Reden wir über’s Geld von Betriebsratsmitgliedern. Oder: Darüber sollten wir doch lieber nicht sprechen

Harte Zeiten erfordern starke BetriebsräteKommentar von Ralf Kronig vom Dezember 2015

In Deutschland tauschen wir uns selten über Einkommen und Gehaltsbestandteile aus. Es würde eine unsichtbare Tabuzone überschreiten. Von Arbeitgeberseite sind Sätze wie „Das erzeugt doch Unruhe und Neid in der Belegschaft.“, „Darüber darf man nicht reden.“ oder „Es ist verboten.“ zu hören. Kolleginnen und Kollegen aus Ländern wie Indien oder USA gehen mit dem Gehaltsthema viel offener um. Wie sieht die Situation für Betriebsratsmitglieder aus?

Für Betriebsräte ist die berufliche Karriere oftmals beendet. In dem Ehrenamt dürfen sie in ihrer beruflichen wie monetären Entwicklung nicht begünstigt, aber auch nicht benachteiligt werden. Doch ist dies oftmals nur ein vorgeschobenes Argument, um Betriebsratsmitgliedern dann lieber weniger in ihrer Entwicklung zu fördern.

Betriebsräte müssen sehr schnell Tätigkeiten und Aufgaben erlernen, die ihnen nie vertraut waren. Somit bauen sie ihre Kompetenzen und Fähigkeiten aus. Sie müssen gegenüber der Geschäftsführung als kompetenter Gesprächspartner auftreten. Plötzlich müssen sie verhandeln, präsentieren und argumentieren. Sie müssen Konflikte und Konfrontation mit dem Arbeitgeber bzw. Management aushalten – und sich zugleich (viel) Kritik von den Beschäftigten anhören.

Zum Beispiel müssen Betriebsräte und Betriebsratsvorsitzende gerade in global agierenden Unternehmen Kompetenzen aufweisen, die denen von Vorständen bzw. vom Management gleichen. Wäre es da angebracht, dass sie entsprechend bezahlt werden? Zumindest ein Ausgleich, der immer transparent ist. Nicht gerecht ist auf jeden Fall eine Bezahlung nach hochspekulativen Prognosen, was hätte er oder sie in seinem ursprünglichen Job werden können. Das theoretische Konstrukt einer umfassenden Vergleichsgruppe der gleichen Berufsgruppe kann dabei weiterhelfen. Diese Form der Gehaltseinstufung ist billig, da dies der schwierigen Tätigkeit oder der aufgebürdeten Belastung nicht angemessen erscheint. Die Tätigkeit als Betriebsrat ist mehr als ein Vollzeitjob mit hohen Anforderungen und Verantwortlichkeiten. Daher muss der Gesetzgeber mehr Klarheit schaffen und dabei hilft nicht ein mutmaßlicher Karriereweg, sondern eine an den Aufgabenstellungen der Betriebsratstätigkeit orientierte Entlohnung.

Wir wissen: Betriebsratsmitglieder müssen an der Gehaltsentwicklung wie alle anderen Beschäftigten beteiligt werden. Sie dürfen nicht bevorteilt oder benachteiligt werden. Doch schon das Gehaltssystem, gerade in Unternehmen ohne Tarifvertrag, ist kaum erklärbar und selten verständlich – und sehr von den Entscheidungen des jeweiligen Vorgesetzten, Stichwort: „Nasenfaktor“, abhängig. Jährlich wird über die Verteilung der Gehaltserhöhung monatelang bis zum sonnigen Frühjahr hinein verhandelt. Auch sind Bonuszahlungen, Prämien- und Sonderzahlungen sowie Optionen von nicht oder kaum beeinflussbaren Kriterien abhängig.

Nun kann ein Betriebsratsmitglied wirklich sehr viel Glück genießen, dass er oder sie einen Manager oder eine Managerin antrifft, der oder die viel Verständnis für das Engagement als Betriebsmitglied aufweist. Im Idealfall. Die Realität sieht manchmal anders aus. Die zeitaufwändige Arbeit im Betriebsrat wird selten beim Gehalt und der beruflichen Entwicklung gerecht wertgeschätzt. Betriebsratsmitglieder werden regelrecht wegen ihrer Abstinenz im Job bei den Leistungsbewertungen schlecht beurteilt. So nach dem Motto „Die halten wir uns klein“ oder „Den werden wir auch noch zermürben“.

Es ist längst Zeit für eine Reform des Betriebsverfassungsgesetzes, für klare Regelungen und Sanktionen, um Willkür, Benachteiligung, aber auch Begünstigung zu unterbinden. Gehälter und Zusatzleistungen sollten daher transparent gemacht werden.

Ralf Kronig, früher im Personalbereich tätig, seit 10 Jahren im Betriebsrat der SAP SE

Viele werden das anders sehen – die Diskussion ist gerne eröffnet!

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