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Bündnis will die Schulreinigung in Berlin für fairere Arbeitsbedingungen rekommunalisieren
Dossier
„Was dabei herauskommt, wenn die öffentliche Hand spart, sagt Anne Zetsche von der Initiative „Schule in Not“, das könne man doch in Berlin immer noch am allerbesten am Sauberkeitsgrad von Schultoiletten und Klassenzimmern besichtigen (…) Tatsächlich unterstützt inzwischen ein breites Gewerkschaftsbündnis die Initiative: Neben der IG Bau sitzen am Donnerstag auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft GEW sowie Verdi auf dem Podium. Den Gewerkschaften geht es um eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in einer extrem prekären Branche. (…) Im Kampf um Aufträge unterböten die Reinigungsfirmen sich gegenseitig, wer mehr Fläche für weniger Geld putze, sagt Korsten – die Stellschraube sind die Personalkosten. Und die öffentliche Hand, im Falle der Schulen die Bezirksämter, sei oft nicht gewillt, mehr zu zahlen als eben das, was für die anschaulichen acht Minuten pro Klassenzimmer reicht…“ Artikel von Anna Klöpper vom 11. September 2020 in der taz online („Besser sauber“) und die Homepage des Bündnisses „Schule in Not“ sowie dazu:
- [Rekommunalisierung der Schulreinigung kein Thema] Neukölln: Dumping-Firmen übernehmen am 1.11. die Schulreinigung
„Die Gebäudereinigung an Neuköllner Schulen wurde an Dumping-Firmen vergeben. Das Bezirksamt will damit Geld sparen. Darunter leiden vor allem die Arbeiter:innen.
Obwohl Neuköllner Reinigungskräfte zum Teil schon seit vielen Jahren an derselben Schule arbeiten, müssen sie diese nun am heutigen ersten November verlassen. Denn das Bezirksamt hat neu ausgeschrieben – und neu vergeben. Zu solchen Neuausschreibungen sind die Ämter verpflichtet, wenn sie öffentliche Aufgaben, wie die Reinigung ihrer Schulen, privaten Unternehmen überlassen wollen, um Geld zu sparen. Dabei liefern sich die verschiedenen Unternehmen, die sich auf solche Aufträge bewerben, einen gnadenlosen Unterbietungswettbewerb. Wer kann eine und dieselbe Dienstleistung möglichst günstig anbieten? Natürlich wird da vor allem an einem gespart: den Arbeiter:innen. In der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) am Mittwoch, den 18. Oktober, kam die Frage auf, ob das Bezirksamt die sich bewerbenden Firmen im Rahmen des Vergabeverfahrens zum Besuch der Schulen verpflichtet hatte. Der amtierende Bürgermeister Martin Hikel (SPD) antwortete, dass es „weder zumutbar noch zwingend erforderlich“ sei, sich die Objekte im Vorhinein anzugucken. Doch vielmehr ist es nicht zumutbar, profitorientierte Firmen einschätzen zu lassen, was an einem Ort wie und in welcher Zeit gereinigt werden muss, die diesen Ort nie gesehen haben. (…) Im Gespräch mit Klasse Gegen Klasse erzählen Reinigungskräfte, vor einer Entscheidung gestanden zu haben, die eigentlich keine sei: den eigenen Arbeitsplatz verlassen oder unter noch viel prekäreren Bedingungen dort weiterzuarbeiten. Letzten Endes haben sie sich schweren Herzens dagegen entschieden, zu der Firma zu wechseln, die die Ausschreibung gewonnen hat. Denn natürlich würden sie gern am selben Standort bleiben, an dem sie bisher eingesetzt waren, da sie diesen inzwischen gut kennen, er sehr nah an ihrem Wohnort liege oder es sich bei diesem zum Teil sogar um eine Schule handele, die ihre Kinder besucht haben. Doch vergeben die entsprechenden Unternehmen keine unbefristeten, sondern lediglich Zeitverträge und hätten zudem die Stundenanzahl auf die Hälfte verringert. Dieselbe Arbeit wie vorher müsse in der Folge also doppelt so schnell gemacht werden – 100 Prozent mehr Arbeit für ein prekäreres Anstellungsverhältnis also. (…) Die Rekommunalisierung der Schulreinigung war in dieser Legislaturperiode noch kein einziges Mal Thema. Dabei handelt es sich um einen bereits getroffenen Beschluss, outgesourcte Reinigungskräfte wieder beim Land Berlin anzustellen. (…) Alles andere als eine zufriedenstellende Antwort für alle, die wir an den betreffenden Neuköllner Schulen arbeiten – allen voran den Reiniger:innen selbst. Die Arbeitsplatzunsicherheit ist so groß, dass die Kolleg:innen Angst haben. Dabei gehen sie einer der wichtigsten Tätigkeiten an der Schule nach. Denn ohne sie wäre den Kindern und Jugendlichen das Recht auf eine saubere Lernumgebung verwehrt und keine:r von uns könnte der eigenen Arbeit nachgehen. Und: Sie gehören ohne jeden Zweifel zum Kollegium, auch wenn das Bezirksamt das anders sieht…“ Beitrag von Inés Heider vom 1.11.2023 bei Klasse gegen Klasse („Neukölln: Dumping-Firmen übernehmen heute Schulreinigung“) - Öffentliche Gebäudereinigung: Schule, Arbeit, Sauberkeit – das Konzept der Tagesreinigung soll die Zustände an den Berliner Schulen verbessern
„Es ist ein paradoxer Kreislauf: Aufgrund des Kostendrucks vergeben die Bezirke Aufträge wie die Schulreinigung an möglichst günstige Dienstleister. Diese versuchen wiederum, sich in Konkurrenz um die Aufträge preislich zu unterbieten und muten den Angestellten immer mehr Leistung in immer weniger Zeit zu. Da die Dienstleister in der Folge kaum mehr Personal finden, setzt sich selbst die Vertretung der Reinigungsbetriebe, die Gebäudedienstleister-Innung Berlin, für bessere Arbeitsbedingungen ein. Geschäftsführer Dennis Loeper erklärt »nd«: »Die Personalsituation ist gegenwärtig, wie generell im Handwerk sehr sehr schlecht.« Für die gesamte Gebäudereinigung gilt bundesweit der Rahmentarifvertrag zwischen der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) und dem Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks. Demnach gilt für alle Beschäftigten ein Branchenmindestlohn von 13 Euro pro Stunde. Am Stundenlohn entfaltet sich auch nicht die Kritik. Vielmehr geht es um die tägliche Arbeitszeit. »Aktuell wird die sogenannte Unterhaltsreinigung in den Randzeiten erbracht«, sagt Elke Ahlhoff. »Also sehr früh und sehr spät, wenn die Nutzer*innen nicht mehr vor Ort sind.« Ahlhoff ist Leiterin von ArbeitGestalten, einer Beratungsgesellschaft, die im Auftrag der Senatsverwaltung für Arbeit untersucht hat, wie die Arbeitsbedingungen in der Reinigung von öffentlichen Einrichtungen verbessert werden können. Wenn die Arbeit nur in den zeitlichen Randbereichen erfolge, »kommen die Beschäftigten nur auf ein Stundenvolumen, welches geringfügige Beschäftigung und Teilzeitarbeit bedeutet«, sagt Ahlhoff. Die Verschiebung in den Tagesbetrieb ermögliche es, mehr Stunden am Stück zu arbeiten. (…) Weder Innung noch Gewerkschaft glauben noch groß an eine Gebäudereinigung in öffentlicher Hand. Aber, so Gewerkschafter Baumgartner: »Ob rekommunalisiert oder über private Dienstleister: gute Beschäftigung und gute Reinigungsarbeit braucht mehr finanzielle Mittel.«“ Artikel von Christian Lelek vom 9. August 2023 in Neues Deutschland online - Das bisschen Haushalt. Die Berliner Schulreinigung soll in die öffentliche Hand zurückkehren – der Streit über den Weg dorthin dauert an
„Das Berliner »Bündnis für Saubere Schulen« ist ordentlich vergnatzt. »Entweder man will die Rekommunalisierung der Schulreinigung oder man will sie nicht. Und wenn man das will, dann muss man es auch machen und nicht ewig auf die lange Bank schieben«, sagt Susanne Kühne zu »nd«. Kühne engagiert sich im Verein Schule in Not – neben den drei Gewerkschaften Verdi, GEW und IG BAU der Hauptpartner des »Bündnisses für Saubere Schulen«. (…) »Wenn die Bedingungen so sind, wie das in Berlin der Fall ist, muss da etwas passieren«, sagt Katja Karger, Bezirksvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) für Berlin und Brandenburg. »Die Situation ist gerade so, dass der billigste Anbieter gewinnt«, sagt Karger. Die Konsequenz: Reinigungskräfte von beauftragten Subunternehmen würden schlecht bezahlt und müssten die Schulgebäude in Rekordgeschwindigkeit durchfeudeln. Eine Rechnung, die laut Karger nicht aufgeht, wie man seit Jahren weiß.
Nun schien eigentlich baldige Besserung in Sicht. So gibt es – auch auf Druck des Vereins Schule in Not – inzwischen eindeutige Beschlüsse in acht Berliner Bezirken, die Kontrolle über Wischmopp und Scheuermilch zurückzugewinnen. Auch im Koalitionsvertrag des rot-grün-roten Senats ist die schrittweise Rekommunalisierung der Schulreinigung unmissverständlich als gemeinsames Vorhaben verankert. Nach und nach sollen demnach ab 2023 Reinigungskräfte bei den Schulen angestellt werden. Das »Bündnis für Saubere Schulen« war damit im Prinzip auf der Zielgeraden. Allein: Als vor wenigen Wochen der Entwurf des Senats zum Doppelhaushalt 2022/2023 präsentiert wurde, rauschte die Laune in den Keller. Denn das Stichwort »Rekommunalisierung der Schulreinigung« sucht man in dem mehr als 4000 Seiten schweren Haushaltsentwurf vergebens. (…) Zwar gebe es in dem Mammutwerk tatsächlich keinen in der Form groß überschriebenen und somit selbsterklärenden Posten. »Allerdings ist der Einstieg in die Rekommunalisierung im Doppelhaushalt sehr wohl abgesichert, und zwar über die Pauschalen Mehrausgaben für die Bezirke«, sagt Klein zu »nd«. Zur Wahrheit gehört, dass die Gelder sorgfältig versteckt sind. So findet sich auf Seite 3952 des Haushaltsentwurfs ein unscheinbarer Passus im Kapitel »Zuweisungen an die Bezirke«, der sich mit der »Umsetzung von fachlichen Zielvereinbarungen« befasst, für die den Bezirken 28 Millionen Euro im laufenden und noch einmal 28,5 Millionen Euro im folgenden Jahr zur Verfügung gestellt werden sollen. Zu diesen »fachlichen Zielvereinbarungen« gehört dann wiederum der »Einstieg in die Kommunalisierung der Schulreinigung als Pilotprojekt«. (…) Dass das Thema Rekommunalisierung und gute Arbeitsbedingungen in der Schulreinigung in einer Fußnote steckt, bedeute Klein zufolge keineswegs, dass es damit »versenkt« wird. »Die Fußnote wird gleichberechtigt behandelt mit allen anderen Punkten aus der Erklärung«, sagt Klein – womit ein Teil der insgesamt 56,5 Millionen Euro faktisch in die schrittweise Rekommunalisierung der Schulreinigung fließen kann. Nur eben nicht flächendeckend in ganz Berlin, sondern erst einmal lediglich im Rahmen eines Pilotprojekts. Konkret werden, so Klein, mit Neukölln, Tempelhof-Schöneberg und Pankow »drei Bezirke verpflichtet, Pilotbezirke zu werden«, also Zug um Zug bei auslaufenden Verträgen mit den privaten Dienstleistern die bisherige Fremd- auf Eigenreinigung umzustellen…“ Artikel von Rainer Rutz und Patrick Volknant vom 15.04.2022 im ND online - Schulreinigung bleibt prekär. Berliner Bezirk sieht über Vergabemindestlohn hinweg. Rekommunalisierung von Aufträgen aufgeschoben
„Berlin Neukölln gehört zu den acht von zwölf Bezirken der Hauptstadt, die sich für eine Rekommunalisierung der Schulreinigung ausgesprochen haben. Bis zur Umsetzung gilt aber offenbar das Prinzip »wegschauen«. Wie aus der Antwort auf eine Anfrage der Neuköllner Linksfraktion hervorgeht, erhalten die meisten Reinigungskräfte an den Neuköllner Schulen nicht einmal den Vergabemindestlohn in Höhe von 12,50 Euro, der seit dem 1. Mai 2020 in Berlin gilt.
Philipp Dehne, bildungspolitischer Sprecher der Linksfraktion Neukölln, nannte es am Dienstag absurd, dass Schulreinigungskräfte in Neukölln pro Stunde 1,38 Euro weniger verdienen »als auf der anderen Seite des Tempelhofer Feldes«. Das Bezirksamt Neukölln habe wiederholt die Möglichkeit gehabt, die laufenden Verträge mit den Reinigungsfirmen anzupassen und den Berliner Vergabemindestlohn von 12,50 Euro zu vereinbaren, erklärte er in einer Pressemitteilung. »So hat es auch der Nachbarbezirk Tempelhof-Schöneberg bereits 2020 gemacht«. Dehne warf dem Neuköllner Bürgermeister Martin Hikel (SPD) Blockade vor.
Derzeit beauftragt das Bezirksamt Neukölln elf Reinigungsfirmen mit etwa 125 Reinigungskräften mit der Schulreinigung, heißt es in der Presseerklärung. Nur bei einer Firma konnte nach Neuausschreibung der Berliner Vergabemindestlohn vertraglich vereinbart werden. Für die übrigen zehn Verträge findet der Tarifvertrag zur Regelung der Mindestlöhne für gewerbliche Angestellte in der Gebäudereinigung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV Mindestlohn) Anwendung. Der Lohn für die Innen- und Unterhaltsreinigung liegt hier bei 11,11 Euro. (…) Zwar kommt die »Rekommunalisierung« im Koalitionsvertrag der neuen Hauptstadtregierung vor. Allerdings lasse die Passage viel Spielraum für Interpretation, erklärte Anne Zetsche vom Verein »Schule in Not« Anfang Dezember. Erich Mendroch vom Verdi-Bezirk Berlin-Brandenburg hinterfragte den Koalitionsvertrag ebenfalls: »RGR duldet weiter prekäre Arbeitsbedingungen in der Reinigung von Berliner Schulen und will gleichzeitig offensichtlich weitere zwei Jahre Geld in die Privatwirtschaft pumpen.« Auch Ryan Plocher, Mitglied im Vorstand der GEW Berlin, konnte nicht erkennen, wie die Koalition zeitnah etwas an den Zuständen in Berliner Schulen ändern will: »In dreckigen Schulen lehrt und lernt es sich schlecht.« Im Sinne der Schüler und der an der Schule Beschäftigten fehle es an einem klaren Fahrplan für eine schnelle Besserung der Lage.“ Artikel von Susanne Knütter in der jungen Welt vom 16.12.2021 (im Abo) - Berliner Schulreinigung soll ab 2023 rekommunalisiert werden: Rot-Grün-Rot will die Auftragvergabe an private Putzfirmen im Schulbereich beenden
„… Beginnen soll die von etlichen bildungspolitischen Akteuren und Gewerkschaften seit Langem geforderte Rekommunalisierung demnach ab 2023. Schubert verwies in diesem Zusammenhang auf »laufende Verträge« mit privaten Putzfirmen, aus denen man »nicht von heute auf morgen« aussteigen könne. Auch müsse bei der Neuaufstellung der Schulreinigung »konzeptionell genau ausgearbeitet werden, wie es genau funktioniert, damit es funktioniert«. Davon abgesehen habe sich, so Schubert, das rot-grün-rote Verhandlungsteam darauf verständigt, dass die während der Corona-Pandemie eingeführte Tagesreinigung der Schulgebäude wie geplant »verstetigt« werden soll. Es sei nicht hinnehmbar, dass es für viele Schülerinnen und Schüler zu einem Problem wird, »zum Beispiel auf die Toilette zu gehen, weil die eklig ist«, stellte die Linke-Politikerin klar. (…) Während die Bildungsverwaltung in ihrem Bericht stoisch auf grob geschätzte Kostensteigerungen und Probleme bei der Personalgewinnung verweist, argumentieren die Befürworterinnen und Befürworter der Rekommunalisierung damit, dass die Maßnahme nicht nur kontinuierlich für saubere Schulen sorge, sondern auch für ein Ende der häufig prekären Arbeits- und Lohnverhältnisse der bei Privaten beschäftigten Putzfrauen und -männer.“ Artikel von Rainer Rutz vom 25.11.2021 im ND online - Schule stinkt – Berlin: Gewerkschaften und Verein »Schule in Not« fordern Rekommunalisierung der Reinigung in 2022. Verdi bietet Berechnungstool für Kosten an
„Die Schulreinigung, wie sie aktuell in Berlin organisiert ist, ist gescheitert. »Die Schulen sind nicht sauber«, sagte Ryan Plocher, Mitglied im Vorstand der GEW Berlin, am Mittwoch auf der gemeinsamen Pressekonferenz der Gewerkschaften Verdi und GEW, des Vereins »Schule in Not« und der Beratungsfirma »Urbane Infrastruktur«. Seit er 2014 an einer Schule in Berlin-Neukölln als Lehrer anfing, habe es dort fünf verschiedene Reinigungsfirmen gegeben. Um den Besuch der stinkenden Toiletten zu vermeiden, würden viele Kinder tagsüber nichts trinken. Das System, die Schulreinigung möglichst günstig von privaten Firmen erledigen zu lassen, habe aber auch einen pädagogischen Effekt, so Plocher: »In schmutzigen Schulen lernt es sich schlecht.« In einer dreckigen Umgebung »fühlen sich die Schüler nicht wertgeschätzt«. Umgekehrt bemühten sie sich auch nicht, die Räumlichkeiten sauber zu halten. Seit 2019 fordert »Schule in Not« gemeinsam mit den Gewerkschaften GEW, Verdi, IG BAU und dem Deutschen Gewerkschaftsbund von der Berliner Politik die Rekommunalisierung der Schulreinigung umzusetzen, die mittlerweile in acht von zwölf Bezirken beschlossen wurde. Doch bisher ist keine einzige Reinigungskraft an einer Berliner Schule festangestellt. Das Thema habe es gerade einmal mit einem Satz in das Sondierungspapier von SPD, Grünen und Linkspartei geschafft, sagte Susanne Kühne von »Schule in Not« am Mittwoch auf der online übertragenen Pressekonferenz. Nicht klar sei, »wie, wann und in welchem Umfang« rekommunalisiert werden wird, so Kühne. Wie aus einem Hintergrundpapier des Bündnisses hervorgeht, das jW vorliegt, sollen die Mittel für die Tagesreinigung an Berliner Schulen im Doppelhaushalt 2022/2023 sogar gekürzt werden und nicht mehr zweckgebunden sein. (…) Mit einer Rekommunalisierung der Schulreinigung könnten laut »Schule in Not« deutlich mehr als 1.000 Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst geschaffen werden. Die Beschäftigten wären eingebunden in das Schulkollektiv, hätten Anspruch auf den Tarifvertrag der Länder und betriebliche Mitbestimmung, so Mendroch. Plocher ergänzte die pädagogische Sicht: Wenn die Schüler wissen, wer putzen muss, würden sie eher Ordnung halten.“ Artikel von Susanne Knütter in der jungen Welt vom 11. November 2021 - Schulreinigung: Mangelhafte Hygiene und prekäre Beschäftigung
„Ob in Berlin, Krefeld, Lüdenscheid, Pinneberg, Witten oder an vielen anderen Orten – eine unzureichende Schulreinigung war in den vergangenen Jahren immer wieder Thema in Medien. Wesentlicher Grund dafür ist die Privatisierung von Reinigungsleistungen durch die Kommunen. (…) Im Wettbewerb um Aufträge versuchen Unternehmen der Reinigungsbranche in der Regel mit dem niedrigsten Preis erfolgreich zu sein. Über die sogenannte Flächenleistungsverdichtung werden die Angebotspreise gesenkt. Die kalkulierte Arbeitszeit wird verkürzt, indem der Preis bezüglich der Flächenleistung verringert wird. Die Arbeit wird dadurch massiv verdichtet, der Zeitdruck für die Reinigungskräfte nimmt zu und letztlich leidet so die Qualität der Leistung. Verbreitet sind zudem Vergütungen nach gereinigten Objekten, Räumen oder Flächen, für deren Reinigung zu wenig Zeit einkalkuliert wird (sogenannte »Objektlöhne«). Dies führt unter Umständen dazu, dass sogar der Mindestlohn unterlaufen wird, was einen Gesetzesverstoß darstellt. Mit dem starken Branchenwachstum und dem zunehmenden Outsourcing ist zudem die Verlagerung der Arbeitszeiten in die Randzeiten des Tages einhergegangen: Gereinigt wird häufig frühmorgens, spätabends oder auch nachts. Dies führt auch zu einem Verfall von Wertschätzung, zu einer Verschlechterung der Arbeitszeiten und der Arbeitsbedingungen. Dass dies keineswegs zwingend ist, zeigt Skandinavien: Dort ist die Reinigung während des Tages im Gegensatz zu Deutschland eher der Normalfall. (…) Mit dem Ausbruch der Corona-Krise ist die hygienische Situation in den Schulen in den Mittelpunkt der medialen Aufmerksamkeit gerückt. Die meisten Schulträger haben darauf reagiert – so etwa mit Desinfektionsmittel, zusätzlichem Geld für Reparaturen der Sanitäranlagen und Präsenz-Reinigungskräften für Schultoiletten. Dies hat in der Regel zu spürbaren Verbesserungen geführt. Das Problem von unsauberen Schulen ist allerdings schon vor Ausbruch der Corona-Pandemie in der öffentlichen Berichterstattung präsent gewesen – und dieses Problem verlangt langfristig angelegte Lösungen. (…) Der Landkreis Kassel reinigt alle seine Schulen mit eigenen Arbeitskräften, die nach dem Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen bezahlt werden. Allerdings stand der Landkreis zwischenzeitlich unter Druck, dies zu ändern: Der Hessische Rechnungshof hatte ihm empfohlen, seine Schulreinigung zu privatisieren, da dies günstiger sei. Der so erzeugte politische Druck war so groß, dass ein Pilotprojekt durchgeführt wurde…“ Artikel von Kai Eicker-Wolf vom 22. September 2021 in Blickpunkt WiSo - [Berlin] Die Goldene Bürste soll’s richten. Bildungsverwaltung würgt Diskussion um Rekommunalisierung der Schulreinigung vorerst ab
„Die Liste der liegen gelassenen rot-rot-grünen Vorhaben im Schulbereich ist zuletzt immer länger geworden. Endgültig mit dabei ist nun auch die Rekommunalisierung der vor Jahrzehnten an private Dienstleister outgesourcten Reinigung der Schulen. Dabei waren sich SPD, Linke und Grüne im Grundsatz einig, dass jede Berliner Schule wieder ihre eigenen, bei den Bezirken oder dem Land angestellten Putzkräfte haben sollte. Das sorge nicht nur kontinuierlich für saubere Schulen, sondern auch für ein Ende der häufig prekären Arbeits- und Lohnverhältnisse der bei Privaten beschäftigten Putzfrauen und -männer. Mehrfach hatte sich das Mitte-links-Bündnis dazu bekannt. Passiert ist praktisch nichts. Nicht mal auf einen schrittweisen Wiedereinstieg in die Rekommunalisierung wollte man sich einigen. Kurz vor dem Ende der Legislaturperiode hat das Haus von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) nun – mit reichlich Verspätung – einen vom Abgeordnetenhaus in Auftrag gegebenen Bericht zu den Vor- und Nachteilen einer Rekommunalisierung vorgelegt. Bei genauerer Betrachtung ist es der Versuch, das Thema zu beerdigen. (…) Das von der Bildungsverwaltung als »Schlussbericht« bezeichnete Papier sei ein »phänomenales Dokument der Plan- und Lustlosigkeit«, sagt Susanne Kühne. Die Pankower Mutter eines Grundschülers engagiert sich in der berlinweiten Initiative Schule in Not, die sich zusammen mit den DGB-Gewerkschaften Verdi, GEW und IG BAU für ein Ende der Fremdvergabe der Reinigungsleistungen stark macht. Kühne moniert nicht nur die »unkonkreten und unseriösen« Berechnungen der Zusatzkosten – der Bericht nennt eine Spanne zwischen 21 und 260 Prozent. Sie wundert sich auch darüber, dass der Aspekt »Gute Arbeit« hierin kaum eine Rolle spielt. »Der Bericht liest sich streckenweise ja schon fast erheiternd«, sagt Kühne zu »nd«. Beispielsweise, wenn es heißt, für »eine gute Reinigungsleistung und eine hohe Zufriedenheit« sollten neben Fragen nach Fremd- oder Eigenreinigung doch »weitere Erfolgsfaktoren in den Blick« genommen werden. Vorgeschlagen wird in diesem Rahmen etwa eine Schulaktion »Goldene Toilettenbürste«, mit der Schülerinnen und Schüler motiviert werden, »eigenverantwortlich« für mehr Sauberkeit zu sorgen. Anders gesagt: Macht halt nicht so viel Dreck, dann muss auch nichts rekommunalisiert werden…“ Artikel von Rainer Rutz vom 22.09.2021 im ND online - Für Klopapier und Seife: Bündnis fordert, dass die Schulreinigung in Berlin rekommunalisiert werden soll
“»Die Beschlüsse sind gefasst – nun müssen sie auch umgesetzt werden.« Hinter dem Satz, mit dem der Verein »Schule in Not« am Donnerstag in Berlin zur Pressekonferenz eingeladen hatte, steckt eine konkrete Forderung: Bis zum Beginn des Schuljahres 2021/2022 sollen zehn Prozent der Schulreinigung in Eigenregie erfolgen. Dieser Anteil soll bis zum Sommer 2022 auf 25 Prozent und dann jährlich in festzulegenden Schritten weiter steigen. Das Ziel des Bündnisses, das aus »Schule in Not« und den Gewerkschaften GEW, IG BAU und Verdi besteht, ist die Rekommunalisierung der Berliner Schulreinigung. Die Elterninitiative »Schule in Not« hatte 2019 auf die katastrophalen Hygienebedingungen in den rund 800 Berliner allgemeinbindenden Schulen und die miesen Arbeitsbedingungen der Reinigungskräfte aufmerksam gemacht. Seit der Gründung der Initiative im Vorjahr haben 25 000 Berlinerinnen und Berliner für die Rekommunalisierung der Schulreinigung unterschrieben. Damit sprachen sie sich zugleich für mehr Zeit und bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten aus. In sechs von zwölf Bezirken fassten die Bezirksverordnetenversammlungen Beschlüsse zur Rekommunalisierung. Auf Landesebene wurde der »Runde Tisch Schulreinigung« eingerichtet. Im Doppelhaushalt 2020/2021 hat das Land 16 Millionen Euro zusätzlich für die Schulreinigung eingestellt. (…) »Seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten ist die Reinigung an den Schulen eine Katastrophe«, sagte Anne Zetsche von »Schule in Not«. Die Rückmeldungen, die sie seit Beginn des Schuljahres bekommen habe, sprechen für sich, so Zetsche weiter. Ein Hausmeister habe ihr von seiner »seitenlangen Mängelliste« an das Reinigungsunternehmen berichtet. An manchen Schulen fehlten Handtücher, Klopapier, Seife, Zwischenreinigungen finden selten oder gar nicht statt. »Wenn die Beschäftigten pro Klassenzimmer acht Minuten Zeit haben, ist das auch nicht anders möglich«, sagte Jens Korsten von der IG BAU. Seine Gewerkschaft hat einen Flächentarifvertrag für die Gebäudereinigung erstritten, der seit 2018 allgemeinverbindlich ist – also bundesweit in der gesamten Branche gilt. »Das Problem ist«, so Korsten, »das mit jeder Tariferhöhung die Arbeitgeber die Zeit pro Reinigungsschritt verkürzen und gleichzeitig die Flächen vergrößern.« Zudem arbeite der größere Teil der Beschäftigten nicht in Vollzeit, sondern habe Verträge mit unter 30 Stunden pro Woche. Das Ergebnis diese Praxis: Zweit- und Drittjobs werden nötig, es entstehen soziale Folgekosten, wenn die Beschäftigten ihre Einkommen aufstocken müssen, die Qualität der Reinigung leidet. Das müsse man gegen die vermeintlich höheren Kosten für eine rekommunalisierte Schulreinigung rechnen, sagte Erich Mendroch von Verdi…“ Artikel von Jörg Meyer vom 10.09.2020 in Neues Deutschland online