[Bahnhofsviertel] Protest gegen Abholzung in Flensburg: Hotel statt Wald

Dossier

BI Bahnhofsviertel FlensburgIn Flensburg harren Aktivist*innen seit drei Monaten im Bahnhofswäldchen aus. Es ist die nördlichste Waldbesetzung Deutschlands. Der Wald ist eigentlich nur ein Wäldchen, doch er ist fast ebenso umkämpft, wie es der Dannenröder oder der Hambacher Wald waren. Seit Anfang Oktober sind in mehreren Bäumen auf einem Grundstück nahe dem Flensburger Bahnhof Wohnplattformen entstanden, in denen eine Gruppe Aktivist*innen rund um die Uhr ausharrt. Parallel sammelt eine Bürgerinitiative Unterschriften und Spenden für den Erhalt des Wäldchens. An seinem Platz wollen lokale Investoren ein Hotel und ein Parkhaus errichten. Der Protest der Gegner*innen richtet sich auch gegen die Stadt Flensburg...“ Artikel von Esther Geisslinger vom 17.1.2021 in der taz online externer Link – siehe für Hintergründe die Homepage der BI Bahnhofsviertel Flensburg externer Link sowie diese bei Twitter externer Link und neu dazu:

  • Freispruch für Baumbesetzer vom Flensburger Bahnhofswald: Der Einsatz für den Klimaschutz kann einen Hausfriedensbruch rechtfertigen New
    „… Es waren unruhige Wochen Anfang 2021, als mehrfach Lieferwagen der Hotelinvestoren brannten, Demonstranten Bauzäune niederrissen und sich die Baumbesetzer ein Katz- und Maus-Spiel mit der Polizei lieferten. Vier Tage lang hatten Hundertschaften der Polizei das Gehölz umstellt, auf dem zwei Flensburger Unternehmer ein Intercity-Hotel bauen wollen, während einige Meter über dem Grund Demonstranten über Traversen balancierten. Einer der letzten, die dort ausharrten, war der 42-jährige Angeklagte. Von Oktober bis Februar hatte er die meiste Zeit in den selbst gezimmerten Baumhäusern verbracht. Deshalb musste er sich nun verantworten. (…) Der Vorwurf: Hausfriedensbruch. Einer der Hotelinvestoren hatte Strafbefehl beantragt. Der Angeklagte war aufgefordert worden, 15 Tagessätze von jeweils 15 Euro zu zahlen, insgesamt also 225 Euro. Er weigerte sich. So kam es zur Verhandlung, die fast vier Stunden dauerte. Ein Polizeikommissar bezeugte, die Identität des Mannes nach dem Abseilen festgestellt zu haben. Der Verteidiger argumentierte aber, das Gelände sei nur lückenhaft eingezäunt gewesen, Waldstücke dürften zudem grundsätzlich betreten werden. Er stellte auch infrage, ob die eine berechtigte Person in juristisch korrekter Weise die Demonstrierenden aufgefordert habe, die Bäume zu verlassen. All das überzeugte die Richterin nicht. Sie sah den Tatbestand des Hausfriedensbruchs als erfüllt an. (…) Ein anderes Argument überzeugte die Richterin dann aber doch: der „rechtfertigende Notstand“. Der Sprecher des Amtsgerichts Stefan Wolf erklärte dazu: „Die Richterin hat den Klimaschutz hier als Rechtsgut von Verfassungsrang mit dem Eigentumsschutz der Waldeigentümer abgewogen und dann entschieden, dass der Klimaschutz hier als Rechtsgut wesentlich überwogen hat und diese Tat des Hausfriedensbruchs in diesem konkreten Fall gerechtfertigt hat.“ In der Begründung verwies die Richterin auch auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von 2021, das die Gesetzgebung zum Klimaschutz als unzureichend bewertet hatte. Zwar sind als Ausgleich Aufforstungen an anderer Stelle geplant. Der Baumbesetzer hatte aber auch angeführt, das zentrale Waldstück habe eine gute Wirkung auf das Stadtklima. Zudem sei das Biotop nicht einfach ersetzbar…“ Beitrag von Peer-Axel Kroeske vom 7. November 2022 beim NDR 1 Welle Nord externer Link, siehe auch:

    • Freispruch am Amtsgericht in Flensburg – Waldbesetzung fällt unter Rechtfertigenden Notstand
      Das Flensburger Amtsgericht sorgte heute für eine ziemliche Überraschung und sprach einen Aktivisten aus dem Kontext des Bahnhofswaldes frei. Als Begründung zog die Richterin den § 34 StGB heran, den rechtfertigenden Notstand. Der Person wurde vorgeworfen auf dem Grundstück der Firma JARA Immobilien einen Hausfriedensbruch begangen zu haben. Dies bestätigte die Richterin Fr. Buchenau, hielt das Mittel der Besetzung und den damit verbundenen Hausfriedensbruch allerdings für angemessen, um sich gegen den Klimawandel und die Vernichtung eines innenstädtischen Waldes einzusetzen, und urteilte nach knapp 3 ½ Stunden Verhandlung mit einem Freispruch. Sie fügte allerdings auch schon hinzu, dass die Staatsanwaltschaft wohl in Berufung gehen werde. Diese hatte 15 Tagessätze gefordert.
      Im Herbst 2020 war ein kleines Waldstück am Flensburger Bahnhof besetzt worden, um dort den Bau eines Parkhauses und eines Hotels zu verhindern. Der Wald sollte erhalten, das unnötige Bauvorhaben gestoppt werden.
      Im Februar 2021 wurde das Gelände schlussendlich geräumt, nachdem eine private Sicherheitsfirma im Auftrag der Investoren den Wald umzäunt hatte, um Baumfällern das Ansägen und Fällen der Bäume zu ermöglichen. Dabei befanden sich zum Teil noch Menschen in den Baumhäusern. Auch die Gefahr für die Sicherheitskräfte der engagierten Firma fiel neben der Profitgier der Investoren nicht weiter ins Gewicht. Nachdem die Polizei die Fällarbeiten erst unterbunden hatte, räumte sie einen Tag später das Gelände selbst und berief sich dabei auf den Verstoß gegen eine für die Woche geltende Ausgangssperre.
      Der heutige Freispruch berief sich auch auf das Bundesverfassungsgericht, welches der Bekämpfung des Klimawandels Verfassungsrang einräumte. Das Urteil in Flensburg stellt sich gegen die immer lauter werdenden Stimmen, der Aktivismus der Klimagerechtigkeitsbewegung müsse härter bestraft werden. Eine Richterin, die der Meinung ist, die Regierung tue zu wenig für das Klima und eine Besetzung sei eine legitime Protestform, ist zwar kein Grund in ausschweifenden Jubel auszubrechen, aber trotzdem ist das Urteil ein unerwartetes Zeichen für mehr Klimaschutz.“ Meldung der Initiative am 7.11.2022 per e-mail – wir gratulieren!
  • Flensburg: Baumbesetzer werden immer noch geräumt. Festnahmen bei Protesten von Umweltaktivisten – Bundesweite Solidaritätsaktionen 
    Ein Hotel-Investorenduo hatte vergangenen Freitag eigenmächtig und in Selbstjustiz eine Räumungsaktion in Flensburg angezettelt, um ein umstrittenes Bauprojekt auf der Grünfläche zeitnah starten zu können. Begleitet wird die Räumung nun von Protesten durch Umweltaktivisten und deren Sympathisanten. Es hat bereits Festnahmen gegeben. Neben der Räumung ist auch das Fällen weiterer Bäume auf dem künftigen Baugrundstück vorangetrieben worden. Die Flensburger Polizei hat neben Kräften der Bundespolizei auch Amtshilfe von Einheiten aus Niedersachsen und Hamburg bekommen. (…) Aus Solidarität mit der Räumung hatte es bundesweit Aktionen gegeben, etwa Baumbesetzungen in Greifswald, Aachen und im Steinauer Wald in Hessen. Die Proteste in Flensburg sind längst nicht mehr auf das Gebiet am Bahnhofswald beschränkt. Am Morgen wurde eine vielbefahrene Kreuzung am Busbahnhof für drei Stunden durch eine Abseilaktion von einer Brücke blockiert. Sonntagabend ging ein Firmenauto von einem der Flensburger Investoren in Flammen auf. Bereits im Januar gab es anonyme Drohungen, die für jeden gefällten Baum einen Fahrzeugbrand ankündigten. Daraufhin wurden die Baumbesetzer pauschal kriminalisiert. Nach dem 1. März lässt das Bundesnaturschutzgesetz sieben Monate lang keinerlei beseitigenden Holzeinschlag zu. Die Investoren sahen ihr Bauvorhaben daher gefährdet, weil die Stadt Flensburg sich wegen der Corona-Lage weigerte, die Besetzung zu beenden. Zugleich drohte man der Stadt mit hohen Regressforderungen…“ Artikel von Dieter Hanisch, Flensburg, vom 22.02.2021 im ND online externer Link, siehe auch:

    • Flensburger Baumbesetzung beendet: Räumung nach Wortbruch
      Die Polizei hat entgegen politischer Zusagen das Bahnhofswäldchen in Flensburg geräumt. Die Begründung war die nächtliche Corona-Ausgangssperre. Am Sonntag hat die Räumung des Flensburger Bahnhofswaldes begonnen, den die Geg­ne­r*in­nen eines dort geplanten Hotelneubaus seit Oktober besetzt hielten. Die Stadt Flensburg hat diesen Schritt mit der nächtlichen Ausgangssperre begründet, die sie wegen der hohen Inzidenzzahlen verhängt hat. Die gelte für alle. Die Stadt bestätigte, eine Räumungsverfügung ausgestellt und ein Amtshilfegesuch bei der Polizei zur Räumung gestellt zu haben. Am Morgen marschierte eine Polizeihundertschaft auf. Die Polizei versuchte zunächst, die etwa 100 Besetzer*innen, die sich seit Wochen zum Großteil in Baumhäusern verschanzt haben, durch Verhandlungen zur freiwilligen Räumung des Geländes zu bewegen. Um 12.40 Uhr begann dann nach Angaben der Polizei die Räumung, die mit Einbruch der Dunkelheit unterbrochen wurde und am heutigen Montag fortgesetzt und abgeschlossen werden soll. Die Aktivist*innen sahen sich durch die überraschende Räumung vor allem von der Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange (SPD) getäuscht, die noch am Freitag erklärt hatte, eine Räumung werde gerade wegen der Pandemielage vorerst nicht stattfinden…“ Artikel von Marco Carini vom 22.2.2021 in der taz online externer Link
  • Investoren räumen auf eigene Faust: Privatarmee im Bahnhofswald in Flensburg
    Weil die Stadt Flensburg sich weigerte, den besetzten Bahnhofswald räumen zu lassen, haben es die Investoren privat versucht. Die Polizei stoppte das. Es herrscht noch Dunkelheit, als der Trupp anrückt. Die Arbeitskräfte, darunter sind einige als Mitarbeiter einer Security-Firma zu erkennen, errichten Bauzäune vor dem Waldstück, in dem seit Oktober eine Gruppe von Aktivist*innen in Baumhäusern und Unterständen ausharrt, um die Rodung des Geländes zu verhindern. Während die Aktivist*innen noch schlafen, rattern die Kettensägen los. Eines der Baumhäuser stürzt mehrere Meter tief zu Boden und zerbricht. „Es war niemand drin, doch das war Zufall“, sagt ein Sprecher der Aktivist*innen der taz. „Wir sind froh, dass niemand verletzt worden ist.“ Unklar ist, ob die Arbeitskräfte sicher wussten, dass das Haus leer war. (…) Zuwege und Luftbrücken zwischen den Häusern und Plattformen wurden zerstört, und es seien auch zahlreiche Bäume so tief angesägt worden, dass sie absehbar eingehen werden. „Die haben Tatsachen geschaffen“, heißt es von Seiten der Aktivist*innen im Bahnhofswald. (…) Eine Genehmigung besaßen sie nicht, weder Verwaltung noch Polizei waren vorab informiert. Kurz nach Beginn der Arbeiten traf die Polizei ein und stoppte die Rodung…“ Artikel von Esther Geisslinger vom 19.2.2021 in der taz online externer Link, siehe auch die Presseerklärung der BI Bahnhofsviertel Flensburg externer Link und dort weitere Informationen
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=186754
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