dem Beschäftigten zur Seite zu stehen. Aber: Der Promovend wollte nicht, dass ich als Betriebsrat tätig werde. Er hatte tatsächlich Angst, dass es seiner wissenschaftlichen Karriere schadet. Ein anderes Beispiel: »Ich kann dir noch für ein Jahr einen Vertrag über eine 50-Prozent-Stelle geben. Du müsstest aber während dieser Zeit voll arbeiten.« Auf die zaghaft geäußerte Sorge der Kollegin, dass sie dann vielleicht nicht die Zeit habe, an ihrem Exposé für die geplante Dissertation zu schreiben, kam von dem das Angebot unterbreitenden Professor die Antwort, dass das in seiner eigenen Promotionszeit üblich gewesen wäre und jede Studentin froh gewesen wäre, eine solche »Chance« zu bekommen. Und wieder: Die Kollegin mit dem frischen Master-Abschluss wollte nicht, dass ich als Betriebsrat tätig werde. Für beide Beispiele existieren Mails, die den Wahrheitsgehalt der Aussagen bestätigen. (…) Sicherlich ist es frustrierend, wenn wir von haarsträubenden Fällen von Machtmissbrauch und fehlender Führungskompetenz hören – insbesondere wenn diese sogar durch Mails oder Zeug*innen belegbar sind – und uns die Hände gebunden sind, weil wir kein Mandat erhalten, etwas dagegen zu tun. Diese Fesseln lassen sich auch nicht abstreifen, weil Vertrauen und Vertraulichkeit zu den wichtigsten Währungen für Betriebsräte gehören. Wir können lediglich die Betroffenen ermutigen, sich nicht alles gefallen zu lassen, und ständig unsere Unterstützung anbieten. Die Unterstützung kann auch schon darin bestehen, dass wir ein offenes Ohr haben, eine Schulter zum Ausweinen bieten und Ratschläge zum individuellen Umgang mit erfahrener Ungerechtigkeit geben. Darüber hinaus ist aber für Betriebsräte allein die Kenntnis von Vorfällen wichtig, um den Umfang des Problems an der eigenen Einrichtung einschätzen zu können. Zusätzlich helfen diese Meldungen dabei, problematisch handelnde Professor*innen zu identifizieren: Wenn Betroffene erfahren, dass Kolleg*innen ähnliche Erfahrungen wie sie gemacht haben, sind sie vielleicht doch bereit, (gemeinsam) dagegen vorzugehen – sehr gerne mit der Unterstützung durch den Betriebsrat. Deshalb der Aufruf an alle Betroffenen: Sprecht mit Euren Betriebsräten!“ Beitrag von Udo Borchert zum GEW-Schwerpunktthema vom 1. September 2024 der Berliner Bildungszeitschrift, Ausgabe September/Oktober 2024 („„Risse in der Hochschulfassade“: Schweigende Opfer und machtlose Betriebsräte“ – siehe den gesamten Schwerpunkt der bbz mit weiteren Artikel zum Thema Machtmissbrauch) - Machtmissbrauch als individuelles Versagen Einzelner: NRW will Machtmissbrauch in der Wissenschaft per Gesetz bekämpfen – „gut so, aber bitte nachschärfen“
- Bitte nachschärfen: NRW will Machtmissbrauch in der Wissenschaft per Gesetz bekämpfen. Gut so. Doch wenn die Landesregierung die Betroffenen wirklich besser schützen will, muss sie mehr liefern als in ihrem Eckpunktepapier
„IM WINTERSEMESTER 2023/2024 hat das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen in einer Pressemitteilung deutlich gemacht, dass auch Maßnahmen gegen Machtmissbrauch in der Wissenschaft im „Hochschulstärkungsgesetz“ berücksichtigt werden sollten. Nun liegt jedoch ein Eckpunktepapier für die geplante Novelle vor, das genau an dieser Stelle noch nicht liefert. Hinzu kommt: Es offenbaren sich im Papier Schwächen im Verständnis von Machtmissbrauch an Hochschulen sowie im Schutz von Betroffenen. (…) Im Eckpunktepapier heißt es indes: „Bei dem Thema Machtmissbrauch in wissenschaftlichen Kontexten handelt es sich nicht um ein besonderes strukturelles Problem der Hochschulen, sondern um ein individuelles Versagen Einzelner, die ihre Machtposition missbräuchlich ausnutzen. Der gesetzgeberische Ansatz muss dieser Problemdiagnose entsprechen.“ Unsere Problemdiagnose ist eine andere: Machtmissbrauch hat Ursachen, die dem Wissenschaftssystem inhärent sind. Ungeachtet dessen sind es Individuen, die ihre Macht missbrauchen, weil ihnen dieses Handeln durch Strukturen wie extremen Abhängigkeiten und prekären Beschäftigungsbedingungen ermöglicht wird. Deshalb ist es entscheidend, dass die geplanten Maßnahmen Machtmissbrauch als systemisches Problem adressieren. Gleichzeitig kommt es darauf an – und dies benennt das Eckpunktepapier treffend – dass das geltende Recht so ergänzt wird, dass Hochschulen in ihren Möglichkeiten, auf Täter*innen zu reagieren, gestärkt werden. (…) Wesentlich für die Bekämpfung von Machtmissbrauch ist außerdem die Anerkennung seiner Vielfalt. Die im vergangenen Jahr in NRW medial diskutierten Fälle zeigen nur einen kleinen Ausschnitt der Ausprägungen, die Machtmissbrauch an Hochschulen hat. Ein so eng gefasstes Verständnis scheint jedoch auch im Eckpunktepapier durch: So werden vorwiegend sexuelle Belästigung und Diskriminierung in Lehr-Lernkontexten adressiert, während etwa die vom extrem hierarchisch organisierten System begünstigte Ausbeutung von befristet und abhängig beschäftigten Wissenschaftler*innen (Promovierenden, Post-Doktorierenden) und studentischen Beschäftigten durch ihre Betreuer*innen unerwähnt bleiben. Auch bezieht Machtmissbrauch weitere Diskriminierungsformen wie Rassismus, Ableismus und Klassismus sowie deren Verschränkung mit ein und geht über Lehr-Lern-Kontexte und die im Entwurf genannten Statusgruppen hinaus. (…) Es bleibt die Schlussfolgerung, dass die Landesregierung nachschärfen muss, wenn sie die Hochschulmitglieder nicht nur auf dem Papier, sondern de facto schützen will. Dafür ist wesentlich die Vielfalt von Machtmissbrauch in der Wissenschaft mitzudenken und die Prävention von Machtmissbrauch voranzutreiben. Macht wird dort missbraucht, wo sie in großer Fülle gebündelt einzelnen Personen zur Verfügung steht und ihr Missbrauch kaum Konsequenzen hat. Um Machtmissbrauch effektiv zu verhindern, müssen deshalb die systemischen Komponenten des Problems adressiert werden.“ Gastbeitrag vom 28. Mai 2024 von Leila Dedial, Sophia Hohmann und Jana Lasser bei jmwiarda.de - Im Eckpunktepapier heißt es u.s.: „Bei dem Thema Machtmissbrauch in wissenschaftlichen Kontexten handelt es sich nicht um ein besonderes strukturelles Problem der Hochschulen, sondern um ein individuelles Versagen Einzelner, die ihre Machtposition missbräuchlich ausnutzen.“
- Siehe mehr dazu im Netzwerk gegen Machtmissbrauch in der Wissenschaft e.V.
- Wissenschaftsutopie oder Reformstau?
„Unser Konzept von Doktorvater und Doktormutter begünstigt Machtmissbräuche? Anreize für Lehrengagement existieren fast nicht? Schaufensterforschung verbessert Drittmittelbilanzen? Interne Beschwerdeverfahren verhindern die Aufklärung von Fehlverhalten? Daniel Leising, Professor für Diagnostik und Intervention an der Fakultät Psychologie der Technischen Universität Dresden hält einen radikalen Kulturwechsel im Wissenschaftsbetrieb für notwendig…“ Interview von Henrik Müller am 27.05.2024 im Laborjournal mit Daniel Leising
- Bitte nachschärfen: NRW will Machtmissbrauch in der Wissenschaft per Gesetz bekämpfen. Gut so. Doch wenn die Landesregierung die Betroffenen wirklich besser schützen will, muss sie mehr liefern als in ihrem Eckpunktepapier
- Schluss mit dem strukturellen Machtmissbrauch! Machtmissbrauch an Musikhochschulen anerkennen und bekämpfen
„Am 16.03.2024 ging die „Initiative gegen Machtmissbrauch an Hochschulen“ mit Erkenntnissen aus einer Umfrage zu Erfahrungen von Machtmissbrauch und psychischer Gewalt von Studierenden an Musikhochschulen an die breite Öffentlichkeit. Bis März 2024 sammelte die Initiative 613 Erfahrungsberichte von über 161 Musikstudierenden an Musikhochschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Eine erste Sammlung dieser Erfahrungsberichte wurde bereits der Presse zur Verfügung gestellt. Ziel der Initiative ist die Sichtbarkeit von Machtmissbrauch an Musikhochschulen und ein Anstoß zu einer offenen Debatte über dieses systematische Problem.
Fay Uhlmann, Vorständ*in des freien zusammenschluss von student*innenschaften, äußert sich erschrocken und besorgt über den Inhalt der Erfahrungsberichte: „Die Berichte zeichnen ein verheerendes Bild des Alltags an Musikhochschulen – verbale Schikane sind fester Teil der Tagesordnung. Leistungen werden unkonstruktiv und destruktiv kommentiert. Auch Rassismus und Sexismus sind nach den Berichten keine Seltenheit. Darüber hinaus berichten Studierende von physischen Grenzüberschreitungen bis hin zu sexuellen Übergriffen. Immer wieder sprechen sie die psychische Belastung durch das an den Musikhochschulen Erlebte an, die sie über Jahre aushalten mussten, was nicht zuletzt auch Auswirkungen auf ihre körperliche und mentale Gesundheit hat. Das extreme Machtgefälle zwischen Lehrperson und Student*in an Musikhochschulen, durch Einzelunterricht oft noch viel stärker als an anderen Hochschulen gegeben, wird in den Berichten besonders klar. Für den fzs ist eindeutig – Machtmissbrauch an Musikhochschulen ist ein strukturelles Problem.„
Nach einer Sichtung der Umfrageergebnisse im Oktober widmete sich die Initiative der Ausarbeitung eines Forderungskataloges zur Prävention und Intervention gegen übergriffiges, unangemessenes und missbräuchliches Verhalten an Musikhochschulen. Die Initiative fordert unter anderem eine wissenschaftlich fundierte, systematische Erhebung und Auswertung von Übergriffen, die Anerkennung von Machtmissbrauch als strukturelles Problem an Musikhochschulen, effektivere interne und externe Kontrollstrukturen sowie die Einrichtung von internen und externen Beratungsstellen…“ Pressemitteilung vom 16. März 2024 bei fzs , siehe auch: - Machtmissbrauch an Musikhochschulen: „Betroffene suchen Schuld bei sich“
„Machtmissbrauch in der Kulturbranche beginnt schon in der Ausbildung. Das zeigt eine neue Umfrage. Eine Betroffene spricht darüber. Von Beleidigungen bis zu übergriffigen Berührungen im Einzelunterricht: Die Ausbildung an einer Musikhochschule wird oft von missbräuchlichem Verhalten Dozierender begleitet. Eine neue Umfrage zeigt nun die Erfahrung von Musikstudierenden: 414 Vorfälle von 108 Studierenden in Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH-Region) sind von Juni bis Oktober 2023 bei der Initiative gegen Machtmissbrauch angezeigt worden. Der Großteil der Befragten ist 19 bis 30 Jahren alt und weiblich (78 Prozent). Die Umfrage ist nicht repräsentativ, sondern in ihrem Ausmaß vor allem eins: ein Weckruf. Anneliese* ist selbst Betroffene und hat die Umfrage mitkonzipiert…“ Interview von Olivia Samnick vom 27.2.2024 in der taz online - Tatort Uni: #MeToo und Machtmissbrauch an Hochschulen
„Erniedrigungen, Mobbing, sexualisierte Übergriffe – im Wissenschaftsbetrieb häufen sich Fälle von Machtmissbrauch. Haben unsere Unis und Hochschulen ein #MeToo-Problem?
Dezember 2022: Der Fall eines Professors, der ihm unterstellte Doktorandinnen zu privaten Modenschauen und Stripclub-Besuchen gedrängt haben soll, landet in der Presse. Zwei Frauen sprechen erstmals offen über ihre Erlebnisse und bringen damit eine Lawine ins Rollen.
Die Spur-Autorinnen Olivia Samnick und Friederike Röhreke blicken auf #MeToo und Machtmissbrauch an deutschen Hochschulen. Sie sprechen mit Betroffenen, anonymen Insidern und einem Opferanwalt. Mehrere Postdocs und Doktorandinnen schildern, ihr vorgesetzter Professor nutze sie aus, bedrohe sie oder sei sexuell übergriffig geworden. Sie berichten von erschreckenden Erfahrungen: „Ich habe alles erlebt: Schikane, Beleidigungen. Drohungen, Arbeitsverträge nicht zu verlängern.“ „Dieses System begünstigt Menschen, die angehimmelt werden wollen und skrupellos sind.“ „Mein Professor hat vor der gesamten Arbeitsgruppe gesagt, er kann dafür sorgen, dass man in unserem Wissenschaftsfeld unten durch ist. In ganz Deutschland.“ Offenbar hat eine Reihe von Hochschulen und Forschungsinstituten ein Problem. Steckt hinter dem Machtmissbrauch System?
Experten und Expertinnen zeigen auf, woran es liegt, dass Täter oft auch nach Bekanntwerden von Missbrauchsvorwürfen unbehelligt weiterarbeiten und praktisch keine Konsequenzen befürchten müssen. Die Digitaljournalistin Friederike Röhreke recherchiert das Ausmaß der Missbrauchsfälle und startet eine eigene Umfrage unter den Beschwerdestellen von Hochschulen und Forschungsinstituten: Welche Fälle werden dort überhaupt erfasst und reicht ihre Arbeit aus, um Machtmissbrauch zu stoppen?“ Text und Video des Beitrags von Olivia Samnick und Friederike Röhreke am 19.07.2023 in der ZDF-Sendung „Die Spur“ (Videolänge: 28 min, Video verfügbar bis 19.07.2025) - Außer Kontrolle.
„Starke Abhängigkeit: Der Fall einer jungen Wissenschaftlerin zeigt, wie machtlos Nachwuchskräfte mit befristeten Verträgen bei internen Konflikten dastehen. Das Netzwerk gegen Machtmissbrauch in der Wissenschaft fordert eine externe Kontrollinstanz…“ Beitrag vom 27.04.2022 beim ver.di-FB Gesundheit, Soziale Dienste, Bildung und Wissenschaft
Grundinfos:
- Netzwerk gegen Machtmissbrauch in der Wissenschaft
- Der Fragebogen der Umfrage für Musikhochschulen
- Siehe auch #unitoo und #IchBinTina
- Siehe auch im LAbourNet den Beitrag von 2018: Machtmissbrauch in der Wissenschaft