Medizinische Minderversorgung von Asylsuchenden und Flüchtlingen sowie EU-Bürgern beenden – u.a. durch anonymen Krankenschein
Dossier
„33 Medibüros und Medinetze in Deutschland richten zusammen mit dem Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte und medico international an den Bundestag den Aufruf, die medizinische Minderversorgung von Asylsuchenden und Flüchtlingen zu beenden. (…) Wir fordern die Streichung des § 4 des AsylbLG und eine medizinisch bestimmte Krankenversorgung aller Asylsuchenden, Flüchtlinge, Geduldeten und Papierlosen durch Integration in gesetzliche Krankenkassen, denn ausreichende Gesundheitsversorgung ist ein Menschenrecht…“ Pressemitteilung vom 19. August 2015 beim vdää , siehe dazu:
- Versagen auf Rezept. Menschen ohne Papiere gehen bei einer medizinischen Behandlung weiter das Risiko ihrer Abschiebung ein
„In Deutschland sind Ärzt*innen und medizinisches Personal dem Wohl ihrer Patient*innen verpflichtet – doch für Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus birgt der Gang ins Krankenhaus trotzdem ein besonderes Risiko. Die sogenannte Übermittlungspflicht nach Paragraf 87 des Aufenthaltsgesetzes verpflichtet staatliche Stellen dazu, die Ausländerbehörde zu informieren, wenn sie Kenntnis von einem illegalen Aufenthalt erlangen. Viele Migrant*innen ohne Papiere gehen daher aus Angst vor Abschiebung nicht zum Arzt. Doch auch das medizinische Personal ist betroffen. Es kann die nötige Hilfe nicht leisten, ohne die Patient*innen in Gefahr zu bringen. (…) Viele Behörden fragen im Alltag regelmäßig den Aufenthaltsstatus von Migrant*innen ab, auch wenn das im engeren Sinne gar nicht ihre Aufgabe ist. Während diese Problematik fast alle Bereiche des öffentlichen Lebens trifft, so ist sie im Gesundheitssektor besonders brisant. Die behandelnden Ärzt*innen und Krankenhäuser sind zwar von der Übermittlungspflicht ausgenommen, nicht jedoch die Sozialämter, die die rechtlich zugesicherte Kostenübernahme für solche Behandlungen abwickeln. (…) Wenn eine illegalisierte Person eine medizinische Notfallbehandlung in Anspruch nimmt, etwa in der Schwangerschaft oder nach einem Unfall, setzt sie sich automatisch dem Risiko aus, der Ausländerbehörde gemeldet zu werden. Denn kaum jemand ist in der Lage, die Behandlungskosten aus eigener Tasche zu zahlen. In größeren Städten wie Berlin gibt es zwar Anlaufstellen, die anonyme medizinische Behandlungen und Finanzierungen ermöglichen. Doch die Einrichtung von Parallelsystemen kann keine dauerhafte Lösung für die Bereitstellung einer Leistung sein, zu der sich die Bundesregierung mit dem Asylbewerberleistungsgesetz selbst verpflichtet hat. Unter Berufung auf diesen Widerspruch zwischen Übermittlungspflicht und dem Recht auf Kostenübernahme bei Notfallbehandlungen gründete sich kurz vor der letzten Bundestagswahl die Kampagne »GleichBeHandeln«. Über 80 zivilgesellschaftliche Organisationen forderten gemeinsam, die Übermittlungspflicht im Gesundheitssektor abzuschaffen, darunter die Diakonie Deutschland, Amnesty International und Ärzte der Welt. (…) Auch auf europäischer Ebene wird mit juristischen Mitteln versucht, die deutsche Übermittlungspflicht abzuschwächen und das Recht auf medizinische Versorgung zu stärken. So reichte die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission ein. Denn die Praxis der Übermittlungspflicht und die damit stark eingeschränkte Gesundheitsversorgung für Menschen ohne Papiere verstößt gegen den EU-Datenschutz und die EU-Grundrechte-Charta. Die Beschwerde wurde im August 2021 zu den Akten gelegt, da die Bundesregierung eine zügige Reform der Meldepflicht zugesichert hatte. Als diese nicht kam, reichte die GFF im April 2024 erneut Beschwerde bei der Kommission ein. Ein Urteil steht noch aus…“ Artikel von Anaïs Chamer, Navid Krüger und Henrik Lebuhn vom 7. November 2024 in Neues Deutschland online („Behandlung von Migranten ohne Papiere: Versagen auf Rezept“) - [Ohne Angst zum Arzt] Beschwerde bei EU-Kommission: Für hunderttausende Menschen in Deutschland ist keine Gesundheitsversorgung in Sicht
„Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) reicht heute gemeinsam mit Ärzte der Welt und 45 weiteren Organisationen eine förmliche Beschwerde bei der Europäischen Kommission ein. Damit rügt das Bündnis erneut die Meldepflicht, die seit über 30 Jahren Menschen ohne Papiere faktisch von jeder ärztlichen Versorgung ausschließt. Die aktuellen migrationspolitischen Entwicklungen lassen befürchten: Das Koalitionsversprechen, Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus endlich eine medizinische Basisversorgung zu ermöglichen, wird in dieser Legislaturperiode nicht eingelöst.
„Die EU darf nicht dabei zusehen, wie Deutschland die absoluten Grundlagen eines menschenwürdigen Lebens missachtet und Teilen der Bevölkerung de facto den Zugang zur Gesundheitsversorgung verwehrt“, betont Sarah Lincoln, Juristin bei der GFF. Dabei garantiert die EU-Grundrechtecharta das Recht auf ärztliche Versorgung. Deutschland verstößt mit der Meldepflicht im Gesundheitswesen gegen verfassungs- und europarechtliche Vorgaben. In keinem anderen europäischen Land sind die für die Gesundheitsversorgung zuständigen staatlichen Anlaufstellen verpflichtet, Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus zu melden.
Menschen, die in Deutschland ohne geregelten Aufenthaltsstatus leben, haben auf dem Papier zwar einen Anspruch auf Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände. Sobald sie sich an die Sozialbehörde wenden, um den dafür erforderlichen Behandlungsschein zu erhalten, droht ihnen jedoch die Abschiebung. Die Sozialbehörde ist dazu verpflichtet, die Daten an die Ausländerbehörde zu übermitteln. Aus Angst vor einer Abschiebung meiden Betroffene den Gang zum Arzt. (…)
Statt wie angekündigt eine zügige Reform umzusetzen und den Gesundheitsbereich von der Meldepflicht auszunehmen, verschärft die Bundesregierung die Vorschriften zum Datenaustausch im Ausländer- und Sozialrecht. Vor diesem Hintergrund legt das Bündnis seine Beschwerde von 2021 erneut bei der Europäischen Kommission vor und rügt eine Verletzung der europäischen Datenschutzvorgaben und des Rechts auf Gesundheitsversorgung.
Gemeinsam mit über 80 weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen setzen sich die GFF und Ärzte der Welt seit 2021 mit der Kampagne GleichBeHandeln dafür ein, dass Menschen ohne Angst zum Arzt gehen können…“ Pressemitteilung vom 22. April 2024 von GFF , siehe ebd. auch Ohne Angst zum Arzt - Drei DIW-Studien zu Geflüchteten in Deutschland belegen: Hürden zur Gesundheitsversorgung und zu Hilfsangeboten nach wie vor hoch
„… Ende Februar wurde das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) geändert: Geflüchtete erhalten nun bis zu drei Jahre nur eingeschränkte Gesundheitsleistungen. Darauf hatten sich Bund und Länder bereits im November vergangenen Jahres geeinigt. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) zeigt: Die Gesetzesänderung dürfte für Geflüchtete die tatsächliche Wartezeit auf eine reguläre Gesundheitsversorgung von gut einem Jahr auf knapp zwei Jahre fast verdoppeln. Hätte dieser Geltungszeitraum schon in der Vergangenheit gegriffen, so hätte jede*r zweite Geflüchtete (52 Prozent) sogar die ganze Geltungsdauer des AsylbLG, also drei Jahre, darauf warten müssen. Basis der Berechnungen ist die IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten. (…) Um medizinische Leistungen zu erhalten, müssen Geflüchtete nicht nur lange Wartezeiten in Kauf nehmen; sie brauchen dafür auch meist Unterstützung. Eine zweite Studie hat den Bedarf an Hilfe in fünf Bereichen untersucht: Zugang zur Gesundheitsversorgung, Asylfragen, Spracherwerb, Arbeitssuche und Zugang zu Bildung. Die Ergebnisse: 98 Prozent der Geflüchteten brauchen Hilfe in mindestens einem dieser Bereiche; 21 Prozent sogar in allen fünf. Den größten Bedarf an Unterstützung gibt es beim Deutschlernen (91 Prozent der Befragten) und beim Zugang zur medizinischen Versorgung (82 Prozent). Häufig erhalten Geflüchtete aber nicht die benötigte Hilfe: So geben 40 Prozent der Befragten an, dass sie Unterstützung bei der Arbeitssuche gebraucht, aber nicht erhalten haben; 34 Prozent betrifft dies bei Asylfragen. Geflüchteten mit einem Bildungsabschluss oder Arbeitserfahrung aus dem Herkunftsland gelingt es besonders häufig Unterstützung in Anspruch zu nehmen; Schutzsuchende ohne Abschluss oder Berufserfahrung erhalten seltener Hilfe. (…)Eine dritte Studie nimmt das Fluchtgeschehen von 2014 bis 2023 in den Blick: In den letzten zehn Jahren kamen die meisten Schutzsuchenden über die östliche Mittelmeerroute (35 Prozent) und Westbalkanroute (33 Prozent) in die EU. Die zentrale Mittelmeerroute nutzte etwa jede*r vierte Geflüchtete. Sie hat zuletzt jedoch an Bedeutung gewonnen. Gleichzeitig ist dies global gesehen auch die tödlichste Route: 63 Prozent aller dokumentierten Todesfälle von Schutzsuchenden auf dem Weg in die EU ereigneten sich auf dieser Strecke. Neben der Auswertung der offiziellen Statistiken liefert die Studie auch Einblicke in die Fluchterfahrungen. Berechnungen auf Basis der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten zeigen: Auch von den Geflüchteten wird die zentrale Mittelmeerroute als besonders gefährlich eingeschätzt. Die Hälfte der Befragten (47 Prozent), die diesen Fluchtweg nutzten, machte negative Erfahrungen. Auf der östlichen Landroute machte dies nur jede*r siebte (14 Prozent). Fragt man die Geflüchteten konkret, was sie erlebt haben, werden am häufigsten Betrug (24 Prozent), Gefängnisaufenthalte und körperliche Übergriffe (jeweils 18 Prozent) genannt. Etwa die Hälfte möchte aber keine Auskunft über ihre Erfahrungen geben…“ DIW- Pressemitteilung vom 20. März 2024 mit mehr Infos zu den Studien - Bundesregierung will psychosoziale Unterstützung für traumatisierte Geflüchtete um fast 60% kürzen
„Die Bundesregierung will inmitten einer der größten Menschenrechtskrisen unserer Zeit die Finanzierung der psychosozialen Arbeit mit Geflüchteten um fast 60% kürzen. Sie setzt damit die überlebensnotwendige Versorgung für Überlebende von Folter, für Kinder, die Bombenangriffe und sexualisierte Gewalt erlebt haben und für Menschen, die sich in ihren Herkunftsländern für Demokratie und Menschenrechte eingesetzt haben, aufs Spiel. Angesichts einer ohnehin geringen Versorgungsquote von nur 4,1 Prozent der potenziell behandlungsbedürftigen Personen ist zu erwarten, dass das Kaputtsparen in diesem essenziellen sozialen Bereich für die Betroffenen und die Gesamtgesellschaft fatale Folgen haben wird. (…) Die BAfF appelliert an die Verantwortlichen der Bundesregierung, die geplanten Kürzungen zu überdenken und die angemessene finanzielle Unterstützung der Psychosozialen Zentren sicherzustellen, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, um die Versorgung und Integration geflüchteter Menschen weiterhin gewährleisten zu können. Nur so kann die Gesellschaft langfristig von der wertvollen Arbeit dieser Einrichtungen profitieren und die Sicherheit und Gesundheit aller gewährleistet werden. Was jetzt droht: – Entlassung von Fachkräften oder Insolvenzen – Traumatisierte Geflüchtete verlieren ihren oft einzigen Zugang zu überlebensnotwendiger psychosozialer und therapeutischer Hilfe – Zunahme von unversorgten Krisensituationen, Chronifizierung von Erkrankungen, dauerhafte Beeinträchtigungen und zusätzliche Belastungen des Gesundheitssystems. Was es braucht: – Eine frühzeitige, zuverlässige psychosoziale und therapeutische Versorgung für Schutzsuchende durch Einrichtungen mit Fachwissen und Erfahrung – Eine finanzielle Absicherung der psychosozialen Zentren und ihrer Fachkräfte, wie es der Koalitionsvertrag vorsieht.“ BafF-Pressemitteilung vom 27. Juli 2023 (Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer e.V.)
- Bundessozialgericht: Staat muss Klinik-Kosten von Ausländern ohne Versicherung tragen
„Ein obdachloser Pole wurde mit Verdacht auf Herzinfarkt in ein Aachener Krankenhaus gebracht. Die Klinik verlangte von der Stadt Erstattung der Behandlungskosten. Dieser lehnte ab. Jetzt hat das Bundessozialgericht den Streit entschieden. Ausländer ohne Krankenversicherungsschutz haben im akuten Notfall Anspruch auf medizinische Behandlung auf Kosten des Sozialstaats. Selbst wenn die erkrankte Person kein Aufenthaltsrecht in Deutschland hat, kann sich die behandelnde Klinik die Kosten für die Notfallbehandlung von der Sozialhilfe wieder zurückholen, urteilte das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel am Donnerstag. (AZ: B 8 SO 11/22 R) Dem nicht versicherten Ausländer stünden Überbrückungsleistungen in Form von Hilfen bei Krankheit zu. Auf die Ausreisebereitschaft des Ausländers komme es hierfür nicht an. (…) Mit dem Herzinfarkt-Verdacht habe auch eine „akute Erkrankung“ vorgelegen. Das Gericht sah die Voraussetzungen zur Gewährung von Überbrückungsleistungen als erfüllt an. Diese Form der Sozialhilfeleistung umfasse im akuten Notfall auch Hilfen bei Krankheit. Eine Ausreisebereitschaft sei nicht erforderlich.“ Meldung vom 16. Juli 2023 im MiGAZIN - [Weltgesundheitstag am 7. April] #GesundheitFürAlle – Schluss mit der diskriminierenden Gesundheitsversorgung von Geflüchteten!
„Zum Weltgesundheitstag am 7. April beklagen Ärzte der Welt und PRO ASYL die systematische Verletzung des Rechts geflüchteter Menschen auf Gesundheit. In den Aufnahmeeinrichtungen herrschen krankmachende Lebensbedingungen. (…) PRO ASYL und Ärzte der Welt* fordern zum Weltgesundheitstag: – das Asylbewerberleistungsgesetz abzuschaffen und Geflüchtete in das reguläre Sozialleistungssystem einzugliedern und in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung abzusichern; – durch die Kostenübernahme für Sprachmittlung und Anti-Diskriminierungsmaßnahmen im Gesundheitswesen Barrieren im Zugang abzubauen; – menschenrechtskonforme Unterbringungsstandards zu sichern und dafür zu sorgen, dass geflüchtete Menschen frühestmöglich in Wohnungen leben können – zum Schutz vor Gewalt, für gesunde Lebensbedingungen und Selbstbestimmung. (…) Jeder Mensch hat das Recht auf das höchste erreichbare Maß an körperlicher und geistiger Gesundheit – unabhängig von Nationalität und Aufenthaltsstatus. Zur Verwirklichung dieses Rechts hat sich Deutschland im Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UN-Sozialpakt) völkerrechtlich bindend verpflichtet. Das Recht auf Gesundheit umfasst zum einen den diskriminierungsfreien Zugang zu Gesundheitsversorgung, zum anderen aber auch gesunde Lebensbedingungen, »einen Lebensstandard, der Gesundheit und Wohlergehen gewährleistet, Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung und die notwendigen sozialen Leistungen.« So legt es die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der UN fest. Der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte hat in seinen Allgemeinen Bemerkungen zum Recht auf Gesundheit explizit festgehalten, dass die staatliche Pflicht, den Zugang zu Gesundheitsversorgung zu gewährleisten, auch gegenüber Asylsuchenden verbindlich ist. Im deutschen Recht legt § 12 Sozialgesetzbuch (SGB) V fest, dass die Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen das Maß des medizinisch Notwendigen abbilden sollen. Für Asylsuchende, die in den ersten 18 Monaten ihres Aufenthalts Grundleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, gilt das SGB V nicht. § 4 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) beschränkt die ihnen gewährten medizinischen Leistungen auf die Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände, Schwangerschaft und Geburt sowie Impfungen. Die Behandlung chronischer Krankheiten, Leistungen für Pflegebedürftige und Hilfen für Menschen mit Behinderung sind nach § 6 AsylbLG auf das »zur Sicherung der Gesundheit Unerlässliche« beschränkt (§ 6 AsylbLG) und müssen beim Sozialamt gesondert beantragt werden. (…) Probleme gibt es aber bereits bei der Informationsvermittlung und Unterstützung durch die sozialen/medizinischen Dienste in den Unterkünften. Ärzte der Welt beobachtet, dass Asylsuchende nicht über ihre gesundheitlichen Rechte und Versorgungsmöglichkeiten informiert werden…“ Meldung vom 6. April 2023 von Pro Asyl - Medinetz Halle/Saale: Gesundheit ist ein Menschenrecht!
Im interview der Redaktion der Graswurzelrevolution (01.02.2023) – dokumentiert im Linksnet am 1. Februar 2023 – gibt Medinetz aus Halle/Saale Einblicke in seine medizinische Unterstützung für Menschen ohne Zugang zum Gesundheitssystem: „… Wir schaffen uns selber ab!“, das ist der nun schon jahrelang genutzte Slogan vieler Gruppen der Medinetz-und Medibürobewegung in der BRD. Das ist idealistisch gesehen auch das Ziel des Medinetz Halle/Saale. Dieser Satz formuliert Utopie und Kritik an der aktuellen Gesundheitsversorgung für Menschen ohne Krankenversicherung in einem. Das bedeutet, dass wir als selbstorganisierte Gruppe nicht die gesundheitliche Versorgung von Personen, die aus zahlreichen Gründen durch die Regelversorgung durchfallen, gewährleisten wollen. Wir sind der Meinung, dass in dem System in dem wir aktuell Leben, der Staat dafür Sorge tragen muss, dass allen Menschen ein Recht auf Gesundheit bzw. medizinische Versorgung zukommt. Mit unserer Arbeit machen wir sichtbar, dass viele Menschen durch Versorgungsstrukturen durchfallen oder gar nicht erst dort ankommen und Menschen mit verschiedensten Hintergründen keinen Zugang zum Gesundheitssystem in Deutschland haben. Und der utopische Part in dem Ausspruch: „Wir schaffen uns selber ab“ besteht darin, dass uns leider auch sehr bewusst ist, dass das erst mal nicht passieren wird. Aktuell geht der Trend eher dahin, dass sich unsere Strukturen mit den geschaffenen Unterstützungsangeboten verfestigen und professionalisieren. (…) Wir haben eine wöchentliche Sprechstunde und sind per Telefon und Mail zu erreichen. Wenn Personen zu uns Kontakt aufnehmen, versuchen wir zuerst herauszufinden, was am dringendsten ist, ob es eine Chance auf Kostenübernahme z.B. durch das Sozialamt oder eine Krankenkasse gibt. Wir vermitteln aber parallel zu solidarischen Ärzt:innen, die bereit sind, überwiegend kostenfrei und vor allem auch anonyme Behandlungen durchzuführen. Ohne dieses Netzwerk wäre es nicht möglich, schnelle und unbürokratische Lösungen zu finden. Auch hier liegt unsere Kritik: erkrankte Menschen dürfen nicht darauf angewiesen sein, dass es Parallelstrukturen gibt, die sie auffangen. Hier ist auch zu sagen, dass alle Kosten, die für Behandlungen und Medikamente anfallen, auf Geld- und Sachspenden basieren. Die Kernarbeit ist somit davon geprägt, eine Sprechstunde zu stellen, die wir wohlgemerkt nun fast seit neun Jahren ununterbrochen anbieten, Behandlungen zu organisieren, Sprachmittlungen zu finden, Netzwerke von Unterstützenden aufzubauen, Spenden aufzutreiben und den Verein zu verwalten. An dieser Stelle, ist es auch wichtig zu erwähnen, dass keine Person aus unserer Gruppe dafür Geld erhält – wo wir bei einem unserer nächsten Slogans angekommen sind. Vor einigen Jahren hat uns die Kampagne „Es ist uns keine Ehre!“ begleitet, denn diese Beratungs- und Fürsorgearbeit darf nicht auf „Ehrenamt“ oder Menschen abgeladen werden, die dafür nicht bezahlt werden. Doch aktuell ist das die Tatsache. In Sachsen-Anhalt gibt es keine bezahlte Beratungsstelle, die diese Arbeit leistet. Ein weiterer Teil ist es auch politisch aktiv zu sein, da wir diese Umstände nicht unkommentiert hinnehmen wollen. (…) Mit langem Atem haben wir es geschafft, dass die mögliche Umsetzung 2021 in den Koalitionsvertrag der Landesregierung von Sachsen-Anhalt aufgenommen wurde. (…) Es gibt in der BRD mittlerweile ca. 40 Medinetze und Medibüros, die ähnlich arbeiten. Jedoch organisiert sich jede Gruppe selber und hat dadurch auch verschiedene Ansprüche an die Umsetzung ihrer Arbeit in Bezug auf Art und Weise sowie Wahl der Inhalte. Wir sind aber alle untereinander vernetzt und können auf gegenseitige Erfahrungen sowie Wissen jederzeit zurückgreifen.“Medinetz Halle/Saale: Gesundheit ist ein Menschenrecht!Im interview der Redaktion der Graswurzelrevolution (01.02.2023) – dokumentiert im Linksnet am 1. Februar 2023 – gibt Medinetz aus Halle/Saale Einblicke in seine medizinische Unterstützung für Menschen ohne Zugang zum Gesundheitssystem: „… Wir schaffen uns selber ab!“, das ist der nun schon jahrelang genutzte Slogan vieler Gruppen der Medinetz-und Medibürobewegung in der BRD. Das ist idealistisch gesehen auch das Ziel des Medinetz Halle/Saale. Dieser Satz formuliert Utopie und Kritik an der aktuellen Gesundheitsversorgung für Menschen ohne Krankenversicherung in einem. Das bedeutet, dass wir als selbstorganisierte Gruppe nicht die gesundheitliche Versorgung von Personen, die aus zahlreichen Gründen durch die Regelversorgung durchfallen, gewährleisten wollen. Wir sind der Meinung, dass in dem System in dem wir aktuell Leben, der Staat dafür Sorge tragen muss, dass allen Menschen ein Recht auf Gesundheit bzw. medizinische Versorgung zukommt. Mit unserer Arbeit machen wir sichtbar, dass viele Menschen durch Versorgungsstrukturen durchfallen oder gar nicht erst dort ankommen und Menschen mit verschiedensten Hintergründen keinen Zugang zum Gesundheitssystem in Deutschland haben. Und der utopische Part in dem Ausspruch: „Wir schaffen uns selber ab“ besteht darin, dass uns leider auch sehr bewusst ist, dass das erst mal nicht passieren wird. Aktuell geht der Trend eher dahin, dass sich unsere Strukturen mit den geschaffenen Unterstützungsangeboten verfestigen und professionalisieren. (…) Wir haben eine wöchentliche Sprechstunde und sind per Telefon und Mail zu erreichen. Wenn Personen zu uns Kontakt aufnehmen, versuchen wir zuerst herauszufinden, was am dringendsten ist, ob es eine Chance auf Kostenübernahme z.B. durch das Sozialamt oder eine Krankenkasse gibt. Wir vermitteln aber parallel zu solidarischen Ärzt:innen, die bereit sind, überwiegend kostenfrei und vor allem auch anonyme Behandlungen durchzuführen. Ohne dieses Netzwerk wäre es nicht möglich, schnelle und unbürokratische Lösungen zu finden. Auch hier liegt unsere Kritik: erkrankte Menschen dürfen nicht darauf angewiesen sein, dass es Parallelstrukturen gibt, die sie auffangen. Hier ist auch zu sagen, dass alle Kosten, die für Behandlungen und Medikamente anfallen, auf Geld- und Sachspenden basieren. Die Kernarbeit ist somit davon geprägt, eine Sprechstunde zu stellen, die wir wohlgemerkt nun fast seit neun Jahren ununterbrochen anbieten, Behandlungen zu organisieren, Sprachmittlungen zu finden, Netzwerke von Unterstützenden aufzubauen, Spenden aufzutreiben und den Verein zu verwalten. An dieser Stelle, ist es auch wichtig zu erwähnen, dass keine Person aus unserer Gruppe dafür Geld erhält – wo wir bei einem unserer nächsten Slogans angekommen sind. Vor einigen Jahren hat uns die Kampagne „Es ist uns keine Ehre!“ begleitet, denn diese Beratungs- und Fürsorgearbeit darf nicht auf „Ehrenamt“ oder Menschen abgeladen werden, die dafür nicht bezahlt werden. Doch aktuell ist das die Tatsache. In Sachsen-Anhalt gibt es keine bezahlte Beratungsstelle, die diese Arbeit leistet. Ein weiterer Teil ist es auch politisch aktiv zu sein, da wir diese Umstände nicht unkommentiert hinnehmen wollen. (…) Mit langem Atem haben wir es geschafft, dass die mögliche Umsetzung 2021 in den Koalitionsvertrag der Landesregierung von Sachsen-Anhalt aufgenommen wurde. (…) Es gibt in der BRD mittlerweile ca. 40 Medinetze und Medibüros, die ähnlich arbeiten. Jedoch organisiert sich jede Gruppe selber und hat dadurch auch verschiedene Ansprüche an die Umsetzung ihrer Arbeit in Bezug auf Art und Weise sowie Wahl der Inhalte. Wir sind aber alle untereinander vernetzt und können auf gegenseitige Erfahrungen sowie Wissen jederzeit zurückgreifen.“ - Organisationen schlagen Alarm: Hunderttausende nicht ausreichend krankenversichert
„Inflation, wachsende Armut, die Versorgung von Geflüchteten – das deutsche Gesundheitssystem ist den aktuellen Herausforderungen nicht gewachsen. Davor warnt eine zivilgesellschaftliche Allianz anlässlich des heutigen Welttags der allgemeinen Gesundheitsversorgung. Die Bundesregierung muss zügig Maßnahmen ergreifen, um Gesundheitsversorgung für alle Menschen in Deutschland zu gewährleisten und diskriminierende Hürden abzubauen. Das fordern die NGO Ärzte der Welt, die Diakonie Deutschland und die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe gemeinsam mit der neu gegründeten Bundesarbeitsgemeinschaft Anonyme Behandlungsschein- und Clearingstellen für Menschen ohne Krankenversicherung (BACK). „Deutschland stellt sich als Musterbeispiel dar, aber immer noch können Hunderttausende notwendige medizinische Leistungen nicht in Anspruch nehmen“, kritisiert Robert Limmer von der Clearingstelle München. (…) Angesichts der sich zuspitzenden Lage fordern die Organisationen und Verbände die Bundesregierung auf, endlich zu handeln, und folgende Maßnahmen zu ergreifen: – Trennung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung abschaffen, Einführung einer gesetzlichen Krankenversicherung für alle – Mindestbeitragssatz zur freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung für einkommensschwache Personengruppen senken – Übermittlungspflicht nach § 87 Aufenthaltsgesetz abschaffen – EU-Bürger*innen im Bezug von Sozialleistungen gleichbehandeln und Leistungsausschluss abschaffen – Umfassende, barrierearme Gesundheitsversorgung für Geflüchtete – Bürokratische Hürden beim Zugang zu gesundheitlicher Versorgung abschaffen, barrierearme Informationen bereitstellen – Recht auf professionelle Sprachmittlung im Gesundheitssystem und Finanzierung dieser – Maßnahmen zum Abbau von Diskriminierung im Gesundheitswesen und bei Behörden – Solange der diskriminierungsfreie Zugang nicht für alle gesichert ist: Clearingstellen einrichten und finanzieren – Finanzierungsmöglichkeiten medizinischer Versorgung für Menschen ohne Krankenversicherungsschutz einrichten (…) In den vergangenen Jahren haben (…) einige Länder und Kommunen Clearingstellen eingerichtet. Diese unterstützen Menschen dabei, in eine Krankenversicherung aufgenommen zu werden oder zu klären, wie die Kosten für eine Behandlung gedeckt werden können. Indem die Clearingstellen anonymisierte Behandlungsscheine ausstellen, können sie kurzfristig Zugang zum Gesundheitssystem ermöglichen. Clearingstellen sind bisher aber noch nicht flächendeckend eingerichtet worden und sind nicht für alle Ratsuchenden in erreichbarer Nähe. Zudem existieren weder einheitliche Standards noch eine ausreichende und langfristige Finanzierung.“ Presseinformation 12. Dezember 2022 von und bei Ärzte der Welt - Medizinische Versorgung für Menschen ohne Papiere: Grundrecht verwehrt. Bundesverfassungsgericht nimmt Verfassungsbeschwerde »Ohne Angst zum Arzt« nicht an
„Herr M. lebt seit 30 Jahren in Deutschland und benötigt nach einem Herzinfarkt eine Operation. Weil er keine Papiere hat, müsste er dafür einen Versorgungsschein beim Sozialamt beantragen. Das Amt wiederum müsste ihn dann an die Ausländerbehörde melden, und er würde vermutlich abgeschoben werden. M. kämpft deshalb vor Gericht dafür, dem Sozialamt eine Weitergabe seiner Daten an die Ausländerbehörde zu versagen. Die Verwaltungsgerichte lehnten seinen Eilantrag als unzulässig ab, weil er dem – ebenfalls meldepflichtigen – Gericht seine Daten nicht zur Verfügung stellte. M. hat deshalb zusammen mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und der Organisation Ärzte der Welt Verfassungsbeschwerde eingelegt. Aus Sicht der Kläger*innen ist die Meldepflicht verfassungswidrig. Das Verfassungsgericht hat die Beschwerde jedoch nicht zur Entscheidung angenommen.
»Wer ohne Papiere in Deutschland lebt, hat keinen Zugang zu Gesundheitsversorgung und offenbar auch keinen Rechtsschutz. Das Bundesverfassungsgericht verpasst hier die Chance, klarzustellen, dass alle Menschen in Deutschland einklagbare Rechte haben«, sagt Sarah Lincoln, Verfahrenskoordinatorin der GFF zu »nd«. Begründet hat das Gericht seine Entscheidung in dem Eilverfahren nicht. »Das macht es für uns schwierig zu bewerten«, so die Juristin.
Mögliche Gründe könnten sein, dass das Verfassungsgericht eine Klage unter Pseudonym ebenfalls für unzulässig erachte oder weil der Rechtsschutz in der Hauptsache noch nicht ausgeschöpft sei. Möglich sei auch, dass das Gericht einer Reform durch die Bundesregierung nicht zuvorkommen wolle. Die Regierungsparteien hatten im Koalitionsvertrag angekündigt, die Meldepflichten von Menschen ohne Papiere zu überarbeiten…“ Artikel von Ulrike Wagener vom 13.12.2022 im ND online - Verfassungsbeschwerde von Papierlosem: Angst vorm Arztbesuch. Bisher führen Anträge auf Kostenübernahme zur Abschiebung – das könnte sich ändern
„Auch Menschen ohne Aufenthaltsrecht sollen Zugang zu ärztlicher Versorgung haben – ohne Angst abgeschoben zu werden. Deshalb hat ein 52-jähriger Kosovare, der ohne geregelten Aufenthalt in Deutschland lebt, jetzt Verfassungsbeschwerde eingelegt. (…) Dass alle Behörden illegalisierte Personen dem Ausländeramt melden müssen, wurde 1990 eingeführt. Seit 2011 gibt es immerhin eine Ausnahme für Schulen und Kindergärten. Die Meldepflicht für Sozialämter blieb aber bestehen. Nur bei Eilfällen am Feierabend oder am Wochenende können Ärzte und Kliniken die Kosten mit dem Sozialamt abrechnen, ohne dass eine Meldepflicht ausgelöst wird. Mit seiner Verfassungsbeschwerde will der Kosovare nun gegen die Meldepflicht in Paragraf 87 des Aufenthaltsgesetzes vorgehen. Die Meldepflicht verstoße gegen sein Grundrecht auf das „gesundheitliche Existenzminimum“, einen Unterfall der Menschenwürde. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die die Klage unterstützt, sieht gute Erfolgsaussichten. Schon 2012 entschied das Bundesverfassungsgericht: „Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren.“ Außerdem stützt sich der Kosovare auf das Grundrecht auf Datenschutz („informationelle Selbstbestimmung“). Die Weitergabe seiner Daten an das Ausländeramt sei ein unverhältnismäßiger Eingriff und schon im Ansatz ungeeignet. Da Illegale aufgrund der Meldepflicht so gut wie nie beim Sozialamt Behandlungsscheine beantragen, werden so auch keine Illegalen entdeckt; die Meldepflicht diene nur der Schikane und Abschreckung. Bisherige Klagen des Kosovaren wurden von den hessischen Verwaltungsgerichten allerdings ohne jede Prüfung seiner Argumente abgewiesen. Grund: Der Kosovare will weder Name noch ladungsfähige Adresse angeben, denn auch Gerichte seien zur Meldung von Illegalen verpflichtet. In seiner Verfassungsbeschwerde beruft sich der Mann deshalb auch auf das „Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz“. Außerdem hat er in Karlsruhe einen Antrag auf eine einstweilige Anordnung gestellt…“ Artikel von Christian Rath vom 14. Sepetember 2022 in der taz online - Kampagne #Gleichbehandeln übergibt Unterschriften: Bündnis fordert Arztbesuch ohne Angst vor Abschiebung „Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus müssen bei einem Arztbesuch befürchten, abgeschoben zu werden. Ein Bündnis fordert Gesetzesänderungen. Das Recht auf medizinische Versorgung gelte für alle Menschen. Ein Bündnis aus 80 zivilgesellschaftlichen Organisationen und Wohlfahrtsverbänden fordert, die Gesundheitsversorgung auch für Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus zu garantieren. Vertreter unter anderen von Diakonie Deutschland, Pro Asyl und Amnesty International übergaben am Mittwoch in Berlin Abgeordneten der Regierungskoalition rund 26.000 Unterschriften für eine entsprechende Petition. [siehe diese weiter unten]
„Das Recht auf medizinische Versorgung gilt für alle Menschen – unabhängig vom Aufenthaltsstatus. Der Staat muss sicherstellen, dass der Zugang zu medizinischer Versorgung auch in der Praxis funktioniert“, sagte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie bei der Übergabe der Unterschriften der Kampagne #GleichBeHandeln : „Auch die Covid-19-Pandemie hat es uns wieder und wieder gezeigt: Gesundheit ist ein Gemeingut und der Zugang zu gesundheitlicher Versorgung muss für alle hier lebenden Menschen sichergestellt sein.“..“ Meldung vom 06.04.2022 beim Migazin - Beschwerde wegen Verstoßes gegen EU-Recht: Breites Bündnis von NGO kritisiert fehlende Gesundheitsversorgung für Papierlose in Deutschland
„Auf dem Papier haben auch Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus in Deutschland einen gesetzlichen Anspruch auf eine medizinische Grundversorgung. Die Sache hat jedoch einen Haken: Die Sozialbehörde, bei der sie den erforderlichen Behandlungsschein erhalten können, ist durch einen Passus im Paragrafen 87 des Aufenthaltsgesetzes dazu verpflichtet, Menschen ohne Papiere mit Namen, Aufenthaltsstatus und Aufenthaltsort der Ausländerbehörde zu melden. Wer sich auf diesem Weg medizinisch behandeln lässt, läuft so in die Falle der Abschiebung. Faktisch sind Papierlose damit von der regulären Gesundheitsversorgung ausgeschlossen. Gegen diese aufenthaltsrechtliche Übermittlungspflicht richtet sich eine Beschwerde, die nun bei der Europäischen Kommission in Brüssel eingereicht wurde, und die von Dutzenden Menschenrechtsorganisationen, darunter mehrere Flüchtlingsräte, Seebrücke, Pro Asyl, IPPNW und der Verein Demokratischer Ärztinnen und Ärzte, unterstützt wird. Gemäß der Beschwerde verletzt die 1990 eingeführte Pflicht zur Denunziation von Menschen ohne Aufenthaltstitel ihr verfassungs- und europarechtlich verbürgtes Recht auf medizinische Vorsorge und Versorgung ebenso wie den Zweckbindungsgrundsatz im EU-Datenschutzrecht. Dadurch blieben »ansteckende und teils lebensbedrohliche Erkrankungen unbehandelt«. Schwangere erhielten keine Vorsorgeuntersuchungen und selbst in Deutschland aufwachsende Kinder seien »von der medizinischen Grundversorgung ausgeschlossen«. Ein Antrag der Linksfraktion vom März 2020, das Recht auf Gesundheit frei von Diskriminierung zu garantieren, blieb erfolglos. (…) Die Bundesregierung hat es zuletzt im Mai 2021 ausdrücklich abgelehnt, den Paragraf 87 des Aufenthaltsgesetzes anzupassen.“ Artikel von Peter Steiniger vom 26. August 2021 in neues Deutschland online - [Studie zu GleichBeHandeln] Ohne Angst zum Arzt: Das Recht auf Gesundheit von Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus in Deutschland
„Ohne Angst zum Arzt zu gehen – das ist in Deutschland für Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus nicht möglich. Ein Bündnis von über 60 zivilgesellschaftlichen Organisationen – darunter Ärzte der Welt, die Gesellschaft für Freiheitsrechte, Amnesty International, die Diakonie, Pro Asyl, die Arbeiterwohlfahrt, der Dachverband Migrantinnenorganisationen, die Deutsche Aidshilfe, die Seebrücke – fordert mit der Kampagne „GleichBeHandeln“ daher eine Gesetzesänderung. Die Coronapandemie hat deutlich gemacht, wie wichtig das Recht auf Gesundheitsversorgung ist, sowohl für jeden einzelnen Menschen als auch für die gesamte Gesellschaft. Dieses Recht wird jedoch Hunderttausenden in Deutschland verwehrt. Denn der Paragraf 87 des Aufenthaltsgesetzes verpflichtet das Sozialamt, Personen ohne gültigen Aufenthaltstitel umgehend an die Ausländerbehörde zu melden, wenn sie eine Kostenübernahme für medizinische Leistungen beantragen. Aus der begründeten Angst vor Abschiebung heraus vermeiden es daher Menschen, die teils schon jahrelang in der Mitte unserer Gesellschaft als Nachbar*innen, Kund*innen, Dienstleister*innen und Mitschüler*innen leben, sich ärztlich behandeln zu lassen…“ Pressemitteilung zur Kampagne zur Studie von Ärzte der Welt und der Gesellschaft für Freiheitsrechte , siehe die Petition hier weiter unten - Anonymer Krankenschein in Thüringen: Große Nachfrage, steigender Finanzbedarf
- [Petition] Medizinische Versorgung steht allen zu! Übermittlungspflicht jetzt einschränken!
„Die Corona-Pandemie zeigt uns erneut: Alle in Deutschland lebenden Menschen müssen ohne Angst medizinische Leistungen in Anspruch nehmen können. Doch faktisch wird dieses Recht in Deutschland Hunderttausenden verwehrt. Das Gesundheitswesen muss daher von der Pflicht ausgenommen werden, Daten über Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus an die Ausländerbehörde weiterzugeben. Wir fordern vom Deutschen Bundestag, § 87 des Aufenthaltsgesetzes entsprechend einzuschränken…“ Petition von GleichBeHandeln an alle Mitglieder des Deutschen Bundestags , siehe dazu:- Gesundheitsversorgung papierloser Menschen: Arztbesuch als Abschiebungsrisiko
„Übermittlungspflicht soll aus dem Aufenthaltsgesetz gestrichen werden, damit das Menschenrecht auf Gesundheit ohne Ausnahme gilt – erst recht in Pandemiezeiten. Schätzungsweise bis zu einer halben Million Menschen leben in Deutschland ohne regulären Aufenthaltsstatus. Sie wohnen irgendwo, viele von ihnen arbeiten, beides in der Regel unter prekären Bedingungen. Ihre Kinder können aber zur Schule gehen, ohne dass die Eltern fürchten müssen, dass die Schulverwaltung sie an die Ausländerbehörden meldet. Eine entsprechende Regel gilt seit 2011. Die Begründung: Jedes Kind hat das Recht auf Schulbildung, unabhängig vom aufenthaltsrechtlichen Status. Ganz anders ist es immer noch, wenn jemand aus der Gruppe ärztliche Behandlung braucht und sein Recht auf Versorgung in Anspruch nehmen will. Es gibt theoretisch die Möglichkeit, einen Krankenschein (und damit die Kostenerstattung) beim zuständigen Sozialamt zu beantragen und dann zum Arzt zu gehen. Aber das Sozialamt wäre verpflichtet, die Daten an die Ausländerbehörde zu melden. In der Folge könnte die Abschiebung drohen. »Menschen verzichten auf den Arztbesuch, weil ihr Risiko zu groß ist. Damit wird ihnen aber das Recht auf eine Behandlung praktisch verwehrt«, erklärt Jérémy Geeraert vom Berliner Medibüro. Verankert ist das seit 2005 in Paragraf 87 Aufenthaltsgesetz, um alle öffentlichen Stellen zu verpflichten, bei der Abschiebung illegalisierter Menschen mitzuwirken. Damit die Mitteilungspflicht für die medizinische Versorgung beendet wird, haben 67 Gruppen und Organisationen jetzt eine Kampagne zur Streichung des Paragrafen gestartet. Inzwischen, Stand 1. Juni, gibt es 84 Unterzeichner. Etwa 15 000 Unterschriften wurden bisher gesammelt. Zu den Initiatoren gehören die Medibüros, die bundesweit Menschen ohne regulären Aufenthaltsstatus dabei unterstützen, im Krankheitsfall einen Arzt zu finden. Sie übernehmen die Kosten, finanzieren sich aus Spenden und kooperieren mit solidarischen Medizinern, die ihre Arbeitszeit spenden…“ Artikel von Ulrike Henning 01.06.2021 im ND online
- Gesundheitsversorgung papierloser Menschen: Arztbesuch als Abschiebungsrisiko
- [Nachahmenswert] Freiburger Anonymisierter Behandlungsschein (FRABS) für Menschen ohne Krankenversicherung einführen – Gesundheit ist ein Menschenrecht
„Das Medinetz Freiburg setzt sich für die Einführung eines anonymisierten Behandlungsscheins (ABS) ein. Ein ABS ist eine pragmatische, kurzfristig umsetzbare und wirksame Lösung zur medizinischen Versorgung von Menschen ohne Krankenversicherung. Diese Menschen befinden sich – insbesondere in Zeiten der Pandemie – in einer höchst vulnerablen und prekären Versorgungssituation. Wer sind wir? Wir sind Ehrenamtliche, die Menschen ohne Papiere an niedergelassene Ärzt*innen, Therapeut*innen, Hebammen und andere medizinisch Tätige vermitteln, die sich bereit erklären, kostenlos und anonym zu behandeln. Jährlich vermitteln wir etwa 90-100 Personen – Tendenz steigend. Einen Schwerpunkt hierunter bilden Schwangere. Die Versorgung gelingt oft jedoch nur unzureichend und notfallmäßig, wie eine Freiburger Gynäkologin berichtet, die mit Medinetz zusammenarbeitet: „Ich als Gynäkologin betreue oft Schwangere, die über die normale Vorsorge hinaus, die Einbindung eines Spezialisten erfordern würden. Und es wäre für die Frauen und deren Sicherheit eine enorme Erleichterung, wenn über einen anonymisierten Behandlungsschein zeitnah eine sinnvolle Diagnostik und Therapie erfolgen könnte. Ich würde mich sehr freuen, diese Alternative, wie in anderen Städten, auch in Freiburg gewährleisten zu können.“ Wie sieht die Situation aktuell aus? Unter uns – mitten in Freiburg – leben Menschen, denen jeglicher Zugang zur medizinischen Versorgung verwehrt wird, oder aber die nur sehr eingeschränkte Leistungen erhalten. Darunter befinden sich deutsche Staatsbürger*innen ohne Versicherung, Wohnungslose, Asylbewerber*innen, EU-Bürger*innen und insbesondere papierlose Migrant*innen. Dies ist mit entsprechend negativen Konsequenzen sowohl für die Gesundheit der Betroffenen selbst (Verschleppung und Chronifizierung behandelbarer Erkrankungen, Eintreten von vermeidbaren Komplikationen), für deren Umgebung (Übertragung von Infektionskrankheiten durch ausbleibende Behandlung) als auch für öffentliche Kostenträger (verteuerte Behandlungen durch Eintreten von Komplikationen und Notfällen) verbunden. Was fordern wir? Aus einer Initiative des Medinetz Freiburg soll ein gemeinnütziger Verein (Arbeitstitel: Freiburger Anonymer Behandlungsschein – FRABS e.V.) als Betreiber des Projekts gegründet werden. Er hat zum Ziel, auch den Menschen eine adäquate medizinische Versorgung zu ermöglichen, die de facto keinen Zugang zum Gesundheitssystem haben…“ Mitteilung des Medinetzes Freiburg vom 9. Januar 2021 , dort weitere Infos - [Film online] Gesundheit ist Menschenrecht. Der anonyme Krankenschein
„In einem der reichsten Länder der Erde sollte man meinen, dass alle Menschen Zugang zu medizinischer Versorgung haben. Aber Menschen ohne Aufenthaltsstatus haben keinen Zugang zum regulären Gesundheitssystem in Deutschland.Verschiedene Initiativen möchten das ändern. Der Film stellt drei dieser Modelle vor. Während das Medinetz Bremen und die Humanitäre Sprechstunde Bremen nur über geringe Ressourcen verfügen und beileibe nicht alle adäquat versorgen können, bietet der Anonyme Krankenschein Thüringen (AKST) ein System, dass sowohl für die Patient*innen als auch die Ärzt*innen verlässlicher ist. Er lässt Menschen aus Jena und Bremen zu Wort kommen, die sich engagiert um die kümmern, die krank sind und unsichtbar bleiben müssen. Eine Bremerin, die eine Zeit lang ohne Papiere leben musste, erzählt, wie sie mitten in Bremen aus allem ausgeschlossen war, bis sie über Medinetz ärztliche Hilfe bekommen konnte. Und die Mitarbeiter des AKST erzählen von Thüringen, wo ein anonymisierter Krankenschein allen Wege in das Gesundheitssystem öffnet – ganz ohne Angst und überlebenswichtig für viele.“ Ein Film von Anne Frisius, in Zusammenarbeit mit MediNetz Bremen und Solidarity City Bremen (Jena/Bremen 2020, 34 min.) online bei vimeo zugänglich - Tausende traumatisierte Flüchtlinge ohne Therapieplatz: Psychosoziale Zentren mussten allein 2017 mehr als 7000 Menschen abweisen / Hohe Dunkelziffer
„In Deutschland bekommen tausende traumatisierte Asylsuchende nach Angaben der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF) keinen Therapieplatz. Seit 2013 mussten Beratungsstellen jährlich mehrere tausend Menschen abweisen, wie aus einem Bericht der BAfF hervorgeht, aus dem die Zeitungen der Funke-Mediengruppe zitieren. So seien allein 2017 »mindestens 7212 Geflüchtete« abgewiesen worden, die um Hilfe bei den Psychosozialen Zentren der BAfF baten. Dies sei allerdings nur die Zahl der registrierten Fälle, warnen die Flüchtlingsberater. »Die Dunkelziffer ist hoch, weil nicht alle Anfragen dokumentiert werden.« Viele Flüchtlinge könnten »weder versorgt, noch auf die Warteliste gesetzt werden«. 2016 habe die Anzahl der Abweisungen sogar bei 10.360 Menschen gelegen. Der Dachverband der Behandlungszentren für Opfer von Menschenrechtsverletzungen und politischer Verfolgung gibt in dem Bericht an, dass 2017 insgesamt 21.418 Menschen in deutschlandweit 37 Hilfsstellen betreut wurden. Dies seien doppelt so viele Menschen wie noch fünf Jahre zuvor.“ Meldung von und bei neues Deutschland vom 12. November 2019
- Ambulanz für Wohnungslose: Zu arm, um krank zu sein
„Polen, Rumänen und Bulgaren sollten in Deutschland besser gesund bleiben – oder ausreichend Geld besitzen. Zwei Münchner Ärzte helfen jenen, die sich nicht selbst helfen können. (…) Von den 453 Patienten, die Eisenried und ihr Arztkollege Thomas Beutner im vergangenen Quartal behandelt haben, hatten etwa 30 Prozent keine Krankenversicherung. Nach den gesetzlichen Reformen vor einigen Jahren sind Deutsche, die nicht versichert sind, seltener geworden. (…) Ganz schwierig aber ist es seit einer Gesetzesänderung Ende Dezember 2016 für EU-Bürger, deren Staaten nicht dem Europäischen Fürsorgeabkommen (EFA) beigetreten sind. Das sind Bulgarien, Finnland, Kroatien, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern. Menschen aus diesen Ländern trifft das Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitssuchende und in der Sozialhilfe besonders hart. Das Gesetz schließt sie, sofern sie nicht eine legal gemeldete Arbeit haben, nicht nur für die ersten fünf Jahre ihres gemeldeten Aufenthalts von Sozialleistungsbezug aus, sondern auch von einer angemessenen Gesundheitsversorgung. (…) Pro Quartal kämen im Schnitt 70 Patienten aus Nicht-EFA-Staaten, vor allem aus Polen, Rumänien, Bulgarien und Ungarn, in die Praxis, Tendenz steigend. Für sie erhalte der Katholische Männerfürsorgeverein, der die Praxis betreibt, keine Refinanzierung. „Alle Medikamente müssen aus Spendenmitteln gedeckt werden.“ Und mit Kliniken müssen die Ärzte immer häufiger darum ringen, ob die Pflicht zu einer Behandlung im Rahmen der Nothilfe besteht. So habe beispielsweise eine Klinik die Aufnahme eines Patienten verweigert, dessen großer Abszess am Gesäß geöffnet werden sollte, um eine Blutvergiftung zu vermeiden. Solange jemand nicht ohnmächtig sei, finde er kaum Aufnahme. Eisenried klagt, das Gesetz sei „auf dem Rücken der Schwachen gemacht, um politisch ein Signal zu setzen“…“ Beitrag von Sven Loerzer vom 20. August 2018 bei der Süddeutschen Zeitung online
- Hamburg: Studenten behandeln Bedürftige ohne Krankenschein
„Im „CaFée mit Herz“ erhalten täglich 200 bis 300 Bedürfte Hilfe. Hamburger Medizinstudenten bieten Obdachlosen, Flüchtlingen und anderen Bedürftien neben Kleidung und Mahlzeiten auch kostenlos medizinische Betreuung an. Das Projekt wird mit Spenden finanziert. Hamburger Medizinstudenten bieten auf St. Pauli bedürftigen Menschen ohne Krankenversicherung kostenlos eine ambulante allgemeinmedizinische Versorgung an. Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) hatte Ende Februar auf dem Gelände des ehemaligen Hafenkrankenhauses die studentische Poliklinik (StuPoli) im spendenfinanzierten „CaFée mit Herz“ eröffnet. Seitdem erhalten hier 200 bis 300 Besucher täglich neben Kleidung und Mahlzeiten auch begrenzt medizinische Betreuung. Besucher der Krankenstube sind Obdachlose, Flüchtlinge und Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen keine Krankenversicherung haben…“ Bericht vom 27. März 2018 beim Migazin , siehe dazu die Homepage des CaFée mit Herz
- Asylpolitik in Berlin: Der anonyme Krankenschein kommt
„… Der anonyme Krankenschein soll nun auch in Berlin eingeführt werden. Je 700.000 Euro pro Jahr hat Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD) dafür im Entwurf für den Doppelhaushalt 2018/2019 eingestellt, der sich momentan in der parlamentarischen Beratung befindet. Die Möglichkeit der Übernahme von medizinischen Behandlungskosten ohne die Erhebung von persönlichen Daten soll es Menschen ohne legalem Aufenthalt ermöglichen, Leistungen des regulären Gesundheitssystems in Anspruch zu nehmen. Geplant ist, einen freien Träger als Clearingstelle zu beauftragen. »Diese versucht, Menschen mit bestehendem Leistungsanspruch in die Krankenversicherung zu vermitteln«, erklärt Christoph Lang, Sprecher der Gesundheitsverwaltung, auf »nd«-Anfrage. Juristen und Sozialarbeiter sollen die Beratung übernehmen. Sollte die Prüfung negativ ausfallen, kann ein anonymer Krankenschein ausgegeben werden. Damit wird ein Konzept Realität, dass das Medibüro Berlin bereits 2009 ausgearbeitet hat. Die nichtstaatliche und ehrenamtliche Initiative hat das Ziel, die Gesundheitsversorgung von illegalisierten Flüchtlingen und Migranten zu verbessern. (…) Die geplante finanzielle Ausstattung hält [Maria Hummel vom Medibüro] allerdings für dürftig. Denn nach einer groben Senatsschätzung leben rund 12 000 Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus in Berlin. Es ist absehbar, dass das jährliche Budget von 700 000 Euro schnell ausgeschöpft sein könnte. Da fällt die Freude über den Erfolg der jahrelangen beharrlichen Arbeit für die Einführung des anonymen Krankenscheins dann eher verhalten aus…“ Beitrag von Nicolas Šustr bei neues Deutschland vom 4. Oktober 2017
- Medizinische Hilfe im Verborgenen: Menschen ohne Papiere sind im Krankheitsfall aufgeschmissen
„Für öffentliche Stellen gilt eine Meldepflicht für Menschen ohne Papiere. Denen droht dann womöglich die Abschiebung. Benötigen „Illegale“ medizinische Hilfe, sind sie auf die Unterstützung von Vereinen angewiesen – ein fragwürdiges System. (…) Experten sehen ein dauerhaftes Spannungsfeld zwischen den Vorgaben des Aufenthaltsgesetzes, das abgelehnte Asylbewerber zur Ausreise zwingt, und ihrem Anspruch auf ärztliche Behandlung: „Es geht nicht um Barmherzigkeit, sondern diese Menschen haben Rechte“, sagt Carsten Hörich, Migrationsrechtler von der Universität Halle-Wittenberg. (…) Die Bundesärztekammer schätzt die Zahl der Menschen ohne Aufenthaltsstatus hierzulande auf 200.000 bis 600.000: „Sie sind Teil der gesellschaftlichen Realität.“ Ihnen nehmen sich bundesweit Vereine an. In ihnen schließen Ehrenamtler jene Lücke im sozialen Netz, die der Staat in Kauf nimmt…“ Beitrag von Dirk Baas vom 12. Juli 2017 bei Migazin
- Gesundheitskarte: Flickenteppich bei Gesundheitsversorgung von Asylsuchenden
„Zwei von drei Bundesbürgern befürworten, dass Flüchtlinge eine Gesundheitskarte erhalten sollen und damit direkt einen Arzt aufsuchen können. Die Einführung der Gesundheitskarte scheitert bislang jedoch – an Finanzierungsfragen. Nachdem der Bund die Finanzierungsverantwortung abgelehnt hat, müssen in den meisten Ländern weiterhin die Kommunen die Kosten der Gesundheitsversorgung tragen. Das hat zur Folge, dass die Einführung der Gesundheitskarte für Flüchtlinge insgesamt allenfalls schleppend vorankommt. Zu diesem Fazit kommt eine bundesweite Expertise der Bertelsmann Stiftung [sic!]…“ Meldung vom 10. März 2016 beim Migazin
- »Derzeitige Praxis ist wider die Menschenrechte und teuer«
Mediziner fordern bessere Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen: Krankheiten würden verschleppt. Gespräch mit Mirjam Schülle, Mitarbeiterin an der Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften. Sie arbeitet seit mehreren Jahren unentgeltlich in der medizinischen Flüchtlingshilfe des Arbeitskreises Asyl (AK Asyl e. V.). Interview von Gitta Düperthal in junge Welt vom 24.08.2015