[Exzellenzinitiative] Autoritäre Wissenschaft ist keine Wissenschaft – Studierende weisen Ansinnen der Imboden-Kommission zurück

Dossier

"Selbständige" SchuleAm 17. Februar 2016 fand das ExpertInnengespräch zur sog. Exzellenzinitiative im Bundestags statt. Anlass war der Vorschlag zur Weiterführung der Exzellenzinitiative der unter Führung des Schweizers Dieter Imboden gebildeten Imboden-Kommission. Der „freie Zusammenschluss von Student*innenschaften“ lehnt diesen Vorschlag ab und verweist darauf, dass „das Gutachten der sog. Imboden-Kommission exemplarisch die Probleme der Exzellenzinitiative“ zeigt, „die sich als undemokratisch und nicht wissenschaftsadäquat darstellt. (…) Besonders erschreckend und offenbarend ist die Betonung von Führung, Zentralisierung und Hierarchie, welche seitens der Kommission und seitens Herrn Imboden bei der heutigen Anhörung betont wurde. Unter dem Schlagwort Governance möchte die Imboden-Kommission die Hochschulen wesentlich autoritärer strukturieren als bisher. (…) Besonders bedenklich ist der Wunsch, durch einen Konkurrenzdruck Einfluss auf die Gesetzgebung der Länder nehmen zu wollen, wie die Imboden-Kommission offensiv verkündet.(…) Die einzige Konsequenz, die dieser Ansatz nach sich zieht, ist die systematische Bevorzugung von ökonomisch angepassten Lieferant*innen unmittelbar nutzbarer Information. Langfristige Innovationen, deren Wert sich nicht innerhalb weniger Jahre zeigen oder gar rentieren kann müssen zwangläufig aus dem Bewertungsraster fallen…“ Aus der Pressemitteilung des „freien Zusammenschlusses von Student*innenschaften“ vom 17. Februar 2016 externer Link. Siehe dazu:

  • Exzellenzinitiative: Zaster für Cluster
    „Die 2005 ins Leben gerufene Exzellenzinitiative zur gezielten Förderung einzelner Hochschulen spielt die Universitäten ­gegeneinander aus und führt in der Breite zu einer Verschlechterung der Lehre. Die Exzellenzinitiative zur Förderung des Wettbewerbs zwischen den Universitäten und Hochschulen ist nach den letzten Beschlüssen der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern endgültig als dauerhafte Einrichtung etabliert. Umso wichtiger ist es, ihre bisherigen Auswirkungen nüchtern zu analysieren. (…) Die Exzellenzinitiative macht nicht nur, wie immer wieder betont wird, die schon lange bestehenden Unterschiede zwischen den deutschen Universitäten endlich sichtbar, sondern sie verschärft sie auch entscheidend, ja sie produziert eine im deutschen Hochschulsystem zuvor unbekannte Differenz zwischen Elite und Masse teilweise überhaupt erst. (…) Was also kann getan werden, um die Situation zumindest ein wenig zu verbessern? Am aussichtsreichsten erscheint derzeit eine politische Auseinandersetzung über die Leistungsbudgets bei den Landesmitteln. (…) Mit einer Debatte über die Leistungskriterien könnte man zudem eine weitere Diskussion über die Maßstäbe für Forschungsqualität anstoßen. Derzeit spielt der Umfang der eingeworbenen Drittmittel hier die eindeutig dominierende Rolle, wenn er nicht sogar der einzige Prüfstein ist. Die Erfolgsaussichten für Drittmittel sind aber stets am größten, wenn man sich mit seinen Anträgen im breiten Mainstream der Forschung bewegt. Wirklich innovativ kann Forschung aber nur sein, wenn sie den Mainstream verlässt…“ Artikel von Michael Hartmann bei der jungen Welt vom 27. Oktober 2016 externer Link

  • Exzellenzinitiative: GEW fordert Moratorium und Runden Tisch
    „… Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat die Regierungschefinnen und Regierungschefs von Bund und Ländern zu einem Moratorium zur Exzellenzinitiative aufgefordert. „Statt für den überfälligen Ausbau der Hochschulen und die Verbesserung der Qualität von Forschung und Lehre in der Fläche zu sorgen, wollen Bund und Länder auf unbestimmte Zeit Milliarden in die Spitzenforschung an ausgewählten Elite-Unis pumpen“, sagte der stellvertretende Vorsitzende und Hochschulexperte der GEW, Andreas Keller. Gegen diese Entwicklung gebe es mehr und mehr Widerstand – bei Studierenden, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, zuletzt habe sogar der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg Bedenken angemeldet. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs von Bund und Ländern sollten daher jetzt die Reißleine ziehen und die für Freitag geplante Entscheidung über die Fortsetzung der Exzellenzinitiative vertagen. „Wir brauchen ein Moratorium zur Exzellenzinitiative und einen Runden Tisch zur Hochschulfinanzierung“, so Keller…“ GEW-Pressemitteilung vom 15. Juni 2016 externer Link
  • Exit aus der Exzellenz? Kritik an der Exzellenzstrategie von allen Seiten
    Am 14. Juni fand „in Hamburg ein akademischer Protest gegen die Exzellenzinitiave und -strategie statt. Die Demonstrant*innen“ richteten „sich gegen all das, was die Exzelleninitiative praktisch bedeutet: Verwettbewerblichung, Mangelsituationen an vielen Hochschulen und Zeitverschwendung für sinnlose Anträge. Gleichzeitig (…) nimmt der Protest von Wissenschaftler*innen zu und der Hamburger Senat stellt sich ebenfalls gegen die Pläne von Bund und Ländern. Ben Seel, Mitglied im Vorstand des freien zusammenschlusses von student*innenschaften, stellt fest: „Überall regt sich Widerstand gegen die Exzellenz und ihre Exzellenzen: Wissenschaftler*innen bekunden ihre Exzellenzkritik, Hochschulangehörige gehen auf die Straße und selbst Ministerpräsident*innen kündigen Widerstand gegen die Exzellenzstrategiepläne an. Wir können die Gegenwehr nur begrüßen und hoffen dass die Diskussion endlich dazu führt die leidigen Exzellenzpläne zu begraben…“ Pressemitteilung des freien zusammenschlusses von studentInnenschaften vom 14. Juni 2016 externer Link
  • Aber bitte exzellent – Ein linker Blick auf die Exzellenzinitiative
    „Kann man einige ausgewählte Universitäten und Forschungsbereiche gesondert fördern? Kann man das als Bundesregierung tun – trotz der klaren Zuständigkeit der Länder? Sollte man es tun? Seit die SPD 2004 den Vorschlag unterbreitete, gezielt „Eliteuniversitäten“ fördern zu wollen und die „Exzellenzinitiative“ dann 2005 als gemeinsames Projekt von Bund und Ländern beschlossen wurde, gibt es eine lebhafte Debatte um das abstrakte und das konkrete Für und Wider dieses Förderprogramms. Peer Jürgens zieht eine kritische Bilanz…“ Analyse von Peer Jürgens in Forum Wissenschaft vom 21. April 2016 bei Linksnet externer Link
  • Für gute Forschung und Lehre – Argumente und Petition gegen die Exzellenzinitiative
    Die sogenannte Exzellenzinitiative, mit der Bund und Länder deutsche “Spitzenforschung” fördern wollen, ist auf dem besten Weg, unser Hochschulsystem auf problematische Weise umzugestalten. Seit 2005 wurden die Universitäten in bisher zwei Runden aufgefordert, sich mit Forschungs- und Strukturplänen um beträchtliche Mittel zu bewerben; nun sollen die Wettbewerbe im Sieben-Jahres-Rhythmus verstetigt werden. Zu vergeben sind 533 Millionen Euro pro Jahr, die acht bis elf erfolgreichsten Bewerber können sich “Exzellenzuniversität“ nennen. Das erklärte Ziel lautet, die „vertikale Differenzierung“, also die Ungleichheit zwischen den Hochschulen auszubauen. Wir meinen, dass dies keine gute Nachricht ist. Eine verschärfte Prestigekonkurrenz und Umverteilung von unten nach oben werden Forschung und Lehre in Deutschland insgesamt schaden. Als wissenschaftlich Arbeitende, die davon zum Teil massiv betroffen sind und die ein faires Hochschulsystem der Prestigekonkurrenz vorziehen, wenden wir uns gegen die Exzellenzinitiative…“ Erklärung von über 100 Wissenschaftler_innen gegen die Exzellenzinitiative auf der Aktionsseite externer Link samt Petition zum Mitzeichnen
  • Elite in alle Ewigkeit: Beschluss zur Fortsetzung der Exzellenzinitiative
    „Die Exzellenzinitiative zur Förderung von Spitzenforschung geht weiter – und zwar für immer. So sieht es die jüngste Vereinbarung zwischen Bund und Ländern vor. Für den Soziologen Michael Hartmann wird sich die Hierarchisierung der deutschen Hochschullandschaft damit weiter verschärfen. Gegenüber Studis Online nennt er die Gründe dafür…“ Gespräch mit Michael Hartmann bei Studis Online vom 25. April 2016 externer Link (Michael Hartmann war bis zu seinem Ruhestand Professor für Soziologie an der TU Darmstadt). Als Gründe nennt Michael Hartmann im Interview u.a.: „Damit wird die ohnehin bereits weit fortgeschrittene Hierarchisierung der deutschen Hochschullandschaft, bei der sich viel Geld an der Spitze konzentriert und nur vergleichsweise wenig für die Breite bleibt, auf lange Sicht zementiert. (…) Die SPD ist auf ganzer Linie eingeknickt. (…) Sämtliche Vorschläge, die man noch vor einem Jahr gehört hat, etwa der Ruf nach „Forschungsregionen“, der „Rekrutierung von Kindern aus bildungsfernen Familien“ oder der „Förderung der Lehre“ – von alle dem ist nichts übrig geblieben. Das einzige, womit sich die SPD jetzt rühmt, ist der Einstieg des Bundes, in der Hoffnung, dass die Leute nicht merken, dass das mit einer Breitenförderung nichts zu tun hat.“
  • Wissenschaftskonferenz: Keine Inititative. Keine Exzellenz. Ewig grüßt die „Exzellenzinitiative“
    „… Nach den bisherigen Gesprächen ist bereits klar, dass es in der vierten Förderrunde der Exzellenzinitiative nur noch zwei Föderlinien geben soll. (…) Ben Seel, (…) Mitglied im Vorstand des fzs, erklärt abschließend: „Ein solcherart entstehendes Zweiklassensystem zwischen Hochschulen bringt Nachteile für alle mit sich. Studierende erhalten nur noch an wenigen Institutionen eine forschungsnahe Lehre, was die soziale Selektion steigert. Die Mehrzahl der Studierenden endet im Massenbetrieb ohne die Nähe zwischen Lehre und Forschung. Wissenschaftler*innen werden nicht nach dem Wert ihrer Erkenntnisse, sondern nach dem Prestige ihrer Institution gemessen und müssen überwiegend unter prekärsten Arbeitsbedingungen lehren und forschen. Wir Studierende stellen uns gegen diese Entwicklung.“ Presseerklärung des „freien zusammenschlusses von studentinnenschaften“ (fzs) vom 22. April 2016 externer Link
  • Exzellenzinitiative reloaded – ein Abgesang an Demokratie und Vielfalt in Dauerschleife
    „… Am 22.4.2016 verhandeln die Wissenschaftsminister*innen des Bundes und der Länder in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) über die Nachfolge der Exzellenzinitiative. Als bundesweiter Dachverband übt der freie zusammenschluss von student*innenschaften (fzs) erneut Kritik an der Weiterführung der Exzellenzinitiative und fordert die staatliche Ausfinanzierung für alle Hochschulen…“, Pressemitteilung des fzs vom 18. April 2016 externer Link. Siehe dazu auch:

    • Studierendenvertretungen warnen vor Einschränkung von Partizipationsrechten an Hochschulen durch die Exzellenzinitiative
      „Die Studierendenvertretungen lehnen die Vorschläge der Imboden-Kommission als Abgesang auf Demokratie und Partizipation an deutschen Hochschulen und die Exzellenzinitiative insgesamt als falsches wissenschaftspolitisches Mittel entschieden ab. (…) Die Idee der Bildungspolitik ist zunehmend, nicht mehr die Frage danach aufzuwerfen, was gesellschaftlich wünschenswert ist, sondern privatwirtschaftliche Strukturen bis in den letzten Winkel ehemals öffentlich organisierter Prozesse zu tragen. Ebenso gibt es den Trend, die Reste an Partizipation zu Gunsten von noch mehr ungezügeltem Wettbewerb zu beseitigen. Damit sollen die zunehmenden Verteilungskämpfe an den Hochschulen um die nicht ausreichenden Mittel nachhaltig zu Gunsten der Spitze entschieden und der Etikettenschwindel fortgesetzt werden. Es ist jedoch eine Illusion zu glauben, dass Spitzenforschung ohne ein solides Fundament funktioniert. (…) Der Bund sollte für die Ausfinanzierung der Hochschulen in Haftung genommen werden, statt die Spaltung der Wissenschaftslandschaft voranzutreiben.“ Presseerklärung der LandesAstenKonferenz Berlin vom 10. April 2016  externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=93581
nach oben