Biontech-Firmenchef dank Coronapandemie unter den zehn reichsten Deutschen – Belegschaft beklagt Überlastung und Verweigerung von Tarifverträgen

Dossier

Petition von medico für die Aufhebung des Patentschutzes auf alle unentbehrlichen Medikamente: Patente garantieren Gewinne. Und töten Menschen.Ein besseres Geschäftsumfeld als die in Mainz ansässige Biontech SE kann man kaum haben: Nicht nur hat die EU-Arzneimittelbehörde EMA angesichts der Coronapandemie erstmals mRNA-Impfstoffe kraft »Notfallzulassung« auf den Markt gebracht. Zugleich hält sie sämtliche Konkurrenzvakzine, die nicht von Privatkonzernen aus der EU und/oder den USA kommen, aus dem Spiel. Gute Kontakte an die Spitze der Kommission sorgen für volle Auftragsbücher. Darauf, dass fragwürdige SMS von Behördenpräsidentin Ursula von der Leyen im Zweifelsfall verschwinden, kann man sich verlassen. Darüber hinaus fließen aus Berlin zuverlässig millionenschwere Förderungen zur Erweiterung der Produktionskapazitäten. (…) Laut der Gewerkschaft IG BCE klagen Beschäftigte über intransparente Vergütungsstrukturen und Arbeit an der Belastungsgrenze. Tarifverträge gibt es nicht, und Gesprächsangebote der Gewerkschaft werden seit Jahren ausgeschlagen. Die Rechtsform der europäischen SE ist gerade unter Startups eine beliebte Methode, um nationalstaatlich verankerte Arbeitsrechte zu umgehen.“ Artikel von Sebastian Edinger in der jungen Welt vom 11.02.2022 externer Link („Eldorado in Mainz“), siehe weitere Infos dazu:

  • Hauptversammlung 2023 von Biontech: Nichtregierungsorganisationen fordern, BioNTech muss gerechten Zugang zu Impfstoffen gewährleisten New
    Zur Hauptversammlung von BioNTech am 25. Mai haben Oxfam und Brot für die Welt gemeinsam mit dem Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre Gegenanträge und Fragen für die Hauptversammlung eingereicht. Darin kritisieren sie, dass BioNTech trotz stabiler Umsätze und finanzieller Förderung durch die Bundesregierung in dreistelliger Millionenhöhe versäumt hat, sich für einen global gerechten Zugang zum Covid-19-Impfstoff einzusetzen. Die zivilgesellschaftlichen Organisationen fordern BioNTech auf, der globalen Verantwortung nachzukommen und Technologie und Know-How mit Herstellern im Globalen Süden und dem mRNA-Programm der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu teilen sowie das BioNTainer-Projekt transparenter zu gestalten…“ Siehe Gegenanträge und weitere Infos:

  • Aktionäre fitgespritzt: Impfstoffhersteller Biontech vermeldet Rekordgewinn. Sonderdividende für Spekulanten. Beschäftigte gehen leer aus 
    „Dank der Coronapandemie zählt Biontech-Gründer Ugur Sahin mit einem Privatvermögen von 13,6 Milliarden US-Dollar mittlerweile zu den zehn reichsten Deutschen. Die am Mittwoch vorgelegten Geschäftszahlen zeigen: Die Kasse klingelt weiter, und zwar immer lauter. Einen Nettogewinn von 10,3 Milliarden Euro konnte das Mainzer Startup für 2021 vermelden, der Umsatz lag bei 19 Milliarden. 2020, also im Geschäftsjahr bevor das Coronavakzin auf dem Markt plaziert worden war, lag der Gewinn noch im niedrigen, zweistelligen Millionenbereich. Laut Sahin war 2021 rückblickend »ein außergewöhnliches Jahr, in dem Biontech mit dem ersten zugelassenen Impfstoff auf Basis von unserer mRNA-Technologie einen bedeutenden Einfluss auf die Gesundheit und die Weltwirtschaft hatte«. Um die »Vorreiterrolle in der Branche fortzuführen« möchte er auf dem »Erfolg von 2021 aufbauen«. Das dürfte gelingen, denn für die Biontech-Führung und die Aktionäre des Pharmakonzerns sieht auch die Zukunft rosig aus: Der satte Gewinn 2021 wurde durch den Verkauf von insgesamt 2,6 Milliarden Coronaimpfstoffdosen erwirtschaftet. Für 2022 bestünden bereits unterzeichnete Aufträge für 2,4 Milliarden Dosen, hieß es am Mittwoch. Und dabei wird es nicht bleiben, denn auch wenn das Vakzin made in Germany der Pandemie bislang nicht Einhalt gebieten konnte, bleibt die politische Schützenhilfe stabil: Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wirbt bereits für die Viertimpfung, und auch die allgemeine Impfpflicht würde, so sie denn kommt, die Auftragsbücher Biontechs weiter füllen. Derzeit arbeitet das Unternehmen zudem an einer hausinternen Studie, die wohl im April öffentlichkeitswirksam belegen wird, dass eine auf die Omikron-Variante zugeschnittene Impfstoffversion besonders wirksam und kaufenswert ist. Es geht dabei um ein neues, auf Omikron basierendes Vakzin, das mit dem bisherigen Covid-19-Impfstoff kombiniert werden soll. Nach Konzernangaben sollen damit »mögliche Zulassungsanträge« unterstützt werden. (…) Für die Aktionäre des Pharmaunternehmens gab es am Mittwoch weitere gute Nachrichten: Auf der Hauptversammlung will sich die Unternehmensführung für die kommenden zwei Jahre ein Aktienrückkaufprogramm in Höhe von bis zu 1,5 Milliarden US-Dollar genehmigen lassen. Das würde den Kurs der Wertpapiere weiter in die Höhe treiben. Zugleich wurde den Anteilseignern angesichts der traumhaften Geschäftszahlen eine Sonderdividende von zwei Euro pro Aktie in Aussicht gestellt. Erhöht werden sollen im laufenden Jahr auch die Ausgaben für Forschung und Entwicklung, und zwar um 50 Prozent auf ca. 1,5 Milliarden Euro. Die Beschäftigten bleiben dabei auf der Strecke. Laut Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) klagen diese über intransparente Vergütungsstrukturen und hohe Arbeitsbelastung. Tarifverträge gibt es beim Mainzer Konzern nicht, und Gesprächsangebote der Gewerkschaft werden seit Jahren ausgeschlagen.“ Artikel von Sebastian Edinger in der jungen Welt vom 31. März 2022 externer Link
  • Tariffreie Zone, aber Lob vom Chef. Gewerkschaften beklagen schlechte Arbeitsbedingungen bei Biontech
    Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), die auch für die Pharmaindustrie zuständig ist, bemüht sich seit Jahren um Zugang zur Biontech-Belegschaft. Gefordert werden Mitbestimmung, Tarifverträge und transparente Gehaltsstrukturen. Bereits vor einem Jahr, als der Konzern öffentliche Zuschüsse einforderte, um die Produktionskapazitäten zu erweitern, hatte die Gewerkschaft zudem die Verantwortung des Staates betont: Die Politik müsse »Biontech daran erinnern, dass die Sozialpartnerschaft auch für Startups gilt«, hieß es.
    Biontech hat sich für einen in der Startup-Szene üblichen Weg entschieden: Durch die EU-Rechtsform der SE werden nationalstaatlich verankerte Arbeitsrechte ausgehebelt, Betriebsräte und Tarifverträge versucht man zu verhindern, die Vergütungsstrukturen werden verschleiert. Laut Angaben der Gewerkschaft klagen viele Beschäftigte des Konzerns zudem über eine »Arbeitsbelastung am Anschlag« und eine »mangelnde Führungskultur«. Um die Situation zu verbessern, müsse Biontech als Gegenleistung für die Staatsknete akzeptieren, dass »Sozialpartnerschaft und Tarifverträge im gesamten Unternehmen Standard werden«.
    Die Kritik bezieht sich vor allem auf die rheinland-pfälzischen Standorte Mainz und Idar-Oberstein. Denn im zwecks Erweiterung der Produktionskapazitäten zugekauften Werk im hessischen Marburg gelten alle Mitbestimmungsrechte und der Flächentarifvertrag der Chemieindustrie. (…)
    Die IG BCE will Tarifverträge für alle Beschäftigten an allen Standorten erreichen. Denn besonders dort, wo es keine gibt, sind die Bedingungen schlecht: »Die Leute müssen zahlreiche Überstunden machen«, kritisierte etwa Patrick Schall, der bei der IG BCE unter anderem für den Biontech-Standort Mainz zuständig ist. Das zeige sich aber nicht in der Bezahlung. »Bei den Themen Arbeitszeit, Arbeitsbelastung sowie Vergütung gibt es eindeutig Nachholbedarf«, erklärte Schall in einer Stellungnahme im Februar 2021. Auch in Mainz werden neue Mitarbeiter nur befristet eingestellt. Zudem sind es angesichts der hohen Kapazitätsauslastung zu wenige, so dass »die Arbeitsbelastung ein großes Thema in der Belegschaft« sei. (…) Die Belegschaft habe »durch übergreifende Teams und Schichtsysteme mit klaren Zielen maßgeblich dazu beigetragen, dass es einen Impfstoff gibt«. Lob vom Chef muss reichen, darüber hinaus noch anständige Arbeitsbedingungen zu verlangen hält man in der Biontech-Führungsetage offenbar für vermessen.“ Artikel von Sebastian Edinger in der jungen Welt vom 11.02.2022 externer Link (noch im Abo)
  • IG BCE zu Arbeitsbedingungen bei Biontech externer Link (eine von mehreren Meldungen)

Siehe auch im LabourNet Germany:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=197788
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