- Alltagswiderstand und Commons
- Bündnis Umfairteilen und Aktionen
- Die Occupy-Bewegung und Aktionstage
- Gewerkschaftliche Mobilisierung in der Krise
- Initiativen der Linken gegen den Kapitalismus und dessen Krisen
- Interventionen gegen die neoliberale EU
- Klimastreiks und -kämpfe
- Proteste gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21
Wir, die Türkei und der “arabische Frühling” als Ausdruck des Widerstandes – oder bleibt doch nur der Crash als Lösung für unseren Krisenzustand?
Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 13.8.2014
Wie ein gegenseitiges Vertrauen zum Widerständigen durch den arabischen Frühling entstehen konnte. Der Arabische Frühling (bis in die Türkei) – und was davon den Menschen bleiben könnte
Neben der Festigung des Misstrauen gegenüber denen, die uns nur benützen, das Entstehen eines Vertrauens gegenüber den Menschen, “die mit dabei waren”: Und eine Frau gestand mir vor kurzem, dass sie sich von ihrem Mann habe scheiden lassen, “weil er im Gezi-Park nicht dabei war”. “Ich kann ihm einfach nicht mehr vertrauen”, fügte sie hinzu. – So begegnen sich in der Türkei die Teilnehmer des Gezi-Protestes denjenigen, die nicht dabei waren, mittlerweile voller Misstrauen.
So verschieden wir auch voneinander sein mögen, wünschen wir uns doch alle Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit – und wir wollen einander vertrauen. Und so Vetrauen wir in das Gewissen, den Gerechtigkeitssinn und die Menschlichkeit der anderen, selbst wenn sie völlig unterschiedlicher Ethnien oder Glaubensrichtungen angehören. (http://www.fr-online.de/kultur/arabischer-fruehling-tuerkei-digitale-gluehwuermchen-ueber-dem-gezi-park,1472786,28030452.html )
So sympathisch diese “fundamentale” Neuorientierung für die Menschen ist – ähnlich vielleicht bei uns unter dem Schock bei den Studenten nach der polizeilichen Ermordung des Studenten Benno Ohnesorg – so muss uns doch die Frage beschäftigen über die Tragweite dieser humaneren Sicht, zu der die Menschen sich bekennen, für ihre jeweiligen Gesellschaften,und inwieweit sie diese in diesem neuen Sinne zu prägen in der Lage sein werden?
Ein Rückblick auf die 68-er Jahre “bei uns” (in Europa) und ein Verfall der Öffentlichkeit und der politischen Kultur
Angesichts eines gerade erschienen “Zeitgeist”-Rückblickes auch auf “unsere” 68-er Jahre wird in dieser “Zeitgeistforschung” jetzt konstatiert, dass damit ebenso ein kollektives Erlebnis verbunden war, das ein stark verbindendes Element für die betroffenen Generation werden konnte – das sich jedoch “inzwischen” mit einer starken Individualisierung in ein Streben nach “Selbstoptimierung” umgewandelt und diese weitgehend verdrängt hatte. (vgl. Frank Jöricke “Jäger des verlorenen Zeitgeistes”: Als sie Autoritäten bröckelten (http://www.fr-online.de/wissenschaft/zeitgeist-als-die-autoritaeten-broeckelten,1472788,28029724.html )
Bezüglich dieses – schlagermäßig stark eingeschränkten – Blickes auf die 68-er Jahre möchte ich jetzt doch noch mit einem weiteren – damaligen Zeitgenossen und Wissenschaftler, der es mit Adorno hielt und hält, – zur Erweiterung dieser Wahrnehmung, die eben auch stark “ideologisch” eingefärbt wurde, dazwischen gehen, bevor ich noch tiefer auf die ökonomischen Hintergründe im weiteren eingehe.
Der Soziologe Jörg Becker sieht nämlich bezüglich unserer Öffentlichkeit – es gab Zeiten, da sprach man auch vom “Strukturwandel der Öffentlichkeit” – einen totalen Rückfall (in den Denkmöglichkeiten) Kurz gesagt: Es hat sich ein idealistischer Ansatz der politischen Kultur durchgesetzt, während der materialistische Ansatz einer Politökonomie erfolgreich verdrängt wurde. (http://www.taz.de/digitaz/2014/07/28/a0067.archiv/exportHtml ) oder auch noch (http://profjoergbecker.de/ )
So gab es in den letzten 40 Jahren einen totalen Rückfall in den Sozialwissenschaften, meint Jörg Becker. Und damit wurde eben die Welt – jenseits jeder Ökonomie und dazu gehörender Politik – idealistisch “verklärt” anstatt sie angemessen auf den Punkt zu bringen.
Lasst uns also doch wieder den Blick öffnen für einen politökonomischen Ansatz – Die Abkehr vom keynesianischen Interessenbündnis mit der Arbeit bis Anfang der 1970-er Jahre
Was hatte sich also in den letzten 40 Jahren getan? Ziehen wir doch einfach einmal den Ökonomen Stephan Schulmeister zu Rate. Er meint: Hohes Wirtschaftswachstum, Ausbau des Sozialstaates und anhaltende Vollbeschäftigung zogen in den 60-er Jahren eine langsame aber stetige Machtverlagerung zugunsten der Gewerkschaften und der Gewerkschaften nach sich. Die damit verbundene Umverteilung von den Gewinnen zu den Löhnen, die massive Zunahme von Streiks, die Forderung nach immer mehr Mitbestimmung, das Jahr 1968 und die drohende Abwanderung der Intellektuellen ins linke Lager, all dies trug wesentlich zur Abkehr der Unternehmer vom (keynesianischen) Interessenbündnis mit der Arbeit bei.
Mit bewundernswerter Energie und Ausdauer bereiteten die (damaligen) Außenseiter Friedman und Hayek schon ab den 50-er Jahren die neoliberale Gegenoffensive vor. Die Hauptangriffspunkte waren:
- Die Regulierung der Finanzmärkte, insbesondere im Zusammenhang mit der Debatte um flexible Wechselkurse.
- Die langfristige Ineffizienz bzw. Schädlichkeit von Vollbeschäftigungspolitik (die Debatte um die Phillips-Kurve)
Mit seiner Presidential Adress bei der American Economic Association begann Friedman im Jahre 1968 mit einer Generaloffensive gegen Keynesianismus, Vollbeschäftigung, Sozialstaat und Gewerkschaften. (vgl. Stephan Schulmeister, “Mitten in der großen Krise – einen “New Deal für Europa” / Seite 46 – oder auch Seite 18 – oder siehe auch derselbe “Lernwiderstand der Eliten in einer großen Krise”, vor allem die Seite 2, wo er auch die Regelbindung als drittes Element dazu nimmt (vgl. dazu die jetzt aktuell Definition von Regeln durch private, der staatlichen Rechtsprechung entzogene “Internationale Schiedsgerichtshöfe” zur Interessendurchsetzung der Unternehmen gegen staatliche Rechtssetzung z. B. im sog. “TTIP”: http://stephan.schulmeister.wifo.ac.at/fileadmin/homepage_schulmeister/files/Lernwiderstand_Schulmeister_01_01.pdf )
Später wurde diese Wende noch durch die millionenschwere Kampagne der Arbeitgeberverbände gestützt, was Albrecht Müller und Wolfgang Lieb dazu antrieb den politischen Blog die Nachdenkseiten aus der Taufe zu heben. (vgl. z.B.: (http://www.nachdenkseiten.de/?p=28 )
Bezüglich dieser “Wende” mit dem Ende einer keynesianischen Wirtschaftspolitik erläutert Heiner Flassbeck: Das Denken in langen Fristen triumphierte. Jeder, der wie der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt mit seinem berühmt gewordenen Satz “Mir sind 5 Prozent Inflation lieber als 5 Prozent Arbeitslosigkeit”, auch nur andeutete, er glaube weiter an eine positive Beziehung zwischen Konjunktur bzw. der von ihr beförderten Inflation und den Abbau der Arbeitslosigkeit, wurde zum unbelehrbaren Ewig-Gestrigen, ein Inflationist, ein aktivistischer Makroökonom, den man nie mehr an die Schalthebel der Wirtschaftspolitik lassen dürfe. Als sich das Spiel mit den Ölpreisen, Löhnen, Zinsen und Stagflation Anfang der 80-er Jahre in der zweiten Ölpreisexplosion auf fast unveränderte Weise wiederholte, war die keynesianische Nachfragepolitik mausetot, und das was Angebotspolitik genannt wurde, kam mit dem Monetarismus voll zu Ehren. Albrecht Müller weist übrigens auf seinen Nachdenkseiten seit langem auf diesen Bruch der Wirtschaftspolitik in den 80-er Jahren hin. (soweit Heiner Flassbeck – siehe sein Buch zusammen mit Friederike Spiecker “Das Ende der Massenarbeitslosigkeit” vor allem auf der Seite 175)
Ähnlich beschreibt auch Paul Krugman diese neoliberale Wende für die USA (ders. “Nach Bush”), nur dass wahlentscheidend für diesen ökonomischen Paradigmenwechsel der aufkommende Rassismus in den Südstaaten war, wo man den “Sozialstaat” für die schwarzen Teile der Bevölkerung beendet wissen wollte.
Anlässlich des Jahrestages 70 Jahre Bretton Woods, wo mit Keynes zunächst diese durch seine Vorstellungen teilweise geprägte Nachkriegszeit begann – und dann wieder mit dieser Abkehr Anfang der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts endete, erinnert sich Elmar Altvater: Das ganze Bretton Woods-System geriet in Wanken, als 1971 die Goldkonvertibilität des Dollars, die als Stabilitätsanker diente, aufgehoben wurde aufgehoben werden musste. Als dann 1973 das Defizit der US-Leistungsbilanz strukturell zu werden drohte, wurde auch das System der festen Wechselkurse aufgegeben.
Das war die Stunde der von Milton Friedman so genannten “neoliberalen Konterrevolution” und damit die Chance für neokonservative Hardliner wie Margret Thatcher und Ronald Reagan nach Bretton Woods mit dem “Big Bang” der Liberalisierung der Kapitalmärkte den multinationalen Banken, den Investmentfonds und transnationalen Unternehmen die Bildung der Wechselkurse und Zinssätze zu überlassen. Diese zentralen Preise in einer Weltwirtschaft wurden nun nicht mehr von offiziellen staatlichen Institutionen politisch festgelegt, sondern von profitorientierten privaten Akteuren.
Dies war einer der ersten Akte der Privatisierung, die in den folgenden Jahren wie ein politischer Tsunami über die ganze Welt fegte. (soweit Elmar Altvater, “70 Jahre Bretton Woods” – vor allem Seite 3: http://www.gegenblende.de/-/iXz )
Zu einer den jetzigen Krisenursachen auf Grund der Instabilität der Kapitalmärkte sich verweigernden Legendenbildung über dieses Ende von der regulierten Bretton Woods-Zeit siehe auch “Die Legenden um das Ende der Keynesianischen Nachkriegsäre” (https://www.labournet.de/politik/wipo/wipo-deb/wipo-all/die-legenden-um-das-ende-der-keynesianischen-nachkriegsara/)
Mangels Einsicht in den zerstörerischen Krisenzusammenhang nur noch ein finanzkapitalistischer Crash als Lösung?
Wir können jetzt aktuell mit einem kürzlich geübten Diskurs über Kapitalismus beginnen, um auf die Relevanz zentrale Strukturmerkmal unserer Gesellschaft zurückzukommen (Wolfgang Lieb, “Ist der Begriff Kapitalismus wirklich ohne Sinn?” (http://www.nachdenkseiten.de/?p=22486 )
Es gilt eben einen Interessenausgleich gegenüber den Kapitalbesitzern zu finden.Aktuell wird nämlich in einer breiteren Öffentlichkeit (eine Spitzenstellung in der Spiegel-Bestseller-Liste) diskutiert, ob wir als “letzten” Ausweg aus dieser Krise nur noch den Crash des Finanzsystem sehen können. Nicht etwa weil die Autoren dieses Buches keine andere Lösung wollten oder zulassen wollten, aber sie sehen nur in der ganzen Finanzbranche und bei den Notenbanken kein Umdenken – nur deshalb sehen sie inzwischen nur noch in einem Scheitern über den Crash eine Lösung. (Matthias Weik & Marc Friedrich, “Der Crash ist die Lösung” – oder ein Interview mit ihnen “Uns muss dieses Finanzsystem um die Ohren fliegen” (http://www.wiwo.de/finanzen/geldanlagen/bestsellerautoren-matthias-weik-und-marc-friedrich-uns-muss-das-finanzsystem-um-die-ohren-fliegen-seite-all/10177482-all.html )
Die beiden Autoren hatten sich vorher schon einmal mit dem krisenverschärfenden Treiben der Banken in ihrem Buch “Der größte Raubzug der Geschichte” auseinandergesetzt, ( (http://www.nachdenkseiten.de/?p=19862 ), bevor sie jetzt zu diesem erschütternden Ergebnis kommen, dass nur dass totale Scheitern dieses Spekulantenunwesens in der Finanzindustrie zu seiner Überwindung führen könnte.
Soziale Gegenbewegungen – wie sie auch z.B. im Gezi-Park entstanden sind -, können sicher eine wichtige politische Grundlage darstellen, um nach diesem Scheitern des Finanzkapitals auf einer anderen Ebene wieder “anfangen” zu können. Nur wie bei uns (vgl. “Lernprozesse der Linken in Europa” von Eva Völpel (http://www.gegenblende.de/28-2014/++co++bf80f002-1734-11e4-b336-52540066f352 ) befürchte ich, dass sie so wie sie derzeit “gebaut” sind, – diese skeptische Einsicht bezieht sich gerade auch auf die immer wieder hervorgehobene griechische Syriza und ihre dennoch vorhandene politökonomisch gesehene strategische Schwäche – vgl. dazu Niels Kadritzke – eine Analyse nach den Europawahlen: http://www.nachdenkseiten.de/?p=21844 – und Grundübel der griechischen Politik, “Der Klientelismus ist ungebrochen”: http://www.nachdenkseiten.de/?p=22468 – und weiter noch aus jüngster Zeit: http://www.nachdenkseiten.de/?p=22431 ) – , nicht von sich aus in er Lage sein werden, politisch dem Finanzkrisen-Desaster ein Ende zu setzen.
Dennoch ist ihre positive Bedeutung für die Leute und als demokratischer Ansatz für die weitere Entwicklung ihrer Gesellschaften sicher nicht zu unterschätzen.
Doch noch eine Bilanz der sozial-zerstörenden neoliberalen Wirtschaftstheorie – jetzt für Regeln für eine soziale und gerechte Wirtschaftsordnung
Attac möchte die Tagung der Wirtschaftsnobelpreisträger in Lindau in diesem Jahre zum Anlass nehmen, einmal doch grundsätzlich die Irrtümer dieser “herrschenden” Lehre aufs Korn zu nehmen. (siehe “Wo die etablierte Wissenschaft irrt” (http://www.attac-netzwerk.de/index.php?id=72050 ) Die etablierten Wirtschaftswissenschaften haben sich eben in grundlegenden Fragen geirrt.
Die aktuelle Wirtschafts-, Finanz- und Währungskrise zeigt: Die angebliche Überlegenheit freier Märkte ist eine leere Verheißung, und die von den Wirtschaftswissenschaften geratene Politik der Haushaltskonsolidierung – als dogmatische Entstaatlichung – hat auch noch die Ungleichheit der Einkommens- und Vermögensverteilung in Europa – und anderswo – noch einmal gravierend verschärft – gerade in der Krise war das extrem zu beobachten. (vgl. z.B. “Finanzkapitalismus macht Reiche immer noch reicher – und beherrscht die Politik sowie die demokratische Öffentlichkeit dazu”: https://www.labournet.de/?p=56871 insbesondere die Seite 3 f. unten “Vermögensverteilung in Deutschland besonders krass” sowie die Seite 4 f. unten “Die Super-Reichen als Krisengewinner” – und auch noch “Hans-Ulrich Wehler ist tot – aber die Umverteilungsdebatte nicht mit ihm”: https://www.labournet.de/?p=61514 – sowie zu demselben am 5.8. noch: http://www.nachdenkseiten.de/?p=22622#h19 und nicht zu vergessen der hervorragende Jens Berger “Wem gehört Deutschland” zuletzt nicht nur auf der Spiegel-Bestsellerliste, sondern auch bei http://www.nachdenkseiten.de/?p=22622#h01 )
Die drängenden sozialen und ökologischen Fragen lassen sich mit den Theorien und Analysen der meisten Wirtschaftsnobelpreisträger gerade nicht lösen, meint daher Attac zur Begründung ihrer alternativen Podiums-Diskussion in Lindau am 21. August 2014.
Wirklich ein Ende des Neoliberalismus? – Eine heftig kontrovers geführter Diskurs dazu – am Beispiel des Mindestlohnes – Eine neue politisch gesetzte Regel als Anfang, noch ohne das Problem völlig zu lösen
Als – jetzt endlich – der lang von den Gewerkschaften ersehnte Mindestlohn von der Großen Koalition eingeführt wurde, kam es je nach Blickwinkel zu sehr unterschiedlichen Reaktionen. Der sich seit Jahrzehnten am Neoliberalismus und seinen so überwältigend zahlreichen Vertretern in der universitären Wirtschaftswissenschaft reibende Wissenschaftler Rudolf Hickel stieß sozusagen einen Schrei der Freude aus, dass mit dem Mindestlohn endlich einmal von der Politik das neoliberale Dogma der Lohnsenkung zur Auflösung der Arbeitslosigkeit (= “Und wenn die bisherige Dosis nicht ausreicht, müssen die Löhne eben noch weiter gesenkt werden”) mit der Einführung das Mindestlohnes in Deutschland hinter sich gelassen wurde – sozusagen einfach einmal ganz abstrakt und “Im Prinzip”. (http://www.nachdenkseiten.de/?p=21249 )
So allgemein “wirtschaftstheoretisch” konnte das der politische Praktiker Albrecht Müller nicht im Raume stehen lassen, denn mit der immer noch vorhandenen Realität der politischen Lohnsenkungsstrategie in Deutschland hatte diese allgemeine Aussage nicht allzuviel zu tun – und er erwiderte mit den kräftigen Worten “Gefälligkeitsgutachten für SPD und Gewerkschaften”. (http://www.nachdenkseiten.de/?p=21276 )
Letztlich konnte zwischen diesen beiden Ebenen der Diskussion, – indem einfach die recht verschiedenen Blickwinkel anerkannt wurden, – keine Einigkeit hergestellt werden – wenn wohl auch beidseitig über das jeweilige Unverständnis einiger Frust zurückblieb. (http://www.nachdenkseiten.de/?p=21328 )
Dabei hatte mitten in dieser Kontroverse stehende DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann schon für die Gewerkschaften diesbezüglich ein klärendes Wort dazu gesprochen: der Mindestlohn ist ein erster Schritt. Er tut damit auch kund, wie wenig die Politik der GroKo derzeit mit diesen bescheidenen Lösungen schon einen angemessenen Perspektiven-Wechsel in der politisch initiierten Niedriglohnpolitik einleiten kann. (vgl. dazu den Abschnitt “Dennoch: Wie unzureichend bleibt der Sieg mit dem Mindestlohn – und die noch ausstehende Lohnkoordination für Europa” auf der Seite 3 bei https://www.labournet.de/?p=58853)
Ja, jetzt hatte sogar die Bundesbank gefordert, dass höhere Löhne notwendig sind um die Wirtschaft zu stabilisieren. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/lohnpolitik-hoehere-loehne-stabilisieren-die-wirtschaft-1.2056048 )
Dies hielten natürlich die Arbeitgeber nicht für sehr hilfreich, dabei wäre es viel angebrachter die Arbeitgeber würden die durch die Devisenspekulationen ausgelösten Währungsschwankungen als Hindernis für ihre Außenhandelsbeziehungen einmal an den Pranger stellen, wie Ulrike Herrmann in der TAZ am 19. Juli 2014 feststellte. (http://www.demokratisch-links.de/53-billionen-dollar-taglich )
Aber für sie ist anscheinend Spekulation immer gut – wie schädlich sie sich auch auswirkt – während Löhne immer schlecht sind, wie förderlich auch sie für das Gesamtwirtschaftsgeschehen immer sein mögen.
Wie weit die – immer noch ganz legale – Niedriglohn-Strategie selbst in solchen deutschen Vorzeige-Unternehmen wie der Daimler AG noch verbreitet ist, zeigt die Undercover-Recherche von Jürgen Rose bei Daimler, die vom SWR gesendet wurde. (http://www.kontextwochenzeitung.de/medien/175/dicke-backen-beim-swr-2364.html ). Dort wurde auf einer Zeitarbeitsstelle – bei gleicher Arbeit – nur ein Drittel des Lohnes der festangestellten Kollegen verdient. Ja, es hätte bei dieser Lohnabsenkung für den Betreffenden sogar noch ein Anspruch auf Hartz IV bestanden.
So bleibt zu hoffen, was ein Betriebsrat von Daimler ausdrückte, dass diese Sendung “Hungerlöhne am Fließband” eine “überfällige gesellschaftliche Diskussion” wieder in Gang setzt, – denn insgesamt ist mit dieser politischen Mindestlohnentscheidung im gesamten Kontext des Lohngefüges die Niedriglohnstrategie noch nicht endgültig durchbrochen. (http://www.nachdenkseiten.de/?p=22346#h11 )
Sparen bei dem “Kleinen”, um auf Bargeldreserven zu hocken? Und die Frage, ob ein keynesianischer Pardigmenwechsel für die Mehrheit der Bevölkerung nur in Kriegen möglich ist?
Könnte es für dieses “Sparen” noch irgendeinen ökonomischen Sinnen geben, fragt man sich zunächst erschüttert – um dann feststellen zu müssen: es gerät zum absoluten “Unsinn”, wenn die Firmen immer weiter – bei einem Teil der Arbeitnehmer – so rigide über Niedrigstlöhne sparen und gleichzeitig große Gewinne einfahren. (http://www.fr-online.de/wirtschaft/investitionen-firmen-sparen-trotz-grosser-gewinne,1472780,28050262.html )
Ja, es läuft sich ein richtiger Investitionsstau auf, währen die Firmen auf Bargeld-Reserven hocken (um zu zocken?)(http://www.fr-online.de/wirtschaft/investititionsstau-firmen-hocken-auf-bargeldreserven—,1472780,28050758.html )
Also müssen wir Immer weiter im alten Paradigma der Umverteilung von unten nach oben laufen – ohne einen weiteren ökonomischen Sinn, als dass der Reichtum “oben” weiter angehäuft werden “muss”? Dazu stellte Piketty in einem Interview mit Ulrike Herrmann die provozierende Frage, bisher waren es immer Kriege, die den keynesianischen Paradigmenwechsel “vollkommen” ermöglicht haben (vgl. zu diesem Piketty-Interview den letzten Link bei https://www.labournet.de/?p=61514 – und der “New Deal” in den USA wurde letztendlich im zweiten Weltkrieg “vollendet” – weiter zu der Frage, was wir von Roosevelt und seinem New Deal lernen können bei Stephan Schulmeister: http://www.nachdenkseiten.de/?p=22118#h09 )
Gerade von Roosevelt kann man lernen, dass die Regulierung des Finanzsektors der erste Schritt sein müsste – wovon wir gerade in Europa noch weit entfernt sind. (vgl. den Abschnitt “Europa ohne Finanzmarktregulierung, nur noch das Finanzkapital verherrlichend” auf der Seite 3 bei https://www.labournet.de/?p=62186)
Aber wie kann eine solche “Wende zurück” nicht nur auf Podiums-Diskussionen oder eben in Kriegen, sondern ganz praktisch demokratisch-politisch gewonnen werden? New York zum Beispiel – Regeln setzen für die Allgemeinheit
Da können wir uns einen kleinen Ausschnitt einer solchen Wende – wie mit einer Lupe – einmal am Beispiel New Yorks genauer ansehen. Natürlich ist auf solch einer lokalen Ebene die Regulierung des Spekulationsunwesens der Reichen nicht in Angriff zu nehmen, aber diesbezüglich ist die USA mit ihrer “Volcker-Regel” ohnehin schon ein Stück weiter, da die Europäische Union als Stütze der Bankenlobby just über die TTIP-Verhandlungen mit den USA diese Regulierung wieder kippen möchte.
Aber gehen wir jetzt nach New York, wo mit Bill de Blasio ein Linker den Bürgermeisterposten besetzt hält – und nach der Meinung der Republikaner dabei ist ein “zweites Havanna” zu schaffen. Die Konservativen haben jedenfalls laut New York Times, Bill de Blasio, seit Januar Bürgermeister von New York-City, zu ihrem Lieblingsfeind erkoren.
Die republikanische Parteispitze sieht in de Blasios junger Regierung und ihren politischen Plänen “all ihre Ängste vor einer erstarkenden Neuen Linken” verkörpert, wie etwa “populistische Verachtung der Reichen, offene Sympathie für die organisierte Arbeiterschaft und eine unerbittliche Fokussierung auf die Einkommensungleichheit”.
Der Vorwurf, hier werde ein Klassenkampf gegen die Wohlhabenden geführt, begleitet jeden von de Blasios Schritten seit seiner Amtseinführung am 1. Januar. Damals verkündete er: “Wir sind aufgerufen, den ökonomischen und sozialen Ungleichheiten, die unsere geliebte Stadt zu zerstören drohen, ein Ende zu bereiten”. Ein Internet-Kolumnist reagierte prompt mit: “De Blasio beschwört bei seiner Amtseinführung die Mumien Lenin, Mao und Ho Chi Min.” (http://www.monde-diplomatique.de/pm/2014/08/08.mondeText.artikel,a0046.idx,13 )
De Blasio`s Prestige-Projekt ist sein Versprechen 200 000 neue bezahlbare Wohnungen zu bauen – Motto “Wohnungsbau und Gerechtigkeit”. Da jedoch die Bauindustrie neben der Finanzindustrie in New York die größte Macht ausübt, muss er dafür einen politischen Kurs einschlagen, der ihm sowohl von Bauunternehmern wie auch den politischen Aktivisten – trotz der Panikmache der konservativen Medien – die Bezeichnung eintrug, “er sei eher Machiavelli als Marx”.
So kann de Blasio seinen Kampf auf keinen Fall über die Medien gewinnen – und das weiß er auch. Er wird vielmehr darauf setzen müssen, dass er den Menschen – möglichst einer Mehrheit von ihnen – konkrete Hilfeleistungen bietet, die sie brauchen und dafür dankbar sind. Immer in der Hoffnung, dass möglichst viele Menschen endlich kapieren, dass das Mediengetöse nichts mit ihrem Lebensalltag zu tun hat.
Kindergartenplätze für alle, Hortbetreuung, Krankengeld, erschwinglicher Wohnraum, deutliche Steigerung des Mindestlohne – solche Programme gefallen Finanzexperten nicht besonders, aber sie bringen – wie z.B. auch die umkämpfte Krankenversicherung Obamacare – entscheidende Veränderungen für die Menschen, die sich nur mit Mühe über Wasser halten.
So kann de Blasio der Linken ein Beispiel auf lokaler Ebene setzen – und ein Zeichen für Veränderung in den USA. (Siehe auch “Renaissance der Linken in den USA” (http://www.fr-online.de/politik/usa-renaissance-der-linken,1472596,28094624.html )
Schlagen wir von New York aus den Bogen wieder zurück zum Gezi-Park: Keine Auseinandersetzung um eine wieder gerechte Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, sondern ein Kampf um die politische Kultur – Oder der Widerstand für eine Regel im demokratischen Umgang – und gegen ungebremsten Autoritatismus von oben. Aber keine Parallele zum arabischen Frühling!
Und gehen dazu zur türkischen Schriftstellerin Elif Safak (Süddeutsche vom 9.8.2014: http://www.sueddeutsche.de/kultur/schriftstellerin-elif-afak-ueber-die-tuerkei-wir-leben-nur-noch-in-geistigen-gettos-1.2083447 ). Erdogan wird Präsident, ja. (siehe auch “Türkei – tief gespalten”: http://www.fr-online.de/tuerkei/kommentar-zu-tuerkei-wahlen-tief-gespaltene-tuerkei,23356680,28087002.html ) Aber ein Weiter-so wird es nicht geben. (siehe auch “Erdogan bezeichnete im Wahlkampf seinen Sieg als Beginn einer neuen Ära, der “neuen Türkei”. Er könnte recht behalten – nur anders als er denkt. (http://www.fr-online.de/tuerkei/leitartikel-tuerkei-erdogans-riskanter-sieg,23356680,28094922.html )
Das Land hält diese Polarisierung nicht mehr aus – nun bleibt die Frage, ob Erdogan seine Ansage nach der Wahl, nun wolle er auch auf die zugehen, die ihn nicht gewählt hätten, praktisch umsetzt. (siehe auch “One-Man-Show mit Kratzern” (http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=me&dig=2014%2F08%2F12%2Fa0098&cHash=8f029bfec986e20aa0ff4d353ddea5d4 )
Wird also Erdogan das tun, was er in diesem Rahmen der Wahlergebnisse erfolgreich tun kann – oder wird er durch Stärkung seines bisherigen Autoritarismus die Spaltung weiter vertiefen. Oder wieder mit den Worten von Elif Safak: “Ein Durchbruch war letztes Jahr so greifbar, noch nie war die Hoffnung auf eine gesellschaftliche Versöhnung so groß gewesen. Nun, wo es nicht geklappt hat, wird sich der Frust Bahn brechen. Gezi war eine Wasserscheide. Eine Parallele zum arabischen Frühling würde ich nicht ziehen. Dafür ist die Geschichte Tunesiens oder Ägyptens zu unterschiedlich. (Wie wahr!)
Der Gezi-Aufstand zeigte, dass es eine wachsende Kluft zwischen Menschen, die glauben, dass ihre Stimmen nicht gehört werden, und einer Machtelite, die den Menschen vorschreibt, wie viele Kinder sie kriegen sollen und ob sie in der Öffentlichkeit lachen dürfen.
Solange wir eben die demokratische Kultur nicht verinnerlicht haben, führt das zum Autoritarismus.
Der türkischen Wirtschaft geht es seit zehn Jahren gut, das ist ein wichtiger Faktor. (vgl. dazu noch einmal die frühere Einschätzung “Bleibt nach dem kläglichen Versagen von Europa nur die Türkei” auf der Seite 2 im unteren Drittel bei http://archiv.labournet.de/krieg/iran/bahl1.html – insbesondere dort auch den folgenden Abschnitt “Keine Zukunftsperspektive für den arabischen Frühling ohne Wachstum mit Jobs”)
Aber Erdogans Erfolg kann man nur verstehen, wenn man an seine ersten Jahre an der Macht denkt. Am Anfang schien die AKP all jenen eine Stimme zu geben, die unter den Kemalisten gelitten hatten. Als Erdogans Macht wuchs, fing er an Kritiker mundtot zu machen.
Die Unterdrückten von gestern, wurden zu den Unterdrückern von heute. Das ist ein Teufelskreis.
Und weiter noch einmal mit Elif Salak: Ich bin vorsichtig mit historischen Vergleichen, aber in einer Frage gibt es sicher eine Kontinuität – bei der Rolle des Staates. Es ist merkwürdig, dass der türkische Staat einerseits immer sehr stark gewesen ist, und gleichzeitig hat immer die Vorstellung geherrscht: Man muss den Staat vor seinen Bürgern schützen, als wäre der Staat etwas Verletzliches. So ist es bis heute. Der Staat ist umzingelt von inneren und äußeren Feinden. Mit dieser Mentalität ähneln wir immer mehr der russischen Gesellschaft… (oder auch der Ukraine mit der ewigen Oligarchenherrschaft – aber das ist schon wieder eine andere Gesellschaft)
Dem kann man nur abschließend hinzufügen, dass wir in Europa jetzt gerade den Rückfall üben in nicht-demokratische Vorzeiten, indem wir über das TTIP den Unternehmen (als unseren Oligarchen) eine ewige Herrschaft über die demokratische Politik verschaffen wollen – indem wir die neoliberale “Revolution” mit dieser “Regelbindung” gerade mit diesem Abkommen vollenden wollen. (vgl. noch einmal Jens Berger: http://www.nachdenkseiten.de/?p=16289 – http://www.nachdenkseiten.de/?p=17671 – sowie http://www.nachdenkseiten.de/?p=20546 – und eventuell weiter noch den Abschnitt “Freihandelsabkommen USA-Europa und die EBI “Right2Water” auf der Seite 3 bei https://www.labournet.de/?p=53716)