VW-Historiker Grieger kritisiert Studie über Audis NS-Vergangenheit: Untersuchung des Autokonzerns erinnere in Stellen an Gefälligkeitsgutachten [und muss gehen]

Dossier

VW 1938„… Volkswagens Chefhistoriker Manfred Grieger sieht schwere Mängel bei einer wissenschaftlichen Studie, die die VW-Tochter Audi über ihre eigene NS-Vergangenheit in Auftrag gab. Grieger attestiert dem Werk handwerkliche Fehler, eine verengte Sichtweise, einen lückenhaften Umgang mit Quellen und sprachliche Unschärfe. Die Studie habe einen »empathischen Kern«, ihr mangele es also an einer unvoreingenommenen Betrachtungsweise. (…) Die Auto Union ist ein Vorgänger der heutigen VW-Tochter Audi AG. In manchen Betrieben der Auto Union soll laut der Studie zeitweise ein Sechstel der Belegschaft aus KZ-Häftlingen bestanden haben. (…) Die Wurzeln des VW-Konzerns liegen im Nationalsozialismus. Hitler legte den Grundstein für das Stammwerk Wolfsburg, das mit Geld aus dem enteigneten Gewerkschaftsvermögen entstand. Audi gehört seit 1965 zum VW-Konzern. Für seine Beziehungen zu Geschäftspartnern regelt der VW-Konzern heute in einem Vorgabenkatalog: »Volkswagen lehnt jegliche wissentliche Nutzung von Zwangs- und Pflichtarbeit einschließlich Schuldknechtschaft oder unfreiwilliger Häftlingsarbeit ab.«Bericht bei neues Deutschland vom 29. August 2016 externer Link. Siehe dazu:

  • Erklärung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zum Ausscheiden des VW-Chefhistorikers
    „… Der VW-Konzern, der selber aus dem NS-Regime hervorgegangen ist, fügt sich auf diese Weise einen in seiner Tragweite noch gar nicht übersehbaren Schaden zu. Der Betriebsrat reagierte prompt mit einem scharfen Protest. (…) Es stellt sich die Frage, ob VW zur Geschichtspolitik früherer Tage zurückkehren will, die einseitig der Verherrlichung der eigenen Geschichte unter Ausklammerung dunkler Seiten diente. (…) Als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind wir über den Fall Grieger empört und überaus beunruhigt. Es steht zu befürchten, dass VW und eventuell andere Unternehmen alles, was sie in der schmerzhaften Auseinandersetzung mit ihrer NS-Geschichte gelernt haben, ad acta legen könnten…“ Erklärung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vom 03.11.2016 externer Link bei H-Soz-Kult, Kommunikation und Fachinformation für die Geschichtswissenschaften
  • VW-Betriebsrat fordert NS-Aufarbeitung bei Audi
    Der VW-Betriebsrat fordert von Audi eine neue, unabhängige wissenschaftliche Untersuchungen zur Rolle des Audi-Vorgängers Auto Union im Nationalsozialismus. Anlass ist die Kritik des kürzlich ausgeschiedenen VW-Chefhistorikers Manfred Grieger an einer Bewertung zum Thema „Kriegswirtschaft und Arbeitseinsatz bei der Auto Union“. Audi hatte diese Untersuchung selbst in Auftrag gegeben. Grieger hatte die Studie als handwerklich mangelhaft und tendenziell verharmlosend bezeichnet…“ Meldung vom 03.11.2016 beim NDR externer Link
  • „Trennung von Dr. Grieger ist ein Skandal“. In einem offenen Brief geht der ehemalige VW-Betriebsratsvorsitzende Walter Hiller scharf ins Gericht mit dem VW-Management.
    „Vor einer Woche trennten sich die Wege von Volkswagen und Chefhistoriker Dr. Manfred Grieger, der bis dahin die Historische Kommunikation des Unternehmens leitete. Das Thema bewegte viele Leser. Auch der Betriebsrat kritisierte die Personalie. Eine offene Debatte in der Wolfsburger Politik blieb indes aus. Nun meldet sich der ehemalige VW-Betriebsratsvorsitzende Walter Hiller mit einem offenen Brief zu Wort, den er unter anderem auch an Bernd Osterloh, den amtierenden Vorsitzenden des VW-Gesamtbetriebsrates, schickte. Wir drucken ihn an dieser Stelle ab: (…) Die Trennung von Dr. Grieger ist ein Skandal, der nicht hingenommen werden darf. Hier gilt die allgemeingültige These: Wehret den Anfängen! Wer sich so verhält, dem ist auch zuzutrauen, dass zu einem gegebenen Zeitpunkt das Unternehmensarchiv entsorgt und dichtgemacht wird. Dieser Vorgang ist von hoher politischer Brisanz. Deshalb sind die Mitglieder des Aufsichtsrats der IG Metall und des Landes Niedersachsen entsprechend zu informieren. Sie haben diesen Vorgang nicht nur bedauernd zur Kenntnis zu nehmen, sondern sie sind gut beraten, dafür zu sorgen, dass Herr Grieger seine hervorragende Arbeit als unabhängiger Wissenschaftler fortsetzen kann.“ Dokumentation vom 28.10.2016  bei den Wolfsburger Nachrichten externer Link
  • Volkswagen: Historiker Grieger muss gehen
    „… Aus Insider-Kreisen heißt es, nicht der kritische Inhalt von Griegers Rezension sei Auslöser für das Zerwürfnis. Demnach wurde Volkswagen vom Sprengstoff der Rezension kalt erwischt. Grieger hätte sich besser abstimmen müssen, soll einer der Vorwürfe gelautet haben. Er sei zwar frei in seiner wissenschaftlichen Arbeit, müsse aber fraglos an seinen Arbeitgeber denken. Entsprechenden Auflagen für seine künftige Vorgehensweise soll der Forscher abgelehnt haben. In manchen Betrieben der Auto Union soll laut der Audi-Studie zeitweise ein Sechstel der Belegschaft aus KZ-Häftlingen bestanden haben. (…) Der im Volkswagen-Konzern einflussreiche Betriebsrat hat das beendete Arbeitsverhältnis von VW-Chefhistoriker Manfred Grieger als Rückschlag für das Unternehmen bezeichnet. „Wir bedauern es sehr, dass Herr Dr. Grieger aus dem Unternehmen ausscheidet und halten dies für einen Fehler“, sagte ein Sprecher der Arbeitnehmervertreter der dpa. „Wir als Betriebsrat setzen auch künftig auf die Beratung von Manfred Grieger.“…“ Agenturmeldung vom 24.10.2016 bei heise online/Autos externer Link
  • NS-Vergangenheit: VW entzweit sich mit kritischem Chefhistoriker
    Die Kritik von VW-Chefhistoriker Manfred Grieger am Umgang mit der NS-Vergangenheit von Audi war dem krisengeschüttelten Wolfsburger Konzern zu scharf. Nun geht der profilierte Experte für Zwangsarbeit im Zwist. Mit seiner Expertise zur Zwangsarbeit gewann Volkswagens Chefhistoriker Manfred Grieger Ansehen. Nun wurde sie ihm zum Verhängnis. VW hat sich mit dem Wissenschaftler entzweit, der zuvor eine Studie zur NS-Vergangenheit der Konzerntochter Audi kritisiert hatte. Er gibt seinen Posten zum Monatsende auf. Die Analyse spiele die Bedeutung der Beziehungen des Vorstands der Audi-Vorgängerfirma Auto-Union zu den Eliten des nationalsozialistischen Regimes herunter, hatte Grieger moniert. Er verlasse das Unternehmen in beiderseitigem Einvernehmen, sagte ein VW-Sprecher zum Abgang Griegers, der die historische Kommunikation im Konzern seit 1998 aufbaute. Seine Aufgaben übernimmt vorübergehend Archivarin Ulrike Gutzmann…“ Meldung vom 22.10.2016 beim Spiegel online externer Link
  • Zwangsarbeit bei Audi: Wenn auf Bekenntnisse wenig Taten folgen
    Auch die Auto-Union hat Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge unter unmenschlichen Bedingungen eingesetzt. Dies geht aus einer 2014 erschienenen Studie des Chemnitzer Geschichtsprofessors Rudolf Boch und des Audi-Historikers Martin Kukowski hervor.“ Video der Sendung Kontrovers des BR, veröffentlicht am 27.01.2016 externer Link bei youtube
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=103649
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