Vor der Zerreißprobe
Die wieder in Gang gekommene Strategiedebatte der Syriza und die europäische Linke. Artikel von Karl Heinz Roth in junge Welt vom 31.03.2015
- Aus dem Text: „… Das von der neuen Regierung verkündete und von einer breiten Mehrheit der griechischen Bevölkerung unterstützte Konzept ist an der unnachgiebigen Härte ihrer deutschen und europäischen Kontrahenten gescheitert. Zu diesem Scheitern hat aber auch die europäische Linke indirekt beigetragen. Eine transnational vernetzte Mobilisierung gegen die europäische Austeritätspolitik ist bis jetzt ausgeblieben. Die spanische Podemos und die deutsche Linkspartei, die wichtigsten parlamentarischen Partner von Syriza, sind über erste Kooperationsansätze noch nicht hinausgekommen. Aber auch die außerparlamentarischen Basisbewegungen haben sich bislang auf symbolische Protestaktionen beschränkt, deren Wirkung zudem – wie beispielsweise bei der jüngsten Massendemonstration gegen die Feierlichkeiten zur Eröffnung des Neubaus der Europäischen Zentralbank – rasch wieder verpufft. (…) Wenn es Tsipras, Varoufakis und Lafanzanis nicht gelingen sollte, das erneuerte Troika-Diktat zu unterlaufen, dann wird Griechenland von den internationalen Gläubigern so lange weiter ausgeplündert, bis es vollends in den Status einer unterentwickelten Armutsökonomie zurückgefallen ist. Käme aber die Lapavitsas-Gruppe zum Zug, dann würde die EZB deren Grexit-Offerte zum Anlass nehmen, um einen von ihr und den übrigen EU-Gremien diktierten Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone durchzusetzen. Aus der Sicht ihrer Gläubigerinteressen würde dies zweifellos »geordnet« geschehen, die griechische Gesellschaft und Wirtschaft würden dabei aber schlagartig in den Zustand einer unterentwickelten Armutsökonomie zurückgeworfen. Somit bleibt der griechischen Regierung aus der Perspektive der EU-Gremien letztlich nur die Wahl zwischen Teufel und Beelzebub: der langsame oder der abrupte Rückfall ihres Landes in eine irreversibel verfestigte Massenarmut. Wenn das griechische Experiment scheitert, ist das auch eine Niederlage für die gesamte europäische Linke. Am größten aber wäre das Desaster in Deutschland. Wir müssten uns dann fragen lassen, was wir in den entscheidenden Monaten unternommen haben, um den Akteuren der deutschen Hegemonialmacht in den Arm zu fallen und sie in ihre Schranken zu weisen…“