[PECO-Studie] Harte Arbeit: Bauarbeiter aus Mittel- und Osteuropa und das Werkvertragssystem in Deutschland

[PECO-Studie] Harte Arbeit: Bauarbeiter aus Mittel- und Osteuropa und das Werkvertragssystem in Deutschland„… Die Unternehmen reagierten auf den verschärften Preisdruck und die größeren Auslastungsprobleme mit der Verkleinerung ihrer Belegschaften. Um das eigene Auslastungsrisiko zu verringern, verlagerten sie das Beschäftigungsrisiko zunehmend auf Nachunternehmen. Gerade für  Standardtätigkeiten wie Betonieren, Mauern, Verputzen oder Einschalen, bei denen die Preise am stärksten unter Druck stehen, werden günstigere ausländische Firmen und Arbeitnehmer eingesetzt, um die Kosten zu senken. (…) Die Leidtragenden dieser Entwicklung sind oftmals ausländische Beschäftigte aus Mittel- und Osteuropa, die für Nachunternehmen arbeiten und deren Zahl sich seit der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008/2009 kontinuierlich erhöht hat. (…) Die vorliegende Studie befasst sich mit der Situation von Bauarbeitern aus Mittel- und Osteuropa im Werkvertragssystem in Deutschland (…) Neben den Verstößen gegen arbeitsrechtliche Standards werden auch die damit einhergehenden sozialen Verwerfungen beleuchtet…“ Aus der Einleitung zur 32-seitigen Studie des PECO-Instituts externer Link – siehe dazu auch die IG BAU:

  • Baubranche: Transnationales Ausbeutungsregime. Auch im deutschen Baugewerbe arbeiten Migranten laut einer Studie oft unter prekären Bedingungen New
    „Im vergangenen Oktober starben bei einem Unfall auf einer Hamburger Großbaustelle vier Arbeiter, ein fünfter Beschäftigter erlag später seinen schweren Verletzungen. Bisherigen Erkenntnissen zufolge war ein Baugerüst in einen Fahrstuhlschacht gestürzt. Bei drei der fünf Opfer handelte es sich um albanische Staatsbürger. Der Bausektor in Deutschland ist mitunter tödlich, besonders migrantische Arbeiter leiden zudem unter schlechten Arbeitsbedingungen, kennen ihre Rechte kaum und dienen den Unternehmen als hoch-flexible und überausgebeutete »Reservearmee«. Dies ist das Ergebnis einer kürzlich erschienenen Studie von Frederic Hüttenhoff vom Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen. Die Bauindustrie zählt etwa 2,6 Millionen Beschäftigte, sechs Prozent aller Lohnabhängigen in Deutschland. Ihr Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt beläuft sich sogar auf über zwölf Prozent. Eigentlich könnte die Branche optimistisch in die Zukunft blicken. Aufgrund von Investitionsrückständen bei öffentlichen Bauprojekten besteht ein erheblicher Sanierungsbedarf, insbesondere bei Schulgebäuden, Straßen und Brücken. Zusätzlich werden immer mehr Wohnungen benötigt. Doch durch die hohen Baukosten und fehlenden Arbeitskräfte geht auf vielen Baustellen derzeit nichts mehr. Die Frage lautet also: Wer soll das eigentlich alles bauen? Im Bausektor hat sich ein Strukturwandel hin zu wenigen großen Generalunternehmen und vielen kleinen Baufirmen vollzogen, worauf die Studie hinweist. Infolge des Outsourcings von Leistungen und der EU-Erweiterung ab den 1980er Jahren wird verstärkt auf Arbeitskräfte aus dem Ausland zurückgegriffen. Von den über 900 000 Beschäftigten im Bauhauptgewerbe verfügt mittlerweile fast ein Drittel nicht über die deutsche Staatsangehörigkeit – Tendenz steigend. Vor allem im Hochbau haben vielfach nur noch die Poliere und einige Fachkräfte wie Dachdecker oder Zimmerer einen deutschen Pass. Ein Großteil der Beschäftigten stammt aus den mittel- und osteuropäischen EU-Staaten. Viele verfügen über keinen Arbeitsvertrag, sind nicht offiziell registriert. Ihre Arbeitsbedingungen sind deutlich schlechter als die der deutschen Kollegen. »Sie haben außer ihrem Vorgesetzten keinen Ansprechpartner und werden weitestgehend von Betriebsräten und Gewerkschaften abgeschottet«, schreibt Hüttenhoff. (…) Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt entwickelt derweil Ansätze und Strategien, um die Beschäftigten besser zu unterstützen. Dazu gehören aufsuchende Arbeit, kostenfreie Beratung oder Sprachkurse. Auch die Basisgewerkschaft FAU organisiert immer wieder Arbeitskämpfe in der Baubranche und wendet sich dabei dezidiert an migrantische Beschäftigte. Dies scheint auch bitter notwendig, will man nicht bald die nächsten toten Arbeiter auf deutschen Baustellen beklagen.“ Artikel von Christopher Wimmer vom 17. Januar 2024 in Neues Deutschland online externer Link
  • Studie „Harte Arbeit“ erschienen: Wie ist die Situation von Kolleg*innen aus Ost- und Mitteleuropa auf deutschen Baustellen?
    Das IG BAU nahe PECO-Institut und der Europäische Verein für Wanderarbeiterfragen haben die Studie „Harte Arbeit – Bauarbeiter aus Mittel- und Osteuropa und das Werkvertragssystem in Deutschland“ veröffentlicht. Autor Frederic Hüttenhoff hat zentrale Probleme der Kolleg*innen zusammengefasst, Lösungsansätze untersucht und weitere Ansätze zur Verbesserung der Situation herausgefunden.
    Die wichtigsten Ergebnisse der Studie in Kürze:
    Im Bau hat sich ein Strukturwandel hin zu wenigen großen Generalunternehmen und vielen kleinen Baufirmen vollzogen. Und: Fast jeder dritte Beschäftigte verfügt nicht über eine deutsche Staatsangehörigkeit. Die meisten von ihnen kommen aus mittel- und osteuropäischen Ländern wie Polen oder Rumänien.

    Von Beginn an waren die Kolleg*innen aus Mittel- und Osteuropa von Lohndumping betroffen. Die Abhängigkeit der Beschäftigten wird ausgenutzt und sie werden flächendeckend um ihre gesetzlichen und tariflichen Rechte gebracht.
    Die IG BAU und ihr nahestehende Organisationen wie das PECO-Institut und der Europäische Verein für Wanderarbeiterfragen (EVW) haben unterschiedliche Ansätze entwickelt, um zu einer Verbesserung der Situation beizutragen. Dazu gehört ein spezielles Mitgliedschaftsmodell für mobile Beschäftigte, die aufsuchende Arbeit, kostenfreie Beratung oder Sprachkurse.
    Diese Ansätze können nur erfolgreich sein, wenn gleichzeitig die Gesetze verschärft werden und die Durchsetzung der Gesetze durch die zuständigen Behörden wie den Zoll vereinfacht wird. Notwendig wären unter anderen Zugangskontrollen auf Baustellen, die Begrenzung von Nachunternehmerketten oder die Pflicht zur Dokumentation der Subunternehmen.“ Meldung der IG BAU vom 19.12.2023 externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=217536
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