[Vergaberecht] Öffentlicher Mindestlohn eingeschränkt europarechtskonform: EuGH sieht keine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit
„In der Rechtssache „Regiopost“ hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag entschieden, dass die Vorgabe zur Zahlung eines Mindestlohns bei der Ausführung öffentlicher Aufträge im Inland nicht gegen EU-Recht verstößt (Urt. v. 17.11.2015, Az. C-115/14). Diese Entscheidung hat auch Bedeutung für die zahlreichen anderen Anforderungen an Bieter in Vergabeverfahren, die durch Landesgesetze festgelegt werden. (…) Der EuGH bejahte die grundsätzliche Eignung einer solchen Mindestlohnregelung wie der des LTTG zur Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit, sah diese aber durch den Arbeitnehmerschutz als zwingendem Grund des Allgemeinwohls als gerechtfertigt an. Auch wenn der EuGH mit dieser Entscheidung den Anträgen des Generalanwalts folgt, überrascht doch die Begründung…“ Artikel von André Siedenberg vom 17.11.2015 bei Legal Tribune Online , siehe dazu die Reaktionen der Gewerkschaften:
- IG BAU: Vergaberecht muss soziale Standards stärken
„Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) begrüßt das gestern veröffentlichte Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Vergabe öffentlicher Aufträge (Aktenzeichen: C-115/14). Danach kann die Vergabe per Gesetz davon abhängig gemacht werden, dass ein Mindestlohn gezahlt wird. Damit ist der Weg frei für ein Tariftreuegesetz auch auf Bundesebene. Bestrebungen in den Ländern, dort schon bestehende Tariftreuegesetze wieder abzuschaffen, werden durch die EuGH-Entscheidung konterkariert. Die IG BAU fordert die Bundesregierung auf, nunmehr die derzeit diskutierten Entwürfe eines neuen Vergaberechts so zu gestalten, dass mit den eingesetzten Steuergeldern sozialpolitisch verantwortlich umgegangen wird…“ Pressemitteilung vom 18.11.2015 , darin: „… Die IG BAU fordert insbesondere Regelungen zur Eindämmung langer Subunternehmerketten. Sie dienen gerade am Bau zur Verschleierung von Lohndumping. Konkret muss geregelt werden, dass die Zahl der legal einzubindenden Subunternehmer auf maximal vier begrenzt wird. Für längere Subunternehmer-Ketten fehlen sachliche Gründe. Zudem müssen Subunternehmer dieselben Pflichten der öffentlichen Hand, wie etwa Tariftreue, erfüllen wie der eigentlich Beauftragte. Die Vergaberegeln müssen dies in allen Bereichen sicherstellen, indem sich der Unterauftragnehmer dazu gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber verpflichten muss. Vorher darf die öffentliche Hand keiner Untervergabe zustimmen…“
- ver.di: EuGH: Aufträge an Mindestlohn koppeln
„Unternehmen können von öffentlichen Vergabeverfahren ausgeschlossen werden, wenn sie sich nicht verpflichten wollen, den in diesem Verfahren geltenden Mindestlohn zu zahlen. Das geht aus einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hervor. „Dieses Urteil stärkt die Belange der Beschäftigten und ist ein klares Votum für ein soziales Europa mit verbrieften Löhnen“, sagte die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Andrea Kocsis…“ Pressemitteilung vom 17.11.2015