Arbeiten trotz Krankheit: Wie verbreitet und wie erzwungen ist der ungesunde Präsentismus?
Dossier
„Im Fokus der aktuellen Ausgabe von „DGB-Index Gute Arbeit Kompakt“ steht der Präsentismus, d.h. die Tatsache, dass viele Beschäftigte auch krank zur Arbeit gehen. Die Umfrage des Jahres 2015 zeigt, dass Präsentismus in Deutschland unter den abhängig Beschäftigten weit vebreitet ist: knapp die Hälfte (47%) der abhängig Beschäftigten in Deutschland gaben an, im vergangenen Jahr mindestens eine Woche trotz Krankheit gearbeitet zu haben. Besonders stark verbreitet ist dies unter Beschäftigten mit einer hohen psychischen Arbeitsbelastung: Arbeitsverdichtung, die Sorge um den Arbeitsplatz und ein schlechtes Betriebsklima tragen offenbar dazu bei, dass Beschäftigte trotz Krankheit arbeiten. Die Vermutung, dass eine hohe Identifikation der Beschäftigten mit ihrer Arbeit ebenfalls zu diesem Verhalten führt, konnte dagegen nicht belegt werden…“ DGB-Kompakt 2/2016
(„Arbeiten trotz Krankheit – Wie verbreitet ist Präsentismus?“). Siehe dazu:
- DGB zum Präsentismus: Es bleibt dabei: Auskurieren statt krank zur Arbeit!
„Die Deutschen arbeiten nicht genug und melden sich ständig krank? So tönt es immer wieder aus neoliberaler und konservativer Ecke sowie von Arbeitgeberseite. Das Gegenteil ist der Fall! Das viel größere Problem ist, dass Beschäftigte sich krank zur Arbeit schleppen. Hier erklärt der DGB-Experte Rolf Schmucker, wie verbreitet das Problem ist und vor allem: warum? Hand aufs Herz: Schon mal krank zur Arbeit gegangen? Das tut nämlich die große Mehrheit der Beschäftigten. Die Nase läuft, der Hals schmerzt – aber bei der Arbeit steht ein wichtiger Termin an oder einfach nur der ganz normale Arbeitsstress. Diese Situation kennen viele Arbeitnehmer*innen. Sie gehen zur Arbeit, obwohl sie eigentlich ins Bett gehören. “Das Phänomen heißt ‚Präsentismus‘”, erklärt Rolf Schmucker, Leiter des DGB-Index Gute Arbeit. Er und sein Team haben mit ihrer Forschung den Präsentismus gründlich untersucht – ihnen liegen Zahlen der letzten zwölf Jahre vor. Präsentismus ist also kein neues Phänomen. “Schon vor der Corona-Pandemie gaben regelmäßig zwei Drittel der Befragten an, auch krank zu arbeiten”, so Schmucker. Während der Pandemie – in den Jahren 2020 und 2021 – gingen die Zahlen dann deutlich zurück. Doch jetzt sind sie wieder auf dem Vor-Pandemie-Niveau angekommen. “Während der Pandemie gab es eine ganz andere Aufmerksamkeit für dieses Thema. Das hat sich leider nicht gehalten”, so Schmucker. In der neuesten Auswertung für 2024 sprechen die Zahlen eine deutliche Sprache: 63 Prozent der Beschäftigten gaben an, auch gearbeitet zu haben, obwohl sie sich ‚richtig krank‘ fühlten. Rund jede*r Fünfte ging weniger als eine Woche krank zur Arbeit. 44 Prozent arbeiteten sogar länger als eine Woche trotz Krankheit. “Die Frage ist ‚warum tun Beschäftigte das‘?”, sagt Schmucker, “Es gibt starke Zusammenhänge zwischen Arbeitsbelastung und Präsentismus”. Kurz: Je größer die Belastung, desto eher wird krank gearbeitet. „Das geschieht aus dem Druck heraus – ‚es ist schon so viel Arbeit, wenn ich ausfalle, wird der Stapel noch höher‘ oder es gibt keine guten Vertretungsregeln“, so Schmucker. Präsentismus ist in mehrfacher Hinsicht problematisch. “Für die Betroffenen selbst bedeutet es, dass sich ihre Krankheit unter Umständen verschlimmert, wenn sie sich nicht schonen. Bei ansteckenden Krankheiten können sie Kolleg*innen anstecken, insgesamt führt das dann zu mehr Fehltagen, als wenn sie gleich im Bett geblieben wären”, erklärt Schmucker. Auch Arbeitgeber profitieren also nicht davon, dass ihre Beschäftigen krank zur Arbeit erscheinen, im Gegenteil. Eine gute Nachricht hat Schmucker auch: Arbeitgeber können eine ganze Menge tun, um Präsentismus einzuschränken. Sie können für gesundheitsgerechte Arbeitsbedingungen und eine achtsame Betriebskultur sorgen. Davon profitieren alle Seiten.“ DGB-Info vom 7. Februar 2025 - Umfrage der Techniker Krankenkasse 2021: Jeder Zweite geht krank zur Arbeit
„Jeder zweite Beschäftigte in Deutschland geht einer Umfrage der Techniker Krankenkasse (TK) zufolge krank zur Arbeit. 51 Prozent der mehr als 11.000 Befragten gaben an, manchmal, häufig oder sehr häufig krank zur Arbeit zu gehen. Vor allem Frauen sind verstärkt von dem Phänomen betroffen, das sich Präsentismus nennt, ebenso gehen Beschäftigte, die mit hohen quantitativen Anforderungen im Arbeitsalltag konfrontiert sind und diejenigen, die regelmäßig Überstunden leisten, häufiger krank zur Arbeit. (…) Dafür wurden in den vergangenen vier Jahren mehr als 11.000 Beschäftigte befragt der Großteil war in Unternehmen tätig. Der Einfluss der Corona-Pandemie wurde nicht berücksichtigt. (…) Diese Zahlen zeigen wie wichtig Aufklärungsarbeit im Hinblick auf die negativen Folgen von Präsentismus ist und bleibt – nicht nur während der Corona-Pandemie oder einer Grippewelle. Organisationen sollten künftig auch stärker auf möglichen Präsentismus im Homeoffice achten. Auch die eingeschränkte Leistungsfähigkeit bei der Arbeit aufgrund von privaten Sorgen könnte als Handlungsfeld an Bedeutung gewinnen. Für einige dieser Zukunftsthemen werden bereits Messinstrumente für künftige Beschäftigtenbefragungen entwickelt…“ Beitrag vom 16. Dezember 2021 beim Gewerkschaftsforumzur TK-Studie vom 10. November 2021
, ähnlich nun der DGB:
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- DGB-Umfrage: Die Hälfte der Beschäftigten geht krank zur Arbeit. Corona-Effekt: Seit Beginn der Pandemie kurieren sich deutlich mehr Beschäftigte konsequent aus als zuvor
„… Eigentlich ist es ganz einfach: Wer krank ist, der soll nicht arbeiten – sondern sich daheim auskurieren. Soweit die Theorie. In der Praxis allerdings wird davon allzu oft abgewichen. Das zeigt jetzt eine aktuelle DGB-Umfrage. Knapp die Hälfte aller in der repräsentativen Studie befragter Kolleginnen und Kollegen (exakt 48 Prozent) gab an, im vorangegangenen Jahr mindestens einmal gearbeitet zu haben, obwohl sie sich richtig krank fühlten. Frauen (53 Prozent) taten dies häufiger als Männer (43 Prozent). Bei knapp einem Drittel (32 Prozent) der Beschäftigten summierten sich die mit Erkrankung geleisteten Arbeitstage binnen einem Jahr sogar auf eine Woche oder mehr. (…) Die Umfrage unter mehr als 6000 Beschäftigten zeigt allerdings auch einen Corona-Effekt: Seit Beginn der Pandemie kurieren sich deutlich mehr Beschäftigte konsequent aus als zuvor. Die Daten weisen einen Rückgang in den Jahren 2020 und 2021 auf, also in den Jahren, in denen die Corona-Pandemie auch die Arbeitswelt im Griff hatte. Die Vermutung liegt nahe, dass der dringende Aufruf, bei Krankheitssymptomen Kontakte zu vermeiden, ein wichtiger Grund für die sinkenden Zahlen war. Dennoch ist Arbeiten trotz Krankheit weiterhin stark verbreitet. (…) Was bringt Beschäftigte aber dazu, krank zu arbeiten und so möglicherweise ihre Genesung und ihre Gesundheit zu gefährden? Die DGB-Daten zeigen einen deutlichen Zusammenhang zu drei Feldern von Arbeitsbedingungen: Arbeiten trotz Krankheit ist immer dann besonders verbreitet, wenn die Betriebskultur problematisch ist, wenn Beschäftigte unter einer hohen Arbeitslast leiden und wenn die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes groß ist. (…) Ein Trugschluss ist es nun allerdings anzunehmen, dass Firmen durch Präsentismus Kosten sparen. Im Gegenteil. Viele Untersuchungen zeigen: Kranke, die arbeiten, verursachen hohe Kosten. Die mit Präsentismus einhergehenden Produktivitätsverluste sind enorm. Je nach Quelle werden die Verluste auf genauso groß beziehungsweise ein Vielfaches der Kosten beziffert, die Unternehmen bzw. der Gesellschaft durch krankheitsbedingte Fehlzeiten entstehen. Beschäftigte, die krank zur Arbeit gehen, sind aber nicht nur nachweislich weniger produktiv. Einer Studie von Arbeitsmedizinern aus dem Jahr 2009 zufolge erhöht sich zudem ihr Risiko, die Krankheit zu verschleppen und später wesentlich länger auszufallen.“ Pressemitteilung der IG Metall vom 25. März 2022(beim DGB nicht gefunden)
- DGB-Umfrage: Die Hälfte der Beschäftigten geht krank zur Arbeit. Corona-Effekt: Seit Beginn der Pandemie kurieren sich deutlich mehr Beschäftigte konsequent aus als zuvor
- Schuften bis zum Umfallen: Immer mehr Menschen schleppen sich krank zur Arbeit
„Menschen sind keine Maschinen. Sie werden auch mal krank, unsichere Lohnarbeits- und daraus folgende prekäre Lebensverhältnisse tragen ihren Teil dazu bei. Das weiß auch die Denkfabrik der Bundesagentur für Arbeit (BA), das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Dieses sorgt sich deshalb um die Wirtschaft, nicht nur wegen der hohen Zahl der Krankschreibungen. In einer neuen Auswertung beklagt das IAB nun, dass immer mehr Menschen krank zur Arbeit gingen. (…) Erwiesen sei, so die IAB-Autoren, dass »Präsentismus« am häufigsten bei Beschäftigten auftrete, die fürchten müssen, ihren Job zu verlieren. Und: Wer mit seinem Arbeitsplatz besonders unzufrieden ist, schleppe sich häufiger mit Grippe, Rückenproblemen, schwerer Depression und anderen Leiden dorthin. Aus der Gruppe letzterer gaben 80 Prozent an, dies regelmäßig so zu handhaben. Damit sei »Präsentismus in Deutschland mindestens genauso stark verbreitet wie krankheitsbedingte Abwesenheit«, konstatieren die Forscher. Unternehmen müssten mehr dagegen tun, fordern sie, zum Beispiel Vertretungen angemessen regeln und auf in manchen Firmen übliche Boni für Mitarbeiter, die sich das ganze Jahr nicht krank gemeldet hätten, verzichten. Doch das alleine reiche nicht. »Vielmehr ist im öffentlichen Bewusstsein ein generelles Umdenken nötig: Krankheitsbedingte Abwesenheit vom Arbeitsplatz darf nicht stigmatisiert und mit einer verminderten Leistungsfähigkeit gleichgesetzt werden«, so die IAB-Experten. Mit anderen Worten: Der Leistungsdrill, den auch die BA als IAB-Oberinstanz mit ihren erwerbslosen Klienten betreibt, ist kontraproduktiv.“ Artikel von Susan Bonath in der jungen Welt vom 30. Januar 2020– das Wichtigste bleiben aber: Personalreserven!
- Neue DGB-Studie: Krank zur Arbeit schleppen ist „in“
„Zwei Drittel der Arbeitnehmer sind im vergangenen Jahr zur Arbeit gegangen, obwohl sie krank waren. Das Robert-Koch-Institut warnt vor diesem Verhalten. Aktuell ist Grippesaison und deshalb gehen einige hunderttausend Arbeitnehmer in diesen Tagen zum Arzt, um sich krankschreiben zu lassen. Allerdings zeigt eine neue Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes, dass immer mehr Menschen trotz Krankheit doch zur Arbeit gehen. Demnach erschienen im vergangenen Jahr in Deutschland gut zwei von drei Arbeitnehmern krank bei der Arbeit. Jeder Dritte gab an, zwei Wochen oder noch länger krank zur Arbeit gegangen zu sein. (…) Vernünftig ist das nicht, sagt zum Beispiel das Robert-Koch-Institut. Wer erkältet ist, sollte direkt wenigstens ein paar Tage zu Hause bleiben, um sich auszuruhen. Dadurch sind Arbeitnehmer schneller wieder gesund, und sie stecken auch keine anderen Kollegen an. Denn die Infektionsgefahr ist gerade in den ersten beiden Tagen einer Erkältung am Größten. Abgesehen davon sind Kranke auch nicht so fit und aufnahmefähig. Es können Fehler bei der Arbeit passieren, und die können den Arbeitgeber deutlich mehr Geld kosten, als wenn der Mitarbeiter zwei oder drei Tage zu Hause bleibt…“ SWR-Beitrag vom 15.02.2018
, siehe dazu den DGB:
- „Präsentismus“: Zwei Drittel gehen auch krank zur Arbeit
„Mehr als zwei Drittel der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (67 Prozent) gehen trotz Krankheit zur Arbeit. Das zeigen aktuelle Zahlen aus einer repräsentativen Befragung des „DGB-Index Gute Arbeit“. Fast jeder zweite geht sogar eine Woche oder mehr pro Jahr krank arbeiten…“ DGB-Meldung vom 15.02.2018
- „Präsentismus“: Zwei Drittel gehen auch krank zur Arbeit
- Krank ins Büro ist ungesund
„… Immer mehr Krankentage verzeichnen die Betriebe von Jahr zu Jahr. Bis zu vier Erkältungen pro Jahr sind bei jedem Erwachsenen ganz normal. Im Schnitt verursachen Erkältungen oder grippale Infekte pro Beschäftigen und Jahr fünf bis zehn Fehltage. Aber nicht jeder bleibt gleich zuhause. Viele Arbeitnehmer schleppen sich krank ins Büro – obwohl sie hochansteckend sind. Gerade Großraumbüros entwickeln sich zu Virenschleudern. Präsentismus heißt das Phänomen, wenn Beschäftigte krank im Büro erscheinen. (…) Dass Betriebe wie Daimler ihren Mitarbeitern eine jährliche Gesundheitsprämie zahlen, wenn sie sich keinen Tag krank gemeldet haben, verschärft das Dilemma des Präsentismus eher noch. Dabei ist eigentlich offenkundig: Wer sich ein oder zwei Tage auskuriert, kann danach wieder richtig durchstarten und ist viel leistungsfähiger, als wenn er sich tagelang mit Schniefnase ins Büro quält…“ Beitrag beim Betriebsratsinfo des Bund-Verlags vom 21. Januar 2018 - Mit Anwesenheitsboni gegen den Krankenstand: Unternehmerischer Einsatz für einen gerechten Lohn für ein gerechtes Tagewerk
„… Seit Anfang des Jahres können Arbeitskräfte bei Daimler und Amazon ihren Lohn aufbessern, wenn sie sich selten bzw. überhaupt nicht krankmelden; wer nur wenige Krankheitstage über das Jahr zusammenbringt, dem stellen die Arbeitgeber Bonuszahlungen in Aussicht. Die progressive Geschäftsmaßnahme der Unternehmen nimmt die Öffentlichkeit hinsichtlich ihrer (zu erwartenden) Wirkungen mit fachkundigen Bedenken zur Kenntnis und findet sie mehrheitlich etwas anrüchig, kennt aber einen respektablen Grund, weshalb sie dann doch in Ordnung geht: „‚Wer Angst um seinen Job hat, schleppt sich gelegentlich auch mal mit einer Erkältung ins Büro‘, sagt Dennis Nowak, Arbeitsmediziner an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Präsentismus nennen es die Ärzte, wenn Arbeitnehmer trotz Krankheit ins Büro gehen. Dass der Stuttgarter Autobauer Daimler kürzlich ankündigte, seinen Mitarbeitern einen Bonus zu bezahlen, wenn sie gar nicht oder nur selten krank sind, sei ein fatales Signal, sagt Nowak. Insgesamt ist der volkswirtschaftliche Schaden durch kranke Angestellte aber erheblich. (…) Wenn sie den Krankenstand an ihrem Ideal einer nimmerkranken Arbeiterschaft misst, auf die Deutschlands Unternehmerschaft Anspruch hat, kommt ihr die fiktive volkswirtschaftliche Verlustrechnung der Bundesanstalt mit ihren großen Zahlen gerade recht – sie bebildert damit sich und ihrer Leserschaft die Dimension ‚unseres Problems‘ mit kränklichen Arbeitnehmern, an dem sich zuvor zitierte Bedenken gegen fragwürdige Geschäftsmaßnahmen gründlich relativieren. Der unternehmerische Standpunkt, der so zum Gemeinwohl der deutschen Volkswirtschaft geadelt wird, steht ganz in der Tradition jenes ehernen Grundsatzes der Lohnarbeit, wonach Unternehmer Geld für Arbeit bezahlen und damit das Recht auf ihre geldwerten Leistungen erwerben; ein Rechtsverhältnis, dem alle persönlichen und sachlichen Notwendigkeiten der Arbeitskraft, über die so verfügt wird, äußerlich sind; ein Verhältnis also, kraft dessen Unternehmer gegen die Notwendigkeiten und Bedürfnisse der Arbeitskräfte, die darin ihre Einkommensquelle haben, ihren Anspruch auf deren ausgiebige Betätigung geltend machen, sie also großzügig für ihren Gewinn verschleißen…“ Beitrag aus der Zeitschrift Gegenstandpunkt 4-17 - [Präsentismus] Krank zur Arbeit: Warum Sie das nicht tun sollten
„Ob aus Pflichtgefühl oder aus Angst: Trotz Krankheit zu arbeiten ist ein Massenphänomen. Damit schaden sich die Betroffenen mehr, als sie denken. Und selbst die Arbeitgeber haben nichts davon. Millionen Menschen in Deutschland tun es. Sie gehen krank zur Arbeit. Eine repräsentative Befragung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zeigt: Zwei Drittel aller abhängig Beschäftigten sind 2015 mindestens einmal krank im Betrieb erschienen. Fast die Hälfte hat sich sogar eine Woche oder länger zur Arbeit geschleppt, obwohl sie sich „richtig krank“ fühlten. Andere Untersuchungen bestätigen diese Ergebnisse. Für das Phänomen gibt es einen Fachbegriff: „Präsentismus“. Menschen sind am Arbeitsplatz präsent, obwohl sie eigentlich im Bett liegen sollten. Doch warum tun sie das?…“ Themenbeitrag der IG Metall vom 9. Januar 2017– dies zeigt jedoch mal wieder auch, wie wichtig eine gewerkschaftliche Debatte darüber ist, was dem Phänomen des „Präsentismus“ zugrunde liegt: Die objektive Verknüpfung von Existenzsicherung und Existenzgestaltung mit dem Warencharakter der Arbeit.
- Gut zwei Drittel gehen krank zur Arbeit
„Das ist krank: 68 Prozent der deutschen Beschäftigten sind im vergangenen Jahr trotz Infekt zur Arbeit gegangen. Der Grund dafür ist häufig Angst. (…) Bei einem Tag ist es dann aber oft nicht geblieben: Im Durchschnitt haben diese Kollegen während eines Jahres 12,1 Tage krank gearbeitet. Fast die Hälfte (47 Prozent) quälte sich eine Woche oder länger. Und 14 Prozent brachten sogar über einen Zeitraum von mindestens drei Wochen ihre Bazillen mit zur Arbeit. (…) Unter Präsentismus leiden vor allem die Befragten, die von einer schlechten Betriebskultur in ihrer Firma berichten. Das gilt vor allem für diejenigen, die für längere Zeiträume krank arbeiten. Ähnlich wirkt sich Arbeitsverdichtung aus. (…) Eine Gruppe unter den Krankarbeitern ist auffällig groß, nämlich Menschen, die sich Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen…“ Artikel von Matthias Kaufmann vom 8. April 2016 im Spiegel online
Siehe u.a. auch:
Als Mag Wompel um 2000 herum die Finanzierung einer entsprechenden Untersuchung suchte, wurde das Phänomen von allen angesprochenen Institutionen verneint…