„Kontrolle light“ beim Arbeitsschutz und die unverändert dramatische Bilanz der (tödlichen) Arbeitsunfälle auf dem Bau

Dossier

Workers Memorial Day„Dieses Jahr droht erneut eine dramatische Bilanz der Arbeitsunfälle auf dem Bau: Nach einer Statistik der Berufsgenossenschaft Bau (BG BAU) sind bis September 69 Bauarbeiter bundesweit auf Baustellen tödlich verunglückt. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres gab es 74 Todesopfer. Häufigste Ursache waren dabei Abstürze aus großer Höhe und tödliche Verletzungen durch herabfallende Teile. (…) Nach wie vor seien Baustellen ein Sorgenkind in Sachen Arbeitsschutz. (…) Nach Einschätzung der IG BAU passieren die meisten Unfälle in kleineren Betrieben. Kosten- und Zeitdruck seien die Hauptursachen für mangelnden Arbeitsschutz auf Baustellen. (…) Genauso wichtig sei der Ausbau der staatlichen Arbeitsschutzkontrollen in den Bundesländern…“ Meldung der IG BAU vom 6. Dezember 2021 externer Link und dazu leider weitere:

  • Der tödlichste Arbeitsplatz Deutschlands: In keiner Branche verunglücken so viele Arbeiter wie auf dem Bau. Migrantische Beschäftigte sind besonders betroffen. Jetzt wehren sich einige von ihnen New

    „Eigentlich würde Franjo Cosic jetzt gern seine Rente in Kroatien genießen, wäre da nicht dieser Tag im September vergangenen Jahres, an dem er einen Moment lang nicht richtig aufgepasst hatte. Innenausbau im Polizeipräsidium Wiesbaden, ein Routineauftrag: Doch Cosic hatte einen offenen Kabelschacht im Boden übersehen. Er verlor das Gleichgewicht, fiel und riss mehrere Gipskartonplatten mit sich zu Boden. Als die Kollegen die schätzungsweise mehr als 30 Kilo schweren Platten von Cosics Bein hoben, waren da nur noch Fleisch und Knochen: glatter Durchbruch des Unterschenkels. (…) Franjo Cosics Unfall war 2023 einer von insgesamt 96.153 registrierten Arbeitsunfällen auf deutschen Baustellen. Im Baugewerbe liegen die relativen Unfallzahlen, also die Unfälle pro 1.000 Beschäftigte, laut Angaben der gesetzlichen Unfallversicherungen konstant über denen anderer Branchen wie dem Verkehrs- und Logistiksektor oder der Holz- und Metallindustrie. Die Baustelle ist, das muss man so sagen, der gefährlichste Arbeitsplatz in Deutschland. Regelmäßig kommt es hier zu Todesfällen. Im vergangenen Jahr starben 76 Arbeiter. Zum Beispiel auf einer Großbaustelle in der Hamburger HafenCity: Im Herbst verloren dort fünf albanische Arbeiter, die mit gefälschten Dokumenten gearbeitet hatten, ihr Leben. Der Fall löste deutschlandweit Diskussionen aus – in den Medien, aber auch unter Bauarbeitern selbst. (…) Die Zahlen jedenfalls zeigen: Ausländische Arbeiter verunglücken besonders oft tödlich. Rund 45 Prozent der Toten auf dem Bau kamen 2023 aus dem Ausland. Eine erschreckend hohe Zahl, denn insgesamt hat nur rund ein Viertel der Arbeiter auf dem Bau keinen deutschen Pass. Auch Franjo Cosic berichtet, dass viele seiner Kollegen bei kleinen Subunternehmen tätig seien, unbezahlte Überstunden machten und häufig keine ausreichende Schutzausrüstung bekämen. „Die kleinen Firmen wollen an jeder Ecke sparen“, sagt er. Aber die ausländischen Arbeiter hätten oft keine Wahl: „Wenn man einen Job will, muss man sich fügen.“ (…) Die Kranführer Marian Marcu und Sorin Codru sehen das anders. Sie haben vor sieben Jahren die Facebook-Gruppe „Sieben-Sterne-Kranführer“ gegründet, um sich gegen die schlechten Arbeitsbedingungen zu wehren. Mittlerweile zählt die Gruppe mehr als 1.500 Kranführer aus ganz Osteuropa. Marcu erzählt von Lasten, die Arbeiter falsch am Kranhaken anbrächten, weil sie nicht dafür ausgebildet seien. Von einem toten Kranführer, den die Rettungskräfte in seiner Kanzel hoch oben zu spät erreichten. Von abgeklemmten Alarmsirenen, die Kranführer eigentlich vor starken Böen warnen sollen. Da, wo Unternehmen Geld sparen können, täten sie das, sagt Marcu. Auch bei der Sicherheit. „Das einzige Motiv auf den Baustellen ist Geld.“ Und die Mitglieder der Kranführergruppe glauben auch, dass strengere Regeln den Arbeitsalltag erleichtern. Gerade arbeiten Marcu und Codru auf einer Baustelle in Hessen bei einem britischen Bauunternehmer. „Normalerweise ist immer Hetze, Tempo, Stress und Dampf“, sagt Codru. „Aber hier fühlt es sich gerade wie der Himmel an.“ Die Baustelle sei wesentlich besser organisiert, es gebe tägliche Arbeitsschutzeinweisungen, auch werde sie jeden Tag aufgeräumt. Offensichtlich übernimmt der Betrieb Standards aus Großbritannien. Codru und Marcu fragen sich seitdem: Warum ist all das in Deutschland nicht auch möglich? Sie fordern eine bessere Ausbildung für Bauarbeiter, regelmäßige Lehrgänge und mehr staatliche Kontrollen. Die Sicherheit der Arbeiter müsse über dem Termin- und Kostendruck stehen. „Wir sind Menschen“, sagt Marcu. „Wir bauen einen kleinen Teil dieses Landes mit.“ Artikel von Jonas Seufert und Marcel Siepmann vom 29. November 2024 in der Zeit online externer Link
  • Kurz vor dem 5fachen tödlichem Unfall wurden auf der Hafencity-Baustelle offenbar folgenlos Mängel festgestellt – Mahnwache am Do., 16.11. 
    • Migrant Workers Lives matter: Fotobericht von der Mahnwache für die fünf toten albanischen Kollegen am 16.11. an der Baustelle HafenCity
      chefduzen offline! Ein kleiner Trupp aktiver Chefduzer schlug schon vor 15°° vor der Baustelle der HafenCity auf. An dieser Stelle hingen die Transparente mit dem Bild einer Kerze. Darunter wurden Blumen abgelegt. Das ist alles verschwunden. Es herrscht wieder business as usual (…) Nach dem Panoramabericht und unserer ordentlich angekündigten Mahnwache, schien man etwas nervös zu sein und am Haupteingang stand mehr Security als sonst. (…) Die Flugblätter wurden gut angenommen. Manchmal blieben kleine Gruppen beim Verteiler stehen um zu Quatschen. Es wurde erzählt, daß nach dem Unfall nicht lange untersucht wurde, die Baustelle wurde schnell wieder freigegeben, selbst der direkte Unfallort. Uns gegenüber war man wohlgesonnen. Die einzigen negativen Reaktionen gab es von Deutschen. Ein deutsches Pärchen in feinem Zwirn nahm ein Flugblatt, sagte, sie würden auch um die Verunglückten trauern, doch sie verstünden nicht, warum wir Flugblätter dazu verteilen. Als ich sagte, da sich an den mörderischen Arbeitsbedingungen nichts ändert, wollten wir unter den Arbeitern eine Diskussion entfachen, in der Hoffnung, daß sie gemeinsam Druck in Richtung einer höheren Sicherheit machen. Da hatten die gut gesicherten Spaziergänger kein Verständnis für und gaben das Flugblatt mit einem angewiderten Gesichtsausdruck zurück. Es gab dann noch einen deutschen Bauarbeiter, der der Meinung war, daß wir die Geschichte nur „unnötig aufbauschen“ würden. (…) Wir haben unsere 500 Flugblätter komplett verteilt gekriegt. Der Unfall an der HafenCity darf nicht unter den Teppich gekehrt werden!Bericht mit Fotos von Kuddel am 17.11.2023 in chefduzen.de externer Link
    • Vor tödlichem Unfall: Mängel auf Hafencity-Baustelle festgestellt
      „… Nun kommt heraus: Die Behörden hatten die Baustelle erst wenige Tage zuvor unter die Lupe genommen – und Mängel festgestellt. In einigen Bereichen der Großbaustelle im Überseequartier fehlten Absturzsicherungen. Die persönliche Schutzausrüstung mancher Arbeitenden dort war nicht geprüft. Und: Nicht überall war die Baustelle so gesichert, dass niemand zu Schaden kommt, wenn Gegenstände herunterfallen. Das sind nur einige der Mängel, die das Amt für Bauordnung und Hochbau auf der Unglücksbaustelle im Überseequartier festgestellt hat. Und zwar genau zehn Tage, bevor dort ein riesiges Gerüst in einem Fahrstuhlschacht zusammenbrach. Das geht aus der Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage von CDU-Fraktionschef Dennis Thering hervor…“ Meldung vom 14.11.2023 im NDR externer Link
    • Und wir teilen die Kritik von ChefDuzen am 13.11.23 auf Twitter externer Link: „Die HafenCity ist dast größte Stadtentwicklungsprojekt Europas. Ein Projekt der Spekulanten mit Bauten für Bonzen. Migrantische Arbeiter bezahlen es mit ihrem Leben. Politiker kondulieren per twitter. Der IG Bau fällt nicht mehr ein als eine Spendensammlung. Mahnwache am 16.11.“ und der Aufruf:
    • Blood. Sweat & Tears. Bonzenprojekt HafenCity Hamburg kostet Gesundheit und Leben von Arbeitsmigranten. Nicht zur Tagesordung übergehen! Wir rufen auf zu einer Mahnwache am Do., 16.11. ab 15°° Hübnerstraße linke Freifläche neben U4 Überseequartier.“ Tweet von ChefDuzen vom 14.11.23 externer Link mit Foto
  • Auf der Großbaustelle in der Hamburger Hafencity gibt es nun 5 Todesopfer – die Bauindustrie spielt mit den Leben ihrer (migrantischen) Arbeiter
    • Unfall auf Baustelle in der Hafencity: Fünfter Bauarbeiter gestorben
      Nach dem schweren Unfall auf einer Großbaustelle in der Hamburger Hafencity ist ein weiterer Bauarbeiter gestorben. Damit stieg die Zahl der Todesopfer auf fünf. Zunächst waren auf der Baustelle vier Tote geborgen worden, ein Schwerverletzter wurde in ein Krankenhaus gebracht. Dort erlag er nun seinen Verletzungen. Das bestätigte der Honorarkonsul der Republik Albanien in Hamburg und Schleswig-Holstein, Kole Gjoka, am Donnerstag dem NDR Magazin Panorama 3. Der Verstorbene soll am Freitag nach Albanien zu seiner Familie überführt werden. Die anderen Todesopfer seien bereits zuvor in ihre Heimat überführt worden…“ Meldung vom 09.11.2023 in NDR externer Link, siehe dazu eine gute Zusammenfassung der Situation:
    • Die Bauindustrie spielt mit den Leben ihrer Arbeiter
      Auf deutschen Baustellen geschehen immer wieder Unfälle – mitunter tödliche, wie zuletzt in der Hamburger Hafencity. Hinter diesem Schicksal, das besonders oft Arbeiter aus Osteuropa ereilt, steht ein System von Subunternehmen und politischem Desinteresse.
      Es sei gewesen, als würde man »Riesen-Mikado« spielen, berichten die Einsatzkräfte nach 35 Stunden auf der Hamburger Großbaustelle der Hafencity. Gerüststangen liegen kreuz und quer übereinander, türmen sich bis zum dritten Stock. Nachdem am 31. Oktober das Gerüst eingestürzt war, dauerte es zwei Tage, bis unter Präzisionsarbeit letztlich vier Leichen und ein Schwerverletzter geborgen werden konnten. Inzwischen sind die vier Toten identifiziert: Es handelt sich dabei um Arbeiter aus Albanien, die der Armut entflohen und in Deutschland für Großinvestoren Luxuswohnungen hochzogen.
      Der Unfall in der Hafencity, wenn auch im Ausmaß dramatisch, ist kein Einzelfall. In Hamburg starb im vergangenen Jahr schon ein Bauarbeiter bei der Errichtung einer neuen U-Bahn-Haltestelle, in Berlin verunglückten fünf Bauarbeiter tödlich. Die deutschlandweite Zahl lag im Jahr 2022 bei 74 Todesfällen. Unfälle und Verletzungen sind auf deutschen Baustellen beinahe an der Tagesordnung und die Vermutung liegt nah, dass dabei überproportional osteuropäische »Entsandte« oder Arbeitsmigranten betroffen sind. Ihr körperlicher Verschleiß ist enorm, kaum einer trägt keine langfristigen Folgen davon.
      Auch über Unfälle hinaus sind die Bedingungen hart, und das hat System. Arbeitsmigranten auf Baustellen, besonders aus Osteuropa, werden schlecht bezahlt und noch schlechter behandelt, sie genießen wenig Schutz, sowohl gesundheitlich als auch rechtlich. Meist werden sie über Subunternehmer-Ketten für den Bau (teils öffentlicher) Infrastruktur- und Prestigeprojekte nach Deutschland geholt. Besonders die private deutsche Immobilienwirtschaft baut auf einem Fundament der Ausbeutung dieser Arbeiter auf. (…)
      Doch nicht nur fehlende Kontrollen beim Arbeitsschutz sind ein Problem. Die weit verbreitete Problematik der Schwarzarbeit in der Baubranche bedeutet für viele Beschäftigte, dass sie nicht ausreichend sozialversichert sind. »Wir sind mit Fällen konfrontiert, bei denen Beschäftigte nach einem schweren Unfall in den Kofferraum gepackt und über die Grenze gefahren werden, um den Vorfall zu vertuschen«, berichtet Ben Luig von den Beratungsorganisationen Europäischer Verband für Wanderarbeiter (EVW) und Faire Mobilität. Auch gebe es eine Vielzahl von Fällen, bei denen Arbeitgeber die Beschäftigten vorzeitig bei der Krankenversicherung abmelden. Zudem werden Löhne und teilweise sogar Urlaubsgelder einbehalten. (…) Konfrontiert mit Berichten über nicht ausgezahlte Löhne, Arbeitsunfälle und Schwarzarbeit, die im Zusammenhang mit solchen Subunternehmern immer wieder auftauchen, ziehen sich Generalunternehmen häufig aus der Verantwortung und geben vor, nichts von Problemen auf ihren eigenen Baustellen mitbekommen zu haben. Auch die Politik der Kommunen und der Länder schaut oft weg, denn in vielen Fällen sind sie es selbst, die die Projekte in Auftrag geben. Die Zustände im U-Bahnhof und der Hafencity sind Ausdruck dieses beiderseitigen Desinteresses. Auch wenn diese Probleme den Gewerkschaften und diversen Beratungsstellungen und Organisationen seit längerem bekannt sind, ist eine Kehrtwende aktuell nicht zu erwarten. Generalunternehmen sind wirtschaftlich weiter dazu angehalten, möglichst niedrige Angebote zu machen…“ Artikel von Niklas Kullick vom 9. November 2023 in Jacobin.de externer Link
  • Vier tote Bauarbeiter auf der Baustelle in der Hafencity in Hamburg – beim nicht ersten Arbeitsunfall dort

    • Vier tote Bauarbeiter aus Albanien (nicht bulgarische!) beim Unfall in Hamburg: IG BAU richtet ein Spendenkonto für die Hinterbliebenen ein 
      „… Hamburger Bauarbeiter-Unglück – Unterstützung für die Hinterbliebenen und Verletzen: Zum tragischen Baustellen-Unfall in der Hamburger Hafencity hat die IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) ein Spendenkonto eingerichtet. „Vier Menschen haben am Montag bei dem Unglück im Überseequartier ihr Leben verloren. Es waren Bauarbeiter, die aus Albanien zu uns gekommen sind, um hier zu arbeiten, um Geld für ihre Familien zu verdienen. Jetzt wollen wir den Angehörigen helfen. Wir setzen ein Zeichen des Mitgefühls und der Unterstützung. Deshalb haben wir als IG BAU Nord ein Spendenkonto eingerichtet. Wir werden jeden Cent, der auf das Spendenkonto eingeht eins zu eins an die Hinterbliebenen zur Unterstützung weitergeben. Jede noch so kleine Spende zählt“, sagt der Leiter der IG BAU Nord, André Grundmann…“ Aktualisierung vom 2.11.2023 der Meldung der IG BAU vom 30.10.2023 externer Link (ursprünglich war von Bauarbeitern aus Bulgarien die Rede, ich habe dies aus der Schlagzeite entfernt (MW)), siehe:

      • Das Spendenkonto: Spenden-Stichwort „Bauunglück Hamburg Hafencity“
        GFW der IG BAU
        IBAN: DE49 5005 0000 0000 6719 09
        BIC: HELADEFFXXX
        HELABA, Frankfurt
      • Unfall auf Hafencity-Baustelle: Spenden sollen Angehörigen helfen
        Bei einem schweren Unfall auf einer Großbaustelle in der Hamburger Hafencity waren am Montag vier Männer aus Albanien ums Leben gekommen. Nun soll den Angehörigen der Arbeiter geholfen werden…“ NDR-Meldung vom 02.11.2023 externer Link
    • Hafencity: Zahl der Toten nach Unfall auf Hamburger Baustelle steigt auf vier
      In der Hafencity in Hamburg ist auf einer Großbaustelle ein Gerüst vom achten Stockwerk abgestürzt. Dabei starben vier bulgarische Bauarbeiter. (…) Vermisst wird inzwischen niemand mehr. Die Feuerwehr hatte zunächst von drei Toten gesprochen. Beim Abtragen der Gerüststangen sei am Nachmittag jedoch ein weiterer Toter entdeckt worden, sagte ein Sprecher. Ein weiterer Mensch wurde demnach lebensgefährlich verletzt. Nach Angaben der Stadtentwicklungsbehörde stammten alle Opfer aus Bulgarien. Bisherigen Erkenntnissen zufolge war das in einem Fahrstuhlschacht errichtete Baugerüst am Morgen aus bislang ungeklärter Ursache vom achten Stock abgestürzt. Die Trümmer stapelten sich anschließend vom Untergeschoss bis in den zweiten Stock des Gebäudes…“ Agenturmeldung vom 30. Oktober 2023 in der Zeit online externer Link
    • Am Arbeitsschutz gespart. Hamburg: Vier Arbeiter im »Überseequartier« tödlich verunglückt
      „… Es soll das »größte Erlebnis- und Einkaufszentrum Nordeuropas« werden: mit 20 Restaurants, drei Hotels, einem Kreuzfahrtterminal und dem größten Kino der Stadt, dazu Wohnungen und Büros. In der Hamburger »Hafencity« entsteht derzeit das »Überseequartier«, Ende August war Richtfest. Das Immobilienunternehmen Unibail-Rodamco-Westfield soll laut NDR mehr als eine Milliarde Euro in das Projekt investiert haben. Am Montag morgen kam es auf der größten Baustelle der Stadt zu einem schweren Arbeitsunfall. Ein in einem Fahrstuhlschacht errichtetes Gerüst brach aus noch unbekannter Ursache im achten Stockwerk zusammen, stürzte in den Schacht und riss fünf Arbeiter mit in die Tiefe (…) Erst am 2. September waren vier Arbeiter bei einem ähnlichen Unfall an einer Baustelle an den Hamburger Elbbrücken – unweit der »Hafencity« – teils lebensbedrohlich verletzt worden. Ein Baugerüst war eingeknickt und hatte die Arbeiter etwa fünf Meter in die Tiefe gerissen. Am 9. Juni waren bei einem Brand auf einer anderen Baustelle im »Überseequartier« mehrere Gasflaschen explodiert. Beim Versuch, das Feuer zu löschen, wurde ein Kranführer leicht verletzt. Bereits im April hatte der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Bauen, Agrar, Umwelt (IG BAU), Robert Feiger, das Unfallgeschehen auf Deutschlands Baustellen als »alarmierend« bezeichnet. Rein statistisch sei 2022 bundesweit alle dreieinhalb Arbeitstage ein Bauarbeiter im Job ums Leben gekommen. Jörg Harder, Branchensekretär bei der IG BAU Hamburg, erklärte am Montag gegenüber junge Welt, neben dem Termindruck sei auch der Kostendruck daran schuld, dass auf Baustellen am Arbeitsschutz gespart werde. Die Bauunternehmer suchten sich Subunternehmer, die für einen möglichst niedrigen Festpreis arbeiteten. »Das kann sich am Ende natürlich auch auf die Qualität des Arbeitsschutzes auswirken«, so Harder. Er sei zutiefst bestürzt über den Arbeitsunfall im »Überseequartier« und hoffe, dass den Angehörigen schnell geholfen werde.“ Artikel von Kristian Stemmler in der jungen Welt vom 31.10.2023 externer Link
    • Unser Beileid für die verunglückten Bauleute in Hamburg
      Die IG BAU trauert zutiefst um die Bauarbeiter, die auf einer Großbaustelle in Hamburg ums Leben gekommen sind. Wir sind in Gedanken bei ihren Angehörigen, Arbeitskolleg*innen und Freund*innen. Auch wünschen wir den Verletzten, dass sie schnell und vollständig genesen. Und wir hoffen darauf, dass die noch vermissten Beschäftigten bald geborgen werden. Hintergrund: In der Hamburger Hafencity ist am Montagmorgen ein Gerüst in einem Fahrstuhlschacht eingestürzt. Zu den Ursachen dazu lässt sich derzeit noch nichts sagen. Der Baubetrieb wurde vorerst eingestellt.“ Meldung der IG BAU vom 30.10.2023 externer Link
  • Wer spart, spart auch an Sicherheit. Dem Berliner Senat ist nicht bekannt, bei welchen Baufirmen sich Arbeitsunfälle häufen 
    „… Im vergangenen Jahr ereigneten sich laut der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) etwa 2500 Arbeitsunfälle auf Berliner Baustellen. Fünf Bauarbeiter*innen verunglückten tödlich. (…) Auch würden die Baustellen in Berlin zu wenig hinsichtlich des Arbeitsschutzes kontrolliert. Dem zuständigen Landesamt für Arbeitsschutz stünden nur sechs Arbeitskräfte in diesem Bereich zur Verfügung, vor fünf Jahren seien es noch doppelt so viele gewesen, heißt es in einer Pressemitteilung der Linksfraktion anlässlich der Senatsantwort auf die Anfrage. (…) Mehr Kontrollen und Personal fordert auch die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU). »Wenn die Kolleg*innen über die Baustellen gehen, dann stellen sie zum Beispiel fest, dass oft angemessene Arbeitsschutzbekleidung fehlt«, sagt Thomas Hentschel, Vorsitzender des Bezirksverbandes Berlin der IG BAU, zu »nd«. In Berlin werden 65 Aufsichtsbeamt*innen mit Arbeitsschutzaufgaben für alle Berliner Betriebe eingesetzt. Damit kommt laut Berliner IG BAU ein*e Kontrolleur*in auf 33 237 Beschäftigte. Weil diese Aufsichtsbeamten aber noch für viele weitere Aufgaben zuständig sind, bleiben laut Arbeitsschutzamt zur Überprüfung des Arbeitsschutzes in den Betrieben eben nur sechs Kräfte übrig. Was der Baugewerkschaft aber neben den Unfällen in Bezug auf den Arbeitsschutz auf Baustellen besonders wichtig ist, sind die Langzeitfolgen der körperlich stark belastenden Arbeit. (…) Alexandru Firus vom gewerkschaftsnahen Peco-Institut, das mit der IG BAU zusammenarbeitet, macht seit drei Jahren aufsuchende Forschungs- und Beratungsarbeit in Unterkünften von Bauarbeiter*innen mit Fokus auf osteuropäische Arbeiter*innen. Zwar liege der Schwerpunkt seiner Arbeit im Rhein-Main-Gebiet und in Franken, aber die Strukturen im Bausektor, die allzu häufig zu einer Vernachlässigung von Arbeitsschutzmaßnahmen führten, gelten auch für Berlin, sagt er zu »nd«. Das seien vor allem informelle Beschäftigungsverhältnisse und das Ziel von Bauunternehmen, so günstig wie möglich zu bauen. »In so einem Umfeld wird natürlich auch am Arbeitsschutz gespart«, so Firus.
    Weil viele Bauarbeiter*innen nur einen Teil ihres Lohns auf legalem Wege samt aller Sozialabgaben erhalten und den Rest informell, würden viele gesetzliche Vorgaben umgangen werden. Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall berechne sich nur aus einem Teil des Gehalts oder die maximalen Arbeitszeiten würden regelmäßig überschritten. »Viele arbeiten unmenschlich viel. Überarbeitung, Bandscheibenvorfälle, kleinere Verletzungen sind der Standard«, sagt Firus.
    Auch Thomas Herrschelmann, Sprecher der Fachgemeinschaft Bau (FG Bau), des mitgliederstärksten Bauarbeitgeber- und Bauwirtschaftsverbandes in Berlin und Brandenburg, sieht einen Zusammenhang zwischen Arbeitsschutzbemühungen und Sparbemühungen der Unternehmen. »Baufirmen, bei denen gespart wird, die sparen auch an der Sicherheit.«..“ Artikel von Lola Zeller vom 02.08.2023 in ND online externer Link
  • BG BAU-Zahlen für 2022: Rückgang bei Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten durch Asbest nehmen zu – doch 22 Tote sind 22 zu viel, mehr Kontrollen beim Arbeitsschutz!
    • BG BAU stellt Zahlen für 2022 vor: Rückgang bei den Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten durch Asbest nehmen zu
      Wie die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) am heutigen Dienstag in Berlin mitteilt, sind im vergangenen Jahr die Arbeits- und Wegeunfälle in der Bauwirtschaft im Vergleich zu 2021 zurückgegangen. Demgegenüber gab es 2022 deutlich mehr gemeldete Berufskrankheiten als im Jahr zuvor. Zu den häufigsten Berufskrankheiten gehören Lärmschwerhörigkeit, weißer Hautkrebs durch natürliche ultraviolette Strahlung und Lungenkrebs durch Asbest. (…) Die Zahl der meldepflichtigen Arbeitsunfälle in der Bauwirtschaft und den baunahen Dienstleistungen sank von 103.525 im Jahr 2021 auf 99.380 im Jahr 2022. Das ist ein Rückgang um vier Prozent. Auch die Zahl der meldepflichtigen Wegeunfälle ist gesunken. Lag sie im Jahr 2021 noch bei 8.808, wurden der BG BAU im vergangenen Jahr 8.298 Wegeunfälle gemeldet. Das sind rund sechs Prozent weniger. Zurückgegangen ist zudem die sogenannte Tausend-Personen-Quote, die die relative Unfallhäufigkeit pro 1.000 Vollbeschäftigte abbildet. Sie liegt 2022 bei 45,51 (2021: 49,84). 74 Beschäftigte sind infolge eines Arbeitsunfalls im Jahr 2022 gestorben. Das waren elf weniger als im Vorjahr. Demgegenüber ist die Zahl der tödlichen Wegeunfälle deutlich gestiegen: 22 Beschäftigte haben im vergangenen Jahr ihr Leben auf dem Weg zur oder von der Arbeit nach Hause verloren (2021: 12). Ebenfalls ein Anstieg ist bei den Anzeigen auf Verdacht einer Berufskrankheit zu verzeichnen…“ Pressemitteilung der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft vom 20.06.2023 externer Link
    • Keine „Kontrolle light“ beim Arbeitsschutz
      „Zu der heute Vormittag von der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) vorgestellten Statistik der Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Bau- und Reinigungsgewerbe für das vergangene Jahr erklärt der Bundesvorsitzende der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, IG BAU-Chef Robert Feiger: Jeder Unfall ist einer zu viel. Das Unfallgeschehen auf dem Bau ist nach wie vor hoch. Das macht die Statistik der BG BAU deutlich. Außerdem dürfte die Dunkelziffer der Bauunfälle noch einmal deutlich höher sein. Zum einen werden viele – gerade kleinere – Unfälle gar nicht gemeldet. Zum anderen werden da, wo ausländische Beschäftigte auf Baustellen arbeiten, Unfälle oft bagatellisiert oder vertuscht. Baustellen gehören zum Sorgenkind in Sachen Arbeitsschutz. Die Unfallzahlen sind ein dickes Ausrufungszeichen, den Arbeits- und Gesundheitsschutz noch ernster zu nehmen. Ziel muss es sein, Arbeitsgefahren so weit wie möglich zu minimieren. Da sind vor allem kleinere Betriebe noch mehr gefordert. Sicherheit auf den Baustellen muss oberste Priorität haben. Hoher Kosten- und Zeitdruck dürfen nicht dazu führen, dass der Arbeitsschutz vernachlässigt wird. (…) Was neben der Prävention aber mindestens genauso wichtig ist, ist ein Ausbau der staatlichen Arbeitsschutzkontrollen in den Bundesländern. Hier gibt es ein klares Überwachungsdefizit. Wir brauchen einen höheren Kontrolldruck auf die Betriebe, die es mit der Sicherheit nicht wirklich ernst und genau nehmen. Es wäre fatal, beim Arbeits- und Gesundheitsschutz nur auf die Eigenverantwortung der Betriebe zu setzen. Deshalb brauchen die zuständigen Behörden in den Bundesländern mehr Personal, um effektiver kontrollieren zu können, ob Sicherheitsvorschriften in den Betrieben auch tatsächlich eingehalten werden…“ Pressemitteilung der IG BAU vom 20.06.2023 externer Link
  • Alle dreieinhalb Arbeitstage stirbt ein Bauarbeiter im Job – IG BAU warnt vor Vernachlässigung des Arbeitsschutzes durch Kosten- und Zeitdruck 
    Als „alarmierend“ hat der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), Robert Feiger, das Unfallgeschehen auf Deutschlands Baustellen bezeichnet. So starb, statistisch gesehen, im vergangenen Jahr bundesweit alle dreieinhalb Arbeitstage ein Bauarbeiter im Job. „74 tödlich verletzte Bauarbeiter und 99.380 gemeldete Bauunfälle insgesamt – das sind erschreckende Zahlen“, so Feiger mit Blick auf die vorläufige Jahresbilanz 2022 der Berufsgenossenschaft für die Bauwirtschaft (BG BAU). Zum Vergleich: Im Vorjahr gab es 85 tödliche Unfälle und 103.518 gemeldete Bauunfälle insgesamt. „Auch wenn die Zahlen gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen sind, ist das Unfallgeschehen auf dem Bau hoch. Baustellen gehören nach wie vor zum Sorgenkind in Sachen Arbeitsschutz“, so Feiger. Nach Einschätzung des IG BAU-Bundesvorsitzenden liegt die Dunkelziffer der Bauunfälle noch deutlich höher als die Zahlen in der Statistik der Bau-Berufsgenossenschaft: „Zum einen werden viele – gerade kleinere Unfälle – gar nicht gemeldet. Zum anderen werden da, wo ausländische Beschäftigte auf Baustellen arbeiten, Unfälle vielfach bagatellisiert oder vertuscht“, so Robert Feiger. Hauptursache bei den tödlichen Unfällen waren, so der vorläufige Bericht der BG BAU, im vergangenen Jahr Abstürze von Dächern und Gerüsten. Auf Platz 2 und 3 der Unfallursachen: Tödliche Verletzungen durch Baumaschinen und herabfallende Bauteile. Für den IG BAU-Bundesvorsitzenden ist die neuste Unfallbilanz der Bau-Berufsgenossenschaft ein dickes Ausrufezeichen, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz für die Beschäftigten noch ernster zu nehmen und die Arbeitsgefahren so weit wie möglich zu minimieren. „Sicherheit auf den Baustellen muss oberste Priorität haben“, so Feiger. Hoher Kosten- und Zeitdruck dürften nicht dazu führen, dass der Arbeitsschutz vernachlässigt werde. „Die Arbeit auf dem Bau darf für die Beschäftigten nicht zum Hochrisiko-Job werden, weil der Chef am Arbeitsschutz spart oder der Arbeitsdruck immer weiter steigt“, so Feiger…“ Pressemitteilung der IG BAU vom 8.4.2023 externer Link
  • Bis August 2022 sind 56 Beschäftigte auf dem Bau tödlich verunglückt 
    Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) befürchtet auch in diesem Jahr eine dramatische Bilanz der Arbeitsunfälle auf dem Bau: Die Gewerkschaft verweist dabei auf vorläufige Zahlen der Berufsgenossenschaft (BG BAU), nach denen allein bis zum August bundesweit schon 56 Bauarbeiter tödlich verunglückt sind. Häufigste Ursache waren dabei Abstürze aus großer Höhe und tödliche Verletzungen durch herabfallende Teile.
    Carsten Burckhardt, Mitglied im IG BAU-Bundesvorstand und zuständig für den Bau und den Arbeitsschutz: „Die Situation auf den Baustellen in puncto Sicherheit und Gesundheit ist alarmierend. Rein statistisch ist bis August alle vier Tage ein Bauarbeiter ums Leben gekommen. Und die Tatsache, dass die Unfallbilanz bereits in den ersten acht Monaten eine so hohe Zahl von tödlich verletzten Bauarbeitern vermeldet, verheißt nichts Gutes. Es ist zu befürchten, dass das traurige Niveau des Vorjahres erreicht wird: 2021 sind insgesamt 85 Bauarbeiter während der Arbeit auf dem Bau gestorben, bis August waren es 60.“ Auch die Zahl von insgesamt 65.701 meldepflichtigen Arbeitsunfällen von Januar bis August sei, so Carsten Burckhardt, besorgniserregend. Seit Jahren bewege sich die Unfallbilanz auf dem Bau auf einem erschreckend hohen Niveau.
    Angesichts dieser Entwicklung fordert Burckhardt von den Bundesländern einen schnellen Ausbau der staatlichen Arbeitsschutzkontrollen. Hier gebe es ein eklatantes Überwachungsdefizit und einen enormen personellen Nachholbedarf…“ Pressemitteilung vom 06.12.2022 der IG BAU externer Link
  • Alle vier Tage stirbt in Deutschland ein Bauarbeiter 
    Die deutsche Bauwirtschaft boomt, die Beschäftigten haben von diesem Aufschwung allerdings nichts – im Gegenteil. Tödliche Arbeitsunfälle und Lohnraub nehmen zu. Jetzt kommt es auf die Bau-Gewerkschaft an. (…)
    Spätestens seit der Corona-Pandemie zeichnen sich jedoch gleichzeitig die Schattenseiten des deutschen Bauwunders ab: mehr Arbeitsunfälle, Lohnraub und ein Anstieg illegalisierter Formen der Lohnarbeit. In Deutschland stirbt im Schnitt jeden vierten Tag ein Bauarbeiter an seinem Arbeitsplatz. Die häufigste Todesursache sind Stürze aus großer Höhe oder Verletzungen durch herabfallende Bauteile. Nur sehr selten sind diese Unfälle dem Versagen einzelner Menschen anzulasten, die Häufung der Todesfälle ist vielmehr eine Auswirkung des unkontrollierten Baubooms. Nach Angaben der Industriegewerkschaft Bauen Agrar Umwelt (IG BAU), welche die Bauarbeiter landesweit organisiert, gibt es neben diesen tödlichen Unfällen insgesamt 77.115 gemeldete Arbeitsunfälle – die Dunkelziffer ist jedoch vermutlich um einiges höher, denn nach Angaben der Berufsgenossenschaft Bau wird ein Großteil der Unfälle illegalisierter Beschäftigter selten bis gar nicht dokumentiert….“ Artikel von Von Jakob Schloer vom 02.02.2022 bei Jacobin.de externer Link auch zu tarifpolitischen Aspekten

Siehe branchenübergreifend: Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle in Deutschland auf hohem Stand: 2021 starben dabei 585 Menschen

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=195948
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