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Potsdamer IT-Hochschule: Hasso-Plattner-Institut verhindert Betriebsrat – und lässt sich das über 200.000 Euro kosten
Dossier
„Die Potsdamer IT-Hochschule betrieb in den vergangenen Monaten viel Aufwand, um einen Betriebsrat zu verhindern. Sie bezahlte unter anderem eine Anwaltskanzlei. (…) Sie verhinderten die Gründung eines Betriebsrats im Institut – und installierten stattdessen ein selbst konstruiertes Gremium namens Institutsrat (INRA). Offenbar mit dem Ziel, gesetzlich legitimierte Mitbestimmung im Unternehmen zu verhindern. (…) IT-Unternehmer Plattner ist der Geldgeber der nach ihm benannten Hochschule – und Plattner fiel schon früher damit auf, kein großer Fan von Betriebsräten zu sein. Der von ihm mitgegründete Konzern SAP war lange Zeit die einzige Firma im Aktienindex Dax, die keine solche Beschäftigtenvertretung hatte. (…) Auch das Potsdamer Institut, 1998 gegründet, arbeitete lange ohne eine Vertretung für die Interessen der Beschäftigten…“ Beitrag von Anette Dowideit vom 01. März 2024 bei correctiv.org und mehr daraus sowie darüber:
- Ermittlungen gegen Hasso-Plattner-Institut wegen Betriebsratsverhinderung eingestellt: Mangels eines Strafantrags
„Eine gekündigte Beschäftigte wundert sich über Aussagen der Staatsanwaltschaft in der Presse, fragt nach und löst vermutlich Ermittlungen aus. So geschehen im Falle des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) in Potsdam. Laut Tagesspiegel hatte die Potsdamer Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit der Berichterstattung über den Arbeitsgerichtsprozess der Verwaltungsangestellten Anna B. erklärt, beim HPI keine Anhaltspunkte für eine strafbare Betriebsratsverhinderung gesehen zu haben. Anna B. wollte wissen, wie die Staatsanwaltschaft darauf kommt, und verwies bei ihrer Anfrage auf Presseberichte, die im Gegenteil sehr starke Anhaltspunkte für eine Betriebsratsverhinderung lieferten. Im März wurden Rechnungen in Höhe von rund 220.000 Euro öffentlich, die das HPI offenbar für Beratungsleistungen und Kommunikationsstrategien zur Verhinderung eines Betriebsrats ausgestellt hatte. Das Ergebnis: Im April stimmte eine Mehrheit am HPI für die Einrichtung eines zahnlosen Institutsrats. Anna B. selbst wurde von ihrem »Arbeitgeber« HPI vorgeworfen, besagte Rechnungen an die Presse weitergegeben zu haben. Das konnte nicht bewiesen werden. Die Ermittlungen, die die Staatsanwaltschaft Anfang September begonnen hatte, wurden nach jW-Informationen inzwischen wieder eingestellt. Die Begründung des ermittelnden Anwalts ist nun allerdings nicht, dass es keine Anhaltspunkte für eine Betriebsratsverhinderung gebe. Sondern nur, dass ein Strafantrag fehlt. Der wird in absehbarer Zeit wohl auch nicht gestellt werden. Einen Betriebsrat, der ihn stellen könnte, gibt es nicht. Und Verdi plant nicht, Strafanzeige gegen das HPI zu erstatten, wie Verdi-Sekretärin Antje Thomaß am Mittwoch gegenüber jW erklärte. Klar sein dürfte indes: Der Konflikt »HPI gegen Beschäftigte« wird am Ende nicht von Gerichten gelöst werden.“ Artikel von Susanne Knütter in der jungen Welt vom 7. November 2024 („Strafantrag fehlt“) - Hasso Plattner-Institut: Staatsanwaltschaft Potsdam ermittelt wegen Verdacht auf Betriebsratsbehinderung
„Die Staatsanwaltschaft Potsdam hat unter dem Aktenzeichen 466 UJs 15105/24 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Betriebsratsbehinderung am Hasso Plattner-Institut (HPI) eingeleitet. Die Staatsanwaltschaft ermittelt laut einer Behördensprecherin bislang noch gegen Unbekannt. Darüber berichtet der Tagesspiegel. Im März 2024 wurde bekannt, dass das Hasso Plattner-Institut rund 200.000,- Euro in die Installation einer zahnlosen Mitarbeitervertretung, genannt Instituts-Rat, investiert hatte. Damit sollte mutmaßlich ein echter Betriebsrat, der gesetzlich geregelte Mitbestimmungsmöglichkeiten zur Not auch per Gericht durchsetzen kann, verhindert werden. Die Union Busting-Kanzlei Pusch Wahlig begleitete das Manöver. Ein wesentlicher Teil der 200.000,- soll an eben diese Kanzlei geflossen sein. Pusch Wahlig ist uns aus mehreren Fällen der Behinderung von Betriebsratsarbeit bekannt. Zu den Kunden von Pusch Wahlig gehören unter anderem auch der Autoverleiher Sixt und der Fahrrad-Lieferdienst Flink, die beide für aggressives Vorgehen gegen Betriebsratsgründer*innen bekannt sind. Die antidemokratischen Vorgänge am HPI lassen Pusch Wahlig zusätzlich unseriös erscheinen. Wir hatten mit Bezug auf das Hasso Plattner-Institut schon im März 2024 gefragt, wann die Staatsanwaltschaft ermittelt. Das Vorgehen bewerteten wir Verabredung zu einer Straftat im Graubereich zur organisierten Wirtschaftskriminalität (…) Pusch Wahlig versuchte mit Hilfe der Medienkanzlei Irle Moser presserechtlich gegen unsere Einordnung vorzugehen. Das Landgericht Hamburg beschied jedoch, dass unsere Einordnung von der Meinungsfreiheit gedeckt sind.“ Meldung in den UnionBustingNews von Jessica Reisner vom 19. September 2024 bei arbeitsunrecht.de - Hasso-Plattner-Institut: Prozess auf Wiedereinstellung der angeblichen Whistleblowerin über Betriebsrat-Verhinderung endet mit Vergleich und (kleiner) Abfindung
„… Gesichert sei, dass B. drei Rechnungen aus dem IT-System ihres Arbeitsgebers heruntergeladen habe und an ihre private E-Mail-Adresse weitergeleitet habe. Anschließend habe sie die Mails gelöscht. Dass sie die Dokumente daraufhin an Medien weitergegeben habe, ließe sich allerdings nicht nachweisen. »Es gibt aber keine Erklärung, warum sie sich das selbst zugeschickt habe«, so Pusch. »Das ist alles andere als eindeutig«, sagt Rojat Akay, der Anwalt von Anna B. Das IT-System des Hasso-Plattner-Instituts falle regelmäßig raus, daher sei es nicht unüblich, dass die Mitarbeiter Dokumente runterladen, um mit ihnen im Homeoffice zu arbeiten. Akay sieht auch andere Stellen, an denen ein Whistleblower stecken könnte: Etwa bei der zahlungsempfangenden Anwaltskanzlei. Oder ein anderer Institutsmitarbeiter könnte die Rechnungen abfotografiert haben, ohne sie herunterzuladen. »Man kann auch auf anderem Wege da rangekommen sein«, so Akay. »Es ist nicht einfach zu beurteilen, was vorgefallen ist, wenn man nicht dabei war«, sagt die Richterin. »Eigentlich kann das nur Anna B. selbst wissen.« Sie fügt augenzwinkernd hinzu: »Und vielleicht noch einige der anwesenden Journalisten.« Im Rahmen des grundgesetzlich garantierten Informantenschutzes müssen diese allerdings keine Aussagen dazu machen, woher sie die Dokumente bezogen haben.
Weil nicht zweifelsfrei geklärt werden kann, ob Anna B. für den Leak verantwortlich war, steht am Ende des Verfahrens ein Vergleich: Das Hasso-Plattner-Institut zieht die ursprüngliche außerordentliche Kündigung vom März zurück, dafür akzeptiert B. eine ordentliche Kündigung zum Mai – zwei Monatsgehälter erhält sie also noch. Dazu kommt eine Abfindung in Höhe von 10 000 Euro. Eigentlich hätte sich B. mehr gewünscht. 40 000 Euro Abfindung war die erste Forderung in den Verhandlungen um den Vergleich. »Ich will kein Taschengeld mitnehmen«, zitiert sie ihr Anwalt. B. insistiert weiter darauf, dass ihr kein Fehlverhalten vorzuwerfen sei. Zumindest in dieser Hinsicht gelingt ihr ein kleiner Erfolg. Im Vergleichstext ist festgehalten, dass »die Parteien erklären, dass sich nicht feststellen lässt, ob eine Pflichtverletzung vorlag«. Auch in der Kündigung selbst findet sich nun keine Schuldzuweisung mehr…“ Artikel von Marten Brehmer vom 11.07.2024 in ND online („Hasso-Plattner-Institut sucht nach Whistleblower“) - Union Busting am Hasso Plattner-Institut: Angebliche Whistleblowerin klagt vor ArbG Potsdam auf Wiedereinstellung Aufrufe zur Unterstützung der Kollegin am 11. Juli
- Gerichtstermin am 11. Juli gegen Bossing am Hasso Plattner Institut Potsdam, Unterstützung der Kollegin vor dem Arbeitsgericht Potsdam um 10:45 Uhr
„Am 11.07.2024 verhandelt das Arbeitsgericht Potsdam 10:45 Uhr (Behlertstraße 3A, 14467 Potsdam) unter dem Aktenzeichen: Ka4 Ca 10122/24 die fristlose Kündigung einer Mitarbeiterin. Ihr wird zur Last gelegt, sie habe interne Dokumente nach außen gegeben. Hintergrund des Rechtsstreits, den die Kollegin mit ihrer Kündigungsschutzklage angestrengt hat, ist eine klassische Betriebsratsverhinderung im HPI. (…) Die Bekämpfung von Arbeitnehmerrechten gehört in der IT-Industrie zum Geschäftsmodell. Hier zählt angeblich individuelle Kreativität, Gewerkschaften gelten als von vorgestern, Tarifgebundenheit ist selten, Konkurrenz in den Belegschaften zu schüren, gehört zur Personalpolitik. Kein Wunder, dass die Gründung einer kollektiv orientierten und gesetzlich abgesicherten Interessenvertretung IT-Unternehmer um ihr Profitkonzept fürchten lässt. Weil die Mitarbeiterin vom HPI für einen Betriebsrat bekämpft hat, steht sie vor Gericht. Sie sollte dort nicht allein bleiben.“ Aufruf von work-watch vom 6. Juli 2024 - Union Busting am Hasso Plattner-Institut: Angebliche Whistleblowerin klagt vor ArbG Potsdam auf Wiedereinstellung
„Hasso Plattner-Institut hatte seine Buchhalterin wegen angeblicher Weitergabe interner Dokumente fristlos gekündigt. Wir vermuten: Kündigungsgründe wurden konstruiert, um an einer management-kritischen Stimme ein Exempel zu statuieren. (…) Forschung und Lehre am HPI sind prekär. Viele Verträge sind sachgrundlos befristet. Mit einem Betriebsrat könnte sachgrundlose Kettenbefristung eingedämmt werden.
Die Aktion gegen Arbeitsunrecht ruft zur Prozessbeobachtung auf und erklärt sich solidarisch mit der Buchhalterin Anna B. und allen kritischen Beschäftigten und Studierenden des Hasso Plattner-Instituts in Potsdam. Donnerstag, 11. Juli 2024, 10:45 Uhr | Arbeitsgericht Potsdam, Behlertstraße 3A, Haus C, 14467 Potsdam…“ Presemitteilung vom 8. Juli 2024 der Aktion gegen Arbeitsunrecht mit umfangreichen Hintergründen
- Gerichtstermin am 11. Juli gegen Bossing am Hasso Plattner Institut Potsdam, Unterstützung der Kollegin vor dem Arbeitsgericht Potsdam um 10:45 Uhr
- Hasso Plattner-Institut: Demokratie auf ungarisch – Institutsrat statt Betriebsrat
„Potsdam: Stolz verkündet das Hasso Plattner-Institut HPI am 12. April 2024 auf seiner Webseite, dass die Belegschaft in einer Abstimmung für einen Institutsrat gestimmt habe. Das Wort „Betriebsrat“ kommt in dem Beitrag gar nicht erst vor. Dabei wird erst so ein Schuh draus: Eigentlich hatten Beschäftigte im Frühjahr 2023 einen Betriebsrat gründen wollen. Das Hasso Plattner-Institut engagierte daraufhin die Union Busting-Kanzlei Pusch Wahlig und die PR-Agentur Lutz Meyer um die Belegschaft zu beeinflussen. Offensichtlich hat sich der Einsatz von über 200.000,- Euro für dieses Manöver gelohnt. Denn zumindest oberflächlich gesehen stimmten im April 2024 nun laut Angaben des Hasso Plattner-Instituts 68% der Beschäftigten für den sogenannten Instituts-Rat. Dass die Wahl demokratisch gewesen sei, betont das Hasso Plattner-Institut in gleich drei Absätzen des eigenen Betrags und spricht von einer freien, gleichen und geheimen Abstimmung. Dabei liegen der Recherche-Plattform Correctiv und der Aktion gegen Arbeitsunrecht interne Dokumente der Geschäftsführung vor, die zeigen, mit welch großen Aufwand die Geschäftsleitung des HPI gegen eine Betriebsratsgründung vorging…“ Aus den Union Busting News 7/24 von Jessica Reisner vom 18. April 2024 der Aktion gegen Arbeitsunrecht - Weder Anzeige, noch ein Strafantrag gegen das Hasso-Plattner-Instituts (HPI) in Potsdam – Klassenfeinde bleiben straffrei bei der Brandenburger Staatsanwaltschaft
„Arbeitgeber setzen mitunter einiges in Bewegung, um Arbeiter*innen in ihrer Interessenvertretung einzuschränken oder zu beeinflussen. Das war zuletzt am Beispiel des renommierten Hasso-Plattner-Instituts (HPI) in Potsdam bekannt geworden. Das HPI agiere »klar im strafbaren Rahmen nach Paragraf 119 des Betriebsverfassungsgesetzes«, schätzte ein Arbeitsrechtler im Gespräch mit »nd« ein. Doch bisher wurde wohl weder Anzeige erstattet, noch ein Strafantrag gegen das Institut gestellt. Dass ein solcher ohnehin kaum Aussicht auf Erfolg hätte, geht aus Daten hervor, die die Generalstaatsanwaltschaft auf Anfrage von »nd« zugänglich machte. In den Jahren 2020 bis 2023 wurden demnach gegen 35 Beschuldigte »Anzeigesachen angelegt beziehungsweise Verfahren eingeleitet«. 2020 seien Verfahren gegen elf, 2021 gegen einen, 2022 gegen neun und 2023 gegen 14 Beschuldigte eingeleitet worden. Dabei sei in keinem der Verfahren eine Anklage erhoben worden. (…) Antje Thomaß hatte als Sekretärin der Gewerkschaft Verdi das Betriebsratsprojekt am HPI betreut. Sie hatte »nd« gesagt, dass von einer Klage gegen die Geschäftsführung seinerzeit abgesehen worden sei, weil laut damaligem Stand »das Agieren der Geschäftsführung und die Störungsqualität noch im Graubereich« gelegen hätten. »Heute kämen wir möglicherweise zu einer anderen Einschätzung«, sagt sie, nachdem eine Recherche von Correctiv weitere mutmaßliche Details ans Licht gebracht hat. Außerdem habe man auf eine Klage bewusst verzichtet, weil man die Lage nicht noch weiter eskalieren lassen wollte. Doch es ist fraglich, ob mittlerweile der Rechtsweg noch offen ist. Denn eine Klage muss innerhalb von drei Monaten nach Kenntnis der Vergehen erfolgen.
Die Vorgänge am HPI waren vergangene Woche auch Thema im Landtag. Die Linke hatte einen Antrag eingebracht, der eine Aufklärung des Sachverhalts erreichen sollte. Die anderen Fraktionen lehnten den Antrag ab. Die Politik habe sich aus den Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen herauszuhalten, hieß es durch die Bank. Die Zuständigkeit liege bei den Gerichten.“ Artikel von Christian Lelek vom 27. März 2024 in Neues Deutschland online („Brandenburg: Klassenfeinde bleiben straffrei – Wegen Behinderung von Betriebsräten hat die Brandenburger Staatsanwaltschaft seit 2020 nie Anklage erhoben“) - Hasso-Plattner-Institut: Union Busting durch Pseudo-Betriebsrat. Wann ermittelt die Staatsanwaltschaft?
„Betriebsratsbehinderung als lukratives Geschäft: RA Tobias Pusch rechnet 420,- pro Stunde ab. PR-Agentur Lutz Meyer berät ad hoc für über 22.000 Euro. Der Fall zeigt: § 119 BetrVG muss dringend nachgeschärft werden! Wann wird Betriebsratsbehinderung Offizialdelikt? (…) Die Aktion gegen Arbeitsunrecht hält das Vorgehen des Hasso-Plattner-Instituts für kriminell im Sinne des § 119 Betriebsverfassungsgesetz (Betriebsratsbehinderung). Wir fordern die zuständige Brandenburger Staatsanwaltschaft auf zu ermitteln, ob und wie Beschäftigte, Gewerkschafter*innen und Betriebsratsgründer*innen gezielt unter Druck gesetzt wurden, um die Gründung eines Betriebsrats und die Wahl eines Wahlvorstand zu sabotieren!…“ Pressemitteilung vom 3. März 2024 der Aktion gegen Arbeitsunrecht- Siehe ebd. auch die Meldung vom 3. März 2024 : Tagesspiegel & Correctiv: Pusch Wahlig installiert Fake-Betriebsrat beim Hasso-Plattner-Institut
- Vorwürfe gegen Hasso Plattner Institut: Betriebsrat verhindert? Hasso Plattner Institut setzt auf alternative statt gesetzliche Mitbestimmung
„… »Mehrere Darstellungen im Bericht von Tagesspiegel/Correctiv entsprechen nicht der Faktenlage und weisen wir entschieden zurück«, erklärt ein Sprecher des HPI »nd«. So habe das HPI weder »einen Betriebsrat ›verhindert‹«, noch einen »Institutsrat ›installiert‹«. Stattdessen sei es eine »demokratische Entscheidung aus der Mitte der Belegschaft« gewesen, dass »die Gründung eines Betriebsrats gestoppt wurde«. Dass nun ein Institutsrat gewählt wird, geht auf »Mitarbeitende aller Statusgruppen« zurück. »Es ist und bleibt ein demokratischer Prozess«. Die Geschäftsführung betont an vielen Stellen die freie Wahl der Mitarbeiter*innen. Es stellt sich jedoch die Frage, auf welchen Grundlagen die Belegschaft ihre Entscheidung getroffen hat und wer wie und mit welchen Mitteln für seine Interessen geworben hat. So heißt es bereits im Juni 2023 in einer E-Mail von einem der Geschäftsführer, die »nd« vorliegt: »Wir möchten mit Beginn des kommenden Studienjahres einen Institutsrat (Arbeitstitel) einrichten, der demokratisch von allen Beschäftigten gewählt wird.« (…) Ein*e Mitarbeiter*in des HPI schildert »nd« ihre*seine Sicht: »Kollegen wollten im Oktober 2023 einen Betriebsrat gründen. Der Arbeitgeber hat daraufhin eine Kampagne gestartet, wie der Betriebsrat die Agilität und Flexibilität des HPI gefährdet und zu uns als Forschungseinrichtung sowieso nicht passt. Den Kollegen wurde nahegelegt, sich bei der Wahl zum Wahlvorstand zu enthalten oder Nein zu stimmen.« Weil genügend Kolleg*innen dem Rat der Geschäftsführung gefolgt seien, sei kein Wahlvorstand zustande gekommen.
An einem Freitag, drei Tage vor der Betriebsversammlung, verschickt die Geschäftsführung ein siebenseitiges Schreiben, in dem zu einem Townhall-Meeting eingeladen wird. Das Schreiben liegt »nd« vor. Auf dem Meeting sollten »weitere Details« zum Institutsrat bekannt gegeben werden. Außerdem heißt es, dass jede*r »sich seine eigene Meinung frei bilden und ausschließlich so abstimmen soll, wie sie oder er es für richtig hält.« Die Geschäftsführung macht gleichsam keinen Hehl daraus, dass sie die »customized solution«, den Institutsrat, »für den besseren Ansatz« hält. Es folgen Erläuterungen, warum ein Betriebsrat wahlweise zu weit oder nicht weit genug geht. den muss.
»nd« legt das Schreiben der Rechtsschutzabteilung des DGB vor: »Meiner Einschätzung nach bewegen wir uns hier klar im strafbaren Rahmen nach Paragraf 119 des Betriebsverfassungsgesetzes«, sagt deren Sprecher Till Bender. »Hier argumentiert der Arbeitgeber einseitig gegen einen Betriebsrat, beeinflusst parteiisch die Angestellten.« Glasklar rechtswidrig sei zudem die Terminierung des Townhall-Meetings einen Tag vor der Betriebsversammlung, auf der der Wahlvorstand gewählt werden sollte. Bender meint außerdem, dass laut Gesetz »ein Betriebsrat auf Grundlage des Betriebsverfassungsgesetzes« zu wählen sei. »Mit einer Pro-Contra Diskussion zwischen Betriebs- und Institutsrat wird den Beschäftigten die Möglichkeit einer Alternativität vermittelt, die das Gesetz nicht vorsieht.« (…)
»Ich kann dem Institutsrat leider aufgrund der Begleitumstände nicht trauen und ihn als Alternative ansehen«, sagt die*der Mitarbeiter*in des HPI. Und Gewerkschafterin Antje Thomaß geht davon aus, dass sich die Grenzen »einer solchen alternativen Mitbestimmung« bald zeigen würden: »Ich glaube, dass sich in absehbarer Zeit dann eine neue Initiative für eine Betriebsratsgründung ergeben kann.«“ Artikel von Christian Lelek vom 03.03.2024 in ND online - Weiter aus dem Beitrag von Anette Dowideit vom 01. März 2024 bei correctiv.org : „… Im vergangenen Frühjahr nun, berichten Mitarbeitende des Instituts mit rund 120 Beschäftigten, bildete sich eine Initiative, die einen Betriebsrat gründen wollte. Gleich von Beginn an, sagen sie, seien deren Bemühungen jedoch von der Geschäftsführung deutlich ablehnend aufgenommen worden. Diese habe vorgeschlagen, stattdessen eine alternative Vertretungsform einzurichten.
Im September startete den Berichten der Mitarbeiter zufolge die Gruppe der Angestellten, die den Betriebsrat gründen wollte, dann ernsthaft ihre Initiative. Doch sie seien sofort ausgebremst worden: Plakate, die sie aufhängten, um zu einer Betriebsversammlung einzuladen, seien am selben Tag schon wieder verschwunden.
Die Geschäftsführung habe rasch auf die Plakate reagiert und ihrerseits zu mehreren Betriebsversammlungen in kurzer Folge eingeladen. Schon Anfang Oktober sei die Kanzlei Pusch Wahlig dabei aufgetreten. Bei der Versammlung hätten deren Anwälte gemeinsam mit der Geschäftsführung auf angeblich zuvor gesammelte anonyme Mitarbeiterfragen geantwortet. Zum Beispiel auf diese: Was man wohl auf Wahlzetteln bei bevorstehenden Wahlen im Betrieb ankreuzen müsse, wenn man einen Betriebsrat verhindern wolle.
Gleichzeitig soll laut einem Protokoll der Veranstaltung am 9. Oktober 2023 eine Alternative zum Betriebsrat vorgestellt worden sein: der „Institutsrat“, für den Geschäftsführung und Kanzlei auch gleich ein Gründungsteam präsentieren konnten.
Die Schilderungen der Mitarbeiter gegenüber CORRECTIV zu diesem Ablauf stimmen mit den Posten überein, die sich auf den Rechnungen der Kanzlei ans Institut nachlesen lassen. (…)
Die Hochschule ließ es sich demnach mehr als 200.000 Euro als Honorare für die Kanzlei Pusch Wahlig und die Kommunikationsagentur kosten, den Betriebsrat zu verhindern. Hinzu kamen weitere Honorare für zwei andere Anwaltskanzleien. (…)
Die Strategie des Instituts funktionierte: Die Gründung des Betriebsrats scheiterte, weil keine Mehrheit für den dafür nötigen ersten Schritt zustande kam. Stattdessen wurde kurz darauf der Institutsrat installiert.
Antje Thomaß, Gewerkschaftssekretärin bei Verdi, hat die geplante Betriebsratsgründung begleitet. Die HPI-Geschäftsführung habe mit „auffällig hohem Aufwand“ versucht, für den Institutsrat zu werben, sagt sie. Unter anderem sei verbreitet worden, dass ein Betriebsrat die weitere Entwicklung des HPI hemmen würde. „Das ist absurd. Eine gesetzliche Interessenvertretung hemmt keine wissenschaftliche Entwicklung. Auch andere Institute haben Betriebsräte“, so Thomaß. Gerade in Wissenschaft und Forschung werde der freie Gedankenaustausch gern propagiert. „Wenn es um eine gesetzliche Interessenvertretung geht, hört das offenbar ganz schnell auf“, sagt die Gewerkschaftssekretärin…“