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Wie stehen die Chancen für eine finanzmarktkritische Bewegung – sechs Jahre nach der gewaltigen Finanzmarktkrise?
Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 6.5.2015
Beginnen wir mit dem diesbezüglich reichlich skeptischen Gastbeitrag von Peter Grottian: Bürger gegen Bank? Zwar ist das Bewußtsein für die so offenkundigen Misssstände in der Finanzindustrie deutlich gestiegen. Jedoch der vom „Spiegel“ erfundene Wutbürger hält seine Faust brav in der
Tasche, obwohl er doch in der Öffentlichkeit mit dem Etikett einer emanzipierten Bürgergesellschaft gepudert wird. Der Bürger leidet und ist nur selten bereit, das Finanzmarktsystem und seine eigene Lebenssituation kritisch zu verbinden. Ein massenhaftes Aufstehen gegen die Finanzmarktindustrie bleibt daher vorerst eine vage Hoffnung.
Die Menschen sind eben schnäppchen- und mehr zockeraffin, als es die staatsbürgerlichen Sprüche vermuten lassen. Alles setzt einen einigermaßen (finanzmarkt-)kompetenten Bürger voraus, was dieser überwiegend nicht ist – auch weil die Komplexitäten einen jeden Tag neu erschlagen. (http://www.fr-online.de/gastbeitraege/gastbeitrag-buerger-gegen-bank,29976308,30613420.html )
Aber Holland ist anscheinend anders: welche Rolle spielt eine Universität im System der Finanzmärkte
Hier gelang es an der Universität Amsterdam genau die eigene Lebenssituation an der Universität mit dem der Universität drübergestülpten Finanzmarktsystem zu verbinden. (http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bi&dig=2015%2F05%2F06%2Fa0114&cHash=c40daf90edbfd097f3d82041521ac2ec )
Angefangen hat es Mitte Februar 2015, als junge Geistes- und SozialwissenschaftlerInnen der Universität Amsterdam (UvA) ihre Fakultät im Stadtzentrum besetzten. Es ging um nichts weniger als den Verkauf des Hauses dieser Fakultät, sowie kleine Studiengänge zu schleifen und ihre Universität mit einer anderen zu fusionieren. Der Protest eskalierte – und Geldstrafen in sechs-stelliger Höhe wurden verhängt.
Aber damit wuchs nur der Widerstand, weil sich mehrere hundert Dozenten solidarisierten und den studentischen Forderungen nach Transparenz und Mitsprache die ihrigen dazu: Schluss mit befristeten Arbeitsverhältnissen und wachsender Arbeitslast in Lehre und Forschung.
Am Tag nach der Räumung der Fakultät demonstrierten 2000 Professoren und Studenten in Amsterdam – und im Laufe dieser Demonstration wurde von Studenten – dann für weitere sechs Wochen – das Präsidiumsgebäude der Amsterdamer Universität besetzt. Bis zur Räumung nach sechs Wochen gelang es den Studierenden gemeinsam mit den Lehrkräften etwas auf die Beine zu stellen, was in der jüngeren Geschichte europäischer Studentenrevolten seinesgleichen sucht. (vgl. „Rethink UvA“ (http://rethinkuva.org/ oder noch speziell zu „Rethink UvA“ http://rethinkuva.org/about-rethink-uva/ )
So wurden in zwei Komitees die Vorschläge zur Demokratisierung und Finanzierung der Hochschule erarbeitet. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen und der Verhandlungsverlauf mit der Universität wurden im Netz auf englisch dokumentiert. Bei der Aufklärung über die Rolle der holländischen Universität im Finanzsystem spielte dann der Finanzgeograf Ewald Engelen eine wichtige Rolle. (http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/anti.12086/abstract;jsessionid=D17070C1B4FCE2BFD87BCC23289E76A3.f01t01 )
So fügte sich eines ins andere – und die Universität Amsterdam übernahm eine Vorreiter-Rolle für die Neudefinition der Universität – jenseits des Finanzkapitalismus.