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Immer mehr türkische Metaller im Streik – Gewerkschaftsboss fordert ein Ende damit

Wer sich heute nicht whert geht morgen bettelnWährend die Streikbewegung der Metallarbeiter in der Türkei weiter wächst, neue Belegschaften in den Streik treten und sich auch von den Drohkampagnen des Unternehmerverbandes MESS nicht einschüchtern lässt, macht sich der Gewerkschaftvorsitzende von Türk-Metal (die zum Verband Türk-Is gehört) zum Sprachrohr der Unternehmen und fordert die ArbeiterInnen auf, den Streik zu beenden. Der ehrenwerte Herr Pevrul Kavlak meinte zu seinen – meist: gewesenen – Mitgliedern, falls sie weiter streikten, könnten sie umstandslos entlassen werden. In unserer täglichen Berichterstattung die Materialsammlung „Streik ohne Gewerkschaft. Geht“ vom 20. Mai 2015 mit einer Reihe von Artikeln und Solidaritätserklärungen:

Streik ohne Gewerkschaft. Geht

Streikentwicklung und die Selbstentlarvung eines Gewerkschaftsführers als Messdiener werden in dem Beitrag „More plants join Turkey’s automotive strike on 6th day“ am 18. Mai 2015 in Daily Sabah externer Link berichtet, worin auch der Sekretär der Vereinigten Metallgewerkschaft (dem Gewerkschaftsbund DISK angeschlossen) zitiert wird, der die konservative Gewerkschaft kritisiert und unterstreicht, dass es die Aufgabe wäre, die Streikkomitees als Verhandlungspartner der Unternehmen zu stärken.

Der Beitrag „7,000 workers abandon unions in Turkey auto strike“ am 19. Mai 2015 in Today’s Zaman externer Link berichtet über die Reaktion der Streikenden auf diese Haltung der Gewerkschaft – seit Samstag haben weitere 3.000 Mitglieder ihren Austritt erklärt, bis dahin waren es 4.000 gewesen (LabourNet Germany berichtete) – und der Artikel „Auto struggles in Turkey: „We don’t want any unions. We have set up workers councils““ von D. Valerian am 18. Mai 2015 bei Leftcom externer Link berichtet über die Schlussfolgerungen der Streikenden, auf Gewerkschaften zu verzichten und stattdessen die Bildung von Arbeiterräten zu versuchen.

In dem Beitrag „Metalde direniş büyüyor: Kocaeli Ford iş bırakıyor“ am 19. Mai 2015 bei Sendika.org externer Link wird berichtet, dass Entwicklung hin zum Streik nun auch in anderen Städten real sind, wie etwa bei Ford in Kocaeli, während in dem Bericht „La grève continue dans l’automobile à Bursa“ am 19. Mai 2015 bei Solidarité Ouvrière externer Link einerseits die Versuche berichtet werden, die Bewegung zu unterbinden (so werden in besetzten Werken Wasser und Strom abgestellt und die Polizei verbietet jetzt Solidaritätskundgebungen vor den Toren) andrerseits aber auch die wachsende Solidarität deutlich gemacht wird, die keineswegs nur aus der Gewerkschaftsbewegung kommt, wie sie etwa bei Demonstrationen der Gewerkschaftföderation im öffentlichen Dienst KESK deutlich geworden sei.

Es folgen zwei aktuelle Solidaritätserklärungen bzw. -Aufrufe

  • Solidaritätserklärung von AkademikerInnen aus der Türkei
    Akademiker bekunden ihre Solidarität mit den Metallern!
    Ungefähr 200 Akademiker, unter ihnen auch namhafte wie Doz. Dr. Sibel Özbudun, Prof. Dr. Beyza Üstün, Prof. Dr. Fuat Ercan, Prof. Dr. Gencay Gürsoy, Prof. Dr. İzzettin Önder, Prof. Dr. Korkut Boratav, Prof. Dr. Raşit Tükel haben in einer gemeinsamen schriftlichen Erklärung ihre Solidarität mit den Widerstand leistenden Arbeitern bekundet. In ihrer Erklärung wird betont, dass die Aktionen der Arbeiter nach der Internationalen Arbeitsorganisation [International Labour Organization] ILO und den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Einklang sind.
    “Wir sind auf der Seite der Widerstand leistenden Arbeiter!”
    Seit einer Woche brodelt es in den Metallfabriken in Bursa. Der durch die Renault-Arbeiter angefangene Widerstand hat sich zuerst auf TOFAŞ und danach auf die anderen Fabriken ausgeweitet. Die Aktionen haben sich durch die Unterstützung der Arbeiter aus den Werken, die im Wirkungsbereich des zwischen der Gewerkschaft Türk Metall und dem Arbeitgeberverband der Metallindustrie MESS bestehenden Kollektivvertrages sind, ausgeweitet und es sieht ganz danach aus, dass sie sich noch mehr ausweiten werden.
    Die Renaultarbeiter sind in Aktion getreten, weil sie gegen die Erhöhung der bis jetzt für zwei Jahre geschlossenen Tarifverträge zwischen ihrer Gewerkschaft Türk Metal und dem Arbeitgeberverband der Metallindustrie auf drei Jahre; Niedriglöhne; Entlassungen und gegen die Gewerkschaftsbürokratie waren, die Revidierung des Tarifvertrages forderten und selber ihre Vertreter wählen wollten. Tausende Arbeiter sind aus Türk Metal ausgetreten und haben sich dem Widerstand angeschlossen. Die ersten Reflexe der Arbeitgeber und der Gewerkschaft Türk Metal, aus der die Arbeiter austraten, war, anstatt die Forderungen der Arbeiter ernst zu nehmen, den Widerstand als illegal zu deklarieren und die Widerstand leistenden Arbeiter mit Entlassungen zu drohen. Diese Behauptungen [Anm.d.Übers:über die Illegalität der Aktionen ] entsprechen nicht der Wahrheit. Die Aktion der Metallarbeiter steht im Einklang zu geltendem Recht. Nach der Internationalen Arbeitsorganisation ILO und den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sind friedliche Aktionen und Arbeitsniederlegungen [den Arbeitern] zustehende Rechte. Die Aktion von Arbeitern als illegal zu bezeichnen rührt daher aus Willkür. Gerechte und legitime Aktionen von Arbeitern dürfen nicht als illegal deklariert werden. Nicht mit dem Recht vereinbar ist, die gewerkschaftlichen Rechte der Metallarbeiter zu verletzen und die Arbeiter zu hindern, ihre Vertreter zu wählen. Nicht mit dem Recht vereinbar ist, das Streikrecht der Arbeiter mit dem Vorwand der ”Nationalen Sicherheit” u.ä. Vorwänden zu verbieten.
    Die Metallarbeiter kämpfen einerseits gegen Niedriglöhne und die Gewerkschaftsbürokratie und dabei säubern sie das Arbeitsleben von unterdrückerischen Gesetzen und Einrichtungen und kämpfen dafür, dass gewerkschaftliche Rechte und Freiheiten ins Leben gerufen werden und Gewerkschaften als Arbeiterorganisationen neu errichtet werden. Aus diesem Grunde schlagen die Herzen aller Metallarbeiter, deren Streik vor ein paar Monaten durch die Regierung unter dem Vorwand der “Nationalen Sicherheit” verboten wurde, mit den Metallarbeitern von Bursa. Der Sieg der Arbeiter von Renault und TOFAŞ wird der Sieg aller Arbeiter sein.
    Aber noch wichtiger ist; wenn die Arbeiter mit diesem Widerstand ihre Forderungen durchbekommen, werden wir alle siegen. Die Arbeiter, die die Kühnheit besaßen, ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen, kämpfen für ihre Arbeit, Demokratie und ihren Stolz.
    Auch wir fordern, dass die Forderungen der Metallarbeiter so schnell wie möglich angenommen werden und erklären, dass wir auf der Seite des gerechten Kampfes der Metallarbeiter sind.
    (Übersetzt aus www.kizilbayrak.net)
  • Solidaritätserklärung und Aufruf vom BIR-KAR Arbeiterkomitee am 19. Mai 2015
    Der Widerstand der Metaller ist im sechsten Tag und er wächst unaufhörlich!
    Der Widerstand der Metallarbeiter, unserer Klassengeschwister, wird mit Entschlossenheit fortgesetzt. Nach den Arbeitern von Renault, Tofaş [Fiat], Coşkunöz ve Mako, werden auch die Arbeiter von Valeo und Ototrim am 20. Mai die Produktion einstellen. Der Widerstand wächst somit und damit die Tendenz, dass er in andere Städte übergreift.
    Die 5 tägige Produktionseinstellung zeigt bereits jetzt ihre Wirkung. Wenn der Widerstand sich verlängert, werden Frankreich, Rumänien und andere Regionen betroffen sein. Mit Polizeieinkesselungen und Drohungen einerseits und schmutzigen Verhandlungen und Spielen hinter verschlossenen Türen mit dem staatlichen Gouverneuer andererseits wird versucht, den Widerstand zu brechen. Aber vergebens! Die Metallarbeiter sind hinsichtlich ihrer Forderungen entschlossen. Sie haben erklärt, dass sie de Widerstand fortsetzen werden, bis alle Forderungen angenommen werden und dies offiziell und schriftlich protokolliert wird.
    Brüder und Schwestern!
    Die Türk Metal, die mehr eine bandenmäßige Organsation als eine Gewerkschaft ist, wird durch die Arbeiter in den Fabriken ausradiert. Aber die Arbeiter sind nicht organisationslos. Der Widerstand ist zur Tagesordnung der Gesellschaft geworden. Nicht nur in Bursa, sondern überall aus der Türkei kommen Unterstützungs- und Solidaritätsbekundungen. Die Bosse des Arbeitsgeberverbandes der Metallindustrie, kurz: MESS, sind in die Enge getrieben. Die Arbeiter sind dem Sieg sehr nahe. Nun sind wir an der Reihe. Die Bosse des Kapitals stehen uns immer und überall als Klasse gegenüber. Lasst uns daselbe machen. Lasst uns den Metallarbeitern in Bursa zeigen, dass wir eine einzige Klasse sind. Wir produzieren daselbe, wir durchleben die selben Probleme. Lasst unsere Reaktion auch eine Gemeinschaftliche sein. Wir können viel ausrichten. Aber eine mit Aktionen ausgestatette Klassensolidarität ist effektiver. Die Arbeiter von Renault in Frankreich könnten zum Beispiel die Produktion einstellen.
    Eure Klassengeschwister in Bursa benötigen für die Fortführung des Widerstandes auch eure materielle Unterstützung für ihre fundamentalen alltäglichen Bedürfnisse, wie Essen und Trinken. Unterstützt daher die Solidaritätskampagne von BIR-KAR in Europa.
    Es lebe die Internationale Klassensolidarität!
    Die Einheit der Arbeiter wird das Kapital besiegen!
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=80574
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