Gibt es für Griechenland und Europa es eine weitere gemeinsame Perspektive? Mit den Schulden als Grundlage internationaler Politik und Beziehungen?

Varoufakis hat recht – aber wer will das in diesem „Chicken game“ überhaupt wissen? Hier will doch ein jede(r) nur für sich selbst recht behalten! Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 17.6.2015

Oder ist das vordergründige „Chicken Game“ der Spieltheorie ausgereizt (vgl. (http://www.nachdenkseiten.de/?p=26413 externer Link und noch (http://www.nachdenkseiten.de/?p=26431 externer Link) – muss uns das dann doch immer wieder auf Adam Tooze und einen gemeinsamen historischen Prozess für Europa „zurück“-werfen? (siehe den Schluss!) Nur in solch einer breiteren Perspektive kann Varoufakis recht haben! (SZ) (siehe den Abschnitt: „Nur einer schürft tiefer…. „)

Varoufakis hat recht – aber wer will das in diesem „Chicken game“ überhaupt wissen? Hier will doch ein jede(r) nur für sich selbst recht behalten!

Gerade dir möchte ich das nicht vorenthalten, weil es die Bedeutung der USA bei den Schuldenschnitten für Deutschland (in der Vergangenheit) hervorhebt – aber jetzt könnte diese Rolle doch einmal Deutschland „schuldenmoderierend“ für Griechenland und die Eurozone einnehmen, wennn es jenseits der „Spieltheorie“ noch zu gemeinsamen Gedanken in der Lage ist:

zur gedanklichen „Entlüftung“ angesichts einer total verfahrenen Situation zwischen Griechenland und der Eurozone erscheint es vielleicht angebracht, spieltheoretisch die Geschichte vom Nebengleis her zu betrachten, zumal „alles“ erst einmal auf einen „Notfall“ hinauslaufen soll. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/griechenland-euro-laender-beschliessen-griechenland-notfallplan-1.2522183 externer Link)

So sieht Varoufakis auch gar keine Chance für eine neue Reformliste von Griechenland, die er doch vorlegen sollte. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/schuldenkrise-in-griechenland-varoufakis-will-keine-neue-reformliste-praesentieren-1.2523020 externer Link)

Für ihn ist jetzt erforderlich, einen Ausstieg aus dem endlosen „Chicken Game“ des Verschuldens-Gezerres anzustreben durch die Erklärung des Willens zu Gemeinsamkeit für Europa – Für ihn könnte das eine „Speech of Hope“ durch die Euro-Domina Angela Merkel werden. Sonst könnten am Ende die divergierenden Kräfte in dieser Eurozone zu sehr überhand nehmen, wie Joschka Fischer argwöhnt: „Geht der Erste, gehen viele“ (http://www.sueddeutsche.de/politik/aussenansicht-geht-der-erste-gehen-viele-1.2520038 externer Link)

Nur einer schürft tiefer: Ulrich Schäfer mit seinem Leitkommntar

„Schuld und Chance“ in der Süddeutschen (16. Juni 2015)(mit Link: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/diskussion-um-schuldenschnitt-varoufakis-hat-recht-1.2521596 externer Link). Schäfer beginnt schon einmal damit: Varoufakis hat recht: Ohne einen Schuldenschnitt wird es nicht gehen. Nur wenn die Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten, nur wenn sie einen Teil ihrer Kredite erlassen – nur dann wird Griechenland wieder auf die Beine kommen. Und er erinnert vor allem daran, Deutschland wurde im vergangenen Jahrhundert gleich vier mal ein Teil seiner Schulden erlassen. (1924 – 1929 – 1932 – und 1953)

Und: Deutschland wurden die Schulden nicht erlassen, weil es sich das verdient hätte, sondern weil es ökonomisch vernünftig war. So war es Hermann Josef Abs,der die Gläubiger-Nationen 1953 in London davon überzeugte, Deutschland die Hälfte seiner Vorkriegs- und Nachkriegsschulden zu erlassen. Das war neben dem Marshallplan, den Griechenland für ein Wachstum auch noch bräuchte, eine wichtige Voraussetzung für das spätere Wirtschaftswunder in Deutschland.

Natürlich müsste ein solcher Schuldenerlass auch an klare, weitere Bedingungen geknüpft werden. Aber die zentrale Schlüsselstellung für den Erfolg einer Durchsetzung einer solchen Schuldenreduzierung ist eine dominante Wirtschaftsnation, die in der Lage ist die Widerstände der anderen Gläubiger-Nationen zu überwinden. Und das haben haben bei den früheren Schuldenschnitten für Deutschland die USA gemacht. (vgl. dazu vor allem Tooze, „Sintflut“ = weiter unten) Und wer könnte diese Rolle heute übernehmen? Dazu erklärt Ulrich Schäfer: Niemand stünde diese Rolle besser an, als Deutschland und Angela Merkel. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/diskussion-um-schuldenschnitt-varoufakis-hat-recht-1.2521596 externer Link)

Zur Entwicklung der Internationalen Ordnung über die Schulden

Zur Entwicklung der internationalen Ordung über die Schulden nehme man sich dieses gewaltige Geschichtswerk vor, auf dessen Schultern wohl auch Ulrich Schäfer stand: Adam Tooze, „Sintflut“ – Vom Versuch der Neuordnung der Welt 1916 bis 1931. Die USA als aufsteigende Wirtschaftsmacht – und die Schulden ketteten alle Beteiligten gleich einer „chain gang“ zusammen. Das Buch setzt mit dem Jahr 1916 ein, als die USA die europäischen Industriestaaten als Wirtschaftsmacht überflügelten. Aus dem vormaligen Schuldner- wurde ein Gläubigerland, bei dem die Europäer mit gewaltigen Summen in der Kreide standen… Die USA blieben auch nach ihrem Rückzug aus Europa präsent, dafür sorgten die interalliierten Schulden, die nur über weitere Schulden – die deutschen Reparationen – überhaupt bezahlt werden konnten.

Die Lektüre dieser mit Tabellen gespickten Passagen ist kein Sonntagsspaziergang, aber lohnenswert, denn daraus entwickelt Tooze sein zentrales Argument: Die endlosen Schulden- und Reparationsverhandlungen waren zwar konfliktreich, garantierten aber zugleich die Stabilität des neuen, seit dem Krieg unter Führung der USA entstehenden internationalen Systems. Die Schulden ketteten alle Beteiligten gleich einer „chain gang“ unter Führung der im Hintergrund agierenden USA zusammen, bildeten den Kitt einer gemeinsamen Schicksalsgemeinschaft infolge des Krieges, in dem es aus ökonomischer Sicht keine Gewinner gab, am Ende selbst nicht einmal der USA. (http://www.sueddeutsche.de/kultur/neuordnung-der-welt-ohne-sieger-1.2493048 externer Link)

Der Historiker Eckart Conze spannt den Blick noch weiter auf die Entstehung und Entwicklung der internationalen Nachkriegsordnung und bedauert, dass diesem Buch wohl in Deutschland (germanozentriert) wesentlich weniger Aufmerksamkeit zuteil werden wird, als Christopher Clarks Opus magnum „Die Schlafwandler“ zum Kriegsbeginn 1914. Er bedauert dies vor allem, weil Tooze in erfrischender Weise die etablierten Deutungen in Frage stellt.

Die alte Frage nach dem Versagen der „Friedesnmacher“ von 1919, die Generationen von Historikern um- und angetrieben hat, eine Frage, die sich aus den Debatten der Zwischenkriegszeit und den Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus (gerade dazu hat ja Tooze mit seiner „Ökonomie der Zerstörung“ auch Wegweisendes geschrieben!) und dem zweiten Werltkrieg speiste, verliert vor diesem – viel weiter gespannten Horizont – ihre erkenntnsleitende Bedeutung. Adam Tooze Buch stößt demgegenüber neue Tore auf. Es lässt die Entwicklung der internationalen Ordnung nach 1918 nicht als abgeschlossenes Kapitel der Vergangenheit erscheinen, sondern als Beitrag zur Entstehung einer Welt, in der wir noch heute leben. (http://www.sueddeutsche.de/politik/weltmachtusa-die-sintflut-des-jahrhunderts-1.2492748 externer Link)

Und so machen diese Lehren der Nachkriegszeiten wie ihrer Schuldenschnitt es auch jetzt für uns weiter spannend, wie es Ulrich Schäfer deutlich vorführt!

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=82080
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