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Schluss mit der Kommerzialisierung. Einladung zur Mitarbeit an einer Kampagne gegen die DRGs
Die Ökonomisierung der Krankenhäuser durch die Einführung von Fallpauschalen betrifft nicht nur die Beschäftigten, sondern auch die PatientInnen und damit potentiell uns alle. Während Regierung und Wissenschaft immer noch an dieser Art der Krankenhausfinanzierung festhalten und das »Modell« gar exportieren (z.B. nach Griechenland), regt sich langsam Widerstand dagegen. Wir dokumentieren den leicht gekürzten Aufruf eines Bündnisses für eine Kampagne zur Abschaffung der DRGs… Aufruf erschienen in express, Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 11/2014
Mit der Einführung der DRGs (Diagnosis Related Groups / diagnosebezogene Fallgruppen) ist in Deutschland seit 2004 ein tiefgreifender politischer Richtungswechsel vollzogen worden. Krankenhäuser wurden zu Fabriken gemacht, in denen die Ökonomie regiert, nicht die Medizin. Sie werden (…) Wirtschaftsunternehmen, die in Konkurrenz zueinander stehen und sich am Markt behaupten müssen. Die Finanzierungslogik der Fallpauschalen zwingt dazu, permanent Wachstum zu erzeugen und gleichzeitig die Behandlungskosten zu reduzieren – bei Strafe des wirtschaftlichen Untergangs. Das gilt für private Träger ebenso wie für öffentliche und freigemeinnützige. Die betriebswirtschaftliche Perspektive ist zur vorherrschenden Ideologie in der Krankenhauspolitik geworden und hat Fragen medizinischer und pflegerischer Ethik an die Wand gedrängt. (…)
Das Fallpauschalen-System, mit dem seit über zehn Jahren die Betriebskosten der Krankenhäuser in Deutschland finanziert werden, ist ein gescheitertes Großprojekt. Es erzeugt systematisch medizinische und wirtschaftliche Fehlanreize, die sich negativ auf die Qualität der Versorgung und die Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern auswirken. Es erzeugt Konkurrenz und brutalen Wachstumszwang, anstatt Kooperation und solidarisches Handeln zu fördern. (…)
Gewinner und Verlierer
Das DRG-System erzeugt viele Verlierer und wenige Gewinner. Verloren haben zuerst die Beschäftigten: Die unzureichenden Fallpauschalen erzeugen Kostendruck, durch den Personalabbau im großen Stil erzwungen wurde, die Arbeitsbedingungen haben sich massiv verschlechtert. Besonders dramatisch ist hiervon die Pflege betroffen, aber auch andere Berufsgruppen (z.B. in Reinigung, Küche, Sterilisation) sind chronisch überlastet, ebenso viele ÄrztInnen. Damit verlieren auch die PatientInnen, denn Personalmangel und Arbeitsüberlastung lassen zu wenig Zeit für professionelle pflegerische und medizinische Zuwendung.
Eindeutige Gewinner sind die Privaten. In den letzten 30 Jahren hat die Politik willfährig attraktive Marktbedingungen hergestellt, unter denen Konzerne (…) gedeihen und investieren können. Mächtige Krankenhauskonzerne sind entstanden, denen es nicht primär darum geht, den tatsächlichen medizinischen Bedarf abzudecken. Krankheit ist in der stationären Versorgung zum Geschäftsmodell geworden. Über 800 Millionen Euro Gewinn konnte die (…) Krankenhausindustrie 2012 verbuchen. Die Möglichkeit, mit Fallpauschalen Gewinn zu machen, war hierfür eine strategische Notwendigkeit: Beim vorherigen Selbstkostendeckungsprinzip wurden nur die tatsächlich entstandenen Kosten erstattet. (…)
Leere Versprechungen und Irrwege
Viele der ursprünglich formulierten Ziele (…) sind nicht erreicht worden: DRGs wurden einerseits als das Instrument zur Kostensenkung angepriesen. Tatsächlich stellen sie sich als beständige Kostentreiber heraus: Die Fallzahlen von gewinnbringenden Operationen steigen seit Einführung der DRGs überproportional an. Die Behandlungskosten sind seit Einführung der Fallpauschalen ebenfalls sehr viel schneller gestiegen.
Ein weiteres zentrales Versprechen (…) war eine bedarfs- und leistungsgerechtere Verteilung der Ressourcen. Diese Ziele können die Fallpauschalen als reines Preis- und Wettbewerbssystem aber überhaupt nicht erfüllen: Sie verfügen über keinerlei Instrumentarium, um den Versorgungsbedarf zu ermitteln oder bedarfsgerecht zu steuern. (…)
Kritik und Kräfte bündeln
Die Kritik an Fehlanreizen und offensichtlichen Mängeln nimmt zu. Ärzteverbände, Krankenhausgesellschaften, Gewerkschaften, Patientenvertretungen, Wohlfahrts- und Pflegeverbände thematisieren die unverantwortlichen Folgen dieser Politik. Einige gehen bereits so weit, das DRG-System offen infrage zu stellen. Auch medial gibt es eine mittlerweile unüberblickbare Fülle an kritischen Reportagen, Berichten und Dokumentationen. Im öffentlichen Bewusstsein ist es zum Allgemeinplatz geworden, dass im Krankenhaus alle zu kurz kommen, außer einigen wirtschaftlichen Profiteuren. (…)
Auffällig ist, dass sich die Verteidiger zunehmend auf propagandistische Glaubensbekenntnisse zurückziehen. Im schwarz-roten Koalitionsvertrag heißt es: »Die Einführung des Systems diagnosebezogener Fallgruppen (DRG-System) als leistungsorientiertes Entgeltsystem war richtig.« Argumente oder Belege hierfür: Fehlanzeige. Ein Fluchtpunkt der Befürworter ist die Floskel vom »lernenden System«, mit der suggeriert werden soll, dass offensichtliche Mängel und Probleme kontinuierlich reduziert würden. Die Mängel in der Patientenversorgung nehmen aber zu und die Arbeitsbedingungen verschlechtern sich laufend. Die grundsätzlichen Fehler liegen im System selber, sie sind in der Finanzierungslogik angelegt. Es ist an der Zeit, die Kritik und die Kräfte gegen das DRG-System zu bündeln. (…)
Einstiege in den Ausstieg
Die in den DRGs angelegte Markt- und Wettbewerbslogik lässt sich nicht auf einen Schlag abschaffen – bislang fehlt eine ausgearbeitete Alternative. Wir setzen uns für Grundsätze der Finanzierung ein, die das Verhältnis zwischen GesundheitsarbeiterInnen und PatientInnen von wirtschaftlichen Zwängen entlastet und so die Versorgung wie die Arbeitsbedingungen verbessert. (…) Wir sehen zahlreiche Ansatzpunkte, um an Einstiegen in den Ausstieg aus dieser Finanzierungslogik zu arbeiten, und zu einer bedarfsgerechten Finanzierung von Krankenhäusern zu kommen:
- Im Bereich der Pflege entwickelt sich derzeit eine Vielzahl an Initiativen und Kämpfen für mehr Personal. Die Auseinandersetzungen für tarifliche und gesetzliche Personalbemessung richten sich auch gegen die Fallpauschalen, durch die die Personalbudgets laufend gekürzt werden müssen. (…) Wenn es gelingt, die Personalkosten aus den DRGs herauszulösen und separat den tatsächlichen Stellenbedarf (auf Grundlage einer allgemeinverbindlichen Personalbemessung) zu finanzieren, wäre dies eine enorme Entlastung für die Beschäftigten und würde sich positiv auf die Versorgung der PatientInnen auswirken. (…)
- (…) Der Staat hat sich (…) in einem verantwortungslosen Maß zurückgezogen, der Investitionsstau wird auf bis zu 50 Mrd. Euro geschätzt. In ihrer finanziellen Not widmen Krankenhäuser Einnahmen aus der Krankenbehandlung zu Investitionsmitteln um, aus Personalstellen werden Baustellen. Diese Umwidmungen müssen verboten werden, und die öffentlichen Investitionsmittel müssen deutlich erhöht werden.
- Es werden Instrumente gebraucht, um medizinisch nicht begründeten Mengenausweitungen zu begegnen. (…)
- Fachabteilungen oder bestimmte Behandlungen, die im DRG-System besonders schlecht oder nicht sinnvoll abgebildet werden, müssen ausgenommen und hausbezogen abgerechnet werden. (…) Im Bereich der Psychiatrie und Psychosomatik muss die Einführung von Fallpauschalen (PEPP) verhindert werden.
Krankenhäuser sind Einrichtungen der gesellschaftlichen Daseinsvorsorge, keine Wirtschaftsunternehmen, die Gewinn machen sollen. Krankenhausplanung und -finanzierung sind öffentliche Aufgaben, die politischer Planung und Steuerung bedürfen. Wir brauchen eine Bedarfsplanung der Krankenhausversorgung, in die alle Akteure des Gesundheitswesens einbezogen werden. Diese Ziele sind nicht im Rahmen der DRGs zu erreichen.
Wir laden alle, die Interesse an einem solidarischen, öffentlichen und bedarfsgerechten Gesundheitssystem haben, herzlich ein, sich an der Kampagne gegen das System der Fallpauschalen zu beteiligen. Wir möchten gemeinsam Strategien entwickeln und Bündnisse aufbauen, mit denen aus den Fabriken wieder Krankenhäuser in gesellschaftlicher Verantwortung werden!
Das nächste Kampagnentreffen findet am 7. Dezember 2014 von 11 bis 17 Uhr in Hannover statt (Freizeitheim Lister Turm, Walderseestraße 100, 30177 Hannover). Es laden ein: Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte, Attac-AG »Soziale Sicherungssysteme«, Harald Weinberg (MdB, gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE)
Weitere Informationen: www.vdaeae.de/index.php/themen/krankenhaus