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Die Putschversuche der Rechten gegen die brasilianische Regierung haben ein Programm: Eine lange Liste von Gesetzen auf dem Weg zum Unternehmerparadies
Expräsident Lula wird mit Streifenwagen zur Vernehmung gebracht: Live im TV. Ein als aktiver Rechter bekannter Richter lässt abhören, das Gesetz sei ihm dabei egal, sagt er selbst in seiner Pressekonferenz. Die Polizei durchsucht die Büros der Metallgewerkschaft im Paulistaner Industriegebiet ABC, ohne legale Basis – wegen Korruptionsverdacht. Das Parlament leitet ein Amtsenthebungsverfahren gegen die Präsidentin ein. Großdemonstrationen für den Rücktritt der Regierung – die trotz Aufrufen zur Gewalt keinerlei polizeiliche oder juristische Folgen haben. Alles im Zuge des Kampfes gegen Korruption? Die es ohne Zweifel gibt – wenn auch unvergleichlich amateurhaft im Vergleich dazu, wie sie von den Hintermännern dieser Anti-Regierungskampagne lange betrieben wurde und heute noch wird. Warum ist die brasilianische Rechte dann gegen eine Regierung, die einen antisozialen Sparhaushalt auflegt, die Privatisierung des Ölkonzerns Petrobras voranbringt – und ein Anti-Terror-Gesetz verabschiedet, unter das jede Aktivität fallen kann? Und warum demonstrieren am 18. März weit über eine Million Menschen gegen diese rechte Offensive – Menschen, die keineswegs ausschließlich aus dem „Konvoi der Arbeiterpartei“ stammen? Unsere kommentierte Materialsammlung „Gegen einen weiteren legalen Putsch in Lateinamerika“ vom 19. März 2016 ist ein Versuch, zur Klärung beizutragen.
Gegen einen weiteren legalen Putsch in Lateinamerika – Die Kampagne für die Amtsenthebung der brasilianischen Regierung hat eindeutige Ziele und Betreiber
Eine Materialsammlung zur aktuellen politischen Entwicklung in Brasilien – zusammengestellt und kommentiert von Helmut Weiss am 19. März 2016
„Das brasilianische Parlament hat ein Amtsenthebungsverfahren für Präsidentin Dilma Rousseff auf den Weg gebracht. Die Abgeordneten wählten eine Sonderkommission aus 65 Parlamentariern, die einen Bericht über die Verfolgung eines Amtsenthebungsverfahrens vorlegen soll. Darüber soll dann das Plenum abstimmen. Für die Anklageerhebung gegenüber dem Senat wären 342 von 513 Stimmen erforderlich“ – so einleitend in der Meldung „Parlament leitet Amtsenthebungsverfahren gegen Präsidentin Rousseff ein“ am 17. März 2016 in Spiegel – Online . Eine Meldung, in der wie zumeist nicht die Rede davon ist, was den Unterschied etwa von den Demonstrationen im Vorfeld der Fußball-WM im Jahre 2013 zu den aktuellen Demonstrationen für den Rücktritt ausmacht: Dass in den letzten Monaten die seit Sommer 2015 vorhandenen Blöcke in den Demonstrationen, die einen Militärputsch fordern, immer größer werden. Und, keine Überraschung, dass stets die Zahlenangaben der Militärpolizei die höchsten sind – bei den Demonstrationen gegen die Regierung…
„Tausende protestieren in Brasilien gegen Lula und Rousseff“ am 17. März 2016 in neues deutschland ist ein Bericht über den jüngsten landesweiten Protesttag gegen die Regierung, worin unter anderem berichtet wird: „Nach Angaben von Vertretern der Arbeitspartei soll der charismatische Ex-Präsident seine Nachfolgerin retten, der möglicherweise schon bald die Amtsenthebung droht. Viele machen die 68-Jährige für Rezession, Teuerung sowie explodierende Schulden verantwortlich. Sie werfen ihr zudem vor, ihre chaotische Regierung nicht in den Griff zu bekommen. Der langjährige Koalitionspartner PMDB hatte sich am Samstag 30 Tage Zeit gegeben, um endgültig über einen Ausstieg aus dem Regierungsbündnis zu entscheiden. Einen Tag später waren mehr als drei Millionen Menschen gegen Rousseff auf die Straße gegangen“
„Confira como foram os atos nos Estados“ am 18. März 2016 beim Gewerkschaftsbund CUT ist ein Überblick über die Demonstrationen gegen die Rechte – bei der CUT vor allem: Für den Rechtsstaat – in zahlreichen Landeshauptstädten Brasiliens
Facetten eines „legalen Putsches“
„Lula coagido a depor“ am 07. März 2014 beim Correio da Cidadania ist ein ausgesprochen persönlicher Artikel von Frei Betto, des wohl bekanntesten noch aktiven Befreiungstheologen in Brasilien. Der zunächst daran erinnert, dass er persönlich anwesend war, als Lula 1980 verhaftet wurde: Wegen der Metallerstreiks in Sao Paulo, bei deren Organisation der spätere Präsident eine wichtige Rolle gespielt hatte. Lula wurde jetzt nur zur Vernehmung geholt – wegen eines Apartments am Strand – und Betto betont in seinem Artikel, dass einerseits die PT in 14 Jahren Regierungszeit viel von ihren alten Prinzipien geopfert habe – er ist einer der prominenten Kritiker dieser Entwicklung – dass man aber als allererstes festhalten muss, dass vernommen werden nicht verurteilt sein heißt. Im Gegensatz zum Eindruck, den die Berichterstattung, keineswegs nur beim berüchtigten TV Globo, hervorzurufen beabsichtigt.
„Callcenter des Tages: Brasilien“ am 18. März 2016 in der jungen welt ist eine Meldung über eine Abhöraktion des Untersuchungsrichters Moro (im Büro der Präsidentin) – der dann sofort die Aufnahme an TV Globo übergab. Für den Hetzsender, ein direktes Produkt der Korruption der Militärdiktatur, ein gefundenes Fressen
„Caçada de Moro afronta Justiça e exige luta pela democracia“ am 18. März 2016 bei der CUT ist ein Bericht über eine Protestversammlung von Juristen an der Universität von Sao Paulo gegen den Untersuchungsrichter Moro – dessen Vorgehen, bevor eine Vernehmung anstehe, bereits eine Pressekonferenz dazu zu geben, verstoße sowohl gegen die Gesetze, als auch gegen die berufliche Ethik, wurde vor vielen Hundert TeilnehmerInnen im Universitätstheater festgehalten. Neben verschiedenen akademischen Sprechern redete bei dieser Versammlung auch Julio Turra für den (ausgesprochen regierungsnahen) Gewerkschaftsbund CUT und verwies dabei auf die politischen Ziele, die mit diesem Putschversuch, der mit legalen und illegalen Mitteln betrieben werde, verfolgt würden: In erster Linie die beschleunigte Privatisierung des Ölkonzerns Petrobras und speziell der gigantischen Pré Sal – Vorkommen.
„Rechte Massenproteste gegen Regierung Rousseff in Brasilien“ von Niklas Frantzen am 14. März 2016 bei amerika21.de – darin wird die Stimmung der rechten Mobilisierung wie folgt geschildert: „Anlass der Proteste sind zahlreiche Korruptionsskandale und der wirtschaftliche Einbruch des Landes. „Wir sind hier, um gegen diese Regierung zu demonstrieren, die die korrupteste in der Geschichte Brasiliens ist“, sagte der 45-jährige Demonstrant Fernando Rahal gegenüber amerika21. Die Regierung der sozialdemokratischen Arbeiterpartei PT steht aufgrund des Korruptionsskandals beim halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras unter Druck. Seit 2014 wird im Rahmen der Operation „Lava Jato“ (Autowäsche) gegen Politiker und Manager des Konzerns ermittelt. Auch Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva steht im Fokus der Ermittler. Vergangene Woche durchsuchte die Bundespolizei die Wohnung des ehemaligen Gewerkschaftsführers und verhörte ihn für mehrere Stunden. Auf der Demonstration in São Paulo trugen tausende Demonstranten Plastikpuppen von Lula in einer Häftlingsuniform bei sich“ und über die massive Teilnahme wird darauf verwiesen: „Vor allem die Mittelschicht beteiligte sich an den Protesten, zu denen rechte Gruppen aufgerufen hatten. In die Nationalfarben gelb und grün eingehüllte Demonstranten riefen „Weg mit PT“ und „Unsere Fahne wird niemals rot sein“. PT ist das Kürzel der regierenden Arbeiterpartei von Präsidentin Rousseff, deren Amtsenthebung die Demonstranten forderten“
„»Eliten« machen Druck“ von Peter Steiniger am 15. März 2016 in der jungen welt rundet dieses Bild ab: „Erstmals nahmen auch Spitzenpolitiker der konservativen Oppositionspartei PSDB, darunter der Gouverneur von São Paulo, Geraldo Alckmin, sowie Parteichef Aécio Neves teil. Neves war im vergangenen Oktober Rousseff in der Stichwahl um die Präsidentschaft unterlegen. Gegenüber den Medien sprach er sich für einen Rücktritt oder eine Ablösung von Rousseff »im verfassungsmäßigen Rahmen« aus“. Parallelen zum Sturz der Regierung Lugo im benachbarten Paraguay sind sehr deutlich – wie auch zum im Nachhinein legalisierten Sturz der Regierung Zelaya in Honduras… Putsche müssen heute anders gemacht werden als noch in den 70er Jahren mit den Pinochets dieser Welt
Zuerst wird die Korruption auf Bestechlichkeit reduziert, und dann die Bestochenen auf den Teil, den man loswerden will
Wenn in dem vorletzten Artikel, auf den hier verwiesen wurde, ein Demonstrant behauptet, diese Regierung sei die korrupteste von allen bisherigen, kann er eigentlich nur blind oder bösartig sein. Zum einen wird ständig der eine Teil der Korruption ausgeblendet: Die Bestechenden. In der „Affäre Petrobras“ haben die großen Medien nicht ein Mal die Frage erhoben, wer dann von diesen ganzen Vorgängen profitiert – und schon gar nicht die Frage, inwieweit jene Unternehmen, die sich von der Privatisierung Profit versprechen, darin verwickelt waren. Dies ist keine brasilianische Besonderheit.
Der Beitrag „Documentos mostram ligação de corrupção entre o governo de Aécio Neves e a mineradora Samarco“ am 09. Dezember 2015 im vielgelesenen Talis-Blog ist ein Beispiel: Samarco, das Bergbauunternehmen, das durch seinen Dammbruch in Mariana im November 2015 weltweit berüchtigt wurde, sollte vom Landesumweltamt des Bundesstaates Minas Gerais 2005 keine Erlaubnis für den Bau des Damms bekommen – wegen der hohen Risiken. Die Erlaubnis wurde vom Gouverneur erteilt – derselbe Aécio Neves, der die Stichwahl 2014 gegen Dilma Rousseff verlor. Und die in dem Artikel zitierten Dokumente belegen eindeutig, dass es, bescheiden gesagt, bei der Erteilung „nicht mit rechten Dingen“ zuging. Keine Meldung in den großen Medien. Eine Affäre immerhin, die Todesopfer forderte…
„Escândalo da Privatização da Vale do Rio Doce“ am 09. Februar 2013 im „Museum der Korruption“ ist ein Beitrag, der die Entwicklungen um die Privatisierung des zweitgrößten brasilianischen Staatsunternehmens, der Vale do Rio Doce 1997 überblicksartig zusammenfasst. Inklusive der Verlinkung zu Dokumenten extrem dubioser Finanzierungen zur damaligen Regierung Cardoso – ebenfalls niemals „recherchiert“ von Globo und Konsorten, geschweige vom Untersuchunsgrichter Moro oder einem seiner Kollegen. Der Wert der Vale war damals auf, grob umgerechnet 30 Milliarden Euro geschätzt – 40% Anteil gekauft wurde für etwa 1 Milliarde…
Diese beiden Komplexe sind im wesentlichen Gegenstand von Veröffentlichungen auf alternativen Webseiten, gar nicht oder kaum in den großen Medien. Eine gewisse Ausnahme bildet der Bericht (und viele andere über dieses Thema) „Justiça aceita denúncia contra cartel de trens em São Paulo“ am 22. März 2015 bei der Globo – Webseite , wobei es um den Ausbau der Metro Sao Paule geht und zwei Fälle von Kartellbildung und Bestechung untersucht werden – unter anderem ausgelöst von Aussagen von Beschäftigten der Firma Siemens… aber die Beteiligung der Landesregierung des Bundesstaates Sao Paulo ist (bisher?) nicht Gegenstand dieser gerichtlichen Untersuchung.
Sie wollen die PT-Regierung los werden, nicht weil sie Sozialdemokraten sind, sondern: Weil sie Sozialdemokraten sind
„Joao Pedro Stedile: “What they are doing to Lula is an attack by conservative groups”“ am 10. März 2016 in The Dawn ist ein Gespräch mit dem Sprecher der brasilianischen Landlosenbewegung MST, in dem Stedile vor allem zwei Dinge hervorhebt: Zum einen den illegalen Charakter der Justizaktion gegen Lula, geplant um diesen daran zu hindern, eventuell bei der nächsten Wahl erneut zu kandidieren. Und, zweitens: Alle Anstrengungen seien darauf gerichtet, die Petrobras von der Ausbeutung der gigantischen Pré Sal Vorkommen auszuschließen (die größten Unterwasser-Ölvorkommen der Welt) und dies privaten Unternehmen zu überlassen – was sicher einer der zentralen Punkte der politischen Agenda der rechten Parlamentsmehrheit ist. Und auch in dem Gespräch „‘Política burra de Dilma vai inviabilizar Lula em 2018’, diz líder do MST“ mit Ricardo Senra am 10. März 2016 bei der brasilianischen BBC unterstreicht Stedile die Ablehnung der Politik der Präsidentin (die er ganz anders beurteilt als jene Lulas in den 8 Jahren zuvor – wobei die inhaltliche Kritik vor allem der Politik nach der Wiederwahl gilt) – er unterstreicht beispielsweise darin, dass die Petrobras Beschäftigten in riesiger Mehrheit PT gewählt hätten, weil sie gegen das offene Privatisierungsprogramm der Opposition seien.
„Projeto de lei das estatais tem caráter privatista“ am 15. März 2016 bei der FUP – Gewerkschaftsföderation der Ölarbeiter – ist ein Bericht über die Gründung eines Komitees gegen den Gesetzentwurf PL 555 der rechten Parlamentsmehrheit zu den staatlichen Betrieben, der bei weitem nicht nur von der FUP als ein Entwurf für Privatisierungen kritisiert wird
Zur politischen Agenda der rechten Opposition gehört aber auch, als zentraler Punkt, die Volksbewegungen zurück zu drängen, einstweilen per Hetzkampagne und Einschüchterungsversuchen. In dem Interview mit der BBC wird Stedile auch befragt nach den zahlreichen Artikeln und Meldungen über die MST, die besagen, sie würden einerseits Geld von der PT bekommen für Teilnahme an Demonstrationen und andererseits dieses Geld benutzen, um sich zu bewaffnen – was nahe liegender Weise, beim jüngst verabschiedeten „Anti-Terror-Gesetz“ ein Verbotsgrund wäre… Dass Stedile seinerseits dem die absolute Offenheit all ihrer Prozesse und Entscheidungen entgegen hält, die jeder kenne, ist richtig – aber nur die eine Seite. Die andere ist die, dass der Angriff unterhalb der großen medialen Ebene zahlreichen Organisationen des progressiven und sozialdemokratischen Lagers gilt. Der Bericht „Sindicato vê como abusiva ação da PM em Diadema“ von Júnior Carvalho am 13. März 2016 im Diario do Grande ABC ist dafür ein – wenn auch ein extrem massives – Beispiel. Eine PT-Versammlung, die die Vorgehensweise angesichts der öffentlichen Festnahme des Expräsidenten Lula – und mit ihm des Exbürgermeisters von Diadema – diskutieren wollte, und zwar in den Räumen der Metallgewerkschaft im ABC (eine der wichtigsten Einzelgewerkschaften im Gewerkschaftsbund CUT) wurde, ohne juristische Begründung, von der Militärpolizei überfallen – bewaffnet mit Maschinengewehren. Solcherart Überfälle gab es in den Märztagen aber auch auf andere Gewerkschaften, Büros des Studierendenverbandes UNE und eine ganze Reihe weiterer Organisationen, auch solcher die deutlich links von dem Regierungskonvoi stehen.
„Ataques ao movimento sindical à vista“ von Antônio Queiroz am 10. März 2016 beim Gewerkschaftsbund Intersindical , worin die wachsende Zahl von Indizien und Vorfällen analysiert werden, die deutlich machen, dass die rechte Offensive keineswegs auf die Frage der Regierung beschränkt ist, sondern die Schwächung der Gewerkschaften dem Projekt eingeschrieben ist
„O golpismo de ontem e o golpismo de hoje“ von J. Souza am 08. März 2016 im Diario Liberdade fasst nicht nur die Geschichte der Proteste gegen Korruption seit dem Ende des brasilianischen Kaiserreiches und die Entwicklung von Putsch-Strategien kurz zusammen, sondern verweist auch auf bleibende politische Charakterzüge der sogenannten „Mittelklasse“ – wobei zu Recht darauf verwiesen wird, dass es die so gar nicht gibt – die vor allem auf Hass nach oben und nach unten hinweisen. Beispielhaft wird dies durchexerzitiert an der Kampagne gegen Lula, der als Präsident im Ausland „Abgesandter von Odebrecht“ (einer der größten brasilianischen Konzerne) gewesen sei – und der gleichzeitigen Kampagne gegen die Bolsa Familia (jenes Minimalprogramm, das man mit gutem Willen als Grundeinkommen bezeichnen könnte: Wenn arme Familien ihre Kinder in die Schule schicken, bekommen sie Förderung, die klein ist, aber dennoch vielen geholfen hat) – die PT halte die Faulpelze aus, ist der Tenor, der auch auf die Revidierung der Maßnahme im Falle der Regierungsübernahme ziele.
„The Paranoid Style in Brazilian Politics“ von Patrick Oliveira am 07. Januar 2015 beim Jacobin ist ein Beitrag, der einerseits die Hetzkampagnen unabhängiger rechter Medien analysiert, dabei aber auch diverse Programmpunkte der neuen rechten Parlamentsmehrheit behandelt, die etwa die Veränderung des Gesetzes gegen Sklavenarbeit (ein Anliegen vor allem vieler Großgrundbesitzer) ebenso beinhaltet, wie die Beschneidung der Minderheiten – Gesetzgebung der letzten Jahre – der inhaltliche Katalog ist lang und umfasst nahezu alles, was die PT-Regierungen in den letzten 14 Jahren an progressiven Maßnahmen (oder auch nur an als solchen ausgegebenen) verabschiedet hat – Kommando zurück ist die Parole der Rechten. Hierbei sei erwähnt, dass eines der „größten Anliegen“ der Antikorrupten es ist, endlich eine – bisher in der Tat von dem Bündnis CUT/PT verhinderte – Gesetzgebung zu mehr Outsourcing voran zu bringen. (Wozu andererseits wiederum hinzuzufügen ist, dass auch heute schon von den rund 300.000 Beschäftigten bei der aktuell umkämpften Petrobras etwa 2/3 bei Subunternehmen beschäftigt sind).
Welche Alternative für die progressiven Kräfte?
„Não passarão!“ von Peter Steiniger am 18. März 2016 in der jungen welt ist ein Bericht über die am 17. März landesweit stattfinden Proteste gegen den Putschversuch, worin unter anderem bewertet wird: „Brasiliens Linke hat geantwortet. Wenige Tage nach neuen Massendemonstrationen für den Sturz der Regierung von Präsidentin Dilma Rousseff und unmittelbar nach Protesten gegen die Berufung ihres Vorgängers Luiz Inácio Lula da Silva zum neuen Kabinettschef – mit Übergriffen auf deren Anhänger – zeigten landesweit Menschen Flagge gegen die Offensive des reaktionären Lagers. In Dutzenden Städten wurde am Freitag unter der Losung »Gegen den Putsch, für die Demokratie« demonstriert. Aufgerufen hatte das Bündnis »Frente Brasil Popular« aus Gewerkschaften, Jugend- und Studentenorganisationen, Landarbeiter- und Landlosenbewegungen, der Arbeiterpartei (PT) und der kommunistischen PCdoB sowie Kirchen, Frauenverbänden, Künstlern und Intellektuellen. Der größte gewerkschaftliche Dachverband CUT richtete einen Appell an alle Brasilianer – unabhängig von Geschlecht, Rasse oder sozialer Klasse –, ihre Stimme gegen den Angriff rechter und faschistischer Kräfte zu erheben. Dieser bedrohe die junge Demokratie des Landes und ziele auf die politischen und sozialen Menschenrechte“
„18 de março: “nas ruas pela democracia e contra o golpe“ am 18. März 2016 bei Brasil de Fato ist die Sonderseite der linken Wochenzeitung mit chronologischer Berichterstattung während des ganzen Tages und versehen mit zahlreichen Fotos und Stellungnahmen bekannter Persönlichkeiten der demokratischen Kräfte in Brasilien
„Bloco de Hegemonia proletário-popular, única resposta possível ao impasse da sociedade brasileira“ am 17. März 2016 beim Diario Liberdade ist einer der – zahlreichen –linken Beiträge zur Debatte um „wie wohin?“. Hier als Beispiel ausgewählt weniger, weil die Lösung besonders einleuchtet, sondern weil darin noch einmal eine kurze Skizze der bisherigen Regierungszeit der PT seit 2002 gezogen wird, die bei Lula noch von eher klassisch-sozialdemokratischen Positionen geprägt war, bei Dilma eher von der Art sozialdemokratisch kolorierten neoliberalen Art, wie – oft in den Debatten erwähnt – Blair oder Schröder. Wobei nochmals klar wird, dass die PT nie ein „sozialistisches Regierungsprojekt“ hatte, noch für ein solches jemals gewählt wurde.
„Declaração Política da Frente Povo Sem Medo“ am 14. März 2016 beim Gewerkschaftsbund Intersindical ist eine Erklärung des linken Zusammenschlusses „Volk ohne Angst“, in dem, nicht zuletzt auf Initiative dieser Föderation, zahlreiche Gruppierungen zusammengeschlossen sind, die hierin nochmals unterstreichen, dass man weder Lula-Fan noch PT-Anhänger sein muss, um jetzt gegen die politische Rechte Front zu machen
„Os atos dos dias 13, 18 e 31 de março não representam os trabalhadores. Todos às ruas neste 1° de abril contra as mentiras do governo Dilma e da direita“ am 15. März 2016 beim Gewerkschaftsbund CSP Conlutas ist Erklärung und Aufruf zugleich – Distanzierung von allen den Demonstrationen für und gegen die PT-Regierung, für einen eigenständigen Kampf gegen alle neoliberalen Kräfte (gleichzeitig auch als Beispiel für jene minderheitlichen linken politischen Strömungen, die in der aktuellen Auseinandersetzung im wesentlichen einen bürgerlichen Fraktionenstreit sehen)
„Que POLARIZAÇÃO é esta na sociedade brasileira? Que interesses estão em jogo?“ am 16. März 2016 bei den Brigadas Populares ist ein Mobilisierungsvideo gegen die rechte Offensive, die in dem keine Kritik an der PT-Regierung ausgelassen wird. Der Politische Sekretär der Volksbrigaden, Pedro Otoni, ruft dabei seine Organisation und die Menschen in den zahlreichen Massen-Hausbesetzungen, die die BP in einer ganzen Reihe von Bundesstaaten mit organisieren, wie auch die Mitglieder in den von BP unterstützten neuen Gewerkschaften in informellen Bereichen und die zahlreichen Gefangenen-Initiativen dazu auf, an der Seite jener zu kämpfen, die sich gegen einen neuen Polizeistaat engagieren, für mehr statt weniger demokratische Rechte – und für eine 100% öffentliche Petrobras