Heutige EZB-Entscheidung: Werden Milliarden aus dem Nichts gezaubert oder wird es gar doch ein Lichtblick für Europa?

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 22.1.2015

Europäische Staatsanleihen: EZB will 50 Milliarden monatlich ausgeben (http://www.fr-online.de/schuldenkrise/europaeische-staatsanleihen-ezb-will-50-milliarden-monatlich-ausgeben,1471908,29631940.html externer Link und: EZB-Milliarden: Nach ihm die Geldflut – aber handeln müssen andere!: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ezb-milliardenprogramm-nach-ihm-die-geldflut-1.2312562 externer Link). Das waren die Schlagzeilen zur anstehenden Entscheidung der EZB. (= vorher)

Nach der Entscheidung am Donnerstag den 2. Januar 2015 lauteten die Einschätzungen dann so: „Die große Geldschwemme“ (= groß muss es ja sein) – EZB-Chef Draghi verkündet eine historische Entscheidung (historisch muss es ja auch wieder sein – aber ist es nicht auch wieder zu spät und zu halbherzig?): Für 1,1 Billionen Euro kauft die Zentralbank Staatsanleihen. So soll der Preisverfall gestoppt werden und die Wirtschaft angekurbelt werden. (so der Titel in der Printausgabe der „Süddeutschen“)(http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ezb-anleihekaeufe-der-euro-plan-1.2316621 externer Link)

Die FR sieht es im Grunde nicht so distanziert, sondern positiver: „Lichtblick aus Frankfurt“ (http://www.fr-online.de/wirtschaft/europaeische-zentralbank-ezb-lichtblick-aus-frankfurt,1472780,29637926.html externer Link ) – aber kommentiert diese – im Prinzip doch proeuropäische – Entscheidung doch mit einem Bedauern: „Deutschland gegen Europa“.

Während die EZB ein starkes Signal der Gemeinsamkeit der Eurozone senden will, bestehen die politischen Kräfte in Deutschland und den Niederlanden auf den gegenläufigen Interessen. (http://www.fr-online.de/wirtschaft/kommentar-ezb-deutschland-gegen-europa,1472780,29641072.html externer Link)

Die SZ geht dagegen noch einmal auf die Reaktionen ein: Freude bei den Anlegern, Ärger bei den Banken (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/reaktionen-auf-ezb-entscheidung-freude-bei-den-anlegern-aerger-bei-banken-1.2317170 externer Link)

Die Legitimität der EZB zum Ankauf von Staatsanleihen?

Genau das war – vor allem von deutscher Seite (cui-bono-Frage?) – stark bezweifelt worden. Der Generalanwalt beim EuGH hatte – zwar mit Einschränkungen (= darf die EZB das im Konzert mit der sog. „Troika“?) – dies jedoch eindeutig befürwortet… (http://www.nachdenkseiten.de/?p=24576#h01 externer Link – oder auch noch http://www.sven-giegold.de/2015/ezb-darf-den-euro-retten-aber-muss-troika-verlassen/ externer Link)

Und so sieht es wieder danach aus, dass auch bei dieser Entscheidung der EZB europäische Kompromisse – nicht zur Stärkung eines gemeinsamen Europas – getroffen werden.

Ein wenig zur Geschichte dieser Geldpolitik (frei nach Stephan Eich in der SZ vom 22.Januar 2015: Im Feuilleton: Die Poetik des Geldes)

Mit dem Ende von Bretton Woods 1973 begann der Aufstieg der Geldpolitik und wurde somit das Zeitalter der Zentralbanken eingeläutet. Unter Bretton Woods zwischen 1945 und 1973 war der Einfluss der Notenbanken noch sehr begrenzt. Erst Richard Nixons Entscheidung die Devisenmärkte zu liberalisieren – eine der Kernforderungen der „Chicago-Boys“ genannten Neoliberalen – und den Dollar vom Golde zu lösen, eröffnet die ungeahnten Spielräume. Und diese wurden von vielen Zentralbanken – allen voran die Deutsche Bundesbank – konsequent genutzt…

In Europa war die Lösung der entpolitisierten unabhängigen Zentralbank schon damals von einem paradox geprägt. Der intellektuelle Sieg der Bundesbanker im Ausland verstärkte den Druck zur Errichtung einer Europäischen Währungsunion.

Diese sollte den enormen Schwankungen – nach der Liberalisierung der Devisenmärkte – an den internationalen Währungsmärkten besser standhalten, brachte aber auch einen Bedeutungsverlust der Bundesbank mit sich. (siehe oben den Streit vor dem EuGH) In der EZB ist dieser Widerspruch institutionalisiert: Heute pochen Bundesbanker auf die politische Unabhängigkeit der EZB, versuchen aber gleichzeitig, direkt oder indirekt Einfluss auf ihre Entscheidungen – im Interesse Deutschlands – zu nehmen.

Das paradoxe Resultat ist, dass die Europäische Zentralbank ihre Unabhängigkeit durch die deutschen Unabhängigkeitsverfechter bedroht sieht… Und: Erst wenn wir uns der poetischen Kraft unseres politischen und wirtschaftlichen Handelns – unter dieser Geldpolitik- bewusst werden, sind wir in der Lage, Geldpolitik in einen besseren Einklang mit unseren politischen Idealen zu bringen. (Soweit Stephan Eich aus der „Süddeutschen“, der Mitarbeiter am Department of Political Science der Yale University ist)

Politische Ideale und die Geldpolitik

Wenn man nun aber genauer mit unseren politischen Idealen diese Geldpoltik ansieht, dann muss man feststellen, dass sie – wieder – nur den Reichen nutzt und diese – und eben nur diese – noch reicher macht. (Siehe „EZB – Die Bank der Reichen“: http://www.fr-online.de/wirtschaft/europaeische-zentralbank-die-bank-der-reichen,1472780,29227014.html externer Link – oder auch noch: EZB macht Reiche reicher: http://www.nachdenkseiten.de/?p=24641#h14 externer Link)

Damit haut – so allein gelassen – die EZB mit ihrer Geldpolitik die politischen Ideale in den Eimer. Dabei kann zunächst einmal bei der EZB – in einem Abrücken von der „Exekution“ des Spardiktates – damit doch begonnen werden, diese vom restriktiven Kontrolleur der Staaten – mit dem Spardiktat – zum Anstifter für produktive Investitionen für die Banken zu werden. (Vgl. „Für die EZB eine neue Rolle….“: https://www.labournet.de/?p=67621 – dort vor allem die Seite 1 in der Mitte)

Handeln müssen andere – um diese radikale Ungleichheit zu verringern – nur geht das im typisch europäischen „Gerangel“?

Wie stark diese politischen Ideale einer „Gleichheit“ in die Schieflage geraten waren – und damit die Spannungen in der Gesellschaft erhöht hat, hatte jetzt – außer Piketty – Oxfam zum jetzigen Weltwirtschaftsgipfel in Davos im Januar 2015 angeprangert. (Siehe (http://www.nachdenkseiten.de/?p=24655#h04 externer Link oder auch noch weiter http://www.oxfam.org.uk/blogs/2015/01/richest-1-per-cent-will-own-more-than-all-the-rest-by-2016 externer Link)

Diese Bilanz kann für Europa aktuell noch ergänzt werden durch Michael Dauderstädt, der eine Kartografie der Ungleichheit für Europa entwickelt hat. (http://www.bpb.de/apuz/198885/kartografie-der-ungleichheit-wachstum-arbeit-und-einkommen-in-europa externer Link) Dauderstädt meint: In Deutschland hat die wachsende Einkommens-Ungleichheit dazu geführt, dass die Ersparnisse der reichen Haushalte exportiert wurden. Dieses Wachstumsmodell war aber mit Risiken behaftet: Rasches Wachstum von Kapitalströmen (beispielsweise aus Deutschland) in die Peripherie, Wachstum von Schulden und Löhnen dort, wobei die reale Leistungsfähigkeit nicht immer Schritt hielt.

Der äußere Schock der Finanzmarktkrise enthüllte die Schwächen der Wachstumsmodelle ebenso wie die Konstruktionsdefizite der Eurozone. Die erneute Divergenz in der EU ist auch Folge der verfehlten Politik in der Eurozone, die einseitig nur auf die Staatsschulden und deren Abbau zielte.

Und zur EZB erklärt Dauderstädt noch: Der Befreiungsschlag von Mario Draghi im Juli 2012 kam zu spät. Er konnte zwar die Renditen der Staatsanleihen wieder unter Kontrolle bringen, aber nicht das zerstörte Vertrauen von Konsumenten und Investoren wieder herstellen. – Der Kampf um die Kompetenz in und um die EZB könnte dies bewirkt haben.

Nun drohen – schließt Dauderstädt – Stagnation, anhaltende Arbeitslosigkeit und Armut, was angesichts der steigenden Vermögen am oberen Ende der Reichtumspyramide bitter aufstößt.

Ob Investitionen zur weiteren Reichtumsvermehrung eine Lösung sein können? – Aber lassen die Machtkonstellationen in der Eurozone eine Alternative zu? –

Vor dem Druck nach politischen Lösungen für diese desaströse wirtschaftliche Lage hat der neue EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ein Investitionsprogramm angekündigt – das wohl nur bzw. vor allem der weiteren Reichtumsvermehrung dient, während das Allgemeingut „Daseinsvorsorge“ und die öffentliche Infrastruktur sozusagen geplündert werden sollen. (http://www.nachdenkseiten.de/?p=24655#h10 externer Link oder auch „Europa und die Deflation“: http://www.gegenblende.de/-/iqU externer Link)

Dieses öffentlich-private Konjunkturprogramm stellt ohnehin einen jener berühmten europäischen Kompromisse dar, die nicht den Notwendigkeiten einer stringenten Krisenbekämpfung gehorchen, sondern – wieder – eher Ausdruck der gegenwärtigen Machtkonstellationen in der Eurozone sind: Die Bundesregierung beharrt weiterhin auf einem strikten Sparkurs, während viele Krisenländer und Frankreich auf Konjunkturprogramme und expansive Geldpolitik setzen. (Vgl. auch…“ Und wieder ein Sieg der Finanzlobbyisten in Europa – und die (deutsche) Politik bleibt bei der „schwarzen Null“ einbetonniert.“: https://www.labournet.de/?p=70517)

Oder wird am „Ende“ doch eine Finanztransaktionssteuer möglich – wenigstens zur Beruhigung der Finanzmärkte? Oder bleibt es beim „totalen“ Sieg der Finanzindustrie gegen ihre notwendige Regulierung?

Jedenfalls wollen die Finanzminister der EU – von jenen 11 Ländern, die sich in Europa zu FTS bekennen – am 27. Januar zu einer Gesprächsrunde zusammenkommen. Und nachdem Frankreich – das bisher durch die Durchsetzung einer nationalen FTS allein für Aktien eine allgemeine Finanztransaktionssteuer blockiert hatte – „eingelenkt“ ist und erklärt hat, sie seine jetzt bereit seien zu einer Steuer „mit breitestmöglicher Bemessungsgrundlage (vgl. https://www.labournet.de/?p=73193). Nur dieser Hoffnungsschimmer wird uns doch auch wieder vermiest, dass ansonsten die Finanzindustrie in Europa auf der ganzen Linie „gesiegt“ hat und ihre Interessen durchsetzen konnte, wie uns Sven Giegold aus dem Europa-Parlament berichten muss. (http://www.fr-online.de/gastwirtschaft/finanzmarkt-das-pendel-schlaegt-zurueck,29552916,29588790.html externer Link)

Und siehe schließlich auch: Anleihekäufe der EZB für Dummies. Wozu sie dienen, wie sie funktionieren, wer profitiert – (einfach erklärt am 22.01.2015 von Norbert Häring in seinem Blog externer Link)

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=73878
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