Falscher Internationalismus
„Die Verteidigung staatlicher Souveränitätsrechte innerhalb der Europäischen Union gilt vielen Linken als Anachronismus. Ignoriert wird dabei der Unterschied zwischen unterdrückenden und unterdrückten Ländern. Die Finanz- und Staatsschuldenkrise beschleunigt die Zentralisierung der Europäischen Union. In kürzester Zeit wurden gleich mehrere Maßnahmen beschlossen, die allesamt der Stärkung der Aufsicht über die nationalen Haushalte der Mitgliedsstaaten durch Brüssel dienen. Am Ende soll eine europäische Wirtschaftsregierung stehen. Die ersten Opfer sind die Länder der sogenannten Peripherie in der EU: Griechenland, Portugal, Irland und Zypern. An ihnen wird demonstriert, wie man ganze Staaten entmachtet, indem die Entscheidungen über deren Haushalts-, Sozial-, Arbeitsmarkt-, Bildungs- und Rentenpolitik auf europäischer Ebene getroffen werden. Der große Gewinner ist Deutschland, genauer dessen Finanzkapital…“ Artikel von Andreas Wehr aus junge Welt vom 06.08.2014, dokumentiert beim Friedensratschlag
Aus dem Text: „(…) Für linke Europaphile sind nationale Souveränitätsrechte nur noch ein Anachronismus, leben wir doch angeblich längst in einem globalisierten, internationalistischen System. Sie werden nicht müde, den baldigen Beginn des Zeitalters eines sozialen, demokratischen und ökologischen Europas zu verkünden. Heute gehe es nur noch darum, »eine Kooperation unterschiedlich produktiver Wirtschaften unter dem gemeinsamen Euro-Dach zu ermöglichen«, heißt es in dem von linken Gewerkschaftern initiierten Aufruf »Europa neu begründen«. Nach anderer Ansicht ist die Europäisierung hingegen nichts anderes als das Instrument der »Märkte«, um sich die Staaten zu unterwerfen. (…) An der Weigerung, den Kampf im eigenen Land aufzunehmen, erkennt man im übrigen untrügerisch den Opportunismus. Er entdeckt immer neue, für ihn nicht erreichbare Gegner auf internationaler Ebene, die es aussichtslos machen, die Auseinandersetzung überhaupt erst zu beginnen. Verweise auf die sogenannte Globalisierung und auf die Europäisierung sind beliebte Ausflüchte. Dabei heißt es regelmäßig: Bevor sich dort nichts ändert, ist auch auf nationaler Ebene nichts zu erreichen. Aber das tatsächliche Verhältnis wird so umgekehrt. Es sind doch die Staaten – und hier vor allem die großen imperialistischen – , die die internationale Ordnung bestimmen. Man muß sich daher Klarheit über das Verhältnis zwischen Nationalismus und Internationalismus verschaffen…“