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„Wir sind nicht damit einverstanden, die Leiharbeit kosmetisch zu reparieren“
Interview von Herbert Schedlbauer mit Gerhard Kupfer, Mitglied des Betriebsrates und Vertrauensleutekörpers bei Daimler in Bremen, in Unsere Zeit, Februar 2014
UZ: Daimler lässt immer mehr Autos von Leiharbeitern oder mit Werkverträgen bauen. Dabei geht es dem Konzern um weitere Lohndrückerei und Entrechtung sowie einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Vier Streiks, fast 9.000 Beschäftigte im Werk Bremen haben gezeigt, dass Auslagerungen und Erpressungen nicht kampflos hingenommen werden. Begonnen hat es im Jahre 2012. Was brachte das Fass zum überlaufen?
Gerhard Kupfer: Nach mehreren kleineren Fremdvergaben ging es im Jahre 2012 konkret um die Logistik, die ausgegliedert werden sollte. Dagegen haben wir spontan Unterschriften am Werkstor gesammelt. Innerhalb weniger Stunden bekamen wir 5.000 Unterschriften. Damit zeigte sich, dass bereits eine Stimmung gegen die Unternehmenspläne bestand und ein gutes Stück Mobilisierung für gemeinsame Aktionen möglich war.
UZ: Leiharbeit macht Arbeit noch billiger. Gesetzliche Regelungen sichern den Unternehmern Höchstprofite. Eine weitere Maßnahme ist der Einsatz von Beschäftigten über Werkverträge. Wie ist die Situation im Bremer Werk?
Gerhard Kupfer: Daimler steigt jetzt gerade um, von direkter Leiharbeit, der sogenannten Arbeitnehmerüberlassung. Unter diesen Bedingungen arbeiten zurzeit rund 650 Kolleginnen und Kollegen an den Bändern in Bremen. Geplant ist nun eine massive Fremdvergabe ganzer Produktionsabläufe. Die sollen dann mit Werkverträgen gefahren werden. Die Subunternehmer beschäftigten bedeutend mehr Leiharbeiter, als wir im Moment im Werk haben. Die jetzige Größenordnung ist bei Daimler per Betriebsvereinbarung auf 8 Prozent im gesamten Konzern begrenzt. Trotz vieler Versuche des Konzerns ist es uns gelungen, die Erhöhung der Quote der direkten Leiharbeit zu verhindern.
UZ: Konnten Sie durch diese Betriebsvereinbarung Übernahmen in feste Arbeitsverhältnisse erreichen?
Gerhard Kupfer: Durch die Betriebsvereinbarung ist sicherlich keine direkte Übernahme erreicht worden. Wenn Leiharbeiter feste Arbeitsverträge bekamen, dann aufgrund der boomenden Autoproduktion. Die Zahl ist allerdings gering. Sie bewegt sich bei etwa 290 Festeinstellungen in mehreren Jahren.
UZ: Eine Gegenwehr des Betriebsrates war die Verweigerung von Überstunden. Arbeitszeitverlängerungen und Sonderschichten. Reicht dies als Druckmittel zur Verhinderung weiterer betrieblicher Ausgliederungen aus?
Gerhard Kupfer: Nein. Wir hatten sehr eskalierte Situationen. Die Werksleitung wollte mit dem Betriebsrat gemeinsam ein Projekt starten. Hintergrund war eine älter werdende Belegschaft. Dabei wurde klar, dass genau diese Arbeitsplätze fremdvergeben werden sollten. Das stieß auf großes Unverständnis nicht nur bei den Betroffenen. Durch viel Kleinarbeit, persönlichen Gesprächen mit den Beschäftigten solidarisierten sich viele Arbeiter. So gelang uns die Mobilisierung der Belegschaft.
UZ: Die Aktionen gegen die Fremdvergabe im letzten Sommer führte dazu, dass die Unternehmensseite nicht ungestört höchste Produktionszahlen erreichte. Welche Möglichkeiten sehen Sie, den Gegendruck auch außerhalb von Daimler zu vergrößern?
Gerhard Kupfer: Unser Konzept war immer, diese Auseinandersetzung nicht im Werk alleine zu belassen. Die Arbeitsbedingungen, die Werkspolitik öffentlich zu machen. Leiharbeit, Werkverträge und prekäre Beschäftigung so zu nennen, wie sie sind. Ein Skandal! Schlicht und einfach! Leiharbeit muss öffentlich gebrandmarkt werden. Der Steuerzahler zahlt das Lohndumping der Unternehmer. Die Aufstocker, die nicht vom verdienten Geld leben können. Im September letzten Jahres hatten wir im DGB-Haus eine sehr gut besuchte Veranstaltung mit einigen prominenten Rednern, wie Professor Däubler. Geholfen hat uns auch Karl Heinz Roth, der ein Daimler Benz Buch geschrieben hat. Darin den Bogen spannt zur Zwangsarbeit des Konzerns während der Nazizeit. Ein weiterer wichtiger Punkt ist: Alleine werden wir diesen Kampf hier nicht gewinnen. Geplant ist bei VW eine Veranstaltung zu machen. Über unsere Situation aufzuklären. Auch dort gibt es Leiharbeit.
UZ: Von BMW Beschäftigten gab es Zustimmung und Solidarität. Ebenso aus Regensburg, Nürnberg und Frankfurt solidarisierten sich die bayrischen Autobauer mit dem Abwehrkampf der Bremer Daimler Belegschaft.
Gerhard Kupfer: Ja, das tut gut und wird dringend gebraucht. Wir fahren auch nach BMW. Um unsere Erfahrungen weiterzugeben. Die Solidarität aus anderen Automobilfabriken hat uns sehr geholfen. Aus dem Ausland, den dortigen Daimler Betrieben, gab es viel Sympathie für uns. Zahlreiche Resolutionen von Leitungen der Vertrauensleute aller Daimler Werke aus dem Ausland.
UZ: Wie war die Unterstützung der IG Metall in Bremen oder über das Daimler Werk hinaus?
Gerhard Kupfer: Wir haben keinerlei Unterstützung erfahren. Nein. Absolut nicht. Es gab keine Informationen in Bremen oder über die Stadt hinaus. Die IG Metall hat nichts über unseren Kampf im Betrieb gegen die Werksleitung verbreitet. Lediglich im Betrieb ist die Unterstützung des Vertrauensleutekörpers ein Stück vorhanden gewesen. Weil die Kollegen es angeschoben und nicht locker gelassen haben. Alles was im Werk passierte und außerhalb bewegt wurde und wird, ist die Initiative von Teilen des Betriebsrates und von Vertrauensleuten.
UZ: Spielen die Betriebsratswahlen in diesem Jahr bei der Auseinandersetzung eine Rolle?
Gerhard Kupfer: Es bestätigt sich, dass konsequente Interessenvertretung von der Belegschaft honoriert wird. Die Kollegen, die den Kampf aufgenommen haben gegen Leiharbeit und Fremdvergabe, sind auf den vorderen Plätzen. Gegenüber den letzten Wahlen sehr weit auf der Kandidatenliste nach vorne gerückt.
UZ: Die Große Koalition verhält sich inkonsequent bei Lohndumping und Leiharbeit. Nachzulesen im Koalitionsvertrag. Von den Herrschenden in diesem Land ist keine Unterstützung zu erwarten. Wie kann Ihrer Meinung der Druck um die Abschaffung von prekärer Arbeit auf die CDU und SPD verstärkt werden?
Gerhard Kupfer:Wenn der Druck nicht aus den Betrieben kommt, werden die Regierenden auch nicht handeln. Wir sind ausdrücklich nicht damit einverstanden, die Leiharbeit kosmetisch zu reparieren. Sie gehört verboten. Unsere Losung zum 1. Mai heißt „Schluss mit der Zuhälterei bei Daimler – und anderswo“. Alle die in der Politik mit Leiharbeit zu tun haben, diese befürworten, müssen mit Gefängnis bestraft werden. Nicht unter fünf Jahren.