Eine hoheitliche Aufgabe. Dass auf Flughäfen an der Sicherheit gespart wird, ist eine Folge der Privatisierungen während der 1990er Jahre

Dossier

Privatisierungsbremse für Leipzig… An den Flughäfen durchsuchen Mitarbeiter*innen privater Firmen jede und jeden. Auf der Jagd nach Waffen, gefährlichen Gegenständen, gar Sprengstoff durchleuchten die  Luftsicherheitsassistent*innen das Gepäck. Ihr Job, die Terrorabwehr, ist eine höchst verantwortungsvolle Aufgabe – wenn sie denn ernst gemeint ist. (…) Trotz jahrelangen Warnungen leiden sie noch immer unter ständig wechselnden Arbeitszeiten, überlangen Schichten, unterdurchschnittlicher Bezahlung. (…) Die Folge sind Überlastung, mangelnde Konzentration, Übermüdung – und damit Gefahren für die Sicherheit. Grund dafür ist die seit 1993 erfolgte Privatisierung der Kontrollen. (…) Überfällig ist deshalb, die hoheitliche Aufgabe der Kontrollen und Durchsuchungen endlich wieder in staatliche Hand zu überführen…“ Kommentar von Andreas Wyputta vom 23.12.2019 in der taz online externer Link, dem sich  nicht nur wir anschliessen. Siehe dazu:

  • Stand der Privatisierung der Luftsicherheitskontrollen an deutschen internationalen Verkehrsflughäfen New
    „… Nach § 16a Abs. 1 Nr. 1 LuftSiG kann die zuständige Luftsicherheitsbehörde natürlichen Personen sowie teilrechtsfähigen Vereinigungen und juristischen Personen des Privatrechts als Beliehenen die Wahrnehmung bestimmter Aufgaben bei der Durchführung von Sicherheitsmaßnahmen nach § 5 Abs. 1 bis 3 LuftSiG übertragen. Insofern handelt es sich bei Durchführung der Luftsicherheitskontrollen als hoheitlicher Aufgabe, für die sich der Staat des Personals privater Sicherheitsdienstleister bedient, um eine funktionale Privatisierung, bei der die Aufgabenzuständigkeit und -verantwortung beim Träger der öffentlichen Verwaltung verbleibt, die Planung, der Vollzug oder die Finanzierung der Aufgabe hingegen ganz oder zum Teil auf einen Privaten übertragen wird.
    Aktueller Stand der Privatisierung
    In der Bundesrepublik Deutschland gibt es derzeit 15 internationale Verkehrsflughäfen. Für zwölf dieser Flughäfen erfolgte eine Rückübertragung der Luftsicherheitsaufgaben an den Bund. An diesen Flughäfen besteht eine Zuständigkeit der Bundespolizei (BPOL) als Luftsicherheitsbehörde. Die Passagier- und Gepäckkontrollen gemäß § 5 LuftSiG werden von privaten Sicherheitsdienstleistern unter der Fachaufsicht der Bundespolizei durchgeführt. Die Aufträge für die entsprechenden Kontrollaufgaben werden von der Bundespolizei in Zusammenarbeit mit dem Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) ausgeschrieben. In der Regel haben die Verträge eine Laufzeit von vier Jahren mit einer Verlängerungsoption für ein weiteres Jahr.
    Neu ist seit 1. Januar 2023 die Organisation der Luftsicherheitskontrollen am Flughafen Frankfurt am Main. Erstmalig werden nicht Einzelpersonen mit der Durchführung der Sicherheitskontrollen beliehen, sondern die Fraport AG als juristische Person des Privatrechts. Als Beliehene der Bundespolizei kann Fraport so künftig die Dienstleister auswählen und auch die Ausschreibungsbedingungen aufsetzen.
    Für die Luftsicherheitsaufgaben an den Flughäfen München, Münster/Osnabrück und Nürnberg sind die jeweiligen Bundesländer zuständig
    …“ Beitrag von Özay Tarim vom 13. Dezember 2023 auf luftsicherheit-nrw.de externer Link von ver.di auf Grundlage des Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages samt einer Übersicht der an den jeweiligen Flughäfen im Bereich der Passagierkontrollen tätigen Dienstleister
  • Arbeitsbedingungen und Tariftreue in der „Neuen Welt“: Insourcing der Passagierkontrollen am Frankfurter Flughafen beseitigt nicht alle Probleme
    ver.di führt Gespräche mit dem Fraport-Vorstand und Dienstleistern. Probleme müssen benannt und abgestellt werden. Seit dem Jahresanfang hat die Fraport die Steuerung der Passagierkontrollen am Flughafen Frankfurt übernommen. Damit ist erstmals wieder der Flughafenbetreiber selbst verantwortlich für die Kontrollen. Damit liegt auch ein wesentlicher Anteil der Verantwortung für die Arbeitsbedingungen nun nicht mehr in der Hand der in der Vergangenheit von allen Beteiligten oft kritisierten Bundespolizei. Im Vorfeld wurden durch die Fraport viele Versprechungen gemacht. Alles sollte besser werden. Tatsächlich häufen sich bei ver.di seit dem Jahresbeginn die Beschwerden unserer Gewerkschaftsmitglieder. Im Vordergrund stehen dabei die Probleme die durch den bei Securitas verursachten Personalmangel hervorgerufen werden. Da FraSec und ISEC hier aushelfen müssen, werden die Beschäftigten wie auf dem Rangierbahnhof durch die Terminals verschoben. Dies führt zu neuen Belastungen, die die ohnehin anstrengende Tätigkeit noch erschweren. Auch bei den sonstigen Rahmenbedingungen wie Ausstattung und Lage der Pausenräume, Wegezeiten aber auch Uniformen müssen nun, da vieles in der Hand der Fraport AG liegt, endlich Verbesserungen erreicht werden. Da sich unser Engagement nicht nur auf Öffentlichkeitsarbeit beschränkt, haben wir bei dem zuständigen Vorstandsmitglied der Fraport bereits im Januar interveniert. Auf unser Betreiben hin wurde für den 24. Februar ein Gespräch auch mit Beteiligung der drei am Standort tätigen Luftsicherheitsfirmen ISEC, FraSec und Securitas vereinbart. Dass Tariftreue bei den beauftragten Luftsicherheitsunternehmen gewährleistet werden muss, versteht sich für uns von selbst. Wir erwarten daher eine Antwort auf die Frage, wann alle im Securitas-Gemeinschaftsbetrieb beschäftigten Mitarbeitenden vollumfänglich den Schutz der zwischen ver.di und dem BDLS geschlossenen Tarifverträge genießen werden. Dass Aufträge durch die Fraport an nicht vollumfänglich tariftreue Unternehmensverbünde vergeben werden ist ein Skandal, den wir nicht akzeptieren werden…“ Meldung vom 23. Februar 2023 in  WaSi-Hessen.de externer Link
  • Insourcing der Passagierkontrollen als 1. Schritt: Frankfurter Flughafen macht es (immer noch mit privaten Sicherheitsdiensten), für Flughafen Düsseldorf wird es gefordert 
    • Frankfurter Flughafen organisiert Kontrollen künftig selbst
      Das Warten an der Passagierkontrolle gehört zu den nervigen Aspekten einer Flugreise. Mit neuer Technik und besserer Organisation will der Frankfurter Flughafen die Schlangen verkürzen. Frankfurts Flughafen-Chef Stefan Schulte hat lange Jahre dafür gekämpft, zum Jahreswechsel soll es nun Wirklichkeit werden: Der Flughafenbetreiber Fraport übernimmt als erster deutschlandweit von der Bundespolizei die Regie bei den Passagier- und Handgepäckkontrollen. Erklärte Ziele sind schnellere und effektivere Abläufe an den ungeliebten Kontrollspuren, geringere Wartezeiten für die Fluggäste und letztlich eine größere Verlässlichkeit des gesamten Luftverkehrssystems. Airlines wie auch die anderen Flughäfen schauen mit großem Interesse auf das Frankfurter Modell, wie die Verbände ADV und BDL versichern. Denn selbst im noch vergleichsweise verkehrsarmen Flugsommer 2022 haben sich die von der Bundespolizei organisierten Fluggastkontrollen insbesondere in Köln, Düsseldorf und Berlin als Nadelöhre erwiesen. (…) Die Arbeit an den Kontrollspuren werden auch nach der Re-Organisation private Sicherheitsdienstleister erledigen. (…) Das Personal der beauftragten Sicherheitsfirmen führt die Kontrollen im Auftrag der Fraport durch, aber weiter nach den Richtlinien des Bundes und unter Aufsicht der Bundespolizei. Auch die Fraport ist mit den hoheitlichen Aufgaben nur „beliehen“, der Staat kann also im Zweifel jederzeit die Organisation wieder an sich ziehen…“ Artikel von Christian Ebner vom 2.12.2022 in der Nordsee-Zeitung online externer Link
    • „Flughafen Düsseldorf: Selbst jetzt noch riesige Schlangen am Terminal – der Grund ist nicht zu fassen“
      Eigentlich sollten lange Warteschlangen am Flughafen Düsseldorf der Vergangenheit angehören. Doch am Wochenende kam es erneut zu Chaos. Hat der Flughafen Düsseldorf aus dem wochenlangen Chaos im Sommer nichts gelernt? Das fragt sich wohl zurzeit Verdi-Sekretär Özay Tarim. Denn am Wochenende mussten die Urlauber erneut ellenlang in den Warteschlangen anstehen. (…) „Es ist seit Monaten der Fall und es ändert sich nichts: Wir brauchen mehr Personal an den Kontrollstellen. Wenn die Firmen ihre Mitarbeitenden aber so schlecht behandelt, dann ist es kein Wunder, dass die oft schnell wieder gehen“; so Tarim. (…) Der Verdi-Vertreter fordert, dass die Kontrolle über das Personal in staatliche Hand. Der Vorteil: Staatliche Unternehmen können per Gesetz nicht so einfach Mitarbeiter entlassen, sodass vergleichsweise ausreichend Personal vorhanden ist. In NRW hält man bislang jedoch an dem Modell fest, dass ist die Bundespolizei zuständig ist. Diese beauftragen für die Kontrollen eine private Sicherheitsfirma.“ Artikel von Chaleen Goehrke vom 5.12.2022 in derwesten.de externer Link

Siehe für die Notwendigkeit fast unsere gesamte Rubrik Luftverkehr allgemein und am Boden

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=160046
nach oben