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Mindestlohndebatte in den USA – und was für die Überwindung des Prekariats daraus gelernt werden kann

Kampagnenplakat Mindestlohn USAKommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 2.5.2015

Über die Zukunft der Gewerkschaften in der Gesellschaft – nur über die Politik oder auch „selbstbestimmt“? Einer ersten Frage müssen wir uns stellen: Wie sortieren sich die Gewerkschaften neu? Als so etwas wie eine ständische Interessenvertretung für die HochlohnarbeiterInnen („Arbeiteraristokratie“) – oder auch als eine Interessenvertretung für die Prekären und beschäftigten Armen? Dabei stellt sich als „Gretchenfrage“ neu: „Wie haltet ihr es mit der Politik?“ Die Mindestlohndebatte in den USA als Beispiel…

Von den USA lernen

Ausgerechnet in den so gewerkschaftsfeindlichen Vereinigten Staaten ist eine Massenstreikbewegung im Niedriglohnsektor entstanden, die historisch genannte werden kann: Die Bewegung verlangt eine Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Dollar pro Stunde. (https://www.jungewelt.de/2015/04-30/007.php externer Link) „Taktgeber“ wurde Seattle mit diesen 15 Dollar als Mindestlohn, die dort beschlossen wurden auf die Initiative einer standhaften Ökonomin hin. („Sozialismus in Seattle“ (www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kampf-um-den-mindestlohn-sozialismus-in-seattle-1.2424454 externer Link)

Kern dieser Bewegung war mit dem „Organizing“-Konzept eine der größten Dienstleistungsgewerkschaften SEIU (Service Employeess International Union) der USA. Aber bis diese Bewegung der Niedriglohnbeschäftigten am 15. April den Höhepunkt der Bewegung mit einem der bisher größten Massenstreiks in diesem Bereich unter dem Motto „Fight for 15 and a Union“ in 236 Städten der USA – gerade auch mit den Schwerpunkten in den gewerkschaftsfeindlichsten Bundesstaaten der USA – erringen konnte, musste mit diesem Organizing viel an „Netzwerk-Arbeit“ mit vielen anderen Organisationen geleistet werden, schreibt Ingar Solty in der JW.

Deshalb stellt sich die Frage, wie konnte die neue Bewegung der unorganiiserten Arbeiter überhaupt entstehen?

So profitiert die Dienstleistungsgewerkschaft SEIU, Initiatorin und Hauptakteurin der Bewegung, von einem breiten Zivligesellschaftsbündnis. Mitgetragen wurde der Massenstreiktag von einem Netzwerk von 2000 Gruppen, darunter die National Association for the Advancement of Colored People, die linke Protest- und Antiausteritätsbewegung Moral Mondays.., das Center for Popular Democracy, die Kampagnenplattform MoveOn.org…

Besondere Bedeutung hatte auch die Unterstützung zahlreicher religiöser Gruppen… Und als besonders fruchtbar erwies sich in der Vorbereitung die enge Zusammenarbeit der SEIU-Mindeslohnkampagne mit „Black Lives Matter“, d.h. jener Bewegung, die im Sommer 2013 nach dem Freispruch von George Zimmermann im Tayvon-Martin-Prozess entstanden und seither federführend im Kampf gegen die zahlreichen Erschießungen von zumeist unbewaffneten Schwarzen durch vor allem weiße Polizisten gewesen ist… – Soweit ein kleiner Auszug aus der Vielfalt der Organisationen, die in diese Auseinandersetzung aktiv einbezogen waren.

So setzte die SEIU auf eine Zukunft der Arbeiterbewegung durch Organizing. Deshalb zählt sie 2005 zu denjenigen Gewerkschaften, die auf dieses Organizing setzten und damit die Spaltung des US-Dachverbandes AFL-CIO herbeiführte. Sie pochte darauf, die schwindenden gewerkschaftlichen Mittel ins Organizing statt ins Demokraten-Lobbying zu stecken. – Diese Mindestlohnkampagne ließ sich die SEIU 25 Millionen Dollar kosten.

So verbindet die SEIU auch ansonsten isoliert geführte betriebliche Kämpfe mit der Mindestlohn-Kampagne – und konnte diese trotz der vorhandenen Skepsis ( (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/mindestlohn-in-den-usa-niedrig-und-umstritten-1.1796663 externer Link) – zu einem Erfolg bringen. (allgemein zu den Mindestlohn-„Geschichten“ vgl. http://www.sueddeutsche.de/thema/Mindestlohn externer Link – oder auch noch https://www.labournet.de/category/politik/alltag/entlohnung/mindestlohn/mindestlohn_all/) – und wie diese in die deutschen Gewerkschaften „indirekt“ hineinwirkt:

Beim Kampf um die „Tarifeinheit“ treibt es die deutschen Gewerkschaften auseinander: kann nur die Politik die Wünsche der ArbeitnehmerInnen erfüllen?

In Deutschland steht die Dienstleistungsgerwerkschaft Verdi in einer Auseinandersetzung um dieses recht unterschiedliche Verhältnis der Gewerkschaften zur Politik: Während sie auf der einen Seite ein Teil des DGB sich zur Abgrenzung von der Möglichkeit eines zivilgesellschaftlichen Bündnisses gegen die Politik zu einer „Unterwerfungs-„Erklärung“ herbeilässt, wie es Norbert Häring verdeutlicht (http://norberthaering.de/index.php/de/27-german/news/342-gewerkschaften externer Link), erklärt der Verdi-Vorsitzende Bsirske wortreich, die Klage gegen das Tarifeinheitsgesetz (http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.interview-mit-verdi-chef-bsirske-das-ist-mit-verlaub-bullshit-page1.f5d9ae3c-92d3-46db-a275-609a8dfcec1e.html externer Link), indem er noch einmal erklärt, dass die gemeinsame Grundlage für die Tarifeinheit, doch die Gewerkschaften selbst sind und dafür eben gerade keinen Gesetzgeber benötigen… So jedenfalls haben wir es im Mai 2014 beschlossen. (siehe dazu auch noch in der Mitte auf der Seite 4 den Abschnitt „Jedenfalls ist der DGB gegen das Regierungsprojekt der GroKo zur Streikrechtseinschränkung“: https://www.labournet.de/?p=58853)

Für den Verdi-Chef, dem die Einheit der deutschen Gewerkschaften dennoch wichtig ist, kann so in dem Vorgehen von vier anderen DGB-Gewerkschaften – gegen Verdi („Fünf gegen Bisrske“) – keinen Sinn sehen – auch nicht gegen die Politik von Verdi – eventuell auch über „Organizing“ besser zum Ziel zu gelangen. (https://www.labournet.de/politik/gw/gw-in-d/verdi/dgb-will-enger-zusammenarbeiten-ohne-verdi/)

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=79711
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