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Muhammad Ali ist tot. Warum ein Altlinker trauert
Es gibt genügend Menschen, die finden Boxen brutal. Als jemand, der selbst gerade mal sieben Kämpfe im Jugendbereich bestritten hat, kann ich das nicht finden. Es ist oft genug ein symbolischer gesellschaftlicher Showdown: Als Joe Louis gegen Max Schmeling kämpfte – davon gibt es eine Reportage von Radio France International. Der Reporter hieß Ho Chi Minh. Kein bisschen unparteiisch, sondern total antiarisch. Es war dasselbe, wie rund 40 Jahre später Ali gegen Foreman, der „Rumble in the jungle“ in Kinshasa, die größte Fernsehübertragung bis dahin: Milliardenpublikum, 1974 (…) Das alles ist Ali, der jetzt gestorben ist. Ali, der nicht gegen „Vietcong“ kämpfen wollte. Warum auch? Ali, der „Black is beautiful“ weltweit bekannt machte. Ali, der schuld an tausend Verletzungen war: Wer den Ali-shuffle versuchte nachzuahmen, war gefährdet. Drei Ehen, neun Kinder, kein Heiliger – Gott sei Dank. Und nein, Kriegsherr Obama darf das nicht sagen, aber ich und unendlich viele Andere rund um die Welt schon: „Rest in Peace, Champ. Nachruf von Helmut Weiss (LabourNet Germany) vom 8.6.2016
Muhammad Ali ist tot. Warum ein Altlinker trauert
Schon beim ersten Mal, beim KO-Sieg gegen Sonny Liston, jenen Weltmeister, der sich früher engagieren ließ, um Streikposten die Beine zu brechen, war es eindeutig: „Du bist hässlich“. Danach: Der Weg zum Größten. Bis zur Kriegsdienstverweigerung.
Sie hatten versucht, ihn klein zu kriegen: 5 Jahre Gefängnis – nur auf Kaution frei. Boxverbot, auch im Ausland, weil sie ihm sogar den Pass abgenommen hatten. Ungebrochen.
Und dann, mit schon 32 Jahren gegen einen viel Jüngeren, den Stärksten von allen, treuer US Bürger, 40 Kämpfe, 40 Siege, 37 KO. George Foreman. Bizepse wie Oberschenkel, ein Volltreffer und Du hast erst mal keine Sorgen mehr.
Der Anfang, die erste Minute der ersten Runde: Alles wartet darauf, dass Foreman marschiert – und er kassiert stattdessen, einen, zwei, drei: „Du kämpfst gegen den Größten, Mann“. Die ganze Boschsiedlung in Stuttgart–Feuerbach ist wach, und produziert einen kollektiven Aufschrei. Mein Bruder und ich zu Besuch bei unseren Eltern, mitten in der Nacht aufstehen. Wie alle. Ein Aufschrei zu Beginn – und danach das Leiden, gefühlt ewig lange und unvergesslich: Ali macht immer das, wovon der Trainer jedem Anfänger sagt, man solle es keinesfalls machen – in die Ecke gehen. Der US Präsident dürfte frohlockt haben, er hatte gesagt, er wünsche sich, dass Ali bestraft würde. Richard Nixon. Es war immer noch Krieg in Vietnam. Und Indochina. Und was macht Ali? Hängt in den Seilen, weicht aus, wie nur er es konnte – und dirigiert Sprechchöre: „Ali, boma ye“. Foreman, mit seinen vielen KO–Siegen hatte schon lange nicht mehr über viele Runden gekämpft, wurde sichtbar müde, nur die HBO Reporter sahen das nicht, wollten es nicht sehen, redeten davon, dass der „alte Ali“ müde werde. Zuversicht wächst. Müder Foreman, Runde 8 – vier, fünf schnelle Gerade, fällt, aus, vorbei, gewonnen! Nicht nur in den Ghettos der USA haben sie gejubelt und in Vietnam. Auch, unter vielen anderen Orten rund um die Welt, in Stuttgart-Feuerbach, in der Boschsiedlung und bei weitem nicht nur bei uns zuhause.
Er war nicht nur der größte Boxer aller Zeiten (was ist Boxen seitdem? – Dummbeutel Tyson oder, sieben Klassen tiefer, Klitschko?) – er war der größte Sportler, der, wie die Süddeutsche ausnahmsweise zu Recht schreibt, im Gegensatz zu den Herren Beckenbauer oder Messi eben nicht alles unterschrieb, was vorgelegt wurde, und in Interviews was zu sagen hatte. Das Aktuellste: „Haben Sie das schon realisiert? – Natürlich, ich bin doch nicht blöd“. Und viel mehr: Ein Mensch mit Prinzipien. Ja, sie haben ihn – im Unterschied zu manchen anderen – schon vor seinem Tod „aufgenommen“ sogar ein Clinton wagt es, ihn zu lobpreisen, er war mit seiner Krankheit leise geworden, das ändert gar nichts.
Nie vergessen – Louisville, Kentucky: Ein „Niggerboy“ gewinnt mit 18 Jahren 1960 die Goldmedaille bei der Olympiade in Rom. Ist so stolz darauf, dass er sie selbst im Frühstücksraum umhängen hat. Und wirft sie in den Fluss, als er in Louisville, Kentucky nicht im Restaurant bedient wird – weil er eben ein „Nigger“ ist. Prägend. Schlichte Wahrheit: Kein Vietnamese sagte je Nigger zu ihm…
Der eine nennt sich bald Muhammad Ali, der andere Malcolm X. Die Familiennamen, die ihre Ahnen von den Sklavenhaltern übernommen hatten, wollten sie nicht. Die Religion der Sklavenhalter auch nicht.
Das alles ist Ali, der jetzt gestorben ist. Ali, der nicht gegen „Vietcong“ kämpfen wollte. Warum auch? Ali, der „Black is beautiful“ weltweit bekannt machte. Ali, der schuld an tausend Verletzungen war: Wer den Ali-shuffle versuchte nachzuahmen, war gefährdet. Drei Ehen, neun Kinder, kein Heiliger – Gott sei Dank.
Und nein, Kriegsherr Obama darf das nicht sagen, aber ich und unendlich viele Andere rund um die Welt schon: „Rest in Peace, Champ“.
Nachruf von Helmut Weiss (LabourNet Germany) vom 8.6.2016