Allein die Deutschen als Problem – und Frankreich im Widerstand

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 9.5.2016

Und wieder blickt die „Deutsche ökonomische Schule“ – immer noch allein seligmachend – auf das aktuelle „umtriebige“ Frankreich, unfähig zu erkennen, dass allein sie das größte Problem für den Euro sind!

Irgendwie scheinen es die so speziell deutschen Ökonomen in ihrer selbstgenügsamen und dabei auch selbst überheblichen Selbstisolation nicht zu begreifen, dass sie mit ihrer Sichtweise auf die Eurokrise – jetzt auch noch bei Frankreich! – nur die Eurozone – und damit den Euro, von dem gerade Deutschland als Exportnation so viele Vorteile genießt – weiter auf den Abgrund zu zu treiben.

Und in Verkehrung der ökonomischen Umstände behauptet Leo Klimm in der „Süddeutschen“ vom Montag, den 9. Mai 2016, dass das – französische – System (nein, keineswegs der Finanzkapitalismus und die Banken in ihrer „Gier“) den Wandel bremst. Und so – natürlich ohne Fakten für die Zusammenhänge unserer ökonomischen Situation in der Eurozone – stellt Leo Klimm fest, der Kern des Problems einer sogenannten Reform-Malaise – so ganz allein in Frankreich ohne einen Blick auf Europa – ist also die Frage, ob und wie Frankreichs Staat zur Veränderung fähig ist (sic!).
(http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kommentar-es-geht-auch-anders-1.2984344 externer Link)

Dabei sind die Klügeren unter den Wirtschaftsjournalisten doch schon langsam dazu überzugehen, dass es die falsche Konstruktion der Euro-Zone ist, die die Malaise – vor allem in Südeuropa – „unter dem Euro“ verursacht. Eindeutig sehen das weltbekannte Ökonomen, wie z.B. Paul Krugman, so, dass sie schlicht und einfach zu dem Ergebnis gelangen, die Deutschen kapieren es einfach nicht. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/wirtschaftswissenschaften-die-deutschen-kapieren-es-nicht-1.2957953?reduced=true externer Link)

So sei ein wenig aus diesem Inteview mit Paul Krugman zitiert: Auf die Frage, dass zu den Menschen, die er – außer den Republikanern – am meisten beschimpft, Angela Merkel gehört – und was er denn gegen sie habe: „Gar nichts. Ihr Umgang mit den Flüchtlingen ist bewundernswert. Das Problem ist ihre völlig falsche Sparpolitik, die sie Griechenland und den anderen Eurostaaten aufgezwungen hat – und dies hat die Krise erst so zerstörerisch werden lassen. Und mit ihrer intellektuellen Rigidität hat sie jede kreative Lösung der Krise verhindert. Diese Rigidität äußert sich darin,, dass man in Deutschland die Ursachen dieser Misere nie verstanden hat – und dass stets von einer Staatsschuldenkrise die Rede war. (Vgl.dazu auch „…. die Eurokrise war keine Schuldenkrise, sondern einme Bankenkrise, die durch den Steuerzahler „gelöst“ werden musste.“ auf der Seite 3 bei https://www.labournet.de/?p=96809)

Und so hat die Europäische Währungsunion keinerlei Mechanismen, mit den auftretenden Schwierigkeiten umzugehen.

Ach, diese falsche deutsche Sicht auf die Eurokrise kann man inzwischen noch mit dem Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz ergänzen: „Wenn dann muss Deutschland den Euro verlassen“ (http://www.fr-online.de/wirtschaft/europaeische-union–dann-muss-deutschland-den-euro-verlassen–,1472780,34193020.html externer Link).

Europa muss die Eurozone reformieren – denn das macht sie nicht schnell genug. Und die Politik muss auch die Art der Reformen ändern. Europa erlebt – selbstverschuldet – ein verlorense Jahrzehnt, aus dem eine verlorene Ära von einem ganzen Vierteljahrhundert zu werden droht…. Das liegt an dem einseitigen Fokus auf Austerität oder Kürzungen im Staatshaushalt. Wenn ich einen Grund für für die europäische Misere benennen sollte, würde ich diesen benennen. (Vgl. auch die Veranstaltung der Hans-Böckler-Stiftung mit Joseph Stiglitz in Brüssel: http://www.boeckler.de/veranstaltung_64534.htm externer Link)

Es kommen aber weitere Gründe hinzu. So haben es die Euro-Staaten versäumt eine Bankenunion zu schaffen… Und letztlich zahlen – mit diesen falschen Politikansätzen – die Gläubiger wie Deutschland einen hohern Preis für ihre eigenen Fehler.

Aber es gilt jetzt nicht das Experiment des Euro zu beenden, sondern die Währungsunion zu stärken. Dafür muss Europa seine Finanzpolitik neu ausrichten, eine echte Bankenunion schaffen und den überschuldeten Ländern die Schulden erlassen. Wenn die Regierungen das nicht hinbekommen, laden sie den Mensche weitere Belastungen auf.

Eine Aufspaltung des Euro wäre keinesfalls der beste, sondern allenfalls der zweitbeste Weg. Aber möglicherweise wird es unvermiedlich sein, wenn die Regierungen nicht die Kraft aufbringen, ihre falsche Politik zu korrigieren. Dann bleibt in der Tat nur noch die Aufspaltung des Euro. Wenn aber ein Land den Euro verlassen soll, dann muss es Deutschland sein. Das wäre ökonomisch am sinnvollsten.

Denn wenn das ökonomisch stärkste Land den Euro verlässt, würde das Übel an den Wurzeln gepackt.

Scheidet Deutschland aus dem Euro aus,würde sein Exportüberschuss verschwinden. Denn die nationale Währung (Deutschlands) würde sofort kräftig aufwerten (wie das in den „goldenen D-Mark-Zeiten“ ständig der Fall war) und den Export drücken. Die Südländer und andere Peripherie-Staaten wachsen dann schneller, weil ihre Währung abgewertet und sie mehr exportieren könnten. Über Nacht gewönnen sie an Wettbewerbsfähigkeit – und könnten so zur Normalität zurückkehren. Das wäre zwar kein gutes Szenario für Deutschland – aber die beste Lösung für Europa! (soweit Joseph Stiglitz)

Mit diesen klaren Aussagen für das „Überleben“ der Eurozone können wir uns wieder den aktuellen Ereignissen in Frankreich zuwenden, das jetzt auch mit einem Lohndumping in die Fußstapfen Deutschland treten will. (Vgl. dazu auch noch einmal die Problematisierung dieser Konstellation durch Christine Lagarde als französische Finanzministerin im Jahre2010 zu Beginn der Krise (http://archiv.labournet.de/diskussion/eu/sopo/lohn_bahl.html)

Frankreich im Widerstand gegen die Arbeitsmarkt-„Reformen“ – Neue Bewegung vor dem Hintergrund einer politischen Bedrohung durch den Front National

(Siehe auch „Der teure Zerfall Europas: „Wer von dem politischen Rechtsdrall in Europa sprechen will, kann von Austeritätspolitik – dem Spardiktat – nicht schweigen!“: https://www.labournet.de/?p=92963)

Oskar Lafontaine, als den Franzosen benachbarter Saarländer, wußte schon, was er ins Auge fasste, als er bei den Hartz-Reformen den deutschen Gewerkschaften den Generalstreik empfehlen wollte. (https://www.labournet.de/politik/gw/kampf/politstreik-d/polstreik_bahl2/) Nur ließ er dabei vollkommen die sehr unterschiedliche Rechtslage („Nipperdeyscher Käfig“ beim Streikrecht in Deutschland) wie auch die jeweiligen daraus entstandenen Traditionen außer Acht – und nun kann man „live“ beobachten, wie solche grundsätzlichen Angriffe auf die Arbeitnehmerschaft in Frankreich aussehen – als europäischen Lernprozess: Jetzt will Hollande – den Schröder nachahmend – es doch noch einmal wissen (siehe dazu auf der Seite 4 unten f. „Frankreichs Hollande gibt jetzt den Schröder – mehr Wettbewerbsfähigkeit durch Lohndumping jetzt aus Frankreich“ bei https://www.labournet.de/?p=93936, sowie das europäische „Korsett“ für dieses Handeln in der Eurozone noch in dem Abschnitt „Gesucht eine Revolution dieser juristischen Revolution in Europa… “ auf der Seite 2 bei https://www.labournet.de/?p=96317 – dort insbesondere auch den Link zu Serge Halimi „Hollande auf dem falschen Pferd“).

Wieder einmal kann ich jeder/jedem, der sich für diesen großen zivilgesellschaftlichen Prozess der Auseinandersetzung um Arbeitnehmerrechte in Frankreich interessiert, vor allem die laufenden Berichte von Bernard aus Paris bei Labournet ans Herz legen (https://www.labournet.de/category/internationales/frankreich/politik-frankreich/politik-arbeitsgesetz_widerstand/) Oder zum Stand der auch sehr vielfältigen Diskussionen in diesem Prozess zum Beispiel auch noch „Edition La Decouverte“: http://www.editionsladecouverte.fr/ externer Link

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=98015
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