Bleibt dem griechischen Referendum eine Chance? Und welche Rolle spielt Frankreich in Europa gegenüber Griechenland?

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 3.7.2015

Nun fiebern hier einige – unter anderen auch ich – dieser „Verzweiflungstat“ (Niels Kadritzke) eines Referendums von Tsipras am nächsten Sonntag entgegen (http://www.nachdenkseiten.de/?p=26609 externer Link) – und in diese ganze Spannung hinein, die eher wie Gesine Schwan vermutet, darauf hinauslaufen sollte, dass Syriza scheitert (vgl. „Schäuble wollte Syriza an die Wand fahren lassen“ (http://www.fr-online.de/schuldenkrise/griechenland-gesine-schwan-ruegt-eurozone-und-iwf,1471908,31069140.html externer Link) spricht Gustav Horn von einem deutsch-französischen Angebot, das belastbar sein bzw. werden müsste (= weiter unten). Aber ich sehe – bisher – nur Frankreich, das zwar positiver zu Griechenland steht – als Merkel und Deutschland – aber sonst nichts von einem gar gemeinsamen „Angebot“.

Hat sonst jemand Genaueres zu Deutschland und Frankreich in der „causa“ Griechenland in Erfahrung bringen können? Und eventuell sogar von einem deutsch-französischen Angebot gelesen? Das würde mich sehr wundern, denn Merkel will den Griechen vor dem Sonntag sicher keinen „Strohhalm“ hinwerfen, an den sie sich klammern könnten, damit sie doch bei einem „Nein“ bleiben würden – und Tsipras nicht ins Abseits stellen. (http://www.faz.net/aktuell/politik/europaeische-union/frankreich-kritisiert-griechenlands-regierung-nicht-13675414.html externer Link)

Nein, die deutsche Kanzlerin hat auch die Parlamentarische Mehrheit in Deutschland voll im Griff, weil bis tief in die deutsche Sozialdemokratie hinein lautet die Devise,“die Regierung in Griechenland muss weg!“. Andre Tautenhahn hat dazu noch einmal eine Bilanz gezogen (http://www.nachdenkseiten.de/?p=26647 externer Link).

Sozusagen die Devise lautet, erst muss Syriza weg – dann können wir weiter sehen, denn ein „Sieg“ für Tsipras und Syriza wäre auch eine – demokratisch legitimierte – Schlappe für die jetzige Markt-Doktrin in Europa und die deutsche Kanzlerin Merkel. (siehe dazu noch einmal den Einsatz des IMK mit Varoufakis für eine Möglichkeit der Öffunung dieser „Doktrin“ – eine „Reform des ökonomischen Denkens in Deutschland ist überfällig“ (http://www.vorwaerts.de/blog/europas-sparkurs-gegen-oekonomische-vernunft externer Link). Nur bleiben wird, ein total gespaltenes Griechenland, denn – wie auch immer das Referendum ausgeht – es wird knapp!

Gesucht ein Weg aus der Sackgasse des Dramas im Gefängnis der Märkte.

Joseph Vogl hatte nicht nur in der Süddeutschen (http://www.sueddeutsche.de/politik/krise-in-griechenland-die-politik-hat-sich-ins-gefaengnis-der-maerkte-begeben-1.2538360?reduced=true externer Link) das tiefergehende Problem des „Gefängnisses der Märkte“, die zu dieser auswegslos scheinenden Konfrontation von Europa gegen Griechenland geführt haben, hingewiesen, sondern auch vorher schon deutlich gemacht, dass es Auswege aus diesem Gefängnis der Märkte geben kann. (http://www.deutschlandfunk.de/krise-des-kapitalismus-natuerlich-gibt-es-auswege-aus-dem.1184.de.html?dram:article_id=315395 externer Link)

Hatten doch gerade schon ganz verschiedene Denker auf die Defizite des Euro-Raumes mit ihren Konstruktionsfehlern seit der „Schaffung“ des Euro hingewiesen, die zum Scheitern führen könnten. Zum einen führt der Investor Martin Armstrong die strukturellen Defizite der Eurozone ins Feld (vgl. den Abschnitt „Deutschland kann eben für ein gemeinsames Europa nicht nur – der recht einseitige – Nutznießer des Euro sein“ auf der Seite 1 bei https://www.labournet.de/?p=80708) und zum anderen sieht der Philosoph Jürgen Habermas – endlich – in einem Schuldenschnitt eine Perspektive für die „Schuldenkrise“ in Griechenland – um ihm auch wieder eine ökonomische Perspektive geben zu können. (Vgl. die Seite 1: „Jürgen Habermas traut sich…“ bei https://www.labournet.de/?p=82488)

Derweilen engagiert sich der Chef des IMK für eine Kompromiss-Lösung – raus aus dieser „Vernichtungs-Logik“ für die Regierung Tsipras: Gustav Horn (IMK): Griechen und Gläubiger sollten einen Schlichter suchen. Am 2. Juli 2015 war dieser Vorschlag aus dem IMK so auch in der „Frankfurter Rundschau“ unter den Überschrift „Ein fundamentales Misstrauen“ zu lesen: Gustav Horn, Direktor des Instituts für Makroökonomie und
Konjunkturforschung fordert einen Vermittler, mit dessen Hilfe Europa aus der Sackgasse in den Verhandlungen zwischen Griechenland und seinen
Gläubigern herauskommt. (Vgl. dazu noch „Gegen Legendenbildung: Aufklärung über die Verhandlungsposition gegen die Legendenbildung“ von Rudolf Hickel: http://www.nachdenkseiten.de/?p=26629 externer Link)

Horn schlägt dafür den Generalsekretär der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Angel Gurria vor. Auch die Internationale Arbeitsorganisation ILO, eine Institution der Vereinten Nationen könnte vermitteln.

Um Zeit für diese Vermittlungsbemühungen zu gewinnen, sollte jedoch das zweite Hilfspaket für Griechenland verlängert werden und der Internationale Währungsfonds dem Land einen Zahlungsaufschub gewähren.

Die Positionen der griechischen Regierung und der Gläubiger liegen in zentralen Fragen nicht so weit auseinander – zumindest, wenn das
deutsch-französische Angebot vom Freitag belastbar wäre, das allerdings noch nirgendwo schriftlich dokumentiert wurde, erklärte Horn. (http://www.boeckler.de/2728_60340.htm externer Link)

Dabei – so resümierte ich – lautet jetzt die entscheidende Frage: Läuft hier „nur“ ein „Count-Down“ für Griechenland in Europa – oder doch für Europa als Gemeinsames insgesamt? (https://www.labournet.de/?p=82701)

Aber jetzt haben – im Guten wie im Schlechten – erst einmal die „stolzen“ Griechen am Sonntag das Wort, ohne dass weiter – bisher – eine Lösung in Sicht ist! Dabei wäre ein Scheitern von Syriza schon deshalb schrecklich für die Zukunft Europas, weil es nach dem Willen der deutschen Großen Koalition (http://www.nachdenkseiten.de/?p=26647 externer Link) ein Scheitern der Demokratie gegenüber der brutalen Logik der Dominanz der Märkte bedeutet.

Wie ambivalent man auch immer diese – ach so kurzfristig anberaumte – „Verzweiflungstat“ des griechischen Referendums bewerten mag, sein Scheitern wäre auf jeden Fall auch schlecht für die Demokratie in Europa.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=82884
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