Wieder im Kampf mit der dominanten Finanzindustrie: Spekulanten kommen davon
Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 18.8.2014
Wieder ein wenig Kampf mit der dominanten Finanz”industrie” – leider im Sommerloch
Leider im “Sommerloch” – aber der “Kampf” mit der Finanzindustrie – und damit um den Finanzkapitalismus – geht eben weiter – und Hollande hat das Bild der “unglücklichen Figur” – sogar ganz ohne Einfluss von Merkel – noch weiter vervollständigt (siehe hier unten den vorletzten Absatz – mit Link), aber dennoch ist das doch schon eine gute “Vorlage” für Stephan Schulmeister am 21. August bei den Wirtschaftsnobelpreisträgern in Lindau! So ist er jetzt gut heute in der FR und der Berliner Zeitung präsent! – Und in diesem Falle kann man einmal sogar SPD-Gabriel absolut recht geben (= nur leider eine Aussage aus dem Jahre 2012 = siehe weiter unten) – jetzt gehört die SPD jedoch – als es zum Schwur kam – leider auch wieder zu den Versagern! Sehr bedauerlich! Und etwas boshaftere Leute würden sicher sagen, typisch sozialdemokratisch. Aber wir sind ja nicht boshaft.
Die Herrschaft des Finanzsektors über Demokratie und Politik
Heute der schlagende Beweis (jedenfalls ist es inzwischen auch so bei der Presse angekommen, obwohl es die Spatzen schon längst von allen Dächern gepfiffen haben): Die ursprünglich geplante Finanztransaktionssteuer ist tot, mausetot!
Was hier in der Berliner Zeitung noch recht gelinde als Botschaft daher kommt: http://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft/finanztransaktionssteuer-nur-eine-light-version,10808230,28145834.html ), das schreibt derselbe Markus Sievers unter der Überschrift “Spekulanten kommen davon”. Banken- und Versicherungslobby zerschießt erfolgreich die Finanztransaktionssteuer in der Frankfurter Rundschau.
Eigentlich sollte die Abgabe alle Finanzgeschäfte erfassen und mit einem kleinen Tarif belasten. Sie ist damit die Antwort auf den Siegeszug des Finanzkapitalismus, in dem Banken, Versicherungen und Hedgefonds nicht mehr der Realwirtschaft dienen, sondern sie dominieren.
Die FTS zielt darauf, die kurzfristige Spekulation zu verteuern und so einzudämmen. (siehe auch http://www.oxfam.de/informieren/steuer-gegen-armut )
Wer langfristig anlegt und eine Aktie über Jahre und Jahrzehnte hält, spürt die Abgabe kaum, weil er sie nur einmal abführt. Wer jeden Tag am Computer Papiere in immer gigantischeren Dimensionen hin- und herschiebt, zahlt für jeden Kauf aufs Neue. Siehe zum Beispiel die von Ulrike Herrmann in der TAZ genannten 53 Billionen Währungsspekulation täglich (http://www.demokratisch-links.de/53-billionen-dollar-taglich ) – oder auch im weiteren Kontext noch z.B. im fünften Absatz auf der Seite 4 bei https://www.labournet.de/?p=63491)
Die SPD hatte deshalb – früher einmal – die Finanztransaktionssteuer eine Brandmauer gegen die Spekulation genannt. (http://www.spd.de/aktuelles/73648/20120625_merkels_strategie_gescheitert.html ) Jetzt aber sieht die aktuelle Version vor, nur Aktien und Anleihen zu belasten. Ausgerechnet die Geschäfte, die am wenigsten destabilisieren, würden besteuert zu Lasten von Privatanlegern und Pensionsfonds.
Stephan Schulmeister hatte diese “Meister”- oder auch Schurkenstück der Finanzbranche schon in einer Studie ausführlich geschildert: “The struggle over the Financial Transactions Tax – A politico-economic Farce” (http://www.wifo.ac.at/jart/prj3/wifo/resources/person_dokument/person_dokument.jart?publikationsid=47272&mime_type=application/pdf ). Ja, bisher sind nur die Gerichte vor der Finanzlobby nicht in die Knie gegangen (http://www.taz.de/!137631/ ) – aber jetzt wieder “unsere” gewählten Politiker!
Europa weiter fest im Griff der Finanzlobby – Zweifel an Merkels Durchsetzungsfähigkeit (gegenüber dem Finanzkapital) –
In seinem Kommentar zu diesem Artikel in der FR (siehe oben den Link zur Berliner Zeitung) schreibt Markus Sievers unter der Überschrift “Viele Versager”: In Europa gilt eine eiserne Regel. Was Bundeskanzlerin Merkel (CDU) will, das wird auch gemacht. Sie hat als deutsche Regierungschefin die Macht, ihre Vorstellungen in der ganzen europäischen Union durchzusetzen. (vgl. dazu vor allem ab dem Abschnitt “Die Eurokrise, das wird deutlich, hat Deutschland zur dominanten Macht in Europa gemacht” dort auf der Seite 1 bei https://www.labournet.de/?p=55249 – oder auch noch aus dem Europa-Wahlkampf dieses Jahres “Bisher: Kein gemeinsames Europa – dank Merkel” (24. April 2014): https://www.labournet.de/?p=57408)
Stimmen auch noch die Franzosen aus Überzeugung zu, kann nichts mehr das Vorhaben aufhalten. (vgl. auch noch den Kommentar von Robert von Heusinger von 2012: “Streit Sand ins Getriebe des Finanzkapitalismus” – Die Einführung der Finanztransaktionssteuer wird immer wahrscheinlicher und zeigt, dass die Politik lernfähig ist, (http://www.fr-online.de/schuldenkrise/kommentar-streut-sand-ins-getriebe-des-finanzkapitalismus—,1471908,20533948.html )
Oder doch? – Bei der Finanztransaktionssteuer wachsen die Zweifel an Merkels Durchsetzungsfähigkeit (– zumindest wenn es um das Finanzkapital geht). Seit drei Jahren sind sich Deutschland und Frankreich einig, dass die Abgabe auf Finanzgeschäfte kommen muss, um kurzfristige Spekulationen einzudämmen. (vgl. grundsätzlich dazu noch einmal Stephan Schulmeister bei “Eine Möglichkeit zur Kontrolle der Dynamik der Finanzmärkte: eine allgemeine Finanztransaktionssteuer” bei http://archiv.labournet.de/diskussion/wipo/finanz/fts_bahl.html)
Passiert ist nichts. Bestens organisiert haben die Lobbyisten der Banken, Versicherungen und anderer Finanzinstitute Sand ins Getriebe gestreut. Sie demonstrieren – schon wieder – wenige Jahre nach der Finanzkrise alte Stärke.
Aber nicht nur die Bundeskanzlerin hat mangelnden Mut und Willen gezeigt, eine unglückliche Rolle – wie immer! – spielt ausgerechnet der sozialistische Präsident Frankreichs, der sich mehr Sorgen macht um die Pariser Großbanken, als um die Stabilität des Finanzsystems. (zur kläglichen Rolle Frankreichs bei der Finanztransaktionssteuer siehe http://www.nachdenkseiten.de/?p=20805#h04 )
Am Versagen der europäischen Politik sind viele beteiligt. (soweit Markus Sievers)
Angesichts dieses Versagens trifft es sich gut, dass nicht nur Hickel, sondern auch Schulmeister ihre Kritik im “Angesicht” der Wirtschaftsnobelpreis-“Laureaten” am 21. August in Lindau vortragen können. (vgl. dazu den Abschnitt “Doch noch eine Bilanz der sozial-zerstörenden neoliberalen Wirtschaftstheorie – jetzt Regeln für eine soziale und gerechte Wirtschaftsordnung” auf der Seite 3 bei https://www.labournet.de/?p=63491)