[Erklärung] „Die Autoindustrie vor und nach „Corona“: Konversion statt Rezepte von gestern!“ und die Transformationsdebatte

Dossier

"There are no Jobs on a dead Planet!"Volkswagen und andere Autohersteller haben angekündigt, die Produktion jetzt wieder hoch zu fahren. Dazu fordern wir: Konversion statt Rezepte von gestern! Die Autoindustrie ist bei der Bundesregierung mit einem „virtuellen Autogipfel“ und bei der EU-Kommission mit ihren Forderungen nach Subventionen und Deregulierung von Sicherheit, von Arbeits-, Klima- und Umweltstandards auf offene Ohren gestoßen. (…) Das widerspricht eklatant den Anforderungen an Mobilität von heute, es widerspricht den Anforderungen zur Senkung von Schadstoffen aus dem motorisierten Individualverkehr. Persönlichkeiten aus Mobilitätsinitiativen haben deshalb eine Erklärung abgegeben, die diese Absicht scharf kritisiert und den Staat auffordert, kein Geld an die Autoindustrie zu vergeben, ohne sich entsprechende Eigentumsrechte zu sichern. Die Autokonzerne sollten jetzt zu Anbietern für Mobilitätsbedürfnisse auf Basis sozial-ökologischer Nachhaltigkeit umgebaut werden…“ Mitteilung vom 17. April 2020 der Initiative der Attac-Kampagnengruppe „einfach.umsteigen“, siehe dazu Hintergründe sowie weitere Aktivitäten/Meldungen zum ThemaEs ist ein Fehler, der deutschen Autoindustrie alle Fehler zu verzeihen.New

Die Autoindustrie vor und nach „Corona“: Konversion statt Rezepte von gestern!

I. Wie gutes Leben für alle sein könnte!

Die Corona-Krise ist mit herben Einschränkungen wie Schulschließungen, Betriebsschließungen, Kurzarbeit, Umsatz- und Lohnausfall und demnächst mit Insolvenzen und massenhafter Erwerbslosigkeit verbunden. Für viele Menschen stellt sie eine existenzielle Bedrohung dar, bedeutet Leid oder gar Tod. Das gilt vor allem dort, wo Gesundheitssysteme schlecht funktionieren, nicht zuletzt weil sie durch die Austeritätspolitik der jüngsten Vergangenheit stark beeinträchtigt wurden.

Aber die Corona-Krise geht auch mit anderen Erfahrungen einher: Die Produktion wird auf das gesellschaftlich Notwendige heruntergefahren; Sorgearbeit und Infrastrukturversorgung erweisen sich für alle sichtbar als diejenigen gesellschaftlichen Bereiche, die wirklich „systemrelevant“ sind; im Fall der Schuldengrenze wird von der Notfallregelung Gebrauch gemacht, hunderte Milliarden Euro stehen zur Verfügung, der Austeritätspolitik wird der Schein des ökonomisch Notwendigen genommen, sie wird als politisch gesetzte Notwendigkeit im Interesse der Herrschenden begreifbar; Zugänge zu Kurzarbeitergeld und Hartz IV werden erleichtert; Autofabriken und Zulieferbetriebe stehen still oder bauen Atemschutzmasken und Medizintechnik – Konversion, der am gesellschaftlich und ökologisch Sinnvollen orientierte Umbau der Produktion, ist plötzlich denk- und machbar.

Für viele wird Entschleunigung zur bestimmenden Alltagserfahrung. Die Facharbeiterin in der Autofabrik beginnt zwecks Entzerrung in der Werkstatt um 7 Uhr früh und wird von ihrem Kollegen um 13 Uhr abgelöst: 6-Stunden-Arbeitstag, kurze Vollzeit mit vollem Lohnausgleich. Weniger Autos auf den Straßen lassen mehr Raum für die Einrichtung breiterer Fahrrad- und Fußwege. Die Abnahme des Autoverkehrs macht die Städte lebenswerter und öffnet den Menschen den Blick für die Entbehrungen und Zumutungen der autogerechten Stadt, die sie bislang als selbstverständlich und normal akzeptiert haben. Die Corona-Krise, so heißt es in der Berliner Zeitung (9./10. April 2020, S. 1), „gewährt einen Blick in die mögliche Zukunft des Stadtverkehrs. Verkehrslärm, Abgasbelastungen und Unfallzahlen haben abgenommen, die Lebensqualität ist gestiegen. Die Veränderungen, die in Städten wie Berlin sichtbar geworden sind, lassen sich als Werbung für eine menschenfreundlichere Mobilität begreifen.“

So könnte gutes Leben aussehen, wenn der Reichtum umverteilt wird, wenn wir aufhören, für Profit zu produzieren und stattdessen die Produktion dauerhaft auf das sozial-ökologisch Sinnvolle und Notwendige umstellen. Werbung, die Produktion von Kriegswaffen, riesigen Kreuzfahrtschiffen und Millionen von Autos sowie der teure Bau neuer Autobahnen könnten der Vergangenheit angehören. Die Privilegierten würden entprivilegiert, das Leben für alle würde besser, die Wirtschaft wäre für die Menschen da, nicht umgekehrt.

Dass dies möglich ist, lehrt uns die Krise. Jetzt kommt es darauf an, die Weichen dafür zu stellen, dass die Gesellschaft aus diesen Erfahrungen lernt und nicht nach kurzer Zeit wieder in den sozial-ökologisch verheerenden Vorkrisenmodus zurückkehrt – auch, um die drohenden noch größeren Verwerfungen durch die heraufziehende Klimakatastrophe zu verhindern.

II. Die Spielverderber

Die Widerstände, die es zu überwinden gilt, sind stark. Sie werden umso stärker werden, je mehr die Möglichkeit einer anderen Organisation der gesellschaftlichen (Re)Produktion zur Alltagserfahrung wird. Die Eigentümer*innen und obersten Manager der Autoindustrie, die Verbände des Automobil-Sektors haben sich an die Europäische Kommission und die Bundesregierung mit der Forderung nach Deregulierungen von Sicherheit, Arbeits-, Klima- und Umweltschutz gewandt, um nach der Pandemie die „Verluste“ an Produktion und Umsatz wieder wettzumachen. Aber wenn die Autokonzerne nun staatliche Hilfen verlangen, sollten diese nur gegeben werden, wenn sozial-ökologische Kriterien erfüllt und die Hilfen direkt in Aktien umgewandelt werden.

Das wäre der erste Schritt zur Vergesellschaftung der Konzerne: Steuergelder nur gegen Anteile und  Mitsprache.

Diese Art der Vergesellschaftung ist auch deshalb erforderlich und geboten, weil die Krise der Autoindustrie hausgemacht ist und lange vor „Corona“ sichtbar war, wie beim x-ten Autogipfel am 15. Januar diesen Jahres im Kanzleramt deutlich wurde. Bereits dort wurde über leichtere Zugänge zur Kurzarbeit entschieden. In einem Positionspapier von VDA, Gesamtmetall und IG Metall zum Treffen heißt es, es sei von größtem gesellschaftlichen Interesse, auch in Zukunft eine wettbewerbsfähige Industrie in Deutschland zu haben. VDA-Vorstandsmitglied Wolf sagte: „Wenn staatliche Gelder zur Verfügung gestellt werden, dann schaffen wir den Strukturwandel.“ Er nannte dabei eine Summe von bis zu 20 Milliarden Euro. 

Tatsächlich ist der Absatz in allen großen Märkten bereits seit 2017 rückläufig – das hat mit fehlender (kaufkräftiger) Nachfrage und extremer Exportabhängigkeit der deutschen Industrie zu tun. Die Produktion von Autos in Deutschland sank 2018 um fast 10 Prozent von 5,6 auf 5,1 Millionen, im Jahr 2019 um 8 Prozent von 5,1 auf 4,7 Millionen Fahrzeuge. Damit waren die kumulierten Rückgänge in 2018/2019 bereits größer als in den Krisenjahren 1993 und 2009. Der Antriebswechsel zu Elektromotoren ist weder sozial noch ökologisch eine Lösung, er wird von den Kundinnen und Kunden auch wegen der hohen Verkaufspreise bei weitem nicht in der geplanten Größenordnung akzeptiert.

Mit den zusätzlichen Ausfällen durch Corona, mit der Beschleunigung der Rezession durch Covid-19 ist jetzt absehbar, dass die Umsätze in diesem Jahr einbrechen werden – eine bisher nie dagewesene Krise für die auf ewiges Wachstum gepolte Auto- und Zulieferindustrie. Während große Hersteller wie VW, Daimler und BMW, Bosch, ZF und Conti mit Milliarden Rückstellungen ohne existenzielle Probleme durch die Krise kommen können, werden kleinere und größere Zulieferbetrieben in den Ruin getrieben und zehntausende Arbeitsplätze vernichtet; als erstes die der Leiharbeiter*innen. – Wir erleben die Schrumpfung der Autoindustrie auf disruptive Art und Weise.

Nun gibt es billige Vorschläge wie die Mehrwertsteuer auszusetzen, eine „negative Mehrwertsteuer“, Prämien beim Autokauf, Abwrackprämien und viele weitere Vergünstigen einzuführen, das Arbeitszeitgesetz zu deregulieren und rechtliche Beschränkungen für Hersteller und Nutzer von Autos aufzuheben. VDA-Vorstand Wolf: „Ohne Anreizprogramme der Bundesregierung – auch für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor – wird das nicht funktionieren. Wir brauchen eine Stimulation, damit die Menschen wieder in die Autohäuser gehen und Fahrzeuge kaufen.“ Und: „Ich bin absolut für Klimaschutz, die Frage ist nur, wo liegt die oberste Priorität. Für mich ist das Thema Nummer 1, die Wirtschaft wieder zum Laufen zu bringen, davon leben wir alle. Und erst wenn die Unternehmen wieder Geld verdienen, können sie auch wieder Produkte entwickeln und produzieren, die dem Klimaschutz helfen.“

Die Autohersteller wollen weitermachen wie bisher und dazu viel Geld von den nationalen und supranationalen Institutionen erhalten. Die Corona-Krise scheint ihnen dabei in die Hände zu spielen. Im Gegensatz zu Bus oder Bahn ermöglicht das Auto physische Distanz, seine Insassen müssen sich nicht in ungewollte und unbekannte Gesellschaft begeben. Die Automobilität macht eine Fortbewegung in der Distanz von oder auch im Wettbewerb mit anderen möglich. Sie korrespondierte von Beginn an mit den Prinzipien der Konkurrenz und individuellen Nutzenmaximierung, wie sie in die kapitalistische Gesellschaft eingeschrieben sind. Auf diese Weise setzte sich die Automobilität als dominante Form der Fortbewegung durch, die Autoproduktion wurde zur Schlüsselindustrie der kapitalistischen Wirtschaft. In Zeiten einer Pandemie-bedingten physischen Distanzierung könnte sich dies erneut auszahlen, das Auto könnte als Verkehrsmittel, das vor Ansteckung schützt, an Beliebtheit gewinnen.

Das wäre jedoch fatal. Denn zum einen gibt es ernstzunehmende Hinweise, dass das Corona-Virus vor allem im Zusammenhang mit der Luftverschmutzung (etwa durch Feinstaub, ausgelöst zu einem großen Teil durch motorisierten Individualverkehr) tief in die Lungen der Menschen eindringt und dort schwerwiegende, zum Teil tödliche Reaktionen auslöst. Zum anderen trägt der Autoverkehr bekanntermaßen erheblich zur Klimaerwärmung bei. Deren negative Folgen für Menschen und Umwelt sind weit größer als die der aktuellen Corona-Pandemie. Zum dritten wird schließlich nicht berücksichtigt, dass in öffentlichen Verkehrsmitteln weitreichende Schutzmaßnahmen (Desinfektion, Abstand halten) prinzipiell möglich sind.

Bleibt es bei dem vorherrschenden Autoverkehr und kommt es gar, wie von der Autolobby derzeit gefordert, zu dessen Verstärkung, so wäre das Ergebnis eine enorme Verschärfung der Konkurrenz auf den Straßen und, was die Produktion betrifft, um Märkte und Marktanteile, ein intensivierter Raubbau an Rohstoffen und Bodenschätzen sowie eine weitere Vergiftung unserer Umwelt, die für viele Menschen, besonders in den Herkunftsländern der Rohstoffe im globalen Süden, existenzbedrohend ist. Die Unternehmen wollen die Krise nutzen, um Arbeitsschutz, Verkehrssicherheit, Klima- und Umweltschutz zu deregulieren. Diese Rezepte von gestern helfen nicht aus der Krise, sondern führen in die nächste, noch schärfere Krise.

III. Was jetzt nötig ist

Ob die Autoindustrie damit durchkommt, hängt davon ab, ob wir alle wieder in den Modus von vor „Corona“ zurückfallen oder ob wir auf Änderungen orientieren und drängen. Es ist an der Zeit, den politisch-industriellen Komplex des Autos zu überwinden. Dafür sind Programme und Bündnisse erforderlich, die soziale Sicherheit und gutes Leben anders definieren, als das bisher der Fall gewesen ist.

Wir raten deshalb, folgende Maßnahmen und Projekte jetzt zu planen und gemeinsam anzugehen:

1. KFZ-Steuerreform: Bonus für Kleinwagen, Malus für Fahrzeuge mit mehr als 120 PS, mehr als 2.000 ccm, exponentiell steigend (Luxussteuer) für größere, schnellere, schwere Autos.

2. Fahrzeuge über 2,5 Tonnen Gesamtgewicht werden mautpflichtig

3. Alle Steuervorteile für MIV und Subventionen für die Autoindustrie streichen – Jobtickets statt Dienstwagen.

4. Geschwindigkeitsbegrenzungen 30 / 90 / 110 – zum Klimaschutz und zur Verhinderung schwerer Unfälle mit über 380.000 Verletzten und über 3.000 getöteten Personen allein im Jahr 2019.

5. Ausbau von Fuß- und Radwegen.

6- Ausbau des ÖPNV – Sperrung von Innenstädten für den MIV, Reaktivierung lebendiger Orte und Städte mit guten fußläufigen Einkaufsmöglichkeiten (Stadt der kurzen Wege).

7. Arbeitszeitverkürzung – kurze Vollzeit von durchschnittlich 30-Stunden-/4-Tage-Woche für alle.

8. Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit / Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen

9. Straßenneubau grundsätzlich beenden – Geld frei für den ÖPNV

10. Kein Geld für Ladeinfrastruktur aus der öffentlichen Hand

11. Aufbau regionaler Wirtschaftskreisläufe – local for local

12. Aufbau transparent arbeitender regionaler Transformationsräte aus Industrie, Gewerkschaft, regionaler Politik, Umwelt- und Verkehrsverbänden

13. Vergesellschaftung der großen Auto- und Zulieferkonzerne in Deutschland entsprechend der Grundgesetzartikel 14 und 15 mit dem Ziel, öffentliche Unternehmen für Mobilität als Daseinsvorsorge in urbanen Zentren wie in ländlichen Regionen zu entwickeln.

Freiheit, Abenteuer, Grenzenlosigkeit: die jahrzehntelangen Versprechen und glitzernden Bilder der Autoindustrie haben sich für die meisten Menschen in ihr Gegenteil verkehrt. Ein sozial-ökologischer Umbau unserer Gesellschaft, der Umbau der Autoindustrie, eine wirkliche Mobilitätswende hin zu guten und preiswerten Verbindungen per Bus und Bahn, gerne mit Algorithmen optimiert, gefährdet keine Arbeitsplätze. Eine solche Transformation schafft viele neue Arbeitsplätze, führt zu lebenswerteren Städten, zu mehr freier Zeit und einem guten Leben für alle. Es ist aber auch die Voraussetzung zur Sicherung der Lebensgrundlagen der Menschen auf der Erde. Wie wir wissen, ist Geld genug da! Wir haben noch eine Chance.

Unterzeichner*innen:
Dr.-Ing. André Baier (Studienreformprojekt Blue Engineering, TU Berlin), Anastasia Blinzow (Rosa-Luxemburg-Stiftung), Dr. Mario Candeias (Rosa-Luxemburg-Stiftung), Timo Daum (Gastwissenschaftler Forschungsgruppe Digitale Mobilität am Wissenschaftszentrum Berlin), Prof. Dr. Ulrich Duchrow (Universität Heidelberg), Ulrike Eifler (Rosa-Luxemburg-Stiftung), Bettina Ellermann (IG Metall Vertrauensfrau und Betriebsrätin), Andreas Fuhs (Referent Linksfraktion Berlin), Dr. Tobias Haas (FU Berlin), Thomas Händel (ehem. MdEP, Rosa-Luxemburg-Stiftung), Dr. Alfred Hartung (Chemiker, ehem. IGM-Vertrauensmann bei VW in Wolfsburg), Joachim Heier (Attac), Matthias Jochheim (IPPNW), Lars Hirsekorn (IG Metall Vertrauensmann), Bernhard Knierim (Autor, wissenschaftlicher Referent), Dr. Heike Knops (Theologin und Philosophin, Ev. Kirche im Rheinland), Stephan Krull (Rosa-Luxemburg-Stiftung, ehem. Betriebsrat VW Wolfsburg), Klaus-Dieter Lambert, Sabine Leidig (MdB Die LINKE), Karl-Heinz Ludewig (wissenschaftlicher Referent), Klaus Mertens (wissenschaftlicher Referent), Volker Röske (attac), Wolfgang Schaumberg (ehem. Betriebsrat Opel Bochum), Margareta Steinrücke (Soziologin, Attac AG ArbeitFairTeilen), Dr. Thomas Sablowski (Rosa-Luxemburg-Stiftung), Heike Sudmann (Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft, Die LINKE), Dr. Winfried Wolf (Autor), Carl Waßmuth (beratender Ingenieur, Gemeingut in Bürgerhand), Prof. Dr. Markus Wissen (Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin), Fanny Zeise (Rosa-Luxemburg-Stiftung, Attac Kampagnengruppe „einfach.umsteigen“)

Und in der aktualisierten Fassung vom 19.4.2020 

Ansprechpersonen:

Siehe die Attac Kampagnengruppe „einfach.umsteigen“ externer Link

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weitere Aktivitäten/Meldungen zum Thema

  • Es ist ein Fehler, der deutschen Autoindustrie alle Fehler zu verzeihen. New
    „… Und dann schaue ich mich um, blicke auf die deutsche Autoindustrie und sehe sie mal wieder – mit Verlaub gesagt – nur defensiv.
    Ich habe kurz in den Konzernbericht von Volkswagen externer Link geschaut – gerne ergänzen, wenn ich etwas übersehen haben: Umsatzerlöse mit 322,3 Milliarden Euro rund 15 Prozent über Vorjahresniveau.
    Anstieg des Operativen Ergebnisses um mehr als ein Viertel im Vergleich zum Vorjahr.
    Nettoliquidität des Konzernbereichs Automobile lag bei 40,3 Milliarden Euro – nach Dividendenausschüttungen von 11 Milliarden Euro.
    16 Milliarden Euro Nettogewinn.
    Wie kann es sein, dass diese Zahlen dort stehen und diesem Konzern dennoch nicht zugemutet werden kann, mal ohne staatliche Hilfen zurechtzukommen?
    Wie kann es sein, dass ein Robert Habeck, der 2019 im Manager Magazin noch vollmundig erklärte: Volkswagen verspricht, Elektroautos unter 30.000 Euro anzubieten – doch die nächsten Jahre will der Konzern das Geld erst mit kostspieligen E-Mobilen verdienen. Habeck kritisiert das. Die E-Autostrategie von Volkswagen werde scheitern, sagt er voraus.
    sich nun zitieren lässt mit: Die Autoindustrie ist ein Eckpfeiler des Industriestandorts Deutschland. „Das soll auch so bleiben.“ Die großen Automobilhersteller und ihre Zulieferer seien „Wohlstandsmotor“ und Innovationstreiber über Branchengrenzen hinweg. „Für VW als zweitgrößtem Automobilhersteller gilt das umso mehr und das Unternehmen trägt hier eine hohe Verantwortung.“
    Plus: Sein Ministerium will Steueranreize für elektrische Dienstwagen erhöhen. Bin gespannt, ob die für fossil betriebene dann auch endlich fallen.
    Warum heißt Verantwortung tragen nicht auch, sie alleine zu übernehmen? (…)
    Jede*r Abteilungsleiter*in mittelständischer Unternehmen scheint mehr Verantwortung zu übernehmen als die CxOs von Autoherstellern. Ich wünsche mir hier mehr Kreativität, Innovation und das Loslassen des fast schon verzweifelten Glaubens, dass private Autos bauen noch Jahrzehnte lang ein Geschäftsmodell sein wird.
    Mein Wunsch an unsere Autoindustrie? Baut ein Zwischending zwischen privatem Pkw und starrem Linienbus, barrierefrei und zumindest teilelektrisch, für On-Demand-Mobilität im ländlichen Raum!...“ Beitrag vom 4. September 2024 von und bei Katja Diehl externer Link

  • [Zum Transformationsverständnis der IG Metall] Die IG Metall muss mehr wollen
    Die Gewerkschaft sollte den Aufbau einer nachhaltigen, digital-elektrischen Mobilitätsindustrie beschließen und sich von der deutschen Automobilindustrie lösen, die weiterhin auf Fahrzeugbau und Verbrennungsmotor setzt.
    ZUSAMMENFASSUNG
    Das Debattenpapier zur Mobilitätswende des IG Metall Vorstands formuliert ein Bekenntnis zur Elektrifizierung und enthält eine deutliche Absage an E-Fuels im Pkw-Bereich. Auch formuliert es ein Gesamtverständnis von Mobilität und Verkehr, das gemeinhin als Verkehrswende bezeichnet wird. Ein zukunftsweisender Schritt für eine Organisation, für die die Interessenvertretung von Beschäftigten in der Autoindustrie zum Wesensmerkmal gehört. Allerdings bleibt die Analyse des derzeitigen Umbruchs der Autoindustrie in Deutschland auf halbem Wege stehen. Insbesondere vier Themen werden aus unserer Sicht nicht konsequent genug gedacht.
    1) Das Papier sieht zwar klar den (globalen) Trend zur batterieelektrischen Mobilität, sieht diese aber nicht im Kontext von Energiewende und Sektorkopplung, also als Baustein der Dekarbonisierung von Energie, Industrie und Verkehr insgesamt.
    2) Es unterschätzt das Ausmaß der bevorstehenden Veränderungen der Industrie, sie hegt Vorstellungen eines evolutionären, schrittweisen Umbaus derselben. Demgegenüber steht eine um Fahrzeugbau und Verbrennungsmotor zentrierte Industrie mit ihren gewachsenen Beziehungen zu Kund*innen, Märkten und Zulieferern vor einer grundlegenden Neuformierung als digital-elektrische Mobilitätsindustrie.
    3) Es adressiert in erster Linie die aus der Vergangenheit gewohnten Ansprechpartner*innen, die etablierten deutschen Autohersteller. Diese sind jedoch nicht diejenigen, die den Umbau der Industrie voranbringen. Sie verharren mit fossilen, Luxus- und Abwanderungsstrategien auf Pfaden, die für die IG Metall und ihre Mitglieder nicht akzeptabel sein dürften.
    4) Die Transformation in Richtung einer elektrisch-digitalen Mobilitätsindustrie führen andere an. Neben Tesla sind dies weitere zumeist ausländische, zum Teil auch branchenfremde Akteure, die verstärkt auch in Deutschland aktiv werden.
    Aus diesen Punkten folgen vier Empfehlungen an die Adresse der IG Metall:
    – Antriebswende als Teil eines elektrisch-industriellen Energie-Ökosystems betrachten. — Aus der tradierten Doppelabhängigkeit – Verbrennungsmotor und traditionelle Hersteller – ausbrechen.
    – Auf all diejenigen fokussieren, die den Umbau bzw. Neubau der Industrie tatsächlich voranbringen.
    – Konversion weg vom Fahrzeugbau hin zu einer elektrischen gepowerten, softwaregestützten Energie- und Mobilitätsindustrie anstreben…“ Diskussionsbeitrag von Theresa Pfaff und Timo Daum externer Link (dokumentiert beim express)(Theresa Pfaff und Timo Daum arbeiten in der Forschungsgruppe Digitale Mobilität am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung) als Reaktion auf das Debattenpapier des Vorstands der IG Metall „Speed matters – Weichen für die Mobilitätswende stellen“ vom Dezember 2023, das wir im branchenübergreifenden Dossier: Debatte über die Haltung der großen Industriegewerkschaften zum Thema Klimagerechtigkeit und und Transformation verlinkt hatten
  • Nachhaltigkeit, Transformation, Sozialismus. Bei einer sehr gut besuchten Veranstaltung des AKI plädiert Prof. Klaus Dörre für einen Bruch mit der kapitalistischen Wirtschaftsweise
    „Um der sozial-ökologischen Zangenkrise, wie Dörre die gegenwärtige Situation bezeichnet, zu entkommen, muss es einen Bruch mit dem Kapitalismus geben. Dazu braucht es Hoffnung und die Bereitschaft über gangbare Alternativen nachzudenken, wie eine lebenswerte Zukunft aussehen kann. (…) Die Schäden an der Umwelt durch klimaschädliche Gase und Raubbau an der Natur verantworten im Wesentlichen die reichen Menschen. Ihnen fließen die Gewinne aus dem Wirtschaftswachstum mit hohem Energie- und Ressourcenverbrauch zu. Gleichzeitig verbrauchen sie durch ihren luxuriösen Lebenstil deutlich mehr CO2 als arme Menschen. (…) Ohne den Einfluss auf die wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen demokratische auszuweiten, lässt sich das Vertrauen in die Politik nicht wiederherstellen und die Klimakrise nicht lösen. Klaus Dörre stellt eine Reihe konkreter Alternativen vor, die er in seinem Buch „Die Utopie des Sozialismus“ entwickelt hat. Er sieht die Lösung in einer umfassenden Wirtschaftsdemokratie, die er auch nachhaltigen Sozialismus nennt. Dazu gehören „kollektives Selbsteigentum der Beschäftigten“, also Vergesellschaftung der Großindustrie, Übertragung auf die Arbeitenden. Die Produktion muss dann auf langlebige, sinnvolle Produkte ausgelegt sein. Demokratische Beteiligung und Care- Arbeit muss mehr Zeit bekommen, die Zeit für Lohnarbeit soll kürzer ausfallen. Eine kooperative Marktwirtschaft für Klein- und Mittelbetriebe könnte neue Chancen eröffnen. Der nachhaltige Sozialismus hat selbstverständlich eine internationale Perspektive. Wir Menschen in den Industrieländern stehen als Hauptverursacher des Klimawandels in der Pflicht, die Entwicklung der Länder des Südens zu fördern. Gegenwärtig fließen aus einem Dollar Investitionen aus dem Norden in den Süden, 30 Dollar in den Norden zurück. Hier bedarf es einer echten, nachhaltigen Entwicklungshilfe, die nicht das Ziel der Ausbeutung hat. (…) In der anschließenden Diskussion ging es auch um die Rolle der Gewerkschaften in der sozial-ökologischen Transformation. Dabei dient Klaus Dörre das VW Werk in Kassel als positives Beispiel heran. Das VW Werk Kassel in Baunatal ist, wie Klaus Dörre sagt, „das am besten mitbestimmte Werk der Republik“. Als dort die Komponentenfertigung verkauft werden sollte, wehrten sich Werksleitung und Betriebsrat gemeinsam und fanden einen Ausweg, den Kasseler Weg. „Kasseler Weg heißt, alles an relevanten Entscheidungen inklusive Investitionsentscheidungen wird Gegenstand von Aushandlungen zwischen Betriebsrat, Human Resource Management und Geschäftsleitung und runtergebrochen bis auf die Belegschaften, die mitdiskutieren können. (…) Damals, in dieser Entscheidungssituation, haben die auf Elektroantriebe gesetzt, als sie im Konzern keine Mode waren. Jetzt sind sie das führende Werk in Sachen Elektroantrieb, Leitwerk im VW Konzern. Das heißt, es gibt ein relatives Kräftegleichgewicht zwischen Kapital und Arbeit im Werk, was diesen Kasseler Weg hervorbringt, und das macht das Werk besonders innovativ“, so Klaus Dörre. Was das Werk weiter auszeichnet, ist die Basisorientierung der IG Metall dort. Für die Betriebsratsliste werden alle Mitglieder befragt, „es sind fast 16 000“, was dazu führt, dass kritische Betriebsräte, die nicht viel von E-Mobilität halten, aber dennoch eine positive Haltung zur Transformation vertreten, über 90% Zustimmung erhalten, „weil sie absolut glaubwürdig sind, weil man ihnen abnimmt, dass sie in der Sache kompetent sind. Und weil man deshalb bereit ist, sich auch ihre Argumente anzuhören“, so Klaus Dörre weiter. Trotz einstündigem Vortrag und ebenso langer konnten viele Punkte nur angerissen werden. Es wurde aber deutlich: Wir brauchen eine ehrliche Diskussion um die ökonomische Zukunft, die sich nicht scheut, dicke Bretter zu bohren oder auch mal zu provozieren. Einen Audiomitschnitt der Veranstaltung wird demnächst veröffentlicht…“ Bericht der IG Metall Berlin vom 20. Februar 2024 externer Link
  • Transformationsräte oder Transformationsnetzwerke? – Entgegengesetzte Konzepte zur Lösung der Krise der Autoindustrie
    Die Krise der Auto- und Zulieferindustrie sowie des Kraftfahrzeughandwerks wird immer sichtbarer. In den zurückliegenden Jahren wurden 80000 Arbeitsplätze abgebaut – 60000 in der Auto- und Zulieferindustrie, 20000 im Kfz-Handwerk. Sparprogramme und Personalabbau sowie Werksschließungen sind angekündigt von Bosch, Conti, ZF, Mahle, Michelin und Ford – und das sind nur die bekannteren Unternehmen. Volkswagen, Audi, Porsche, Ford und Mercedes haben jeweils hunderte von Leiharbeiter:innen vor die Tür gesetzt, die in der Zahl oben nicht enthalten sind, weil sie als »Sachkosten« in der Bilanz geführt werden. (…) Es ist offen, ob die Transformation der Autoindustrie und damit einhergehend die soziale und politische Stabilität gelingt oder scheitert. Wenn wegen eines engen Blickwinkels nur auf den Antriebswechsel grundlegende Veränderungen in Richtung einer Verkehrswende und des öffentlichen Verkehrs ausbleiben, wird das Ziel der Transformation nicht erreicht. Darum toben die Debatten und die Auseinandersetzungen auf der Straße und vor den Fabriktoren. Sind Transformationsnetzwerke oder Transformationsräte hilfreiche Instrumente zur Lösung der Krise?
    Die Transformationsnetzwerke
    Die Forderung nach Transformationsräten ist, anknüpfend an Konzepte von Wirtschaftsdemokratie und der Forderung nach Wirtschafts- und Sozialräten, eine alte linke, demokratische und gewerkschaftliche Idee. Angesichts der Beschäftigungskrise in der Auto- und Zulieferindustrie ist sie aktueller denn je. Aber dieser gewerkschaftlichen Forderung werden staatlicherseits seit Ende der 2010er Jahre die überwiegend von den drei Parteien Staat–Unternehmen–Gewerkschaften gebildeten Transformationsnetzwerke entgegengestellt und mit Macht und Geld ausgestattet. Bundes- und Landesregierungen sind spendabel und hyperaktiv dabei – mit Autogipfel, Strategiedialog, Zukunftsfonds Automobilwirtschaft, Regierungskommission, nationaler Plattform, Lenkungskreisen und Expertenausschüssen. Ziel der Konzertierten Aktion Mobilität, von der IG Metall vorangetrieben, ist seit vielen Jahren die Erarbeitung einer Perspektive für den Automobilstandort Deutschland. (…)
    Die Netzwerke werden vom Vorstand der IG Metall in einem Dialogprozess miteinander verbunden. Sichtbar ist auf den ersten Blick, dass es zum weit überwiegenden Teil sehr kleinteilig um die Autoindustrie geht, nicht aber um die Verkehrswende, nicht um die Bahnindustrie oder um den ÖPNV. Beteiligte aus dem Wissenschaftsbereich verfolgen dabei durchaus auch eigene wirtschaftliche Interessen mit von ihnen gegründeten Consulting-Agenturen, um von den vielen Millionen Euro etwas abzubekommen.
    Wenn in den Transformationsnetzwerken nur auf technische Wunderwerke gehofft, auf die weithin verlorene Sozialpartnerschaft rekurriert und auf das Auto fokussiert wird, wenn Erfahrungen aus dem weitgehend gescheiterten Strukturwandel des Ruhrgebiets, den harten Brüchen nach dem Anschluss der DDR, dem Sterben der Werften in Norddeutschland, der Abwanderung der Textilindustrie, der Uhren- und der Fotoindustrie nicht aufgenommen werden, werden die Fehler wiederholt und die Transformation wird wieder scheitern – mit sozialen Verheerungen und dramatischen politischen Konsequenzen.
    Die Transformationsräte
    Demgegenüber steht das Konzept der Transformationsräte. Aktuell und dringend ist die Idee deshalb, weil solche Räte die Voraussetzung für Sachverstand und die demokratische Einbringung unterschiedlichster Aspekte in die regionale Entwicklung sind. Mobilität gehört als gesamtgesellschaftliche und staatliche Aufgabe zur öffentlichen Daseinsvorsorge. Für eine dicht besiedelte Region wie Stuttgart mit hunderttausenden Arbeitsplätzen in der Autoindustrie und einer entwickelten Verkehrsinfrastruktur gibt es andere Herausforderungen als für die dünn besiedelte und landwirtschaftlich geprägte Altmark. Daher müssen Transformationsräte regional aufgebaut und aktiv werden, welche die jeweiligen Mobilitätsbedürfnisse und die ökologischen Grenzen ebenso berücksichtigen wie die sozialen Ansprüche der Menschen. (…)
    Ein neues Bündnis
    Die Verkehrswende und die Konversion der Autoindustrie sind gesamtgesellschaftliche Projekte und müssen als solche gesamtgesellschaftlich bearbeitet werden. Gewerkschaften, Sozialverbände, Umweltorganisationen und die evangelische Kirche sind im April 2021 dazu ein »Bündnis für eine sozialverträgliche Mobilitätswende« eingegangen, das allerdings weitgehend unbekannt blieb. Beim sog. Mobilitätsgipfel vor einem Jahr (10.1.2023) beriet Olaf Scholz mit der Automobilindustrie über E-Autos und Ladesäulen. Vertreter von Fahrrad, Bahn, ÖPNV, Umwelt- und Verkehrsverbänden waren nicht eingeladen. Ein Jahr danach will ein neues Bündnis Vorfahrt für klimafreundlichen Verkehr, ein neues Straßenverkehrsrecht und Investitionen in Bus, Bahn und Radwege: Die IG Metall, die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), die Allianz pro Schiene und der ADFC haben sich zum Bündnis unter dem Motto »Verkehrswende braucht Zeitenwende« zusammengetan, um für eine Priorisierung umweltfreundlicher Verkehrsträger zu werben…“ Artikel von Stephan Krull in der Soz Nr. 02/2024 externer Link
  • Verkehrswende: Mit Plan oder im Chaos?
    „Stephan Krull wünscht sich eine Halbierung der Menge an Autos in Deutschland. Denn eine Verkehrswende müsse viel grundlegender ansetzen als beim Austausch von Verbrennungsmotoren durch elektrische Antriebe, sagt der Ex-VW-Betriebsrat. (…) Krull war 16 Jahre lang Betriebsrat bei VW und im Vorstand der IG-Metall-Geschäftsstelle Wolfsburg. Er ist also bestens vertraut mit den Mechanismen der Interessenvertretung für Beschäftigte, hat daran mitgewirkt, bei VW 6-Stunden-Schichten einzuführen und sagt über die Bedürfnisse der Arbeiterschaft, dass es im wesentlichen darum gehe, sich selbst und seinen Kindern ein gutes Leben zu ermöglichen. Was laut Krull auch eine gewisse Offenheit für Umweltschutz bedeute, teils Einsicht in die Notwendigkeit einer ökologischen Transformation – aber eben auch und vielleicht sogar vor allem: Sichere Beschäftigung, die materiell keine Einbußen zum Ist-Zustand bedeute. Das Konfliktfeld, das Krull an diesem Abend beleuchtet: Eine gewaltige Industrie mit ungewisser Zukunft, von der etliche Existenzen abhängen. Allein die „Big Three“, also VW, Daimler und BMW kamen 2022 auf einen Jahresumsatz von 570 Milliarden Euro, in der Bundesrepublik hängen 460.000 Arbeitsplätze direkt von den Autoproduzenten ab, hinzu kommen weitere 310.000 bei den Zulieferbetrieben. Diese Größenordnungen hindern den Gewerkschafter aber nicht daran zu betonen, dass eine Verkehrswende nicht nur eine Antriebswende seien dürfe: „Das Auto ist ein Anachronismus, zumindest so, wie wir es heute kennen.“ (…) Daher würde sich Krull freuen, wenn sich mehr Machthaber:innen für eine zügige Halbierung der Automenge aussprechen würden. Sein Eindruck aber ist: Die Politik meint es nicht ernst mit der Verkehrswende. Die Unternehmen wollen eine Verkehrswende nur dort, wo sie ihre Profite nicht bedroht. Und die Rolle der Gewerkschaften ist ambivalent. (…) Ihm zufolge gebe es nur zwei Optionen: Entweder einen strukturierten nachhaltigen Umbau der Industrie hin zu einer weniger individuellen Mobilität und mehr öffentlichem Verkehr – oder eine Transformation vorangetrieben durch Chaos und Desaster, wenn der Klimawandel noch stärker eskaliert, geopolitische Spannungen weiter zunehmen und das China-Geschäft deutscher Hersteller vielleicht nicht mehr ganz so golden läuft wie in den vergangenen Jahren. (…) Trotz düsterer Rahmenbedingungen bleibt Krull einigermaßen zuversichtlich. „Für den Atomausstieg hat es erst Fukushima gebraucht“, vielleicht brauche es für die Verkehrswende erst noch eine vergleichbare Katastrophe. Aber er verweist darauf, dass der Kohleausstieg vorangetrieben werde, obwohl auch von dieser Branche etliche Arbeitsplätze abhingen. Und er betont, dass mit einer Wende von der Pkw-Produktion hin zu mehr Bussen und Bahnen auch im ländlichen Raum so viele neue Jobs entstehen könnten, dass sie den Verlust an anderer Stelle vielleicht sogar überkompensieren. Im Sammelband „Spurwechsel. Konzepte für eine neue Mobilität“, an dem Krull mitgewirkt hat, hätten sie das durchgerechnet…“ Beitrag von Minh Schredle vom 5. Juli 2023 in Kontext:Wochenzeitschrift Ausg. 640 externer Link
  • Massenentlassungen bei Ford, Continental und Alstom: Es fehlt nicht das Geld für den ökologischen Umbau, es fehlt der Wille. Wie Klimabewegung und Automobilarbeiter zusammenkommen können 
    „Es ist heute allgemeiner gesellschaftlicher Konsens, dass der öffentliche Personenverkehr dringend ausgebaut werden muss. Auch die Ampelkoalition hat dies so formuliert. Umso irritierender ist, was real abläuft. Statt die Produktionskapazitäten des Schienenfahrzeugbaus auszuweiten, werden sie im Gegenteil gerade abgewrackt. Der Schienenfahrzeugbauer Alstom will wichtige Fertigungseinheiten im Schienenfahrzeugbau kaputt machen. Im vergangenen Dezember verkündete er, dass in den nächsten drei Jahren 1300 Stellen im Eisenbahnbau vernichtet werden sollen: im brandenburgischen Hennigsdorf bis zu 450, in Berlin 100, in Görlitz 400 und in Bautzen 150. Alles Jobs in Ostdeutschland. Ihre Vernichtung ist nicht nur ökologisch grundfalsch, sie verringert auch das Angebot an hochwertigen Arbeitsplätze, vor allem in der Lausitz. (…) Parallel dazu rollt eine Arbeitsplatzvernichtungswelle quer durch die Autoindustrie. Continental will zwei große Werke in unmittelbarer Nähe zu Frankfurt mit insgesamt mehr als 2500 Beschäftigten dicht machen. Opel-Rüsselsheim, das vom französischen PSA/Stellantis-Konzern übernommen wurde, wurde bereits mehrfach zergliedert und teilverkauft, Beschäftigte entlassen oder unfreiwillig abgefunden. Dramatisch sieht es bei Ford aus. Bereits 2019 und 2021 wurden in zwei Wellen mehrere tausend Arbeitsplätze vernichtet. Die Betriebsräte haben dem Stellenabbau immer wieder zugestimmt, sie hofften vergeblich, die verbleibenden Jobs damit dauerhaft sichern zu können. Nun haben die Ford-Chefs aber erklärt, dass im Frühsommer 2022 eines der vier verbliebenen europäischen Werke geschlossen werden soll. Es wird das Werk in Saarlouis mit 5000 Beschäftigten treffen, denn die ebenfalls in Frage kommende Fabrik in Valencia hat niedrigere Produktionskosten. Für die Beschäftigten im Kölner Ford-Werk ist das kein Grund zum Aufatmen. Denn nach der kapitalistischen Marktlogik ist Ford Europe, ähnlich wie Opel, eine zu kleine Einheit. (…) Der britische Gewerkschafter und Ingenieur Mike Cooley, der in den 70er Jahren für das Rüstungsunternehmen Lucas Aerospace einen Konversionsplan entwickelte, formulierte dafür einen wichtigen Grund: «Die Kampfmoral eines Beschäftigten (nimmt) sehr schnell ab, wenn er bemerkt, dass die Gesellschaft die Produkte, die er herstellt, nicht haben will.» Das könnte sich aber schnell ändern, wenn Klimaschützer:innen vor den Fabriktoren von Alstom oder Ford auftauchen und sich mit den Lohnabhängigen solidarisieren. Das politische Kräfteverhältnis würde sich dann für beide Seiten rapide verbessern.“ Artikel von Klaus Meier aus der Soz Nr. 03/2022 externer Link
  • Höchste Eisenbahn für einen ‹Spurwechsel›: Mario Candeias und Stephan Krull legen eine Studie über das Arbeitskräftepotenzial einer Mobilitätswende ‹weg vom Auto› vor
    Wer bisher mit der von der Autoindustrie propagierten Losung, das Elektroauto sei die klimafreundliche Alternative zu Diesel- und Benzinstinkern, unzufrieden ist, tut sich schwer. Dass eine Verkehrswende weg von der Straße hin zu Bussen, Straßenbahnen, Zügen und Fahrrad sinnvoll ist, leuchtet inzwischen immer mehr Menschen ein. Aber von der Produktionsseite her betrachtet scheint vielen die Produktion von Elektroautos «alternativlos». (…) Vor diesem Hintergrund ist das soeben bei VSAg erschienene, von Stephan Krull und Mario Candeias herausgegebene Buch Spurwechsel* eine Offenbarung. (…) Der aus meiner Sicht wichtigste Artikel in diesem Buch ist der Schlussartikel. Mario Candeias gelingt es auf knapp zwanzig Seiten Antworten auf die entscheidende Frage zu liefern: die Arbeitsplatzfrage. Überall ist es Thema, dass die von der Autoindustrie betriebene Antriebswende weg vom Verbrenner zum Elektroauto hunderttausende Arbeitsplätze kosten wird. Candeias’ Kernaussage lautet dagegen: Eine echte Mobilitätswende benötigt außerordentlich viel Arbeitskraft. Wenn aus der geschätzten Steigerung der Fahrgastzahlen bei Bahn und ÖPNV um den Faktor 2,5 etwas werden soll, würde das bei der Bahn- und Schienenfahrzeugindustrie 145000–235000 zusätzliche Arbeitsplätze, bei der E-Bus-Industrie 55000–60000 zusätzliche Arbeitsplätze und in der Fahrradindustrie 15000–18000 zusätzliche Arbeitsplätze bringen. Dazu kämen noch die Arbeitsplätze, die geschaffen würden, wenn die Bahn von einer Börsenbahn in eine Bürger:innenbahn umgewandelt würde und der ÖPNV endlich den Service böte, der möglich und auch erforderlich ist, um deutlich größere Teile der Bevölkerung zu bewegen, das Auto abzuschaffen und sich stattdessen mit Bahnen, Bussen, Fahrrad und den eigenen zwei Beinen fortzubewegen. Candeias geht von zusätzlichen 220000 Arbeitsplätzen aus. Durch eine Verkehrswende, die den Namen verdient, würden vermutlich mehr Arbeitsplätze entstehen als beim Rückbau der Autoindustrie entfallen würden. (…) Im Einleitungskapitel beschreiben Candeias und Krull die Lage in den Betrieben so: «Ideenlosigkeit und die Einübung ins Co-Management prägen das Denken der Beschäftigten, ihrer Vertreter und der Gewerkschaften – zumindest in den Führungsspitzen und von Ausnahmen einmal abgesehen.» Aktuell sind wir – ohne Verankerung in den Betrieben – nicht wirkmächtig. Die Autoren sprechen von der Notwendigkeit des «Bohrens dicker Bretter». Ihre Vorhaben für die nahe Zukunft beschreiben sie wie folgt: «Wir wollten durch die Studien (wieder) stärker mit Beschäftigten aus den Betrieben und Gewerkschafter:innen ins Gespräch kommen, über die Lage und die Debatten in den Betrieben und den Gewerkschaften, über bestehende Konversionsvorstellungen etc. sprechen…“ Rezension von Paul Michel aus der Soz 03/2022 externer Link zu „Spurwechsel. Studien zu Mobilitätsindustrien, Beschäftigungspotenzialen und alternativer Produktion“ (Hrsg. Mario Candeias, Stephan Krull), VSA 2022. 408 S., 19,80 Euro
  • Umfrage der Initiative #ohnechef: Autokrise – Perspektiven aus Arbeitnehmersicht 
    Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir interessieren uns für Ihre Meinung über die anstehenden Veränderungen in der Industrie, vor allem im Automobilsektor und den Zulieferern. Wir hören ständig, dass Stellen abgebaut und Betriebe geschlossen werden, und ausserdem hören wir viel von E-Autos und Verkehrswende. Nicht mehr ganz soviel hört man von dem Deselskandal. Natürlich sollen die damals Verantwortlichen jetzt auch mehr oder weniger den Umbau der Industrie organisieren.
    Wir hätten lieber gehört, was die Belegschaften dazu zu sagen haben. Ausserhalb der Betriebe hört man von deren Perspektive fast gar nichts. Die gesellschaftliche Debatte findet anscheinend ohne diese statt. Nach wie vor sollen also diejenigen die Richtung angeben, die dafür verantwortlich sind, dass es soweit gekommen ist. Man weiss heute nichts, was man vor 40 Jahren nicht wusste. Es wissen anscheinend über die Belange der Arbeitnehmer und der Verbraucher alle so gut Bescheid, dass man sie nicht fragen muss. Uns interessieren folgende Fragen vor allem:

    1. Was denkt die Arbeitnehmerschaft über die Strategien des Management und der politischen Führung? Wie werden sie diskutiert? Gibt es Stimmen, die eine eigene Rolle der Arbeitnehmer in diesem Prozess fordern, und wie soll diese aussehen?
    1. Was tun real die Gewerkschaften, und wie wird deren Rolle beurteilt? Von Gewerkschaftsseite hört man manchmal Vorstellungen für eine sozialökologische Zukunft der Industrie. Als wie sinnvoll, und als wie umsetzbar werden diese beurteilt?
    1. Wie beurteilt man die eigene berufliche Perspektive? Überwiegt die Furcht vor dem Arbeitsplatzverlust? Oder gibt es den Faktor, irgendwann nichts mehr zu verlieren zu haben?
    1. Wie gross ist die Bereitschaft zur Gegenwehr, z.B. bei Betriebsschliessungen und Massenentlassungen? Welche Perspektiven rechnet man sich für solche Gegenwehr aus? Wird die Politik des Managements als alternativlos wahrgenommen, oder gibt es den Willen, die Dinge in eine andere Richtung zu lenken?
    1. Wie beurteilt man rein fachlich die Möglichkeit, die Produktion des Industriezweigs umzustellen? Welche Perspktive sieht man für eine ökologisch vertretbare Produktion? Wie beurteilt man die Möglichkeit, Produktion am gesellschaftlichen Nutzen anstatt am Profit auszurichten? Wie könnte so etwas aussehen, was für Voraussetzungen sind dazu erforderlich, wer soll entscheiden? Was ist die Rolle der Arbeitnehmer dabei?
    1. Es gibt in diesem Prozess inzuwischen viele Stimmen, die sich zu Wort melden, neben Politik und Konzerspitzen z.B. die neue Klima- und Umweltbewegung. Diese steht der Arbeitnehmerschaft oft immer noch recht fremd gegenüber. Wie steht die Arbeitnehmerschaft diesen gegenüber?…“ Umfrage vom 13.02.22 externer Link auf der Homepage der Initiative „#ohnechef – Wenn die Belegschaft den Betrieb übernimmt“ – sie freut sich über Antworten und Rückmeldungen an ohnechef@systemli.org  (Siehe auch: Broschüre: „#Ohnechef – Wenn die Belegschaft den Betrieb übernimmt“)
  • [Buch] Spurwechsel. Studien zu Mobilitätsindustrien, Beschäftigungspotenzialen und alternativer Produktion 
    Die Transformation ist in vollem Gange. Die Stichworte für den Umbau der Automobilindustrie in Deutschland sind a) Transnationalisierung, verschärfte Konkurrenz und Verlagerungen, b) der nächste konkurrenz- und renditegetriebene Rationalisierungsschub (unter anderem Industrie 4.0), c) die Digitalisierung der Mobilität und d) die notwendige und begonnene ökologische Modernisierung, die den Antriebswechsel auf E-Mobilität einschließt. Jeder dieser Aspekte ist verbunden mit Druck auf tarifliche Standards, Löhne und Arbeitsbedingungen, mit wachsenden Anforderungen und Arbeitsverdichtung, Unsicherheit und Beschäftigungsabbau in Größenordnungen von mehreren Hunderttausend.
    Wenig wahrscheinlich ist, dass in diesem kapitalseitig betriebenen Umbau die Interessen der Beschäftigten verteidigt oder Umwelt und Klima ausreichend geschützt werden. Es braucht eigenständige und weitergehende Konzepte und Praxen für eine wirkliche und gerechte Mobilitätswende und einen sozial-ökologischen Umbau der Mobilitätsindustrien. Das geht nur gemeinsam, Beschäftigte und Gewerkschaften aus unterschiedlichen Bereichen, zusammen mit Umwelt- und Klimabewegung, der gesellschaftlichen und politischen Linken sowie kritischer Wissenschaft. Das ist nichts Neues. Aber es wird Zeit.“ Buchankündung mit allen Infos bei der RLS externer Link begleitend zum Buch externer Link im Gratis-Download gibt es eine Kurzzusammenfassung der wichtigsten Argumente externer Link und den Erklärfilm «Arbeitsplätze oder Verkehrswende?» externer Link . Eine gedruckte Ausgabe der Publikation kann beim VSA:Verlag externer Link bestellt werden.
  • Klimakrise trifft Metallkrise. Für eine echte und demokratische klimapolitische Wende in der IG Metall 
    In fast allen klimarelevanten Branchen arbeiten Metaller*innen. Sie stellen die Autos her und die meisten Teile dafür. Sie bauen die Busse und LKW, die Schienenfahrzeuge und Flugzeuge, ja auch die Zweiräder. Aber nicht nur in der Verkehrsbranche, auch bei der Energiegewinnung sind sie beim Bau der Anlagen beteiligt, egal ob für Wind- oder Wasserkraft, ob Heiz- oder Atomkraftwerke.
    In diesen beiden Branchen, die für die Klimawende so entscheidend sind, organisiert die IG Metall Beschäftigte in allen Berufsgruppen, zum Beispiel Entwickler*innen, Fach- und Produktionsarbeiter*innen in der Gewerkschaft. Tausende von ihnen sind in Betriebsräten und als Vertrauensleute aktiv.
    Stell dir nun für einen Moment vor, die IG Metall würde die Möglichkeiten ihrer eigenen Strukturen und des Betriebsverfassungsgesetzes intensiv nutzen und auf dieser Basis betriebliche und lokale Workshops, Weiterbildungen, den Austausch innerhalb der Branchen und auch branchenübergreifend organisieren. Die zentralen Fragen würden hier mit allen Mitgliedern diskutiert. Wir würden mit Blick auf die Verkehrswende überlegen, welche Verkehrssysteme für welche Bedarfe sinnvoll sind und wie sie auf sozialverträgliche und ressourcenschonende Weise hergestellt werden können. Im Bereich der Energiegewinnung würden wir neben dem eigenen Austausch in lebhaftem Kontakt zu den anderen Gewerkschaften, die die Beschäftigten in den Branchen organisieren, die die Verkehrsmittel und Anlagen betreiben, stehen. Wir würden also gemeinsam mit Ver.di oder auch der IG BCE überlegen, wie eine Transformation gestaltet werden könnte. Und auch mit den Aktivist*innen der Klimabewegung gäbe es einen lebhaften Austausch. Wir würden sie zu den Workshops und Konferenzen einladen, sie dürften auf Betriebsversammlungen reden, so wie auch Vertreter*innen der IG Metall auf den Protesten und Aktionen der Klimabewegung sprechen könnten. Nicht nur die Funktionär*innen, auch viele Mitglieder beteiligten sich an den Aktionen. Die Betriebsräte und Geschäftsstellen der IG Metall würden sich nicht nur solidarisch mit den Aktionen erklären, sondern ihrerseits auch Aufrufe in den Betrieben verteilen und kräftig mobilisieren. Natürlich gibt es all diese Beschäftigten und auch die Strukturen der IG Metall existieren. Aber sie werden mitnichten so eingesetzt, wie es möglich wäre. Das wäre allerdings unbedingt nötig, um das Klima und die Arbeitsplätze zu retten, die gerade hunderttausendfach über die Wupper gehen, und über den Neckar, den Main, die Spree und die Isar. (…)
    Zur traurigen Wirklichkeit gehört, dass die IG Metall in keinem der genannten Fälle eine Werksschließung verhindern konnte. Maximal konnte der Abbau verlangsamt und die Abfindungen erhöht werden. Selbst dort, wo Belegschaften den härtesten Widerstand gegen eine Schließung leisteten, ging der Kampf verloren. Die Konsequenz dessen sind einerseits der Verlust von Arbeitsplätzen, andererseits aber auch, dass die Kampfkraft der Organisation, die über Jahrzehnte aufgebaut worden ist, einen schweren Schlag erlitten hat. Viele Kolleg*innen fragen sich also zurecht: Wenn die IG Metall solche Belegschaften nicht verteidigen kann – warum sollte ich dann Mitglied werden und meinen Bereich organisieren? Und für Gewerkschafter*innen stellt sich die Frage: Wurde tatsächlich alle Kraft eingesetzt? Dafür muss man in die Details jedes einzelnen Konflikts gehen. Die Niederlage auf individuelles Verhalten zurückzuführen, wäre dabei zu kurz gegriffen. Denn allein bei den vielen Angriffen in der Zulieferindustrie fällt auf, dass es in keinem Konzern eine betriebsübergreifende Strategie der IG Metall oder der jeweiligen Gesamt- bzw. Konzernbetriebsräte für ein gemeinsames Widerstandskonzept gibt. Es gibt noch nicht einmal Webseiten, die versuchen, die Angriffe systematisch zu dokumentieren und die so deutlich machen könnten, dass es sich bei den Angriffen nicht um Einzelfälle handelt. Deshalb fragen sich immer mehr aktive Gewerkschafter*innen: Warum wurde der Standort alleine gelassen? Warum gab es seitens der (Gesamt)-Betriebsräte nicht den Versuch, alle Werke gegen die übliche Salamitaktik des Kapitals zu vereinen?
    Sowohl in ihrem Kerngeschäft der Verteidigung der Arbeitsplätze wie auch in ihrem Umgang mit den Herausforderungen der Klimakrise offenbart sich ein Problem, das für die IG Metall existenzielle Fragen aufwirft: Mitgliederverluste, Verluste von „Kampfbelegschaften“ und keine Hoffnung, dass all das irgendwie kompensiert werden kann. Um zu verstehen, woher die Krise der IG Metall kommt, lohnt ein Blick auf die ökologische Wende der IG Metall, so wie sie tatsächlich stattgefunden hat…“ Artikel von Matthias Fritz in der Zeitschrift Luxemburg vom November 2021 externer Link
  • Konversion der Automobilproduktion für eine klimagerechte Mobilität
    „… Auf dem Automobilsektor lastet knapp ein Drittel der C02 – Produktion und ist mitverantwortlich für die Erderwärmung, den menschengemachten Klimawandel. Eine zukunftsgerichtete, sozial-gerechte Mobilitäts- und Verkehrswende bedeutet eine Abkehr von der Herstellung von PKW mit Verbrennungsmotoren. Diese hängt ganz wesentlich davon ab, ob es gelingt, eine Konversion der Arbeit, eine Produktionsumstellung in der Autoindustrie zu planen und umzusetzen. (…) Aber das Umsatteln der Produktion, weg vom Verbrenner und hin zur vermeintlich nachhaltigen E-Mobilität, ist ein grüner Anstrich für den ausbeuterischen Umgang mit Umwelt und natürlichen Ressourcen. Die Verschärfung der zulässigen CO2 Grenzwerte, ein schrittweises Verbot von Verbrennern erzwingen zwar eine Umstellung auf alternative Antriebstechniken, etwa im Feld der heute realisierbaren E-Mobilität. Sie dämmen den Individualverkehr aber nicht ein. Der Ausbau einer verbesserten Infrastruktur für öffentliche Verkehrsmittel bleibt dennoch eine dringende Forderung, wie sie aktuell von IG Metall und BUND an die Ampel-Verhandlungskoalitionäre gerichtet ist. (…) Die Debatte über eine Konversion der Automobil- und Zulieferindustrie könne nicht allein von Politik und Automobil-Konzernen geführt werden, sondern müsse mit den unmittelbaren Produzenten, den Beschäftigten und ihren innerbetrieblichen Gewerkschaftsgruppen geführt werden. So kommt denn auch eine Studie der Rosa Luxemburg Stiftung, basierend auf durchgeführten Interviews mit Beschäftigten in der Automobil- und Zulieferindustrie zum sozial-ökologischen Umbau der Autoindustrie zu dem Schluss: „Ohne eine Unterstützung aus der Industriearbeiterschaft ist jedes Projekt einer sozial-ökologischen Transformation zum Scheitern verurteilt.“ Es sei nötig, den gesellschaftlichen Konsens, wirksame Schritte gegen den Klimawandel auch im Verkehrssektor zu gehen und mit einem politischen Masterplan und einer breit anschlussfähigen Vision für ein sozial gerechtes, ökologisches Verkehrsmodell der Zukunft zu verbinden. (…) Die Studie erfüllt aus Sicht des Verfassers allerdings nicht den Anspruch, ein beachteter und umfassender Inputgeber für die vorliegende Transformationsstrategie der IG Metall zu sein. Sie erfüllt ungeachtet dessen eine enorm wichtige Aufgabe, indem sie vielfältige Hinweise liefert, dass die Bedenken und Ängste der Beschäftigten einerseits überwunden und ihre Bereitschaft des Mitdenkens bei der Erörterung, wie eine zukünftige Ausrichtung der Automobilproduktion mit sozial-ökologischem Strukturwandel zusammengeführt werden können…“ Beitrag von Willy Sabautzki vom 23. Oktober 2021 bei isw externer Link
  • Autoindustrie: Die Krise treibt auf ihren Tiefpunkt zu.
    „Wann ist der Tiefpunkt der Krise erreicht, wer bleibt übrig in der mörderischen Konkurrenz und wie geht es danach weiter? (…) Man könnte sagen „super, genau das, was wir wollen – weniger Autos“. Aber ohne Mobilitätsalternativen, ohne verdichteten öffentlichen Verkehr und ohne soziale Perspektive für die Beschäftigten wird kein Problem wirklich gelöst, sondern es werden neue, gravierende Probleme geschaffen. (…) Eine Wolfsburger Zeitung schreibt: „Seit Monaten schon gibt es kaum eine Woche, in der mehr als die Frühschicht an den Linien zum Einsatz kommen kann. Eine verlässliche Produktionsplanung? Daran ist nicht zu denken. Besonders bei der betroffenen Belegschaft wächst die Sorge darum, wie es weitergeht“. Der Vorsitzende der gewerkschaftlichen Vertrauensleute im Werk, Florian Hirsch, sagt: „Die Frage, wie lang VW das noch auf diese Weise durchhalten kann, wird immer präsenter. Bei mehr und mehr Kolleginnen und Kollegen wächst das Bewusstsein, dass Kurzarbeit nun einmal kein Dauerzustand werden kann.“ Sich zum aktuell relevantesten aller Themen mehr zu erklären – das könne gerne auch zur Chefsache werden. Stattdessen poste der Vorstandsvorsitzende Videos und Fotos von Testfahrten oder vom Bergsteigen. „Das stößt einigen schon sauer auf und wird in der Belegschaft durchaus kontrovers diskutiert. Da wird auf heile Welt gemacht, und die Kolleginnen und Kollegen sitzen in Kurzarbeit zu Hause und machen sich Sorgen“, beschreibt der VK-Leiter die Gemütslage (WAZ, 1.10.2021). (…) Von der Microebene zur etwas größeren Ebene bedeutet das, zum Beispiel für die Region um Stuttgart oder Süd-Ost-Niedersachsen, die technischen und personellen Potenziale zu analysieren, in ein Verhältnis zu den Anforderungen der Verkehrswende zu setzen und dann den sozial-ökologischen Umbau der Produktion, der Region und schließlich des Verkehrs zu planen. Es könnten und sollten, wenn das Ziel klar ist, runde Tische eingerichtet werden mit allen, die mittelbar oder unmittelbar betroffen sind: Gewerkschaften, Unternehmen auch der Zulieferindustrie, kommunale Vertretungen, Wissenschaft, Umwelt-, Verkehrs- und Verbraucherinitiativen, Kinder-, Jugendlichen und Seniorenvertretungen. Und so kann dann der Umstieg konkret geplant und umgesetzt werden – das wäre der Weg aus der sozialen und ökologischen Krise. Der Chef von Continental/Schaeffler, Nikolai Setzer, eines der größten Zulieferunternehmen, konstatiert einen Lerneffekt aus dem Chipmangel und aus den Protesten gegen angekündigten Personalabbau und Werksschließungen (dpa, 6.10.2021): „Wir müssen auf allen Ebenen anders zusammenarbeiten, wir müssen rechtzeitig wissen: Welche Technologien werden wie und wann benötigt? Wir müssen besser planen.“ Eigentlich könnte alles friedlich sein, wenn es nicht nur um Profit gehen würde, sondern um die Bedürfnisse der Menschen und eine gute Zukunft für alle.“ Beitrag von Stephan Krull vom 19. Oktober 2021 bei  isw externer Link
  • [Studie] Weniger Autos, mehr globale Gerechtigkeit – Warum wir die Mobilitäts- und Rohstoffwende zusammendenken müssen 
    „Global wie lokal betrachtet leiden vor allem jene Menschen unter den Folgen der Klimakatastrophe, die am wenigsten dazu beitragen. Die Mehrheit der Menschen, die stark von den Folgen der Erderhitzung betroffen sind, leben auf dem afrikanischen Kontinent, im südost- und südasiatischen Raum, im Pazifik und in Lateinamerika. Dort sind Klima- und Umweltkrisen keine in der Zukunft liegende Bedrohung, sondern vielfach bereits bittere Realität. Die Konsequenzen der Erderhitzung sind weitreichend. Während der Temperaturanstieg in einigen Regionen so drastisch sein wird, dass sie bereits in wenigen Jahrzehnten für Menschen als nicht mehr bewohnbar gelten, werden andere Orte aufgrund des steigenden Meeresspiegels gänzlich untergehen. Trotzdem werden Jahr für Jahr immer mehr Treibhausgase ausgestoßen. Für groß angelegte Bergbau-, Industrie- und Infrastrukturprojekte werden Ökosysteme und damit auch Lebensgrundlagen beschädigt oder zerstört. Maßgeblich zur Erderhitzung trägt der Verkehrssektor bei, der global und in Deutschland jeweils rund ein Fünftel der CO2-Emissionen verursacht. In Deutschland ist der überwiegende Anteil dieser Treibhausgasemissionen auf Autos mit Verbrennungsmotoren zurückzuführen. Hinzu kommen ein hoher Flächenverbrauch sowie die Feinstaub- und Lärmbelastung im Verkehrssektor. Vor allem aber basiert die gegenwärtige Automobilität nicht nur auf der Verbrennung von Erdöl, sondern auch auf dem Abbau und der Weiterverarbeitung zahlreicher Rohstoffe. In jedem Pkw stecken zum Beispiel mehrere Hundert Kilogramm Aluminium und Stahl. (…) Zugleich geht der Abbau der Erze – die nach Deutschland vor allem aus Brasilien und Guinea importiert werden – häufig mit gravierenden Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung einher. Die Produktion ist häufig dort am günstigsten, wo die menschenrechtlichen, sozialen und ökologischen Standards am niedrigsten sind. Die Relevanz von verantwortungsvollem Rohstoffbezug durch Autokonzerne hat erst in Verbindung mit der Antriebswende mehr Aufmerksamkeit erfahren. Die mit der Elektromobilität massiv steigende Nachfrage nach Metallen wie Lithium, Kobalt, Graphit und Nickel hat die menschenrechtlichen, sozialen und ökologischen Probleme beim Abbau dieser Rohstoffe in den Fokus gerückt. Inzwischen bezeichnet auch die Bundesregierung die Automobilindustrie als „menschenrechtlich relevante Risikobranche“. In der verkehrspolitischen Debatte bleiben die sozialen, ökologischen und menschenrechtlichen Kosten des Rohstoffabbaus für die Automobilität nach wie vor außen vor. Mit dieser Studie möchten wir einen Beitrag dazu leisten, jene ausgelagerten und unsichtbar gemachten Kosten aufzuzeigen…“ Einleitung von Merle Groneweg vom 2. September 2021 bei PowerShift externer Link zur 48-seitigen verlinkten Studie „Weniger Autos, mehr globale Gerechtigkeit“. Siehe dazu:

    • Auto-Herstellung: „Menschenrechtlich relevante Risikobranche“ – Organisationen fordern: Klimaschutz und Ressourcenverbrauch sollen zusammengedacht werden
      „Immer größer, immer schwerer, immer leistungsstärker – das ist der Trend bei deutschen Autos. Und die Deutschen lieben ihre „Sport Utility Vehicles“ (SUV): Im Jahre 2017 wurden erstmals mehr SUV und Geländewagen neu zugelassen als Kleinwagen. 2020 machten beide Fahrzeugtypen schon ein Drittel aller neu zugelassenen Fahrzeuge in der Bundesrepublik aus. Hält der Volkswagen-Konzern sein Ziel ein, dann liegt 2025 der SUV-Anteil an allen verkauften Fahrzeugen bei mehr als 50 Prozent. Diese Entwicklung ist ein Problem für den Klimaschutz: Größere Fahrzeuge fressen mehr Sprit und stoßen mehr Kohlendioxid aus. Sie fressen aber auch mehr Ressourcen, die in anderen Ländern oftmals unter zweifelhaften Bedingungen abgebaut werden. Umweltschutz und Menschenrechte spielen oft nur eine untergeordnete Rolle. (…) Allein der Bedarf an Metallen ist beachtlich: In jedem Pkw stecken mehrere Hundert Kilogramm Aluminium und Stahl. Beide Metalle machen den mit Abstand größten Anteil an den sogenannten Konstruktionswerkstoffen aus. Ihre Herstellung ist allerdings äußerst energieintensiv. (…) Zugleich ist der Abbau der Erze verbunden mit Verletzungen der Menschenrechte und mit Umweltverschmutzungen. Die Produktion erfolgt oft dort, wo die menschenrechtlichen, sozialen und ökologischen Standards am niedrigsten sind. (…) In der verkehrspolitischen Debatte bleiben die sozialen, ökologischen und menschenrechtlichen Kosten des Abbaus von Rohstoffen für die Autoindustrie nach wie vor außen vor, heißt es bei den drei Organisationen [von „Weniger Autos, mehr globale Gerechtigkeit“]…“ Beitrag von Bernd Müller vom 8. September 2021 bei Telepolis externer Link
  • Über das Ende des automobilen Kapitalismus. Ein linkes Bündnis macht einen Diskussionsvorschlag, der über die Klimabewegung hinaus von Interesse sein könnte 
    Am Montag haben in Berlin unter dem Motto „August Riseup“ externer Link in Berlin Aktionen der außerparlamentarischen Klimabewegung begonnen. Auch ein Camp im Berliner Regierungsviertel externer Link wurde aufgebaut. Mit Aktionen des zivilen Ungehorsams soll der Druck „für ein konsequentes Handeln in der Klimapolitik“ verstärkt und die „Aufmerksamkeit auf die Klimakrise und das Versagen der Regierung gelenkt werden“, wie es etwas vage auf der Homepage der Klima-Aktivisten externer Link heißt. Antikapitalistischere Töne waren schon am vergangenen Freitag zu hören, als die Klimabewegung Fridays for Future externer Link in verschiedenen Städten zu Protesten aufgerufen hatte. Auf der Demonstration in Frankfurt Main wurde schon am Leittransparent deutlich, dass es gegen Kohle und Kapitalismus geht, wie auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung titelte. Beteiligt war an diesen Protesten auch das bundesweite linke Bündnis „Ums Ganze“ externer Link, das kürzlich eine Broschüre mit dem Titel „Nichts ist Unmöglich – über den automobilen Kapitalismus und sein Ende“ veröffentlicht hat, die auf seiner Homepage heruntergeladen werden kann externer Link . [siehe weiter unten im Dossier]. Darin werden historische Parallelen zu Henry Ford gezogen, der einem ganzen kapitalistischen Akkumulationsregime seinen Namen gegeben hat: dem Fordismus. Kennzeichnend für diese kapitalistische Periode war die Massenfertigung in großen Fabriken mit oft in einer Gewerkschaft organisierten Lohnabhängigen. In Deutschland kam es zu einem in der Broschüre kritisierten Klassenkompromiss zwischen Kapital und Arbeit. Etwas schematisch ist die Kritik, dass diese „Sozialpartnerschaft“ vor allem „zu Lasten von Mensch und Natur im globalen Süden“ gegangen sei. Schließlich fand die Mehrwertproduktion in Deutschland statt. Der Gesundheitswissenschaftler Wolfgang Hien hat in seinen vor wenigen Jahren erschienen Büchern „Die Arbeit des Körpers“ und „Gegen die Zerstörung von Herz und Hirn“ die Zumutungen benannt, die im fordistischen Kapitalismus den Beschäftigten auferlegt wurden und von ihnen oft noch als notwendige Opfer rationalisiert wurden. Zudem darf nicht ausgeblendet werden, dass der globale Süden in Form der migrantischen Arbeitskraft in den fordistischen Fabriken besonders ausgebeutet wurde. Beim berühmten Ford-Streik der vornehmlich türkischen Beschäftigten 1973 in Köln begannen sich Teile dieser Lohnabhängigen zu wehren. (…) Mit dem vorgeschlagenen Kampf gegen die automobile Gesellschaft geht es natürlich auch um einflussreiche Konzerne, denen von den Staatsapparaten im Interesse des Standortes Deutschland der rote Teppich ausgerollt wurde. Dabei erteilen die Verfasser der Broschüre auch dem „grünen Kapitalismus“ eine Absage. Das zeigt sich schon in der Erläuterung, dass sich das Pamphlet „gegen den automobilen Kapitalismus und seinen grünen Wiedergänger“ richte. Betont wird, dass auch der grüne Kapitalismus nicht ohne Unmengen von Ressourcen auskommt. (…) Die konkreten Vorschläge für eine „kommunistische Mobilitätswende“ haben Reformcharakter. Dazu gehört auch der Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs und die Sozialisierung der Autoindustrie. Auch das heikle Thema, „wie hält es eine Klimabewegung mit den Beschäftigten der Autoindustrie und ihren Gewerkschaften?“ wird in der Broschüre thematisiert, aber letztlich offengelassen. „Was passiert mit den Stätten der Autoindustrie?“ lautet eine weitere Frage. Dort wird konstatiert, dass die eben nicht einfach zur Produktion anderer Gegenstände genutzt werden können. Anderseits wird die Möglichkeit einer Transformation der Produktionsstätten diskutiert. Darüber müssten natürlich in erster Linie die Beschäftigten entscheiden. Da es sich aber um ein immanent gesellschaftliches Problem geht, müssten Diskussion und Entscheidung auch auf gesellschaftlicher Ebene laufen. Es kann nicht auf der Ebene einer Fabrik oder einer Branche über die Fortführung oder den Stopp der Automobilindustrie entschieden werden. In diesem Kapitel werden auch Initiativen von Automobilbeschäftigten positiv erwähnt, die schon heute nach Alternativen für die Automobilgesellschaft suchen. Erst kürzlich hat die Rosa-Luxemburg-Stiftung unter dem Titel „E-Mobilität – ist das die Lösung?“ externer Link untersucht, wie die Beschäftigten der Autoindustrie darauf reagieren, dass die Produkte, die sie herstellen, mittlerweile gesellschaftlich umstritten sind. (…) Wichtig ist dabei, dass sie nicht als Schuldige der Klimakrise hingestellt werden. „Ohne eine breite gesellschaftliche Bewegung, die Druck in diese Richtung entfaltet, wird nichts passieren. Die IG Metall hätte das Potenzial, Protagonistin einer solchen Bewegung zu sein. Sie muss nur über ihren eigenen Schatten springen“, schreibt Jörn Boewe, einer der Autoren der Studie in der Wochenzeitung Freitag externer Link. Die Broschüre des Ums-Ganze-Bündnisses könnte ein Beitrag zu einer solchen Bewegung sein. Vom 7. bis zum 12. September sind in München bundesweite Proteste gegen die Internationale Automobilausstellung geplant. Das Ums-Ganze-Bündnis ist Teil davon externer Link. Auch dafür könnte ihr Text eine gute Diskussionsgrundlage sein.“ Artikel von Peter Nowak vom 17. August 2021 bei Telepolis externer Link – siehe dazu:

  • Der Pragmatismus der Malocher. Beschäftigte der Automobilindustrie sind trotz der Angst um ihre Jobs Klimafragen gegenüber durchaus aufgeschlossen 
    Ohne eine Unterstützung aus der Industriearbeiterschaft ist jedes Projekt einer sozial-ökologischen Transformation zum Scheitern verurteilt. In der Bundesrepublik Deutschland gilt dies in besonderem Maße mit Blick auf die Beschäftigten der Leitindustrie Automobilbau. Für die breite gesellschaftliche Unterstützung einer klimagerechten Verkehrswende ist auch die Haltung der Beschäftigten in anderen mit der Verkehrsinfrastruktur zusammenhängenden Branchen wichtig. Um herauszufinden, wie die Beschäftigten der Automobilindustrie zum Thema E-Mobilität stehen, wurden 38 Interviews geführt. Die Interviewpartner waren vor allem mittlere betriebliche Gewerkschaftsfunktionär*innen. Das Ergebnis: Unter den interviewten gewerkschaftlichen Aktiven gibt es im Hinblick auf Umwelt- und Klimaprobleme eine bemerkenswerte »kritisch-reflektierte Produzentenintelligenz«. Nahezu alle Interviewten haben nicht nur ein tiefes Verständnis von den Produktionstechnologien, Fabrikabläufen und Produkten, sondern zugleich auch eine hohe Sensibilität für die gesellschaftlichen und ökologischen Konsequenzen des »Automobilismus«. Facharbeiter*innen und Ingenieur*innen geben kenntnisreich und differenziert Auskunft über die technologischen Potenziale unterschiedlicher Antriebstechnologien und deren Anwendungsmöglichkeiten. Sie setzen sich mit den Folgen der auf die Massenproduktion meist großer und schneller Autos ausgerichteten Geschäftsmodelle ihrer Unternehmen auseinander. Für alle Interviewten ist es selbstverständlich, sich Gedanken darüber zu machen, wie die Ökobilanz ihrer Betriebe angesichts von Klimawandel, endlichen Ressourcen und einer immer problematischer werdenden Pkw-Dichte in Ballungsräumen verbessert werden kann. Dabei besteht ein hohes Interesse an Inhalten und Forderungen von Umweltbewegungen wie Fridays for Future (FfF), die in einigen wenigen Fällen sogar aktiv unterstützt werden. Dies bedeutet gleichwohl nicht, dass Ziele, Methoden und Artikulationsformen unbedingt geteilt werden…“ Artikel von Jörn Boewe, Stephan Krull und Johannes Schulten vom 10.08.2021 im ND online externer Link als Auszug aus der Studie »E-Mobilität – ist das die Lösung? Eine Befragung von Beschäftigten zum sozial-ökologischen Umbau der Autoindustrie« externer Link für die Rosa-Luxemburg-Stiftung
  • Zum Für und Wider des E-Autos. Der Brief eines Braunschweiger VW-Arbeiters 
    „… Immer wieder stellt sich in verschiedenen Debatten die Frage nach dem Für und Wider des E-Autos. (…) Das Auto war und ist für mich einfach nur ein Element des technischen Fortschritts wie viele andere Dinge auch. Es hat Vor- und Nachteile. Erst ca. ½ Jahr nach der Gründung von FFF habe ich angefangen, mich für die ökologischen Folgen näher zu interessieren. Platt gesagt; „Greta hat mir die Augen geöffnet“. Ich sehe hier die Bäume sterben, spüre wie mein Garten vertrocknet und sehe als „Bergsteiger“ jedes Jahr die Gletscher schmelzen. (…) Folgerichtig bin ich wie Millionen andere zu dem Schluss gekommen, dass wir nicht mehr weitermachen können wie bisher. Allerdings glaube ich auch nicht daran, dass es Sinn macht die Autos komplett zu verdrängen, da ich auf dem „Land“ lebe und der Meinung bin, es wäre zu aufwendig, alle Querverbindungen, die sich im Leben ergeben, mit Öffis zu bestücken. (…) Das E-Auto wäre für mich persönlich ein bequemer Weg. Ich könnte mich wieder in erster Linie mit der Revolution in Rojava beschäftigen und müsste nicht darüber diskutieren, ob Autos so ähnlich wie Waffen sind oder nicht. (…) Aber so einfach ist es ja leider nicht. Fakt ist, wir müssen weniger CO² erzeugen und zwar so schnell wie möglich. (…) Wenn wir feststellen, dass die Produktion eines E-Autos in der Golfklasse fast 9t CO² mehr erzeugt als ein Verbrenner, so sind das doch reale Werte an CO², die jetzt in die Luft geblasen werden. Jedes neu produzierte Auto, min. 9T CO² mehr als ein vergleichbarer Verbrenner. (…) Natürlich wird in den nächsten Jahren der Ausbau der „erneuerbaren“ Energien enorm zunehmen, aber bei weiten nicht in dem Maße, wie der Stromverbrauch und die CO²-Erzeugung durch die immer größer werdenden E-Autos steigt. (…) Betriebsräte haben insbesondere in Großbetrieben, durch Vertrauensleute, aber auch durch jahrzehntelange Verbindungen zu allen Ebenen der Beschäftigtenstrukturen, unglaublich starken Einfluss in der innerbetrieblichen Öffentlichkeit. Umso mehr wäre es durchaus auch ihre Aufgabe, der Belegschaft sachlich und zahlenbasiert zu erklären, dass der Trend zu immer mehr SUV`s ökologisch eine absolute Katastrophe ist. (…) Die Frage ist also scheinbar, ob ich mit meiner Idee von einer vergesellschafteten Busproduktion ein absoluter Spinner/Träumer/Revoluzzer bin, oder doch nur ein schnöder Sozialdemokrat österreichischer Prägung ?! (…)Wenn du also fragst, warum ich das E-Auto falsch finde, kann ich einfach antworten: „weil es falsch ist“! Wenn Du mich nach der Alternative fragst, wird es mit Sicherheit ein spannendes Bild, das da ausgemalt wird…“ Aus dem öffentlichen Brief eines Braunschweiger VW-Arbeiters vom 4. August 2021 bei Jour Fixe – Gewerkschaftslinke Hamburg externer Link
  • Nichts ist unmöglich. Über den Automobilen Kapitalismus und sein Ende
    Eine Broschüre gegen Deutschland, seine Automobilindustrie und ihre grünen Wiedergänger*innen. Für ein ganz anderes Ganzes. Eigentlich wissen alle Bescheid: Es geht ums Ganze! An dieser Stelle wissenschaftliche Fakten zu den Folgen der globalen Erderwärmung auszubreiten, würde daher vom Problem eher ablenken. Die Menschheit fährt sehenden Auges auf ihre selbst produzierte Katastrophe zu. Schon hält die Kulturindustrie zahllose Darstellungen bereit, die einen unbewohnbaren Planeten zeigen. Bei Wall-E können sich bereits Kinder mit einer vollkommen zugemüllten Erde vertraut machen, und beim dystopischen Hollywood-Drama Interstellar können wir voller Spannung die NASA bei der Suche nach einem bewohnbaren Planeten begleiten. Der Milliardär Elon Musk und andere Raumfahrt-Incels arbeiten tatsächlich bereits an derartigen Plänen. Jemand hat mal gesagt, dass es einfacher ist, sich das Ende der Welt vorzustellen, als das Ende des Kapitalismus. Denn was und wie wir produzieren, steht in direktem Zusammenhang mit der Zerstörung des Planeten…“ Meldung vom 11. Juli 2021 bei ums Ganze! externer Link zur Broschüre externer Link
  • Transformationskonflikte: Ausweiten, vereinheitlichen, zuspitzen 
    In ganz anderer Dimension als noch vor wenigen Jahrzehnten stehen die Gewerkschaften heute vor der Frage, wie sie auf die globalen Krisen des Kapitalismus reagieren sollen und können – dies gilt insbesondere für die Herausforderungen der Klima- und Ökokrise. Zu deren Verursachern gehören Schlüsselbranchen der Industrie in der Bundesrepublik mit ihrem hohen Ressourcenverbrauch und ihren klimaschädigenden Treibhausgasemissionen im Produktionsprozess wie bei den von ihnen hergestellten Gütern. Bei näherem Hinsehen zeigt sich, dass diese Frage im Grunde im Mittelpunkt heutiger gewerkschaftlicher Betriebs- und Gesellschaftspolitik stehen muss. Die Klimakrise erzwingt in Branchen wie der Energiewirtschaft oder Automobilindustrie – vermittelt über ökonomisch-politische Vorgaben zur „Dekarbonisierung“ – eine massive ökologische Kapitalentwertung. Sie ist damit eine entscheidende Ursache ausgeprägter Strukturkrisen und weitreichender Umbauprogramme des Kapitals. Deren Dynamik und Verwerfungen treffen die Lohnabhängigen mit voller Wucht. Ohne eigenständige, klassenautonome Alternativen werden sie ihre aktuellen Reproduktions- und ihre Zukunftsinteressen aber kaum zur Geltung bringen können – so unsere These. Hans-Jürgen Urban hat in diesem Kontext den ökologischen Umbau der Industrie „eine Schlüsselaufgabe“ genannt, „eine überlebensrelevante Anforderung, an der Gewerkschaften und mit ihnen die Gesellschaft scheitern könnten“ (Urban 2018a, 335). Er hat in diesem Zusammenhang auch auf „verschüttete Diskussionsstände“ in seiner eigenen Gewerkschaft verwiesen, auf die heute zurückzugreifen sei. Diese Anregung wollen wir aufnehmen und einen Rückblick auf Erfahrungen mit Strukturkrisen im Bereich der Metallwirtschaft mit einer nüchternen Bestandsaufnahme aktueller Konfliktfelder in der gegenwärtigen „Transformationskrise“ der Automobilbranche verbinden. (…) Auch die Krise von 2008ff. hat korporatistischen Positionen des Co-Managements in den Gewerkschaften Auftrieb gegeben (Urban 2018b, 92). So finden sich die bedrängten Belegschaften in den Betrieben der Automobilindustrie heute in einer Situation, in der „Häuserkämpfe“ und die Sorgen um den jeweiligen „Standort“ überwiegen. Dabei werden auch Teilerfolge errungen. Zugleich sind die Gewerkschaften aber herausgefordert, die unmittelbaren Interessen der Beschäftigten in den einzelnen Betrieben zu einer breiteren Bewegung zu verbinden und in eine gesamtgesellschaftliche Reformkonzeption zu integrieren. Dazu existiert in der kritischen Wissenschaft durchaus eine entfaltete Debatte. In die gewerkschaftliche Politik hat sie bisher aber kaum Eingang gefunden. Es zeigt sich in den Strukturkrisen und Transformationskonflikten aber auch, dass die Kapitalseite den Strukturwandel – selbst in der von ihr forcierten Richtung – nicht aus eigener Kraft bewerkstelligen kann. Hierin drückt sich der heutige Vergesellschaftungsgrad der Wirtschaft aus. Sie verlangt nach staatlicher Industriepolitik im Sinne massiver Subventionen („Entlastungen“ der verschiedensten Art, Förderung von Forschung und Entwicklung, Infrastrukturinvestitionen, Absatzförderung usw.), verwahrt sich aber gegen jede demokratische Kontrolle und Einflussnahme auf ihre Entscheidungen – seitens der Belegschaften wie seitens des Staates, also der Öffentlichkeit, die zur Kasse gebeten wird. Urban stellt hierzu fest: „Vieles spricht dafür, dass hier die Stunde der Demokratie schlagen muss“, und er konkretisiert: „(Wirtschafts-)Demokratie (wird) zum archimedischen Punkt von Konversionskonzepten, die eine naturverträgliche Produktions- und Konsumtionsweise mit sozialen und Beschäftigungsinteressen und der Überwindung der Shareholder-Value-Orientierung in den Unternehmen ausbalancieren wollen.“ (ebd., 104). Dies  werden die Gewerkschaften laut Urban „alleine nicht bewerkstelligen können. Die Gründung und Stärkung von handlungsfähigen Allianzen, die den Pfadwechsel nach links drängen, wird zur Schlüsselaufgabe.“ (Urban 2021, 44). Auch in den heutigen Struktur- und Transformationskrisen stellen sich für die Gewerkschaften also die Fragen, die schon Ende der 1980er Jahre in den Betrieben und in der Linken diskutiert wurden. Und die Aufgabe, die betrieblichen und gesellschaftlichen Kämpfe auszuweiten, zu vereinheitlichen und zuzuspitzen.“ Artikel von André Leisewitz, Klaus Pickshaus und Jürgen Reusch in der Zeitschrift LuXemburg vom Juli 2021 externer Link – dem Sammelband Mosaiklinke Zukunftspfade – Gewerkschaft, Politik, Wissenschaft externer Link entnommen, der 2021, anlässlich des 60. Geburtstags des IG-Metall-Vorstands Hans-Jürgen Urban, beim Verlag Westfälisches Dampfboot erschienen ist.
  • Die Arbeiter sind nicht schuld – Auto: Beschäftigte in der Industrie wollen keine Blockierer oder Opfer der Transformation sein. Sie wollen sie mitgestalten
    „Mit Kolleginnen und Kollegen stand ich im Herbst 2020 vor dem Werkstor eines Automobilzulieferers am Rand der Schwäbischen Alb. Das Unternehmen hatte zwei Dutzend Leuten gekündigt. Alle wussten, dass das nur der Anfang war. Betriebsrat und IG Metall versuchten, Widerstand gegen die Entlassungen zu organisieren, aber es war spürbar schwer, die bleierne Apathie zu durchbrechen, die über dem Ganzen lag. (…) Es gibt bei dieser Geschichte leider keine glückliche Wendung: Ein Dreivierteljahr später gibt es immer noch kein alternatives Produktionskonzept, stattdessen wurden weitere 150 Beschäftigte entlassen. Ihr Schicksal steht beispielhaft für die Fantasielosigkeit der deutschen Automobil- und Zulieferindustrie angesichts der Herausforderungen einer klimagerechten Verkehrswende. Aber auch dafür, wie schwer sich Betriebsräte und IG Metall dabei tun, die Kreativität der Beschäftigten zu mobilisieren, eigene Zukunftskonzepte zu entwickeln und offensiv dafür zu streiten. In den verschiedenen Erzählungen, die wahlweise als „Transformation“, „Verkehrswende“ oder „sozial-ökologischer Umbau“ der Automobilindustrie deklariert werden, spielen die Beschäftigten bislang keine große Rolle – es sei denn als Opfer oder Blockierer. Dass sie selbst mit ihrem Erfahrungswissen, technologischem Know-how und organisatorischen Fähigkeiten aktiv mitgestalten könnten, wo die Reise hingeht, kommt in den Unternehmensführungen kaum jemandem in den Sinn. (…) In weiten Teilen der Klimabewegung allerdings hält sich hartnäckig die Vorstellung, es seien die Beschäftigten klimaschädlicher Industrien – ob Kohlebergbau, Kraftwerkstechnik oder Autoindustrie –, die um jeden Preis an ihren oftmals vergleichsweise gut bezahlten Arbeitsplätzen festhalten wollten, ganz nach dem Motto „und nach uns die Sintflut“. Aber ist das tatsächlich so? Betrachtet man die industriesoziologische Forschung, fällt eine große Leerstelle auf. Was die Beschäftigten in den am stärksten vom Umbruch betroffenen Industrien über Themen wie Mobilitätswende, Transformation und Klimawandel denken, ist weitgehend unbekannt. Um das zu ändern, habe ich gemeinsam mit dem ehemaligen VW-Betriebsrat Stephan Krull und meinem Journalistenkollegen Johannes Schulten im vergangenen Jahr Dutzende Interviews mit Beschäftigten von Automobilherstellern, Zulieferunternehmen, aber auch Beschäftigten der Bahnindustrie geführt, um ihre Perspektive auf den Strukturwandel einzufangen. Das Ergebnis, das demnächst als Studie bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung erscheinen wird, zeigt: Die Sicht der Beschäftigten in den Betrieben und an der Basis der IG Metall ist viel differenzierter, als es die durch Einlassungen von Gewerkschafts- und Betriebsratsspitzen sowie der Regierung geprägte öffentliche Meinung nahelegt…“ Artikel von Jörn Boewe vom 5. Juli 2021 aus ‚derFreitag‘ Ausgabe 25/2021 externer Link
  • Neues Bündnis zur Mobilitätswende: Das Auto bleibt der Knackpunkt 
    „…  Dem Bündnis gehören der Gewerkschaftsdachverband DGB, die Einzelgewerkschaften IG Metall und Verdi sowie die Sozialverbände VdK, SoVD und Awo an, außerdem die Umweltverbände BUND, Nabu und VCD sowie die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD). Unterstützt wird das Bündnis von der Stiftung Mercator, die ihre Mittel von der deutschen Unternehmerfamilie Schmidt erhält. Mit einem heute vorgelegten Papier „Wie wir das Klima schützen und eine sozialverträgliche Mobilitätswende umsetzen“ will das Bündnis nach eigener Aussage zeigen, dass sich Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit „nicht ausschließen, sondern sich ergänzen und in Teilen sogar bedingen“. (…) Das gesamte Mobilitätssystem müsse neu gedacht und so aufgestellt werden, dass alle Menschen Zugang zu einer klimaverträglichen Mobilität bekämen, insbesondere diejenigen, die auf Mobilität angewiesen sind. Dies soll durch sozial gerechte Lösungen erreicht werden. Einig ist sich das Bündnis weitgehend bei Forderungen nach dem Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs als „Rückgrat der Verkehrswende“ und nach dessen allgemeiner Zugänglichkeit, Barrierefreiheit und Bezahlbarkeit. (…) Als Knackpunkt erweist sich eher der künftige Umgang mit dem Autoverkehr. Das Klima retten wollten zwar alle, wichtig sei aber auch, alle Menschen daran teilhaben zu lassen, betonte Bentele [VdK]. Städte seien als Sozialräume so zu gestalten, dass sie für alle Menschen attraktiv sind. Mobilität dürfe nicht von Alter und Gesundheit abhängen. In ländlichen Räumen müsse zudem der öffentliche Nahverkehr so ausgebaut werden, dass Mobilität nicht daran geknüpft sei, ob sich die Leute ein Auto leisten können. (…) DGB-Vorstand Stefan Körzell (…) wandte sich gestern aber eindeutig gegen Verbote wie das, mit dem Auto in Innenstädte zu fahren. (…) Nabu-Präsident Krüger erklärte (…), die motorisierte individuelle Mobilität müsse zwar reduziert werden, aber auch weiter zur Verfügung stehen. Das Bündnis wisse um die Bedeutung der Autoindustrie. Eine Verkehrswende, die am Ende eine Deindustrialisierung bedeute, sei keine Verkehrswende.“ Beitrag von Jörg Staude vom 15. April 2021 bei den Klimareportern externer Link, siehe dazu auch:

  • Kein Happy End in der Tiefgarage 
    Kleines Einmaleins: Elektroautos reichen nicht. Wenn die Verkehrspolitik nur technologisch weitermacht, dann werden alle Klimaziele verfehlt. Am Dienstag war wieder Autotag. Der Verband der Automobilindustrie kommentierte die Zulassungszahlen 2020 in gewohnter Selbstgefälligkeit und erklärte Deutschland zum „Europameister der E-Mobilität“. Zuvor hatte schon das Kraftfahrt-Bundesamt die Kernbotschaft versendet: „Elektromobilität auf der Überholspur“. Jedes siebte in Deutschland neu zugelassene Auto war ein Elektrofahrzeug. Sensationell! Die Verkehrswende nimmt also endlich Fahrt auf. Gibt es doch noch ein Happy End in der Tiefgarage? Dazu passen die regelmäßig verbreiteten Meldungen von neuen Wunderbatterien und dem ersten E-Auto mit 1.000 Kilometer Reichweite vom neuen chinesischen Automobil-Star Nio. Stromert das All-in-one-Reise- und -Rennauto also grün lackiert in eine nachhaltige Zukunft? Es ist verständlich, dass in einer großen Krise die Zukunft mit den Bordmitteln des bisherigen Denksystems erdacht wird, anstatt die ganze Denk­ordnung infrage zu stellen. Und die Mobilitätskrise ist ja fundamental. Die Stichworte: Erdüberhitzung, Lärm, Abgase, Feinstaub, Aggression im Straßenverkehr, Dieselskandal, Flächenfressen, unwirtliche autoverstopfte Städte. Und: Die aktuellen Emissionsmengen engen die Spielräume immer mehr ein; wir müssen beim Umsteuern höllisch aufs Tempo drücken. (…) Eine Verkehrspolitik, die ausschließlich auf den simplen Antriebswechsel von fossil auf elektrisch setzt, der noch dazu gebremst und ohne Schwung daherkommt, muss an ihrer Begrenztheit und ihrem ungehemmten Wachstumsdenken schon im Ansatz scheitern. Wie kontraproduktiv die Verkehrspolitik lenkt, zeigt sich exemplarisch bei den Plug-in-Hybridfahrzeugen, die sowohl mit fossilen Treibstoffen als auch elektrisch fahren können. (…) Das bestehende Verkehrsparadigma mit seinem permanenten Wachstum und dem entfernungsintensiven Verhalten der Menschen muss radikal umgedacht werden. Wir müssen wirklich an die Fahrleistungen ran. Die Energie und die Resilienz des Planeten reichen nicht aus für ein maßloses, weiter zunehmendes Herumfahren von Personen und Waren, selbst wenn wir bis 2050 vollständig auf elektrisch umstellen. Das heißt auch: Straßenbau wie bisher, der der Steigerungslogik immer neuen Raum gibt, hat keine Zukunft mehr…“ Essay von Manfred Kriener vom 31.1.2021 in der taz online externer Link
  • Zukunft ohne Auto – Herzstück der Industrie im Krisengriff 
    “Die Automobilindustrie gilt als Herzstück der deutschen Wirtschaft. Und sie verschläft die Zukunft: falsche Produktpolitik, zu große und zu teure Autos treffen auf sinkende kaufkräftige Nachfrage und wachsende Konkurrenz. (…) Sichtbar wird das ebenso in den sinkenden Absatz- und Verkaufszahlen des Verbandes der Autoindustrie (VDA) und des Kraftfahrtbundesamtes (KBA). Kapitaleigner und Management haben zur »Aufholjagd« geblasen: Personalabbau, Betriebsschließungen, Übernahmen, Standortverlagerung und befristete Kooperationen. (…) Die Krise ist geprägt von konjunkturellen Einbrüchen, globaler Konkurrenz und neuem Protektionismus. Schwer wiegt vor allem die Debatte um Klimaveränderungen. Die Branche versucht wie im Rausch mit Elektroautos das alte Geschäftsmodell fortzuführen. Alle großen Mitspieler haben mit Personalabbau begonnen. Zehntausende Beschäftigte sind Opfer der Kostensenkung. Zudem drohen die Unternehmen mit Verlagerung der Produktion (Daimler), mit Vertragsbruch (Opel) oder mit Werksschließungen (Daimler, Bosch, Continental) und fordern eine Arbeitszeitverlängerung. (…) Es gibt keine »Win-win-Situation« zwischen Industrie und Gewerkschaft. Die Ziele der Industrie, die Produktivität zu steigern und die Kosten zu senken, stehen der Gewerkschaftsforderung nach Arbeitsplatzsicherung direkt entgegen. Der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit wird weiter verschleiert. Statt dessen nennt die Bundesregierung ihr Verhalten eine »marktwirtschaftliche Flankierung« des Strukturwandels. Doch bereits jetzt können betriebsbedingte Entlassungen kaum verhindert werden – eine Entwicklung, die sich seit 2018 angekündigt hat. (…) Fakt ist, Autos werden noch gebraucht. Vor allem in ländlichen Regionen. Vielleicht in geringerer Anzahl, zweckmäßiger konstruiert, smart unterwegs und kaum noch als privates Eigentum. Dennoch: Aktuell benötigen viele Menschen den Pkw, um den täglichen Weg zur Arbeit, zum Einkaufen oder zu Arzt- und Behördenbesuchen zu bewältigen. Lange Arbeitswege für Schichtarbeiter im Gesundheitswesen oder in der Autofabrik sind mit Bus und Bahn nicht zu bewältigen. Und für zunehmend mehr Menschen ist ein Pkw unerschwinglich geworden. Wertverlust, Versicherung, Steuern, Treibstoff summieren sich. (…) Die IG Metall hat den Kampf um jeden Arbeitsplatz angekündigt und führt diesen schon bei Daimler, Opel, Continental, Bosch und ZF. Diese Auseinandersetzungen werden sich im kommenden Jahr zuspitzen. ­Voraussetzung für Erfolg wäre es, Alternativen zur Produktion von Autos durchzusetzen – zum Beispiel die Wagenparks der ÖPNV-Betriebe bedarfsgerecht zu erhöhen. Wichtig wäre zudem eine Konzentration auf die Arbeitszeitverkürzung, auf die Viertagewoche und auf gemeinsame Kämpfe der Belegschaften aller betroffenen Betriebe und der Klimabewegung.“ Jahresrückblick 2020 von Stephan Krull in der jungen Welt vom 30.12.2020 externer Link
  • »Wir könnten natürlich auch Beatmungsgeräte bauen« – Kann man aus einem Autowerk irgendwas Klimafreundliches machen? Das haben wir einen VW-Arbeiter gefragt 
    “Lars Hirsekorn arbeitet bei VW in Braunschweig, einem Werk mit 8.000 Beschäftigten, und ist der Meinung, dass Autoproduktion und Klimaschutz unvereinbar sind. Was das für die Arbeit in der Branche bedeutet, wieso die Gewerkschaft beim Klimawandel versagt, und warum weder Elektroautos noch die Umstellung auf Beatmungsgeräte oder Kühlschränke die Lösung sind, erklärt er im Interview. (…) [In vielen Autobetrieben stand dieses Frühjahr die Produktion still wegen Corona. Inzwischen geht es den Unternehmen, auch was die Verkaufszahlen angeht, wieder prächtig. Ist das bei euch auch so?] Ja, bei uns sind wieder Überstunden angeordnet worden ohne Ende. Die Corona-Pause kam vielen im Management ziemlich gelegen. Einmal weil es Überproduktion gab und die Bestände einfach voll waren und andererseits VW durchaus Probleme hatte, den ID.3, ein Elektromodell, und den Golf 8 mit seinen vielen Computerteilen auf die Straße zu kriegen. Durch die Kaufprämien sind die Bestellzahlen für den ID.3 jetzt so hoch, dass wir Überstunden machen müssen, um möglichst viele Autos bis zum Jahresende ausliefern zu können. [Wie beurteilst du die Umstellung auf Elektroautos?] Ich gehe davon aus, dass der allergrößte Teil des Managements in der Autoindustrie jetzt voll auf Elektroautos setzt, weil man damit den Automarkt einmal komplett austauschen kann. Wenn in die Innenstädte kein Verbrenner mehr reinfahren darf, freut sich Herr Diess, denn das heißt, alle Leute werden ihre Verbrennerautos verkaufen oder verschrotten und sich ein neues Auto kaufen. Das ist ein Riesengeschäft. Natürlich brauchst du hinterher keine Zündkerzen mehr. Deshalb schließen die jetzt oft die Werke hier und verlagern sie, nach Osteuropa oder in die Türkei, um die Gewinnmarge zu erhöhen. Auch mit der Überlegung, dass da noch lange Zündkerzen gebraucht werden. [Macht Elektromobilität den Verkehr trotzdem grüner?] Das halte ich für Unsinn. Das Problem ist, dass die Leute glauben, sie würden sich dann umweltfreundlich fortbewegen, und deshalb ihr Verhalten nicht ändern. Auch die Politik steuert dahin. Aber die Produktion des Autos an sich ist ja schon das Problem. Bei einem Golf kommen nur bei der Herstellung schon achteinhalb Tonnen CO2 zusammen, bei einem Elektroauto fast 17 Tonnen. Wenn ich jetzt 47 Millionen Autos komplett austausche, ist das ein sehr gutes Geschäft für die Autoindustrie, aber nicht für die Umwelt. [Klimaschutz und Autoproduktion, das ist ein grundsätzlicher Widerspruch?] Ja, klar. Ökologisch ist Autoverkehr eine Katastrophe. Man muss einfach wegkommen vom Individualverkehr und nicht nur die Antriebsart ändern. (…) [Woran hapert es bei der Umstellung des Verkehrs?] Das eine sind die Löhne. Wer einen Bus fährt, bekommt nicht das gleiche wie jemand, der Haustarif bei VW hat. Deshalb war ich auch beim Tarifkampf im öffentlichen Nahverkehr sehr enttäuscht von der IG Metall, dass wir nicht im großen Stil die Kolleginnen und Kollegen von ver.di unterstützt haben. Wenn wir sagen, der Verkehr muss verändert werden, wäre es im ureigensten Interesse aller Menschen, die in der Automobilproduktion arbeiten, für gute Löhne und Arbeitsbedingungen im öffentlichen Nahverkehr zu sorgen. Das sind vielleicht die Jobs, die wir in Zukunft machen werden. Da versagt meine Gewerkschaft total. Die meisten rennen nur zu irgendwelchen Politikern und fordern, dass endlich Elektroladesäulen aufgestellt werden. [Gibt es in der Gewerkschaft kein Konzept zum Klimawandel?] Überhaupt nicht. Die IG Metall setzt voll auf Elektromobilität. Dabei haben viele schon begriffen, dass das nicht umweltfreundlicher ist als ein Verbrennungsmotor. Aber es ist wie so oft, sei es, dass die Gewerkschaften früher an der Atomenergie festgehalten haben oder jetzt an der Braunkohleförderung, da ist eine große Engstirnigkeit nach dem Motto, Hauptsache wir sichern unsere Arbeitsplätze, auch wenn wir wissen, dass das ökologisch eine Katastrophe ist. Stattdessen könnte man sich ja auch für neue Arbeitsplätze, die entstehen müssten, einsetzen und proaktiv Einfluss nehmen. Aber der allergrößte Teil der Funktionärsebene sieht im Moment nur mit Panik, wie viele Leute in der Automobilindustrie entlassen werden sollen. Die greifen alle nur nach dem Elektroauto als Rettungsanker. (…) [Die Autoindustrie ist extrem mächtig, vielleicht ist die Klimabewegung auf die Macht der Beschäftigten angewiesen, die an ihrem Arbeitsplatz den stärksten Druck erzeugen könnten.] Klimastreik in der Autoindustrie? Das ist eine Fantasie. Natürlich kann man fordern, dass die IG Metall ihre Mitglieder zum Klimastreik aufrufen soll, aber sie müsste ja erstmal Überzeugungsarbeit leisten, dass Automobilproduktion, egal welche, nicht besonders sinnvoll ist. [Gibt es einen Ansatzpunkt, den du dir vorstellen kannst?] Eine Sache wäre die 30-Stunden-Woche. Wenn wir weniger Autos produzieren und dann tatsächlich Leute über sind: Dann wollen wir eine Arbeitszeitverkürzung. [Das würde Anklang finden bei den Kolleginnen und Kollegen?] Ja, definitiv! Der Großteil der Leute in der Produktion arbeitet ja samstags und oft auch sonntags. Ich habe an drei von vier Wochenenden im Monat gearbeitet, Frühschicht, Spätschicht, Nachtschicht. Da verlierst du über die Jahre unglaublich viele Freunde. Weil es nicht möglich war, aus der Wochenendarbeit rauszukommen, bin ich jetzt auf 23 Stunden Teilzeit runter, verdiene natürlich weniger als vorher, aber ich lege jeden Monat mehr Geld zurück. Wie das? Ich habe im Dorf die Kinderfeuerwehr übernommen. Das hätte ich vorher nie machen können, ich hätte gar nicht die Nerven dazu gehabt. Jetzt beschäftige ich mich mit dem Sozialleben des Dorfes und muss nicht mehr über Konsum kompensieren. Das ist ein Gewinn für mich. Und in die Richtung muss es doch gehen. [Umstieg auf Teilzeit: Machen das viele?] Nein. Aber eine Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich wäre was anderes. Natürlich ist es nicht mein Ziel, dass VW noch mehr Gewinn macht. Andererseits könnten wir in den »Hochlohnbereichen« gut mit einer Arbeitszeitverkürzung ohne vollen Lohnausgleich leben. Mir wäre nur wichtig, dass das Geld dann nicht an Piëch und Porsche geht, sondern dass die Kolleginnen und Kollegen der Volkswagen Group Service und bei den Zulieferern mehr bekommen…“ Interview von Jan Ole Arps mit Lars Hirskorn vom 17.11.2020 bei analyse & kritik externer Link – und dazu:

    • Rede-Beitrag von VW-Arbeiter Lars Hirsekorn auf der Konferenz „Spur Wechsel“ am 03.10.2020 in Stuttgart
      “Ja, schönen guten Tag zusammen. Wie der Markus schon erwähnt hat, sitze ich hier auf dem Podium, weil ich im Juli 2019 auf einer Betriebsversammlung bei Volkswagen in Braunschweig eine Rede gehalten habe. In dieser habe ich sowohl das Elektroauto als ökologisch unsinnig kritisiert, als auch die Zukunft des Autos an sich in Frage gestellt. Nach dieser Rede habe ich dermaßen viel Applaus und Zuspruch bekommen, das ich ehrlich gesagt stark daran zweifelte, ob die Leute mich überhaupt verstanden haben. Deshalb habe ich kurze Zeit später einem alten Freund und Genossen vom Jour Fixe in Hamburg gebeten, die Rede einmal zu lesen und mir eine Kritik dazu zu geben. Zwei Tage später bekam ich dann die Rückmeldung, dass die Rede unbedingt veröffentlicht werden müsse, ob ich irgendwelche Einwände hätte. Hier der Link: https://gewerkschaftslinke.hamburg/2019/09/10/autokritische-rede-von-vw-arbeiter-lars-hirsekorn externer Link So ist es also gekommen, dass ich hier sitze. Grundsätzlich ist so eine Belegschaft in der Autoindustrie nicht gerade fortschrittlicher als der gesellschaftliche Durchschnitt. Im Gegenteil, nach über 20 Jahren (nationalistischer) Standortpolitik haben viele dieses „Wir zuerst“ voll verinnerlicht. Gleichzeitig haben wir in den Betrieben selten eine große fridays for future Bewegung. In Punkto Utopie für eine bessere Welt sind wir also nicht Durchschnitt, sondern weit rechts davon. Meine Kolleginnen und Kollegen in der Kostenstelle sind da eher ein schwieriges Publikum. Ich sage immer ich habe die Wahl zwischen AFD und AKP (hier tue ich 5-6 Kolleg*innen unrecht, mit denen ich wirklich gut reden kann). Insgesamt würde ich sagen, das gute 95% die Produktion von Elektro-Autos für völlig falsch halten. Die einen sind wie gesagt durchaus der Meinung, wir könnten weitermachen wie bisher, die andere Hälfte ist davon überzeugt, dass die Produktion noch viel umweltschädlicher ist als die bisherigen. Das sehe ich genauso, gleichzeitig weiß ich aber auch, dass wir nicht weiter Autos produzieren können wie bisher, jeden Tag wenn ich aus dem Fenster schaue und die vertrocknenden Bäume sehe. Als Gewerkschafter muss ich doch aber auch eine Alternative zum Bestehenden entwickeln und kann nicht für etwas Werbung machen, an das ich persönlich nicht glaube. Wenn ich somit auch meinen eigenen Arbeitsplatz in Frage stelle, habe ich erst mal nicht besonders viele Freunde in der Debatte. Natürlich ist das nicht einfach, und macht auch nur selten Spaß. Aber wir haben doch gar keine andere Wahl zur Mobilitätswende. Davon bin ich fest überzeugt. Jetzt stellt sich also die Frage, was getan werden müsste, damit meine Kolleginnen und Kollegen da auch mitmachen würden. Das würde ich aufteilen in drei Punkte: 1. Ausbau des ÖPNV im großen Stiel. Das Bündnis Verkehrswende fordert bis 2030 eine Verdoppelung des ÖPNV, damit er so attraktiv wird das Menschen umsteigen. Für unsere Region wäre wohl eher eine Verzehnfachung von Nöten. 2. Löhne im ÖPNV müssen steigen, damit diese Arbeitsplätze auch für die Menschen aus der Automobilindustrie attraktiv werden. 3. Ein Wohnungsbau, der die Preisentwicklung im Bereich der Mieten und der Bodenpreise zurückdrängt. Denn nur dies ermöglicht ggf. eine Reduzierung der Arbeitszeit ohne vollen Lohnausgleich…“ Beitrag von Lars Hirsekorn vom 25.10.2020 bei Jour Fixe – Gewerkschaftslinke Hamburg externer Link
  • Subventionen für die Autoindustrie: Dieselprämie vom Bund. Autogipfel im Kanzleramt: Kaufanreize für Elektro-Pkw, Abwrackprogramm für Lastwagen
    “Am Dienstag abend konferierten Politiker und Vertreter der Branche beim vierten Spitzengespräch zur Zukunft der Automobilindustrie. Auf Einladung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) beteiligten sich mehrere Bundesminister, die Regierungschefs der sogenannten Autoländer (Bayern, Niedersachsen, Baden-Wüttemberg), die Spitzen von Union und SPD sowie der IG Metall. Zugesagt hat die Regierung, die Förderung der Kaufprämien für Elektroautos bis zu 9.000 Euro pro Person bis 2025 zu verlängern. Insgesamt wird der Bund hierfür eine Milliarde Euro bereitstellen. (…) Umweltverbände kritisierten, dass der Bonus auch für Dieselfahrzeuge vorgesehen ist. Elektroautos leisten aber keinen Beitrag zur Mobilitätswende. Sie sind nur eine Verlängerung des eigentlich gescheiterten und klimaschädlichen bisherigen Geschäftsmodells der Industrie. Die Beschränkung darauf ist engstirnig. Mit Elektromotoren allein ist keine Beschäftigung aufzubauen. Das Weniger an Arbeit durch E-Autos könnte sozialverträglich in die alternative Produktion von Verkehrsmitteln für den öffentlichen Verkehr und in Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich umgesetzt werden – dazu wäre aber mehr erforderlich als die betriebliche Umsetzung der Vier-Tage-Woche, wie die IG Metall das jetzt angekündigt hat. Die Kahlschlagspläne von Volkswagen und Daimler, die Abwicklungs- oder Verlagerungsvorhaben bei MAN, Bosch, Continental und ZF sprechen eine deutliche Sprache. Nicht einmal mehr betriebsbedingte Entlassungen konnten verhindert werden – eine Entwicklung, die sich bereits seit 2018 angekündigt hat. Wie absurd das ist, wird deutlich an der geplanten Schließung des Daimler-Werkes in Berlin und der zeitgleichen Eröffnung des Tesla-Werkes in Grünheide…“ Artikel von Stephan Krull in der jungen Welt vom 19.11.2020 externer Link (im Abo)
  • [IG Metall] 4. Autogipfel: Bund beschließt Milliardenprogramm zu Transformation und ihrer beschäftigungspolitischen Flankierung
    “… „Die IG Metall begrüßt die Beschlüsse des Autogipfels. Wichtige Forderungen der IG Metall wurden damit aufgegriffen“, erklärt Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall. Zum vierten Mal kamen gestern Abend Bundesregierung, Ministerpräsidenten ausgewählter Bundesländer sowie die IG Metall und Vertreter der Automobilwirtschaft zum Autogipfel zusammen. (….) Sie bildet daher einen „Zukunftsfonds Automobilindustrie“ aus Fördermitteln und stellt hierfür zusätzlich 1 Milliarde Euro zur Verfügung. In Ergänzung zu den Maßnahmen des im Frühjahr beschlossenen Konjunkturpakets adressiert der Zukunftsfonds in erster Linie die mittel- und langfristigen Herausforderungen der Automobilindustrie. Mit dem Transformationsfonds wird einer der zentralen Vorschläge der IG Metall umgesetzt. Der Fonds soll durch einen Expertenrat begleitet werden, dem auch die IG Metall angehören wird. (…) Die Förderung regionaler Innovations- und Transformationscluster sowie eine regionale Strukturpolitik war ebenfalls ein Vorschlag der IG Metall. Wesentliche Teile daraus finden sich in den gestern beschlossenen Maßnahmen wieder. So werden 200 Millionen Euro aus dem im Frühjahr beschlossenen Konjunkturpaket jetzt für die Erarbeitung regionaler Transformationsstrategien zur Verfügung gestellt. Ein wichtiger Punkt für die IG Metall. Denn sie hat immer betont: Regionen mit großer automobiler Wertschöpfung brauchen Unterstützung, um beim ökologischen Umbau Beschäftigung und Innovationen zu sichern. Die Transformation entscheidet sich in den Regionen. Für die konkrete Förderung von Investitionen in nachhaltige Produkte und Prozesse stehen insbesondere für KMUs 1,8 Milliarden Euro aus dem Konjunkturpaket zur Verfügung. Hier soll nun bis Ende des Jahres die Förderrichtlinie veröffentlicht werden. Und: Die IG Metall kann diese Förderung auch in den Verhandlungen um Zukunftstarifverträge mitberücksichtigen. Weitere 95 Millionen Euro stehen im Rahmen eines neu aufgelegten Bundesprogramms zusätzlich für regionale Qualifizierungscluster zur Verfügung. Mit diesem Baustein wird die notwendige Weiterbildung für Beschäftigte und Unternehmen weiter gestärkt. Die schon bestehende Förderrichtlinie wird damit materiell aufgestockt und soll erweitert werden. (…) Die Bundesregierung erwartet darüber hinaus von allen Akteuren einen ambitionierten Beitrag zum Aufbau von Ladeinfrastruktur. Dazu gehört auch der Aufbau von Schnellladeinfrastruktur mit mindestens 150 kW an Tankstellen. Ziel der Bundesregierung ist eine Ausrüstung von mindestens 25 Prozent aller Tankstellen mit Schnelllade-Ladeinfrastruktur bis Ende 2022, von mindestens 50 Prozent bis Ende 2024 und mindestens 75 Prozent bis Ende 2026. Dazu wird sie zeitnah Gespräche mit der Mineralölwirtschaft führen mit dem Ziel einer Selbstverpflichtung zur Erreichung dieser Ziele. Werden diese Ziele nicht erreicht, wird eine gesetzliche Verpflichtung bei der Konzessionserteilung greifen. Zudem wird die Bundesregierung den erfolgreich angelaufenen Aufbau von Batterieproduktion in Deutschland weiter fördern und wird die Anstrengungen zur Sicherstellung des Zugangs zu den benötigten Rohstoffen fortführen. (…) Ebenfalls positiv bewertet die IG Metall das in Aussicht gestellte Austauschprogramm für Nutzfahrzeuge sowie die Verlängerung des Umweltbonus für Elektro- und Hybridfahrzeuge. Die Bundesregierung hat nämlich beschlossen, dass die Innovationsprämie beim Kauf eines batterieelektrischen oder Hybridfahrzeugs bis Ende 2025 verlängert wird. Plug-in-Hybride (PHEV) werden nur gefördert, wenn diese ab 2022 eine Mindestreichweite von 60 Kilometer, ab 2025 von mindestens 80 Kilometer haben. Hierfür wird zusätzlich bis zu einer Milliarde Euro veranschlagt. Zusätzlich plant die Bundesregierung ein nationales Flottenerneuerungsprogramm für Lkw. Neben der Anschaffung von Lkw mit Elektro- und Wasserstoffantrieb wird dabei die Anschaffung von fabrikneuen Lkw mit konventionellen Antrieben gefördert, die die Anforderungen der aktuellen Abgasstufe Euro VI erfüllen. Die Prämie greift, wenn gleichzeitig ein alter Lkw der Abgasstufen Euro III, IV und V von der Straße verschwindet. Als besonderen Anreiz zum Umstieg auf alternative Antriebe wird der Bund Elektro- und Wasserstoffantriebe stärker fördern, als konventionelle Antriebe. Für dieses Programm stehen 500 Millionen Euro für den Austausch bei Unternehmen, weitere 500 Millionen für die öffentliche Beschaffung zur Verfügung…“ Beitrag vom 18.11.2020 bei der IG Metall externer Link
  • Hast mal ’ne Milliarde? Die Förderung der Autoindustrie ist obszön, es gibt noch mal drei Milliarden dazu. Sind wir inzwischen alle zu abgestumpft, um uns darüber noch aufzuregen?
    „Einen kurzen Moment in diesem Sommer schien es so, als ob die Regierung aufgewacht wäre. Da hielt sie beim Geldausgeben und Konjunktur-Retten mal kurz inne und dachte einen Moment länger darüber nach, wohin das Geld geht. Im Sommer ging es darum, dass auch die Autoindustrie etwas von den staatlichen Milliardenprogrammen abbekommt. Nur sollte es nicht einfach wieder irgendeine Abwrackprämie sein und so einigten sich die Spitzen der Koalition darauf, dass mit den zwei Milliarden der Verkauf von umweltfreundlicheren Autos angeregt wird. Der Kampf gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise sollte so klug mit dem Kampf gegen die Klimakrise verbunden werden. Damals tobte die Industrie, ihr war das eindeutig zu viel Öko. Auf der anderen Seite wurde vor allem die SPD für ihre Standfestigkeit gelobt, denn die hatte sich damit durchgesetzt, dass nicht einfach konditionslos Geld an die Autobranche verschenkt wird. Heute aber zeigt sich: Das Ganze war eine wunderbare Show, mehr nicht. Denn nicht nur war das damalige Paket eine Mogelpackung. Es wurden beispielsweise zu den vermeintlich umweltfreundlichen und damit förderungswürdigen Autos auch die dicken, besonders klimaschädlichen Plug-In-Hybride gezählt – also die Autos, die zwar öko tun, weil sie ein bisschen elektrisch fahren können, aber meist eben doch Öl verbrennen. Im Sommer wurde auch vereinbart, dass weitere Gipfel folgen müssen. Und das bedeutet übersetzt: Weitere Milliardenhilfen. (…) Es wurde auch nicht diskutiert, ob man von Unternehmen, die so gern den Markt preisen, auch mal verlangen könnte, dass sie einen Strukturwandel ohne staatliche Unterstützung hinbekommen – beispielsweise den Weg von den fossilen Brennstoffen hin zu anderen Antriebsformen. Es reicht das Wunderwort „Schlüsselindustrie“ kombiniert mit „Arbeitsplätzen“, und schon brechen bei dieser Regierung die Dämme. Und es fließt das Geld, viel Geld. Drei Milliarden Euro! Das ist ein Viertel des Geldes, mit dem wir jährlich armen Ländern helfen. (…) Oder noch ein Vergleich: Drei Milliarden sind fünfmal so viel, wie der Staat in der Corona-Krise für das Programm ausgibt, das armen Kindern zu Computern verhelfen soll – dabei sind die doch angeblich unser Kapital für die Zukunft (um es mal ökonomisch auszudrücken). Drei Milliarden ist auch dreißigmal so viel, wie die Bundesregierung als Sonderbonus für die Pflegekräfte ausgeben will…“ Kolumne von Petra Pinzler vom 19.11.2020 bei der Zeit online externer Link
  • Das Klimaziel im Nebensatz: Die Belegschaften der Autokonzerne stehen einer ökologischen Agenda offener gegenüber, als man vielleicht meinen könnte
    “Die Jüngeren im Werk, sagt einer der Befragten, bevorzugten ganz grundsätzlich »ein entspannteres Reisen mit der Bahn« anstatt des Zwangs, »selbst am Steuer sitzen zu müssen«. Der Mann erzählt von einem Kollegen, der jüngst seinen Sohn quasi »zum Führerschein prügeln« musste. Der Befragte arbeitet in Sachsen bei VW. Eine Einzelbeobachtung? Auch ein Vertrauensmann der IG Metall bei Daimler in Untertürkheim sieht »ein gewandeltes Bewusstsein in der Belegschaft zum Verhältnis zum Auto (…) in den letzten zehn, 15 Jahren«: Die Nachfrage nach Jahreswagen lasse in der Belegschaft nach. Die Identifikation mit Mercedes habe abgenommen, sowohl beim eigenen Autokauf, als auch hinsichtlich der Marke selbst. Die zitierten Einschätzungen sind nur zwei von 30 Stimmen, die wir in einer qualitativen Untersuchung im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung an der gewerkschaftlichen Basis verschiedener verkehrsmittelproduzierender Unternehmen in ganz Deutschland eingeholt haben. Aber sie sprechen für eine Tendenz, die zunächst vielleicht überraschend klingt: Belegschaften, Gewerkschaftsmitglieder und ehrenamtliche Funktionspersonen in diesen Industrien sind keine Bastion einer vorökologischen Industriepolitik. Wer sich auf eine Diskussion mit ihnen einlässt, findet Anknüpfungspunkte für eine Politik der sozial-ökologischen Mobilitätswende. Ganz konkret stellte sich diese Frage jüngst, als sich die SPD in der Koalition gegen staatliche Kaufanreize für Pkw mit reinem Verbrennungsmotor als Antwort auf die Corona-Krise ausgesprochen hatte. Jörg Hofmann, der Erste Vorsitzende der IG Metall, hatte diese Weigerung skandalisiert und für einen »massiven Vertrauensverlust der Beschäftigten gegenüber der Sozialdemokratie« verantwortlich gemacht. An der Basis der IG Metall haben wir einen solchen Groll aber nicht gefunden. Jene scharfe Kritik am Nichtzustandekommen einer solchen Maßnahme stieß weitgehend auf Unverständnis. Das Thema war in den Belegschaften nicht der »Aufreger«, zu dem es Hofmann und andere IG-Metall-Spitzenleute erklärten. Tatsächlich wurde die Forderung nach einer Neuauflage der »Abwrackprämie« von 2009 eher kritisch gesehen. Zwar gab es einzelne Stimmen, die sich als »Übergangslösung« eine solche Prämie wünschten – für die modernsten und schadstoffärmsten Verbrenner. Nicht seltener aber wurde diese Idee als »rückwärtsgewandt« abgelehnt, da sie »den notwendigen Umbau der Automobilindustrie« verlangsame – einer Branche, die nach Meinung vieler Befragter schon zu viele Subventionen bekommen habe. Zur scharfen Kritik Hofmanns an der SPD sagte ein Vertrauensmann: »Ich halte das für eine völlig kurzsichtige Haltung, die (…) davon gekennzeichnet ist, dass man die Betriebsratsfürsten der Automobilunternehmen irgendwie ruhig halten will.« Auffällig war, dass viele betrieblich Aktive von der pointierten Position ihrer Gewerkschaftsspitze überrascht wurden. Die meisten hatten davon aus den Medien erfahren. Im Vorfeld habe es weder Informationen an die regionalen IG-Metall-Geschäftsstellen noch Diskussionen in den gewerkschaftlichen Gremien gegeben. Die meisten Interviewten sahen das als Affront und Anzeichen eines ernsten Mangels an innerorganisatorischer Demokratie und Kommunikation. Dass die Branche sich auch angesichts der Klimaprobleme verändern muss, wird von der großen Mehrheit der Befragten  bejaht. (…) Insgesamt zeigt die Untersuchung, dass es möglich und lohnend ist, mit den Beschäftigten der Automobilindustrie – insbesondere mit der gewerkschaftlichen Basis – in produktive Diskussionen um eine sozial-ökologische Verkehrswende einzusteigen. Man muss freilich wissen, dass »dicke Bretter« zu bohren sind. Dabei müssen sich nicht nur die Auto-Beschäftigten bewegen – sondern müssen auch diejenigen, die einen »Neuen Grünen Deal« politisch verfechten, die Art und Weise ihrer politischen Interaktion und Kommunikation überdenken. Die vollständige erscheint demnächst unter dem Titel »Wo ist die Ladestation? Beim Aldi!« auf den Seiten der Rosa-Luxemburg-Stiftung.“ Artikel von Jörn Boewe, Stephan Krull und Johannes Schulten vom 19.09.2020 in neues Deutschland online externer Link, siehe auch: Die Sicht der Kollegen: »Wo ist die Ladestation? Bei Aldi!« Automobilindustrie, Transformation, Verkehrswende – die Sicht der Beschäftigten. Sieben Beobachtungen aus Interviews von Jörn Boewe, Stephan Krull, Johannes Schulten in der jungen Welt vom 21.09.2020 externer Link (im Abo):

    • Beobachtung 1: Die Identifikation der Beschäftigten mit »ihren« Automobilunternehmen hat abgenommen – wie auch die Begeisterung für das Auto als solches.
    • Beobachtung 2: Konträr zu dem, was die Einlassungen einiger IG-Metall-Spitzenfunktionäre und die mediale Darstellung nahelegten, gab und gibt es an der betrieblichen Basis keine verbreitete Forderung nach staatlichen Kaufanreizen für Pkw mit reinem Verbrennungsmotor.
    • Beobachtung 3: In den Belegschaften gibt es erhebliche Skepsis gegenüber den Transformationsstrategien »ihrer« Unternehmen. Dem Management wird überwiegend schlicht nicht zugetraut, kluge Entscheidungen, die Lohn und Beschäftigung auch zukünftig sichern, zu treffen und umzusetzen.
    • Beobachtung 4: Politischen Entscheidungsträgern und Verkehrsunternehmen, insbesondere der Deutschen Bahn, wird nicht zugetraut, eine tragfähige Verkehrswende auf den Weg zu bringen.
    • Beobachtung 5: Der Transformationsstrategie der IG Metall fehlt es an betrieblicher Verankerung und Rückkopplung.
    • Beobachtung 6: Politisch weitergehende Forderungen nach Konversion der Automobilproduktion werden überwiegend skeptisch gesehen, aber nicht grundsätzlich zurückgewiesen. Eine differenzierte Diskussion ist möglich.
    • Beobachtung 7: Grundsätzlich stehen viele der interviewten betrieblichen Gewerkschaftsfunktionäre den inhaltlichen Vorschlägen eines »Green New Deal« der Partei Die Linke aufgeschlossen gegenüber. Sie sind aber skeptisch sowohl in bezug auf die Perspektive einer politisch-praktischen Umsetzung wie auch hinsichtlich der Möglichkeiten, größere Teile ihrer Belegschaften für ein solches Programm zu gewinnen.
  • [IG Metall] Ergebnis des Autogipfels: Mit Fonds die Zulieferindustrie retten 
    „… Der Gipfel, zu dem Bundeskanzlerin Angela Merkel Vertreter der Politik, der Automobilwirtschaft und der Gewerkschaften einlud, legte fest, dass nun Arbeitsgruppen prüfen sollen, „ob und gegebenenfalls wie ein marktwirtschaftliches Konzept zur Stärkung des Eigenkapitals insbesondere von Zulieferunternehmen entwickelt werden könnte“ und „welche weiteren Aspekte bei den im Konjunkturpaket vorgesehenen ‚Zukunftsinvestitionen in die Fahrzeugbranche‘ berücksichtigt werden sollten“. (…) Insbesondere die Betriebsräte der Zulieferindustrie und der Nutzfahrzeughersteller haben auf die massiven Verwerfungen hingewiesen, mit denen die Branche zu kämpfen hat. Um dem zu begegnen, schlug Jörg Hofmann auf dem Autogipfel einen mit privaten Geldern gespeisten Transformationsfonds vor, der den staatlichen Sicherungsschirm mit staatlicher Beteiligung ergänzen würde. Für systemrelevante Unternehmen im Bereich des Verbrennungsmotors könnte dagegen das von der IG Metall erarbeitete Konzept einer Best Owner Group (BOG) Hilfe bieten. Beides wurde von weiten Teilen des Teilnehmerkreises durchaus positiv aufgenommen und als zielführend bezeichnet. (…) Für Unternehmen, deren Perspektive und Geschäftsfeld mit zunehmender Dauer der Transformation schwinden, hat die IG Metall zudem die Idee einer Best Owner Group (BOG) entwickelt. Dieses Beteiligungsmodell richtet sich an Zulieferer für Verbrennungsmotortechnik, die durch die Transformation unter Druck geraten. (…) Die Idee einer Best Owner Group sieht folgendermaßen aus: Mit den Mitteln eines Eigenkapital-Fonds wird ein Zulieferunternehmen, das sich aufgrund seines Portfolios zwangläufig perspektivisch verkleinern wird und Alternativen wie Weiterentwicklung im Konzern etc. nicht realisiert werden können, mehrheitlich übernommen und bis zum Auslaufen der nicht erneuerbaren Produkte aktiv gemanagt. Dieser Betrieb ist gewinnbringend, denn viele Gemein-, Entwicklungskosten und Neuinvestitionen fallen weg. Der Personalabbau kann durch die noch lange Laufzeit entsprechend der Altersstruktur der Beschäftigten gut und sozialverträglich geplant werden. Beschäftigte können außerdem über einen längeren Zeitraum im Rahmen – gegebenenfalls auch innerhalb der Cluster regional organisierter – qualifizierter Personalplanungsprozesse für zukunftsfähige Tätigkeiten qualifiziert werden…“ Pressemeldung der IG Metall vom 9. September 2020 externer Link – siehe zum Hintergrund (der IG Metall): Best Owner Consulting GmbH (BOG): Beteiligungsgesellschaft für kleine Autozulieferer gegründet – mit “ein paar hunderttausend Euro aus der Gewerkschaftskasse” von IG Metall und IG BCE!
  • Autoindustrie in Not: IG Metall, Grüne und SPD fordern staatlichen Beteiligungsfonds 
    Vor dem Gipfel am Dienstag im Kanzleramt lebt auch die Diskussion um eine Unterstützung der Autoindustrie wieder auf. Im Mittelpunkt steht dabei die Sorge um die mittelständischen Zulieferbetriebe. Der IG Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann plädierte für einen staatlichen „Mittelstands- und Transformationsfonds“, der sich an Unternehmen in Not beteiligt. „Wenn der Staat einen Teil des Risikos übernimmt, könnte das kleinen und mittleren Unternehmen die Kraft zu Investitionen und Innovationen verschaffen“, sagte Hofmann der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS). (…) Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) argumentierte, eine Kaufprämie für Verbrenner zum Abverkauf der Lagerbestände nütze nur den ohnehin finanziell gut dastehenden Autokonzernen. „Die Zulieferer gehen leer aus, weil die Autos ja bereits produziert sind“, sagte BUND-Verkehrsexperte Jens Hilgenberg. Wer der Zulieferindustrie helfen wolle, müsse diese darin unterstützen, ihre Abhängigkeit von der Autoindustrie im Allgemeinen und vom Verbrennungsmotor im Speziellen mit neuen Produkten zu durchbrechen…“ Meldung vom 06.09.2020 im Spiegel online externer Link, siehe auch:

  • [Hans-Jürgen Urban zu Industriegewerkschaft und ökologische Transformation] Transformation als Bewährungsprobe: Warum eine sozial-ökologische Reformallianz eine unverzichtbare, aber schwierige Angelegenheit bleibt
    In den Verhandlungen über das Konjunkturprogramm zur Revitalisierung der Wirtschaft in der Corona-Krise kamen diverse Interessenlagen zum Vorschein. Dabei eskalierte auch die Auseinandersetzung darüber, an welche Konditionen die Förderung der Automobilindustrie gebunden sein sollte, zwischen dem IG Metall-Vorsitzenden und Betriebsräten großer Autokonzerne auf der einen, den SPD-Vorsitzenden und Umweltverbänden auf der anderen Seite. Ich versuche, diesem Konflikt auf den Grund zu gehen, mit dem Ziel, das wechselseitige Verständnis von sozial-ökologischen Transformationsstrategien zu vertiefen und Brüche zwischen Gewerkschaft und Ökologiebewegung zu vermeiden. Mein Beitrag erscheint gedruckt im September-Heft von Sozialismus, schon jetzt als PDF-Dokument externer Link hier zu lesen.“ Beitrag vom 15.07.2020 von und bei Hans-Jürgen Urban externer Link zum Vorabdruck und darin zu „Industriegewerkschaft und ökologische Transformation“: „Das Plädoyer für eine Beschäftigung und Einkommen sichernde Interessenpolitik in kapitalistischen Arbeitsmärkten sollte nicht als Rückfall in ein vorökologisches Denken im alten  Wachstumskapitalismus missverstanden werden. Auch und gerade die Gewerkschaften stehen vor der unumkehrbaren Notwendigkeit, soziale Interessenpolitik in das Projekt einer ökologischen Transformation zu integrieren. Alle Fluchtversuche vor dieser Anforderung müssen in einer ökologievergessenen und damit letztlich existenzbedrohlichen Lobbypolitik enden. Eine solche hat längst Berechtigung und gesellschaftliche Akzeptanz verspielt. Aus guten Gründen. (…) Der analytische Blick auf die spannungsreiche Interessenlage der Lohnabhängigen-Existenz im kapitalistischen Transformationsprozess darf aber keinesfalls als Begründung eines Abschieds von der ökologiepolitischen Verantwortung gewerkschaftlicher Politik missbraucht werden. Dies käme einem Rückfall in den auch gewerkschaftsinternen Diskussionsständen gleich. Das Ende einer arbeitsökologisch ambitionierten Politik wäre die sichere Folge. Das bedeutet auch, dass sich die Gewerkschaften den gegenwärtigen Lobby-Versuchen auf europäischer Ebene entgegenstellen müssen, die Gunst der Krisenstunde zu nutzen, um ökologische Grenzwerte zurückzudrehen und den anvisierten »Green Deal« zu sabotieren, bevor er ins Leben gerufen wurde.20 Doch eine nüchterne interessenpolitische Analyse lässt Systemzwänge deutlich werden und macht nachvollziehbar, warum eine einmal gefundene Balance zwischen Arbeits- und   Naturinteressen in gewerkschaftlichen Strategien nicht ein für alle Mal gesichert ist. Sie bleibt fragil und muss es bleiben, solang die übermäßige Verwertung der Natur zur Voraussetzung der Verwertung der lebendigen Arbeit und damit der Existenzsicherung der Lohnabhängigen bleibt. (…) Angesichts von »Diesel-Gate«, exorbitanten Manager-Boni, verschlafener E-Mobilität und milliardenschwerer Dividende- Ausschüttungen trotz Krise ist das öffentliche Ansehen der Automobilindustrie mit dem der Rüstungs- und Atomwirtschaft in den 1980er Jahren vergleichbar, also denkbar gering. Von einer anerkennungspolitischen »Selbstverzwergung« aufgrund eklatanter Managementfehler ist die Rede. Gegenargumente lassen sich kaum finden. Und doch bleibt es Aufgabe einer Branchengewerkschaft, zu verhindern, dass die Beschäftigten mit dem Verlust von Beschäftigung, Einkommen und sozialer Perspektive den Preis für unternehmerische Fehlentscheidungen zahlen. Die Spannung, die sich in dieser Konstellation verbirgt, entlud sich am Thema Abwrack- bzw. Umweltprämie. Die Gewerkschaften,  insbesondere die IG Metall, forderten sie, der Widerstand, nicht zuletzt der SPD-Spitze, verhinderte sie. (…) Die Ausgestaltung der »Umweltprämie« stellte seitens der IG Metall den Versuch eines Brückenschlags zwischen beiden Politiken dar: zwischen Konjunkturpolitik durch Nachfragestimulierung und Strukturpolitik durch eine auf CO2-Reduzierung konditionierte Kaufprämie. Die Einbeziehung moderner, emissionsärmerer Verbrenner-Motoren beruhte vor allem auf dem Umstand, dass gut 90% der gegenwärtigen Produktionskapazitäten auf diese Antriebstechnologie ausgerichtet und die Förderung von Elektro-Fahrzeugen aufgrund des (noch) geringen Volumens kaum Konjunkturimpulse zu erzeugen in der Lage sind. Doch dieser Brückenschlag konnte offenbar, aus welchen Gründen auch immer, nicht vermittelt werden. Die öffentliche Meinung stellte sich gegen alle Formen einer Kaufprämie. (…) Die breite öffentliche Ablehnung der Gewerkschaftsforderung dürfte vor allem darauf zurückzuführen sein, dass sie als Element einer traditionellen, anachronistischen Wachstumspolitik gewertet wurde, die trotz drohender Klimakatastrophe klassischer Nachfragestärkung den Vorzug vor der  Dekarbonisierung der Industrie gebe. Und das auch noch in einem unkritischen Lobbybündnis mit den Automobilkonzernen. (…) Zwar stellte Hofmann anschließend klar, dass die Notwendigkeit, die Wirtschaft zu dekarbonisieren, … (auch) für die IG Metall außer Frage« stehe und dies auch in der tiefen Rezession, in der sich die Wirtschaft befinde. Es gehe um die Stimulierung der Nachfrage, »ohne die klimapolitischen Ziele zu konterkarieren.« Doch diese Klarstellungen konnten den Shitstorm, der über die IG Metall hereinbrach, kaum mildern. (…) Konflikte dieser Art können schnell zum Sprengsatz politischer Umwelt-Bündnisse werden. Einen Bruch zwischen IG Metall und jenen Teilen der Umweltbewegung, mit denen im letzten Jahr eine deutliche Annäherung gelungen war, gilt es zu verhindern. Das wird nur gelingen, wenn das wechselseitige Verständnis füreinander wächst. Dazu müsste auf der einen Seite die IG Metall-Werbung für eine Kaufprämie nicht als  ökologievergessener Lobbyismus, sondern als Versuch einer  beschäftigungspolitischen Schadensbegrenzung in einer ökonomischen Jahrhundertkrise erkannt werden. Und in Gewerkschaftskreisen wäre die Ablehnung eben dieser Kaufprämie als verständliche Furcht vor einem ökologiepolitischen Rückfall und nicht als Ignoranz gegenüber Beschäftigteninteressen und als sozialvergessener Öko-Fundamentalismus zu akzeptieren. (…) Zweifelsohne müssen die Gewerkschaften zukünftig ihre Brücken-Forderungen zwischen Beschäftigung und Umwelt schärfer konturieren und härter auf ihre Tauglichkeit für eine sozial-ökologische Transformation hin prüfen. Der unverzichtbare ökologische Mehrwert muss belastbar nachgewiesen werden; die Instrumente zur Beschäftigungssicherung müssen konkretisiert und verbindlich gemacht werden; und der Verzicht auf anachronistische Manager-Boni, Dividendenausschüttungen und andere verteilungspolitische Zumutungen muss offensiv und eindeutig eingefordert werden. Der Eindruck eines klassenvergessenen krisen-korporatistischen Lobby-Bündnisses zwischen Kapital und Arbeit sollte so von Beginn an vermieden werden…“
  • [AKI] Offener Brief an den Vorstand der IG Metall zur aktuellen Situation in der Automobilindustrie: „Wir sind nicht die Steigbügelhalter für die Konzerne und ihre überholten Konzepte!“ 
    „… Ihr habt öffentlich eine allgemeine Abwrackprämie zur Ankurbelung der Auto-Industrie gefordert. Wir sind dagegen und zwar aus mehreren Gründen: Eine planlose Förderung des Individualverkehrs ist Gift für das Klima und eine wirtschaftliche Sackgasse; Wer zukunftsfähige Arbeitsplätze sichern und aufbauen will, muss dies in Einklang mit den gesamtgesellschaftlichen Bedürfnissen tun. Wer zukunftssichere Arbeitsplätze will, darf sich nicht an althergebrachten Verkehrskonzepten, Produktionsverfahren, Technologien und Produkten festklammern. Eine Förderung der Autokonzerne ist völlig unangebracht, nachdem diese sich in den letzten Jahren durch Abgasbetrug und Kartellbildung hervorgetan haben. Die Auto-Industrie ist gerade die treibende Kraft bei den Angriffen von Gesamtmetall und den regionalen Arbeitergeberverbänden auf die sozialen und tariflichen Errungenschaften (…) In den Betrieben erleben wir tägliche neue Schließungs- oder Entlassungsmeldungen. Unsere Forderung als IG Metall, die Transformation ökologisch und sozial zu gestalten, treten sie täglich mit Füssen. In einer solchen Situation ist es das völlig falsche Signal für die Konzerne noch Geschenke aus Steuermitteln zu fordern! Der Angriff von Gesamtmetall muss vielmehr ein Signal sein, alle Belegschaften zu vereinen in einem gemeinsamen Widerstand (…) Wir brauchen als IG Metall eigene Konzepte zum ökologischen Umbau! Wir sind nicht die Steigbügelhalter für die Konzerne und ihre überholten Konzepte!Offener Brief vom 2.7.2020 vom und beim Arbeitskreisinternationalismus der IG Metall Berlin externer Link mit weiteren ErstunterzeichnerInnen

  • Autoindustrie: Gewerkschaften mutlos 
    “… Und heute? Zehntausende Arbeitsplätze sind in der Windindustrie bedroht, weil eine bürokratische Ausschreibungspflicht eingeführt wurde und demnächst noch ein pauschaler Mindestabstand von einem Kilometer von jedem Wohnhaus hinzukommen soll. An Land werden daher kaum noch neue Windkraftanlagen errichtet, aber von der Gewerkschaft der betroffenen Arbeiter ist kaum etwas zu hören. Nur hin und wieder meldet externer Link sich der Landesverband Küste zu Wort, doch in den bundesweiten Medien und beim IGM-Vorstand in Frankfurt findet das kaum Widerhall. (…) Ganz anders ist da die Lautstärke, wenn es um die strauchelnde Automobilindustrie geht. Da legt sich die Gewerkschaft schon mal mit der SPD an, weil diese sich nicht für eine Autokaufprämie für Verbrenner einsetzen mag. Und angesichts der drohenden Entlassungswelle legt man nach und fordert externer Link ein zweites Konjunkturpaket. Das ist natürlich zunächst nicht ganz unberechtigt. 100.000 Arbeitsplätze sieht die Gewerkschaft in der Branche bedroht, und das ist natürlich nicht nur für die Betroffenen ein Problem, sondern auch für deren Familien, die Kommunen, in denen sie Lohnsteuer zahlen, für Einzelhandel und Gastronomie, die sie versorgen. Doch das gilt natürlich zum Beispiel auch für die Beschäftigten der Solarindustrie, in der ohne gewerkschaftlichen Widerstand im ausgehenden Jahrzehnt mehrere Zehntausend Jobs verloren gingen. Im Grunde ist der Ruf nach einem weiteren Konjunkturpaket aber rückwärtsgewandt. Statt Anschluss an die Klimaschutzbewegung der Jugend zu suchen, plädiert er für ein „Weiter so“. Und zwar in einer Zeit, in der einem großen Teil der Gesellschaft und vor allem der jüngeren Generationen längst klar ist, dass es ein solches „Weiter so“ nicht geben darf, dass in der Industrie-, Energie-, Ressourcen- und Verkehrspolitik schleunigst und massiv umgesteuert werden muss. Und ist es wirklich so schwer? Haben die deutschen Autokonzerne nicht gerade mehrere Milliarden Euro an Dividenden an ihre Aktionäre verteilt? Wieso kommt in der IGM-Zentrale keiner auf die Idee, den Verbleib dieses Geldes in den Unternehmen zu fordern. Damit ließe sich spielend als erster Schritt eine Reduzierung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich finanzieren, die die geringere Nachfrage kompensieren könnte. Längerfristig wird es aber vermutlich tatsächlich nicht ganz ohne staatliche Hilfen abgehen. Doch die müssten dann zumindest mit einer Beschäftigungsgarantie – nicht einmal diese Vokabel hört man von der IGM – und einem Umbau der Unternehmen zu Mobilitätskonzernen verbunden sein. Statt auf Deibel komm raus übergewichtige SUV für den Individualverkehr der gehobeneren Gesellschaftsklassen herzustellen, müssten vor allem Busse und Bahnen für einen hochwertigen öffentlichen Personen- und Gütertransport das Sortiment bestimmen…“ Artikel von Wolfgang Pomrehn vom 18.06.2020 bei Telepolis externer Link
  • Kein Wort zur Arbeitszeitverkürzung! IG Metall-Vorstände auf dem Holzweg 
    „Massiv ging Jörg Hofmann, Vorsitzender der IG Metall, die SPD-Spitzenkräfte Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans an und damit zumindest zum Teil auch die Falschen. (…) Wie konnten aber Hofmann und seine Truppe übersehen, dass genau diese Auto-Magnaten sich nicht nur als unfähig erwiesen haben, sondern auch noch total überzogen: Staatsknete ohne Ende verlangen, zehntausende Arbeitsplätze auf die Streichliste setzen – alles schon vor „Corona“ geplant! – Druck gegen Kolleginnen und Kollegen organisieren, aber satte Dividenden an die Kapitaleigner auszahlen, damit deren Profit stimmt? Dankend streichen die Auto-Bosse auch noch das erhöhte „Corona“-Kurzarbeitergeld ein, lassen sich in ihre Entlassungspläne keinesfalls reinreden und lotsen neben Dividenden auch noch satte Boni aufs Privat-Konto. Dabei ist offensichtlich, dass historisch die Zeit dieser Technologie abläuft. (…) Hofmann und sein Vorstand versagen genau da, wo die Gewerkschaft einen historischen Kampf bestehen muss, auch und gerade in dieser Phase des Niedergangs für den Kapitalismus, dessen Ende die SARS-CoV-2 Pandemie stellenweise bereits erahnen lässt. Wenn mit und ohne Prämie die Leute aus den Fabriken fliegen, gehört die Arbeitszeit für alle auf die Tagesordnung! Sie wird aber weder von Hofmann und seinen IG-Metall-Mitvorständler/innen noch von Zitzelsberger auch nur erwähnt! Die Forderung nach 30-Stundenwoche für alle, bei vollem Entgelt- und Personalausgleich, ist die Forderung, die die Arbeiterinnen und Arbeiter, die Angestellten, die Erwerbslosen und die, deren Jobs bedroht sind, vereinigen und zusammenführen muss. Drastisch gesagt: Eine IG-Metall-Führung, die das nicht auf die Tagesordnung setzt, streut den Kolleginnen und Kollegen Sand in die Augen. (…) Wie auch die 35-Stundenwoche, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, der heutige Urlaub mit zusätzlichem Urlaubsgeld und vieles andere nur durch entschlossenen Kampf, durch massive Streiks errungen werden konnten, so gilt auch hier: Nur ein veritabler Aufstand der Kolleg/innen überall in der Gesellschaft kann weitere Arbeitszeitverkürzung, Entgelt- und Personalausgleich durchsetzen. Davon heute noch nicht einmal eine Andeutung zu machen, zeigt, wie sehr die IG Metall-Führung versagt. Das muss jetzt vorbereitet werden! Wir brauchen starke und kämpferische Gewerkschaften! Neue, jüngere, kämpferische, klassenkämpferische Kolleginnen und Kollegen müssen wieder Schwung in den Laden bringen und dieser Co-Management-Truppe die Führung aus der Hand nehmen. Finden wir sie, erproben wir sie und stärken wir sie im Klassenkampf!“ Beitrag vom 16. Juni 2020 von und bei Arbeit Zukunft online externer Link
  • Büttel der Konzerne – IG Metall und Betriebsräte kritisieren SPD 
    “Der Gesamtbetriebsratschef von Daimler, Michael Brecht, polterte: »Die SPD-Spitze hat es nicht verstanden.« Der IG-Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann sprach von einem »massiven Vertrauensverlust (…) gegenüber der Sozialdemokratie«. Und der Vorsitzende des MAN-Konzernbetriebsrats, Saki Stimoniaris, fragte: »Vertritt die SPD tatsächlich noch die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer?« (…) Sondern die Kaufprämie für Autos mit Verbrennungsmotor, die sie so vehement und in trauter Einigkeit mit den Konzernen gefordert hatten. Und das ist jetzt der Verrat der SPD an der Arbeiterklasse? Wohl eher der Versuch, angesichts breiter Klimaproteste ein wenig Unabhängigkeit von den Lobbyinteressen der Konzerne zu demonstrieren. Die IG-Metall- und Betriebsratsspitzen zeigen damit, wie weit ihr »Krisenkorporatismus« geht. Neben dem Lohnverzicht via »Solidartarifvertrag« sind sie auch dazu bereit, sich öffentlich zum Büttel der Konzerne zu machen, um diese von Massenentlassungen abzuhalten. Dabei ist die Dramatik des von der IG Metall entworfenen Krisenszenarios keineswegs übertrieben. In der Tat stehen Zehntausende Arbeitsplätze auf dem Spiel. Sie mit allen Mitteln zu verteidigen ist die Aufgabe der Gewerkschaft. Das hieße aber, betrieblichen Widerstand gegen Stellenabbau zu organisieren, sich für verkürzte Arbeitszeiten bei vollem Lohn einzusetzen, für eine zukunftsträchtige sowie gesellschaftlich sinnvolle Produktion. Und dafür, dass die enormen Gewinne der Vergangenheit in diesem Sinne genutzt werden. Laut einer auf Bloomberg-Daten basierenden Analyse der Süddeutschen Zeitung haben BMW, Daimler und Volkswagen im vergangenen Jahrzehnt insgesamt 277 Milliarden Euro verdient. Dass dieselben Konzerne die Kosten der Krise auf die Allgemeinheit abwälzen wollen, ist schlimm genug. Noch schlimmer ist, dass IG-Metall- und Betriebsratsspitzen sie dabei auch noch unterstützen.“ Artikel von Daniel Behruzi in der jungen Welt vom 09.06.2020 externer Link
  • Konjunkturpaket: Die IG Metall trauert der Kaufprämie nach – und zofft sich mit der SPD 
    Gewerkschaft und prominente Genossen kritisieren, dass die Sozialdemokraten mit der Ablehnung der Autoprämie Arbeitnehmerinteressen verraten hätten. IG-Metall-Chef Jörg Hofmann fand deutliche Worte: Dass die SPD sich im Koalitionsausschuss gegen eine Kaufprämie für Autos mit Verbrennungsmotor ausgesprochen und mit Slogans wie „Kein Cent für Benziner und Diesel“ Stimmung gemacht habe, führe „zu einem massiven Vertrauensverlust der Beschäftigten der Autoindustrie und angrenzender Branchen gegenüber der Sozialdemokratie“, sagte der Gewerkschafter der „Augsburger Allgemeinen“. „Hier herrscht Enttäuschung, dass nicht industriepolitische Verantwortung, sondern die Demoskopie das Handeln der SPD-Spitze bestimmt hat.“ Die Gewerkschaft, die ihre Mitglieder zu einem großen Teil aus der Auto- und Zuliefererindustrie rekrutiert, ist sauer, dass die Große Koalition nur Elektro- und Hybridfahrzeuge mit einer verdoppelten staatlichen Prämie fördern will. Denn das Gros der Beschäftigung der Branche hängt nach wie vor an der Produktion von herkömmlichen Benzinern und Dieseln. Die Arbeiterpartei SPD, so kann man Hofmann verstehen, handele also gegen die Interessen der Beschäftigten. (…) Hofmann hatte sich wenige Wochen vor dem Koalitionsausschuss im Handelsblatt-Interview für eine Kaufprämie auch für Verbrenner stark gemacht – aber unter drei Bedingungen: Sie müsse zu einer deutlichen Senkung der Emissionswerte beitragen und Beschäftigung und Produktion sichern. Und den Autoherstellern müsse ein Eigenbeitrag abverlangt werden: „Der Steuerzahler darf nicht die ohnehin gewährten Rabatte finanzieren“ sagte Hofmann. Die Mehrwertsteuersenkung sorgt jetzt aber dafür, dass auch große Autos mit hohem Benzinverbrauch oder Fahrzeuge mit älteren Motoren und schlechteren Abgaswerten billiger werden. (…) Ähnlich äußerte sich Thorsten Gröger, Bezirksleiter der IG Metall in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt: „Wir hätten uns eine andere Entscheidung gewünscht, vor allem im Hinblick auf die vielen Beschäftigten nicht nur bei den Herstellern, sondern auch bei den Zuliefererbetrieben.“ Ein Konzept für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor als Übergangslösung, bis die E-Mobilität in den nötigen Stückzahlen zur Verfügung steht, hätte ein wichtiges Signal sein können. Denn 90 Prozent der Beschäftigten in der Branche seien aktuell noch mit dem Bau von Autos oder Teilen für Autos mit Verbrennungsmotoren beschäftigt. „Der Übergang ist kein Hebel, der sich einfach so von heute auf morgen auf einmal umlegen lässt“, sagte Gröger dem Handelsblatt. Am Freitagmorgen hatte schon Roman Zitzelsberger, IG-Metall-Bezirksleiter in Baden-Württemberg, in einer Pressekonferenz auf die schwierige Lage der Metall- und Elektroindustrie im Allgemeinen und der Autobranche im Besonderen hingewiesen. Ihm dränge sich der Eindruck auf, dass die Folgen der Coronakrise „überproportional auf den Schultern der Beschäftigten abgeladen werden“ sollen, sagte Zitzelsberger…“ Artikel von Frank Specht vom 05.06.2020 im Handelsblatt online externer Link
  • [Entscheidung über Abfckprämie erst am 3.6.] Koalitionsausschuss berät: Mehr Zeit für das Konjunkturpaket 
    Der Koalitionsausschuss zum geplanten Konjunkturpaket wird angesichts der komplizierten Ausgangslage verlängert. Ein Streitpunkt: Autokauf-Prämien. Gegen die wehren sich auch Demonstranten im Regierungsviertel. (…) Die Spitzen von CDU, CSU und SPD verständigten sich darauf, ihre am Nachmittag angelaufenen Beratungen um 23.00 Uhr zu beenden und am Mittwoch nach dem Kabinett fortzusetzen. Angesichts der Größenordnung des Pakets von 80 bis 100 Milliarden Euro solle in aller Ruhe verhandelt werden. Ein Streitpunkt sind finanzielle Anreize zum Autokauf, die insbesondere von der Automobilbranche und den Bundesländern mit großen Produktionsstandorten gefordert werden. Unmittelbar vor Gesprächsbeginn unterstrich die SPD-Spitze ihre harte Haltung bei Hilfen für die Autobranche. „Eine Kaufprämie für Autos der Verbrennertechnik wird es mit uns nicht geben“, sagte Parteichefin Saskia Esken. (…) Anderer Meinung ist ihr Parteifreund Stephan Weil, der Ministerpräsident des Auto-Landes Niedersachsen: Kaufprämien für moderne Verbrenner-Autos seien auch gut fürs Klima, weil sie ältere Fahrzeuge ersetzen. Auch die beiden Unions-Ministerpräsidenten Markus Söder und Armin Laschet wollen die Kaufprämie nicht nur auf Elektro-Autos beschränken. Das aber lehnt der Wirtschaftsflügel der Union ab. (…)Die Beratungen werden von Protest begleitet. 2000 Aktivisten bildeten eine Menschenkette durch das Regierungsviertel, um gegen Förderungen für Verbrenner zu protestieren, wie das Netzwerk Campact mitteilte…“ Meldung vom 02.06.2020, 16:12 Uhr bei tagesschau.de externer Link – siehe für die Proteste #Abwrackprämie / #KlimazielstattLobbydeal / #Konjunkturpaket
  • Klimabewegung unterstützt Corona-Krankenhaus-Pakt +++ Kundgebung und Pressekonferenz +++ Geld für Pflege statt für Autos
    „Heute, Freitag den 29.5. ab 13 Uhr verhandeln Krankenhausbeschäftigte von Vivantes, Charité und Tochterfirmen mit Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci über ihre Forderungen nach einem Corona-Krankenhaus-Pakt, der von mehr als 4.000 Berliner Beschäftigten unterschrieben wurde. Seine neun Forderungen beinhalten u.a. die Wiedereingliederung der outgesourcten Beschäftigten, eine verbindliche Personalbemessung, die Abschaffung der Fallpauschalen und einen besseren Gesundheitsschutz für die Mitarbeiter*innen. Die Klimabewegung unterstützte diese Forderungen heute um 12 Uhr mit einer Pressekonferenz und Kundgebung mit etwa 100 Teilnehmer*innen vor der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung in der Oranienstr. 106 in Berlin. Bei der Pressekonferenz sprachen Vertreter*innen von Fridays for Future, Ende Gelände, Students for Future der Charité und der HU, 350.org, Naturfreunde Berlin, Sand im Getriebe, die interventionistische Linke (iL) Berlin, das Berliner Bündnis für mehr Personal und eine Krankenpflegerin bei Vivantis, die Mitglied der Verhandlungsdelegation ist. Ronja Weil von Ende Gelände sagt dazu: „Als Klimabewegung stellen wir uns hinter die Forderungen der Pflegekräfte, die tagtäglich Stress, Ansteckungsrisiko und Überlastung auf sich nehmen, um die Gesundheitsversorgung aufrecht zu halten. Es ist ein Skandal die Pflegebeschäftigten mit Klatschen und lobenden Worten abzuspeisen, während Auto- und Flugzeugkonzerne gleichzeitig mit Milliardenbeiträgen überschüttet werden. Systemrelevant sind nicht die fossilen Konzerne, die unsere Lebensgrundlage zerstören, sondern unsere Gesundheitsversorgung. (…) Es wird Zeit, dass der Druck auf die politischen Entscheidungsträger*innen massiv erhöht wird“, sagt Anja Voigt Krankenpflegerin bei Vivantis und Mitglied der Verhandlungsdelegation. Conrad Kunze vom bundesweiten Bündnis Sand im Getriebe sagt dazu: „Die deutsche Auto-Titanic sinkt, lassen wir sie versinken! Das Geld ist besser aufgehoben im ökologisch-sozialen Umbau des gesamten Verkehrssystems und der Verkehrswende in den Städten.“…“ Pressemitteilung von Ende Gelände 2020 vom 29. Mai 2020 externer Link, siehe auch die schönen Protest-Initiativen:

  • Abwrackprämie: Autogipfel verschoben – Unionsfraktion will nicht recht, Umweltschützer protestieren trotzdem, Industrie beharrt auf ihren Forderungen
    „… Auch irgendwie interessant. Auf der Internetpräsenz des Bundeswirtschaftsministeriums findet sich dazu bis zum frühen Freitagnachmittag keine Mitteilung. Aber es wird wohl stimmen. Reicht schon, wenn der VDA der Presse mitteilt, wie der Terminplan seiner Regierung aussieht. Müller nutzte die Gelegenheit natürlich, um weiter für Kaufprämien – man könnte es auch Abwrackprämien nennen – zu werben: „Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie werden durch die Stärke unseres Sozialstaates noch verdeckt: Für mehr als zehn Millionen Menschen wurde Kurzarbeit beantragt. Offenbar ist diese Dramatik der Lage noch gar nicht allen bewusst.“ VDA-Präsidentin Hildegard Müller im Handelsblatt. Man kann es ja mal versuchen. Vielleicht merkt ja keiner, dass nur ein Bruchteil der zehn Millionen Kurzarbeiter in der Automobilbranche arbeitet. Oder doch? Müller kann nicht einmal die Unionsfraktion überzeugen, wie der Münchner Merkur meldet. Die Mehrheit der Fraktion sei gegen die Prämie. Der VDA fordert derweil in aller Bescheidenheit neben der Abwrackprämie auch noch eine Senkung der Unternehmenssteuern, die sofortige Abschaffung des Solidaritätszuschlags und eine verstärkte steuerliche Begünstigung seiner Forschung für Mogelsoftware und anderes. (…) In Berlin werden die Proteste zugleich mit jenen der Krankenhausbeschäftigten des landeseigenen Krankenhauskonzerns Vivantes und der Charité verbunden. Diese fordern vom Berliner Senat einen „Corona-Pakt“, der verbesserten Gesundheitsschutz für die Beschäftigten, eine Wiedereingliederung der ausgegründeten Tochtergesellschaften mit schlechteren Tarifbedingungen, eine verbindliche Personalbemessung und die Abschaffung der Fallpauschalen vorsieht...“ Artikel von Wolfgang Pomrehn vom 29. Mai 2020 bei telepolis externer Link, siehe auch:

    • LobbyControl: „Autogipfel-Absage muss Wendepunkt sein: Schluss mit exklusiven Autoklüngel-Runden!“
      „… LobbyControl begrüßt die Absage des Autogipfels und fordert die Bundesregierung auf, nun ein anderes Verfahren zur Beratung von Corona-Hilfen zu organisieren. Christina Deckwirth von LobbyControl:  „Die Autogipfel-Absage muss ein echter Wendepunkt werden. Exklusive Autoklüngel-Runden sind einer Demokratie nicht würdig. Steuermittel müssen in offenen, transparenten und ausgewogenen Verfahren verteilt werden. Die Bundesregierung sollte jetzt zügig ein neues Verfahren zu Corona-Hilfen unter breiter Beteiligung von Zivilgesellschaft und Wissenschaftt organisieren. Mit ihren Exklusiv-Audienzen für die Autoindustrie in der Corona-Krise hat die Bundesregierung eine Grenze überschritten. Die Kritik und die Proteste sind in den letzten Wochen zu laut geworden, um diese einseitige und unausgewogene Politik fortzuführen. Damit ist die Bundesregierung in die Sackgasse gefahren. Jetzt muss sie zeigen, dass sie bei der Verteilung von Corona-Hilfen alle gesellschaftlichen Anliegen miteinander abwägt – und nicht nur den Forderungen mächtiger Lobbygruppen lauscht…“ Stellungnahme vom 29. Mai 2020 von und bei LobbyControl externer Link
  • Abwrackprämie: Proteste vor dem Autogipfel. Für den kommenden Dienstag lädt Angela Merkel ins Kanzleramt, um Geschenke zu verteilen. Nicht alle sind begeistert
    Die diskutierten Konjunkturhilfen für die Automobilbranche erhitzen weiter die Gemüter. Der Bund für Umwelt und Naturschutz verlangt externer Link „Investititionen in nachhaltigen Verkehr statt klimaschädlicher Autoprämien“, die Naturfreunde Berlin fordern externer Link „Geld für Pflege statt für Autos“ und das Aktionsbündnis „Sand im Getriebe“ kündigt für den morgigen Freitag dezentrale Proteste an. Bundeskanzlerin Angela Merkel wolle im kleinen Kreis Hilfen für die Automobilbranche aushandeln, ohne dass die Wissenschaft oder Umweltverbände gefragt werden. (…) Die Entscheidung über die Abwrackprämie geht inzwischen in den Endspurt. Am Dienstagabend hatte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier per Video-Konferenz mit dem Verband der Automobilindustrie, der Industriegewerkschaft Metall sowie seinen Amtskolleginnen und -kollegen aus den Ressorts Umwelt, Finanzen, Arbeit und Verkehr Vorschläge der Ministerien besprochen, die am kommenden Dienstag dem sogenannten Autogipfel vorgelegt werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel will auf diesem mit Vertretern der Industrie beraten, wie der Pkw-Absatz wieder angekurbelt werden kann. Ob das nun eine Abwrackprämie selbst für die übelsten Stinker sein wird, von der, wie berichtet externer Link, der Spiegel geschrieben hatte, eine Förderung allein für Elektroautos oder irgendwas dazwischen, ist noch immer offen. Im Wirtschaftsministerium heißt es nur externer Link, man wolle „die Innovationskraft der Autoindustrie stärken“. Darunter wird dort unter anderem Automatisierung der Industrie, autonom fahrende Pkw und „effiziente Antriebe“ verstanden. Letzteres ein Pseudonym sowohl für Wasserstoffautos, für synthetische Kraftstoffe und für elektrisch betriebene Pkw. Deren Verkauf wird schon jetzt gefördert und ist mitunter die reinste Mogelpackung. Zuschüsse gibt es nämlich auch für sogenannte Plug-In-Fahrzeuge, die sowohl einen Verbrennungs- als auch einen Elektromotor haben. Zu befürchten ist, dass diese in Zukunft noch stärker subventioniert werden. (…) Eine offene Frage ist dabei, was mit staatlicher Hilfe überhaupt zu retten ist. Konkrete Zusagen für den Erhalt von Arbeitsplätzen im Gegenzug zu den erhofften Geschenken vom Fiskus gibt es nicht, und ein Blick auf die französische Autobranche zeigt, wie wenig damit zu rechnen ist….“ Artikel von Wolfgang Pomrehn vom 28. Mai 2020 bei telepolis externer Link
  • Gigantische Überproduktion: Autos im Wert von 148 Milliarden Euro stehen auf Halde
    Wirtschaftskrise und Coronaschock haben dazu geführt, dass sich zehntausende Autos in Autohäusern und Lagern sammeln. Die Politik hat schon mit einer Kaufprämie reagiert. Der Autohandel sitzt auf nicht zugelassenen Neufahrzeug-Beständen im Wert von rund 14,8 Milliarden Euro. Das geht aus Hochrechnungen des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) externer Link vom 20. Mai hervor.  Dabei muss beachtet werden, dass es sich beim ZDK um den Lobbyverband der Autohändler handelt. (…) Als Ursache für den Rückgang führt der Focus externer Link „die Virus-Pandemie beziehungsweise die als Reaktion darauf verhängten Maßnahmen“ an. Diese hätten für den stärksten Rückgang seit Beginn der Aufzeichnungen gesorgt. In Deutschland lag das Minus bei 61,1 Prozent. Tatsächlich ist die Virus-Pandemie jedoch selbst nur ein Verschärfer der seit langem schwelenden kapitalistischen Überproduktionskrise im Autosektor. So sind schon 2019 in Deutschland so wenig Autos gebaut worden wie seit 22 Jahren nicht mehr externer Link. Damals war von Corona jedoch noch keine Rede. Vielmehr war schon seit längerem der Punkt erreicht, in dem ein zu umfangreiches Angebot – zu viele Waren – einer zu geringen Nachfrage – also ArbeiterInnen mit zu wenig Geld für Autos – gegenüberstanden. Dies geschieht im Kapitalismus gesetzmäßig und es kommt zu Wirtschaftskrisen.“ Beitrag bei Perspektive Online vom 25.05.2020 externer Link
  • [dezentraler Aktionstag am 29. Mai] Verkehrswende statt #Abfckprämie: Keine Abwrackprämie 2.0 – keine Staatshilfen für fossile Industrien! 
    “Die Autokonzerne stecken in der Krise. Die weltweiten Überkapazitäten, aufgeflogenen Betrügereien bei Abgaswerten und die zunehmende Kritik an einer allein auf das Auto ausgerichteten Verkehrspolitik lassen ihre Zukunft alles andere als rosig erscheinen. Nun nutzen die deutschen Autokonzerne die Corona-Pandemie, um vom eigenen Versagen abzulenken und öffentliche Hilfsgelder einzufordern. Autolobby und Ministerpräsidenten der ‚Autoländer‘ drängen die Bundesregierung zu Subventionen in Anlehnung an die „Abwrackprämie“ von 2009. Auf dem virtuellen Autogipfel am 5. Mai wurde sie noch verschoben; Anfang Juni soll nun in Berlin eine Entscheidung fallen über Kaufanreize, also eine ‚Abwrackprämie 2.0‘. Nicht mit uns! Die eskalierende Klimakrise macht einen grundlegenden Umbau des Verkehrssystems unausweichlich. Deswegen: Nein zur #Abfckprämie – für eine radikale Verkehrswende und eine Konversion der Autoindustrie! Statt mit Steuergeldern klimaschädliche fossile Industrien zurück zum ‚business as usual‘ zu führen und die Profitinteressen von Vermögensbesitzer*innen zu bedienen, sollte genau jetzt die Chance für einen Wandel ergriffen werden. Staatshilfen darf es nur für den sozial-ökologischen Um- und Rückbau dieser Industrien geben, im Fall der Autoindustrie für eine Umstellung der Produktion auf ‚Verkehrswendemittel‘ wie Straßenbahnen, E-Busse und -Lieferwagen oder Lastenräder. Öffentliche Gelder müssen für eine radikale Verkehrswende und gerechte Mobilität für Alle genutzt werden: Statt immer größerer Autos brauchen wir massive Investitionen in den öffentlichen Personenverkehr sowie die Förderung von Fuß- und Radverkehr! Die #Abfckprämie ist auch in der Politik umstritten, wie entschieden wird ist offen. Daher ist öffentlicher Druck jetzt besonders wichtig und kann den Unterschied machen! Am Freitag, den 29.5. wollen wir mit einem dezentralen Aktionstag gegen Corona-Subventionen für klimaschädliche Industrien und speziell gegen die Abwrackprämie auf die Straße gehen. Wir tun dies verantwortungsbewusst, indem wir Hygiene- und Abstandsregeln einhalten. Beteiligt euch am Aktionstag, seid bunt, laut und kreativ! Plant zusammen mit Anderen bei euch vor Ort Aktionen vor Autohäusern, Konzernsitzen oder Parteibüros von CDU/CSU und SPD. Macht einen Fahrradkorso oder eine Kundgebung, verschönert Eure Stadt oder tragt auf andere Art den Protest auf die Straße – gemeinsam verhindern wir die #Abfckprämie!“ Aufruf zum Aktionstag bei Sand im Getriebe externer Link
  • Staatliche Kaufprämie für die E-Klasse 
    In der Bundesregierung bahnt sich eine Einigung zu den umstrittenen Kaufprämien für Autos an – zulasten des Klimas. Große Spritschlucker gelten dann als umweltfreundlich. Am 2. Juni soll ein weiterer Autogipfel bei Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zusammen mit den zuständigen Bundesministern und den Vorstandsvorsitzenden aus der Autoindustrie den Durchbruch bringen. Dort könnte eine Förderung beim Kauf von Autos beschlossen werden, die maximal 140 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer ausstoßen. Das liegt weit über dem EU-Flottengrenzwert von 95 Gramm und entspricht in etwa den durchschnittlichen CO2-Emissionen von Autos aus dem Jahr 2012. Die Absatzhilfe würde das Erreichen der Klimaziele für das Jahr 2030 zusätzlich gefährden. Die Gesamtfördersumme von 2,5 Milliarden Euro würde bis Jahresende nach dem Windhundprinzip vergeben: Anträge werden so lange bewilligt, bis der Topf leer ist. Im Gespräch ist auch ein Zuschuss von bis zu 4000 Euro beim Kauf eines Neufahrzeugs, wobei Regierung und Hersteller die Verkaufsstütze je zur Hälfte zahlen sollen. Noch leisten Umweltministerin Svenja Schulze und Finanzminister Olaf Scholz (beide SPD) Widerstand…“ Beitrag vom 22.05.2020 beim Spiegel online externer Link
  • Autolobby: Die Abwrackprämie kommt nun doch
    Offenbar hat sich die Autoindustrie durchgesetzt: Eine neue Kaufprämie soll den Absatz nach der Krise ankurbeln. Ein Sieg beharrlicher Lobbyarbeit, den die Opposition scharf kritisiert. Die Autolobby hat sich einmal mehr durchgesetzt. Offenbar soll es nun doch Kaufprämien für Autos geben, um die Branche nach der Corona-Pandemie wieder in Schwung zu bringen. Das sickerte am Freitag aus Teilnehmerkreisen durch. (…) Für die Experten des gemeinnützigen Vereins Lobbycontrol ist das mutmaßliche Ergebnis des Autogipfels keine Überraschung. Sie kritisieren schon lange den „exklusiven Zugang“, den gerade Vertreter der Autobranche zur Bundesregierung haben. Lobbycontrol-Sprecher Timo Lange wertet das mutmaßliche Ergebnis der Verhandlungen als „einseitig“ zugunsten der Autobranche. Der Grund dafür ist einfach: Man kennt sich. Präsidentin des VDA ist seit Februar die frühere CDU-Politikerin Hildegard Müller. Sie war von 2005 bis 2007 Staatsministerin im Bundeskanzleramt und galt als enge Vertraute von Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Es gibt gerade in der Autobranche einen hohen Grad personeller Verflechtung mit der Bundesregierung“, sagt Timo Lange. So sei der Leiter der Hauptstadtrepräsentanz von VW ein früherer Büroleiter von Angela Merkel in der CDU-Zentrale. Der Leiter der Abteilung Politik und Außenbeziehungen der Daimler AG wiederum ist Eckart von Klaeden, der ebenfalls mal Staatsminister im Bundeskanzleramt von Angela Merkel war. Diese Personalien sind bekannt. Und es sind im politischen Berlin spektakuläre Einzelfälle. Der größte Teil der Lobbyarbeit geschieht im Verborgenen – durch Interessenvertreter, deren Namen in der Öffentlichkeit kaum jemand kennt. Geschätzt wird, dass es 5000 bis 6000 sind, die allein in Berlin arbeiten. Genau kann man das nicht sagen, weil es in der Bundesrepublik – anders als auf EU-Ebene – kein Lobbyregister gibt…“ Artikel von Christine Dankbar vom 22.5.2020 in der Berliner Zeitung online externer Link
  • [Betriebsräte für Strukturwandel] Wir müssen mehr ändern als den Antriebsstrang – Beschäftigung sichern durch Strukturwandel statt Konsumstrohfeuer
    “Die aktuelle Diskussion um eine Autoprämie darf keine Wiederholung der Abwrackprämie bringen. Das trifft nicht den Kern der Sache. Die Automobilindustrie wird weder allein durch eine Prämie für Elektroautos noch für Hybride, und in keinem Fall durch eine Prämie für fossile Autos gerettet. Wir müssen deutlich mehr ändern als die Technologie am Antriebsstrang! (…) Die Autobranche braucht Ideen, die ihre Vielfalt und die verschiedenen Standbeine der Mobilität widerspiegeln. Die Autobranche ist vielfältig. Die Hersteller wie VW, Daimler, Audi und BMW sind in einer gänzlich anderen Situation als kleine Zulieferbetriebe.  Das reicht von der Eigenkapitaldecke bis hin zur Tarifbindung. Wer die Transformation einleiten will, darf deshalb nicht nur über ein Instrument reden, sondern muss das Ziel der Transformation der gesamten Branche im Auge haben. Die Zulieferer leiden seit Jahren unter dem großen Kostendruck der Hersteller. Manche haben sich aufgrund der großen Dominanz der Automobilindustrie aus dem Zulieferergeschäft zurückgezogen. Trotzdem haben viele auch unter schwierigen Bedingungen Produkte für veränderte Gegebenheiten entwickelt. Große Zulieferer wie Schaeffler mit dem elektromechanischen Nockenwellenversteller, der sowohl im Verbrenner als auch im Hybridauto einsetzbar ist oder ZF Friedrichshafen mit dem Drehmomentwandler für Verbrenner und Hybridantriebe, sowie Produkten für batterieelektrisch angetriebene Fahrzeuge. Andere Zulieferer haben seit jeher mehrere Standbeine. Beispielhaft hierfür steht der Standort von Kennametal im Landkreis Forchheim mit 500 MitarbeiterInnen, die neben der Autoindustrie auch Werkzeuge an die Frackingindustrie, aber auch an die Kakaoindustrie, Luft- und Raumfahrttechnik und die Busindustrie liefert und ebenso Schneidkörper für Wälzlager für Windkraftwerke produziert. (…) Die Krise der Autoindustrie ist keine Corona-Krise. Der Fehler liegt im System. Alte Instrumente wie die Autoprämie verlängern das Leiden, die Sicherung von Standorten und Beschäftigung wird jedoch nur mit einem Maßnahmenpaket gelingen, das Innovation und Transformation fördert! Denken wir die Autoindustrie endlich mutig als Mobilitätsindustrie. Viele Zulieferer tun dies bereits. Die Industriesparte der Schaeffler AG beispielsweise liefert in den Bereichen Energiegewinnung, über Fahrrädern und Bahn bis zu Automatisierungstechnik zu. Dabei geht es neben der Weiterentwicklung des Automobils an sich auch um neue Produkte und Dienstleistungen vom Lastenfahrrad bis zum Carsharing und von der Ladesäulenproduktion bis hin zur Softwareentwicklung. Die intelligente Vernetzung von Mobilitäts- und Energiewende ist dabei Bedingung fürs Gelingen! So wird beispielsweise nur durch die flächendeckende Bereitstellung von sauberem Strom eine CO2-neutrale Produktion von Stahl realisiert auf die Autohersteller, ebenso wie Windkraftanlagenbetreiber angewiesen sind, wenn sie klimaneutrale Herstellprozesse nachweisen müssen. Unterstützen wir also die Zulieferer, indem wird die Energiewende stärken und neue Synergien schaffen. Die Zukunftsfähigkeit der Branche hängt an ihrer Innovationskraft. Das größte Kapital sind die Menschen und ihre Know-How!  Diese Kompetenzen reichen von den Montagen und Fertigungen bis in die Büros. Zusammen mit den Beschäftigten muss nun überlegt werden, welche zukunftsfähigen Produkte mit den vorhandenen Kompetenzen, auch jenseits des Automobils entwickelt und produziert werden können. Das ist eine sehr grundsätzliche Arbeit, weil es schwer fällt nach vielen Jahren Neues zu denken, aber die Produktionsumstellungen der letzten Wochen (Herstellung von Schutzmasken) sind ein gutes Beispiel dafür, dass es geht. Der weitere Kompetenzaufbau durch Qualifizierung und Qualifizierungszeiten ist dabei gerade auch vor dem Hintergrund der Digitalisierung, die in den letzten Wochen einen ungeheuren Schub erlebt hat, für alle Beschäftigtengruppen vom Un- und Angelernten bis hin zum Hochschulabsolventen dringend nötig! Die Corona-Krise darf nicht als Ausrede genutzt werden, Sparpakete und Entlassungen zu rechtfertigen…“ Erklärung von Stephan Krull u.a. vom 05.05.2020 im Blog „Das Richtige im Falschen“ externer Link – siehe das Vorwort zur Erklärung: „Zusammen mit Lisa Badum, klimapolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, und Anderen habe ich eine Stellungnahme zu der geforderten „Abwrackprämie 2.0“ entwickelt und auf Alternativen dazu hingewiesen. Mit dabei sind der Konzernbetriebsratsvorsitzenden der Schaeffler AG, Norbert Lenhardt, und der Betriebsratsvorsitzende der ZF Friedrichshafen AG, Schweinfurt und Vorsitzende des europäischen Betriebsrats, Oliver Moll sowie der Betriebsratsvorsitzenden von Kennametall am Standort Ebermannstadt, Thomas Bauernschmitt. Die drei Kollegen repräsentieren allein im fränkischen Raum rund 30.000 Beschäftigte! Die Transformation der Automobilindustrie hat längst begonnen und die Pandemie kann nicht der Anlass sein, das Rad zurückzudrehen, sondern eher im Gegenteil Beschäftigung und Standorte durch Innovation und Investition in Produkte für eine nachhaltige Zukunft zu sichern!“
  • Highway to Hell – erneute Subventionen für die Autoindustrie
    Lasse nie eine Krise ungenutzt – in dieser Hinsicht können wir von der Autoindustrie einiges lernen. Heute, am 5. Mai, fand wieder einmal ein „Autogipfel“ der führenden Konzernlenker und Autolobbyisten mit der Bundeskanzlerin statt. Gegenstand der Besprechung: Weitere Subventionen in Milliardenhöhe für die deutsche „Schlüsselindustrie“. Wiederaufgeführt wird ein Schauspiel, das wir schon in der letzten globalen Finanz- und Wirtschaftskrise erleben konnten, als die „Abwrackprämie“ eingeführt wurde. Freilich klingt das Wort, das die Gesellschaft für deutsche Sprache zum Wort des Jahres 2009 gewählt hat, nicht schön – man spricht jetzt lieber von „Kaufprämie“ oder „Innovationsprämie” und lenkt so von dem Zusammenhang ab, dass mit der staatlichen Förderung der Autokäufe auch die Verschrottung gegenwärtig noch in Betrieb befindlicher, funktionstüchtiger Fahrzeuge einhergeht. Denn schon dieser Zusammenhang weckt Zweifel an einem der Begründungsmuster für die Subventionen: Angeblich sollen diese der Umwelt dienen. Die neuen Autos seien ja so viel umweltverträglicher als die alten. Auch das ist nichts Neues: Die Abwrackprämie von 2009 hieß regierungsamtlich „Umweltprämie“. Wenn eine auf ununterbrochene Kapitalverwertung getrimmte Wirtschaft in die Krise gerät, führt das immer zu gravierenden Problemen: Unternehmen geraten in Zahlungsschwierigkeiten und gehen bankrott, Massen von Menschen werden erwerbslos. So auch diesmal. Dass wieder eine der für den Kapitalismus charakteristischen zyklischen Krisen naht, zeichnete sich bereits im vergangenen Jahr ab. Verstärkt wurde die einsetzende Krise nun durch die Covid19-Pandemie und die dadurch erzwungene temporäre Stilllegung von Teilen der Produktion. Dennoch fragen sich viele, warum nun ausgerechnet für die Autoindustrie wieder besondere staatliche Subventionen beschlossen werden müssen. (…) Dass trotz der Milliardengewinne der Autohersteller neue Subventionen für die Autoindustrie fällig sind, darin sind sich wiedermal fast alle einig. Kritik kommt von liberalen Ökonomen, die ordnungspolitische Prinzipien in Gefahr sehen, und von Vertretern anderer Branchen wie der Möbelindustrie oder dem Maschinenbau, für die keine entsprechenden Sonderprogramme absehbar sind. Abgesehen davon ist vor allem die Ausgestaltung der Subventionen umstritten. Die Autohersteller wollen Kaufprämien für alle Fahrzeugklassen und Antriebsarten. Die Grünen und einige Umweltverbände wollen nur Elektroautos fördern. Würde die Förderung auf Elektroautos beschränkt, so wäre der konjunkturelle Effekt der Maßnahmen sowohl auf der Branchenebene als auch auf der gesamtwirtschaftlichen Ebene vermutlich gering, weil die deutsche Autoindustrie bisher kaum Elektroautos im Angebot hat; die Produktionskapazitäten sind hier gering. Zudem handelt es sich vorwiegend um hochpreisige Modelle, die Kaufprämie würde also vor allem Haushalten mit hohen Einkommen zugutekommen. Werden umgekehrt auch Autos mit Verbrennungsmotor bezuschusst, so ist die Wirkung strukturkonservativ und ökologisch besonders desaströs. Die Ministerpräsidenten von Bayern (CSU), Baden-Württemberg (Grüne) und Niedersachsen (SPD) haben am 4. Mai einen gemeinsamen Vorschlag vorgelegt, der Aspekte der Forderungen der Autohersteller und der Grünen kombiniert, indem er eine geringfügig nach Antriebsart differenzierte Förderung vorsieht: Käufe von E-Autos und Hybridautos sollten mit 4000 Euro zusätzlich zu der schon bestehenden Kaufprämie gefördert werden, Käufe von neuen Fahrzeugen mit Diesel- oder Benzinmotor mit 3000 Euro, und die Stilllegung alter Fahrzeuge mit 1000 Euro. In dem heutigen Gespräch mit der Bundeskanzlerin wurde zwar Konsens über die Notwendigkeit „konjunkturbelebender Maßnahmen“ erzielt, doch wie diese ausgestaltet werden sollen, ist weiterhin offen. Eine Arbeitsgruppe der beteiligten Akteure (Bundesregierung, Autohersteller, VDA und IG Metall) soll nun bis Anfang Juni entsprechende Vorschläge erarbeiten, wie damit zugleich ein „Modernisierungsbeitrag in Richtung innovativer Fahrzeugtechnologien“ geleistet werden kann, wie es in der Pressemitteilung des Bundeskanzleramtes heißt…“ Artikel von Philipp Köncke und Thomas Sablowski vom Mai 2020 in der Zeitschrift LuXemburg – Gesellschaftsanalyse und linke Praxis externer Link

    • Darin auch: „… Bedauerlich ist, dass sich auch die IG Metall wieder vor den Karren der Autokonzerne spannen lässt und offenbar in der Subventionierung der Autoindustrie auf Kosten der Steuerzahler einen Weg sieht, die Interessen der lohnabhängig Beschäftigten zu verteidigen. In den Stellungnahmen der Gewerkschafter gibt es allerdings durchaus Nuancen. Die einen, wie etwa Bernd Osterloh, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats bei Volkswagen, oder Roman Zitzelsberger, Bezirksleiter der IG Metall in Baden-Württemberg, liegen mehr oder weniger auf der Linie der Autokonzerne und fordern Zuschüsse auch für Verbrennungsmotoren und für alle Fahrzeugklassen, andere wie IGM-Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban oder Johann Horn, der IGM-Bezirksleiter in Bayern, plädieren für eine stärker sozialökologische Ausgestaltung der Subventionen, was auch immer das konkret heißen mag. Einige Betriebsräte aus Zulieferbetrieben in Franken haben zurecht darauf hingewiesen, dass es bei einer sozialökologischen Transformation der Autoindustrie um mehr geht als nur um die Veränderung des Antriebsstrangs. Kaum jemand stellt sich allerdings grundsätzlich gegen Subventionen für die Autoindustrie…“
  • Kaufprämie oder Dividende: BMW, Daimler und VW müssen sich entscheiden
    “Wenn die Bundeskanzlerin am Dienstag die Autoindustrie zum Gespräch lädt, dann ist der Tenor gesetzt. Sechs Wochen stand die Branche still, kein Auto wurde verkauft. Zehntausende Beschäftigte sind in Kurzarbeit, Hunderte Zulieferer kämpfen um die Existenz.  Zwar fahren BMW und Daimler, Volkswagen und Ford ihre Produktion wieder an, doch die Vorzeichen sind schlecht. Die Erwartungen an Aufträge und Export sind abgestürzt, meldete das Ifo-Institut am Montag. Noch nie war die Lage so düster. Die Branche trommelt für ein ganz spezielles Anliegen externer Link. „Wir wären für eine Kaufprämie“, sagt Daimler-Chef Ola Källenius. VWBoss Herbert Diess meint, die Prämie solle „unabhängig von der Antriebsart für das gesamte Produktangebot“ ausgelobt werden, damit auch Diesel- und Benzinmotoren genügend Abnehmer fänden. (…) Anders als 2009 befinden sich zumindest die drei großen Konzerne auch nicht in einer finanziellen Notlage. Volkswagen verfügt über rund 25 Milliarden Euro an liquiden Mitteln, Daimler über 18 Milliarden und BMW über mindestens zwölf Milliarden. Mehrere Zehntausend Beschäftigte erhalten von der Bundesagentur für Arbeit Kurzarbeitergeld. Selbst wenn kein Auto verkauft würde, wäre man bis weit in den Herbst noch flüssig. Wer auf so viel Geld sitzt, sollte den Markt eigentlich selbst anschieben können. Doch die Konzerne schütten lieber aus: BMW will für das abgelaufene Geschäftsjahr 1,64 Milliarden Euro an seine Aktionäre zahlen, die Hälfte der Summe geht an die Familien Quandt und Klatten. VW und Daimler halten ebenfalls an den Ausschüttungen fest. Es ist noch nicht zu spät, die Dinge zu korrigieren. Sollte sich die Politik durchringen, eine neue Kaufprämie auszuloben, dann nur gegen die Zusicherung, Dividenden mindestens zu kappen. Denn auch das ist anders in dieser Krise: Die Menschen sind sensibler geworden für Fragen von Solidarität und Gerechtigkeit. Politik und Autoindustrie sollten dieses Empfinden ernst nehmen.“ Artikel von Markus Fasse vom 05.05.2020 beim Handelsblatt online externer Link
  • Kundgebung gegen den „Autogipfel“ am 05. Mai in Berlin: Keine Rettungsgelder für die Autoindustrie! #Abfuckprämie
    „… Am kommenden Dienstag, den 5. Mai, werden sich hochrangige Vertreter*innen der Autoindustrie mit Kanzlerin Angela Merkel zum „Autogipfel“ treffen. Dort sollen staatliche Hilfspakete für die Industrie besprochen werden – besonders die seit einigen Wochen diskutierte neue Abwrackprämie steht dabei im Mittelpunkt. Mit dieser soll durch Zuschüsse auf den Kauf von Neuwagen das Geschäft möglichst schnell wieder angekurbelt werden. Umweltministerium, Wissenschaft und Gesellschaft sind zu den Gesprächen übrigens nicht eingeladen. Die Entscheidungen des Autogipfels werden weitreichende Folgen für die Entwicklung der Mobilität und unseren Kampf für eine radikale  Verkehrswende haben. Wir sagen: Öffentliche Hilfsgelder müssen an konkrete Verpflichtungen zu sozial-ökologischen Transformation der Autoindustrie gekoppelt sein! Es darf nicht darum gehen, noch MEHR Autos zu verkaufen – egal mit welchem Antrieb. Stattdessen braucht es einen Rückbau der Autoindustrie und eine Umstellung der restlichen Produktion auf klimafreundliche und gemeinschaftlich nutzbare Verkehrsmittel wie elektrische Busse, Straßenbahnen und Lastenräder. Der Umbau muss demokratisch organisiert, die soziale Absicherung aller Beschäftigten dabei sichergestellt werden. Neben dezentralen Aktionen in verschiedenen Städten wollen wir an diesem Tag auch vor Ort in Berlin präsent sein. Wir werden deutlich zeigen, dass wir ein Fortschreiben der Klüngelei zwischen Politik und Autoindustrie auf keinen Fall hinnehmen!…“ Aus dem Aufruf von Sand im Getriebe, Interventionistische Linke Berlin und Potsdam Autofrei zur Kundgebung um 9:30 auf dem Platz der Republik (vor dem Reichstag), siehe dazu auch:

    • Autogipfel: Mobilitätsinitiativen fordern Umbau der Autoindustrie – SUVs zu Straßenbahnen!
      Zehn Organisationen und Mobilitätsinitiativen fordern Umbau der Autoindustrie statt Abwrackprämien und Lockerung von Umweltauflagen. Zum morgigen „Autogipfel“ mit Bundeskanzlerin Angela Merkel fordern zehn Umweltorganisationen und Verkehrswende-Bündnisse eine grundlegende Wende in der Verkehrspolitik. Die Organisationen lehnen die Pläne für eine neue Pkw-Abwrackprämie und die Lockerung von Umweltauflagen entschieden ab. Stattdessen fordern sie ein umfassendes Programm für einen klimagerechten Umbau des Verkehrssektors: Mögliche Corona-Hilfen für die Autoindustrie sind an strikte sozial-ökologische Vorgaben zu knüpfen. Um die Klimaziele von Paris zu erreichen, muss der motorisierte Individualverkehr als großer CO2-Emmitent stark zurückgefahren werden. Stattdessen sind Fuß-, Rad und öffentlicher Verkehr massiv zu fördern…“ Gemeinsame Pressemitteilung bei Robin Wood externer Link von Attac Deutschland, ROBIN WOOD, BUNDjugend, Sand im Getriebe, Autofrei leben, AnStifter e. V., Klima- und Umweltbündnis Stuttgart, VCD Kreisverband Stuttgart e. V., Naturfreunde Stuttgart, BI Neckartor Stuttgart
  • Sand im Getriebe zum #NetzStreikFürsKlima: Verkehrswende statt Abwrackprämie – Autoindustrie jetzt radikal umbauen!
    “… Zuletzt wurden in Politik und Automobilbranche vermehrt Stimmen laut, welche staatliche Hilfe und eine Kaufprämien für Neufahrzeuge fordern. Um eine solche Abwrackprämie voranzubringen, soll nach übereinstimmenden Medienberichten am 5. Mai ein Autogipfel mit Kanzlerin Merkel stattfinden. „Während Autokonzerne staatliche Hilfen fordern, zahlen sie weiterhin Dividenden in Milliardenhöhe an die eigenen Aktionäre aus. Gleichzeitig unterläuft eine solche Prämie alle Bestrebungen hin zu einer klimagerechten Verkehrswende.“, kritisiert Marie Klee, Sprecherin des Bündnisses. Sand im Getriebe lehnt alle Pläne einer neuen Abwrackprämie für PKW entschieden ab und fordert stattdessen ein umfassendes Programm für einen sozial-ökologischen Umbau des Verkehrssektors und der Automobilindustrie. Das bedeute konkret eine Umstellung der Produktion auf saubere und gemeinschaftlich genutzte Verkehrsmittel wie E-Busse oder Lastenräder, verbunden mit einer demokratischen Ausgestaltung des Wandels und der sozialen Absicherung von Beschäftigten. „Auch während Corona die Schlagzeilen bestimmt, stellt die Klimakrise weiterhin eine reale Bedrohung der Lebensgrundlagen dar. Die Autoindustrie hat daran einen großen Anteil, weshalb es keine Rückkehr zum ‚business as usual‘ geben darf.“ erläutert Marie Klee. „Staatliche Hilfspakete müssen zwingend mit der Verpflichtung zu einer sozial-ökologischen Transformation einhergehen.“ (…) Gerade in dieser schwierigen Situation sollten Hilfeleistungen zukunftsgerichtet vergeben werden: Für einen ökologisch nachhaltigen Umbau der Industrien, Investitionen in den Gesundheits- und Care-Bereich sowie für eine umfassenden Grundsicherung für die vielen existenziell durch die Krise betroffenen Menschen! Ein reines Rettungspaket für den Status-Quo einer klimafeindlichen und veralteten Branche gehört nicht dazu.“ …“ Pressemitteilung vom 24.04.2020 bei Sand im Getriebe! externer Link
  • [Petition] Kein Steuergeld für Spritschlucker
    “Die Regierung pumpt in der Corona-Krise Rettungsgelder in Milliardenhöhe in die deutsche Wirtschaft – doch das reicht der Autoindustrie nicht. Sie will die unsinnige Abwrackprämie neu auflegen: Der Staat soll Autokäufe mit mehreren Tausend Euro bezuschussen. Schon am Dienstag entscheidet sich beim Autogipfel im Kanzleramt, ob die Autolobby mit ihrer Forderung durchkommt – und damit noch mehr Klimakiller auf Deutschlands Straßen landen. Wenn wir jetzt schnell sind, können wir die GroKo von Extra-Geschenken für die Autoindustrie abbringen…“ Petition zu „Abwrackprämie 2.0“ bei Campact externer Link

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Siehe zum Hintergrund im LabourNet Germany:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=170633
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