Was den DGB noch umtreiben müsste
Der Versuch für ein paar Gedanken für die Perspektive der Gewerkschaften in Deutschland und Europa: Scheitern oder Europa gewinnen? Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 21.5.2014
Die Frage, ob diese Darstellung des “Scheiterns” einer ökonomischen Lösung (Schuldenkrise) – in der Interessen noch zu vage “ausgewiesen” waren – für ein solidarisches Europa durch die Gewerkschaften angemessen ist – um dann (mit Klaus Pickshaus) über den politischen “Umweg” mit der Guten Arbeit doch noch über die Kritik des Finanzkapitalismus zu einer solidarischen Politik zu kommen (= in den Gewerkschaften)? – Oder es doch einfach “nur” ein weiteres Scheitern in der Krise bedarf, um zu einer den Problemen des Finanzkapitalismus angemessenen staatlichen Regulierung wieder zu kommen (Lernen nur durch die Krise und ihre “Verschärfung”?) – Am besten wohl beides!
Wer also fortwährend an solch einer “Schnittstelle” des Bewußtseinsbildung steht, kann das vielleicht am besten beurteilen, inwieweit solch ein Weg Chancen hätte, wenn er von den Gewerkschaften – sozusagen mit dem Blick nach beiden Seiten: der konkreten Auswirkung auf die so “ungute Arbeit” und gleichzeitig in konsequenter – praktischer und theoretischer – Krisenbeobachtung – konsequent angegangen würde?
Was den DGB so längerfristig umtreiben könnte – aber erst einmal eine Europawahl.
So treiben mich mich jetzt doch noch die Gedanken um diesen DGB-Kongress 2014 um – gerade mit einem Schwerpunkt auf das europäische Projekt -, das jetzt zur Europawahl wegen seiner politischen Zukunftsfähigkeit auf dem Prüfstand steht.
Es mag zwar wichtig sein, dass der neue DGB-Chef die Delegierten – jetzt kurz vor der Europawahl – auf einen Pro-Europäischen-Kurs einschwört, (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/neuer-dgb-chef-schwoert-delegierte-auf-pro-europaeischen-Kurs-ein-1.1961888 ), damit jedenfalls nicht allzu viele Gewerkschafter bzw. die von ihnen vertretenen ArbeitnehmerInnen bei den rechten Euro-Gegnern wiederzufinden sind. (vgl. die gesamte Rede von Rainer Hoffmann (= am dritten Tag!) bei http://bundeskongress.dgb.de/die-woche )
Wer weiß es – und wer hat es erfasst?
Heribert Prantl jedenfalls könnte ja dennoch die allgemeinen Grundlagen für solch eine doch noch pro-europäische “Stimmung” gelegt haben. (http://www.nachdenkseiten.de/?p=21465#h01 )
Aber die Zweifel der Anti-Europäer sind gewaltig – für die Stimmungsmache gegen dieses große Projekt Europa, dessen Grundlagen aus meist zu einseitiger nationaler Interessenwahrnehmung – und damit gegen Europa – ins Wanken geraten. (Vgl. “Die Anti-Europäer” von Stefan Hebel (http://www.fr-online.de/europawahl/europa-wahl-die-anti-europaeer,27125132,27121630.html )
Vielleicht kann der DGB auch eher ein Stopp-Schild gegen die Anti-Europäer aufrichten, als doch noch – jetzt aktuell – pro-europäische Überzeugungsarbeit – auch gegen den Merkel-Mainstream – leisten zu können, denn es muss ja daran erinnert werden, wie die Gewerkschaften nach “anfänglichen” Sympathien für die Eurobonds – als eine solidarische Lösung für die Schuldenproblematik (Stichwort “Schuldenkrise”) – vor Merkel und denen ihr “folgenden” Gewerkschafts-Mitgliedern “eingeknickt” sind bzw. einknicken mussten. (vgl. “Eurobonds zu abgehoben….?” (http://archiv.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl16.html)
Nur mit diesem Kongress – und ihrem neuen Vorsitzenden Rainer Hoffmann – haben sich die Gewerkschaften wohl auch vorgenommen, das Projekt Europa nicht mehr schleifen zu lassen, sondern sich systematischer vorzunehmen. So startet der Vorsitzende der großen Gewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, schon gleich mit einer umfassenderen Analyse zu Europa, wo er auch gleich an die Wurzeln der europäischen Fehlentwicklung geht: “Die Überschüsse der Einen waren die Defizite der Anderen. Kurzum: Von den Maastrichter Verträgen führt ein direkter Weg in diese Krise.”
Und speziell zu dem Lohndumping auf Grund er Arbeitsmarkt-“Reformen” erklärt Bsirske die reale Situation des sogenannten “deutschen Beschäftigungswunders”: Aus deutscher Sicht hat der neoliberale Umbau des Arbeitsmarktes in den Krisenländern noch einen besonderen bitteren Beigeschmack. Brüssel wirbt für die Arbeitsmarkt-Deregulierungspolitik mit dem vermeintlichen deutschen Beschäftigungswunder. Die sog. deutschen Arbeitsmarktreformen hätten zwischen Berlin und Stuttgart den Weg frei gemacht für mehr Wachstum und Beschäftigung, so die Behauptung. Dass sich das deutsche Jobwachstum zu einem großen Teil aus der Umverteilung vorhandener Arbeit zu prekären Bedingungen speist, wird nicht thematisiert – Genauso wenig wie die Tatsache, dass die Menge bezahlter Arbeitsstunden (das Arbeitsvolumen) heute nicht höher ist als vor 20 Jahren. Kurzum: Für einen direkten Zusammenhang zwischen Arbeitsmarktreformen” und Beschäftigungszuwachs gibt es keinen belastbaren empirischen Beleg.” (http://www.gegenblende.de/++co++555fcfd8-e019-11e3-a7e1-52540066f352 )
Inwieweit haben die Gewerkschaften den deregulierten Finanzkapitalismus als Krisenursache “auf ihrem Schirm”
Noch im Jahr 2011 hatten IG Metall und Verdi zusammen diese Bonds zur solidarischen Krisenüberwindung gefordert (vgl. “Eurobonds abgehoben” – dort Seite 3).
Da in Deutschland die Krisenerfahrungen fehlten, denken auch die GewerkschaftskollegInnen einfach, dass bei den Bonds sie als Steuerzahler nur wieder betroffen sein könnten – und andererseits doch keinen Nutzen davon haben – und dies,obwohl ihrerseits der “Aufstand” gegen die schon riesig zu nennende Stützung der Banken in der Krise auf Kosten des Steuerzahlers auch ausblieb. Und so bleiben sie – auch dank heftiger Propaganda mit Hilfe von Herrn Sinn (Ifo) – fest hinter der Kanzlerin mit ihrer strikten Ablehnung der Eurobonds.
Das hatte dann noch der US-Ökonom James Galbraith auf einem Krisenbewältigungs-Kongress der großen IG Metall unter dem großen Wort “Kurswechsel” aufzubrechen versucht, indem er klar machte, “Die Wahl für Europa ist: Alle zusammen – oder rette sich jeder, wie er kann” (vgl. die Seite 5 f. bei https://www.labournet.de/?p=17959). Es waren – und blieben – eben die deutschen Arbeitskosten eine Quelle der Instabilität im Euro-Raum, da bei einer gemeinsamen Währung die Arbeitskosten die einzige Stellschraube sind, um die eigene nationale Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den “anderen” zu steigern. (http://archiv.labournet.de/diskussion/eu/sopo/lohn_bahl2.html)
Ja, die deutschen Gewerkschaften hatten als Anzeichen ihrer Durchsetzungsschwäche auch immer mehr die Tarifbindung verloren. (Vgl. “Tarifbindung, wo bist du geblieben?”: http://archiv.labournet.de/diskussion/gewerkschaft/tarifpolitik/tarifbindung_bahl.html oder auch http://www.nachdenkseiten.de/?p=14931#h12 )
In einen größeren Zusammenhang im Rahmen der gesamten ökonomisch und sozialen Nachkriegsentwicklung kann dies schon bald als “Klassiker” in dem Bändchen von Stephan Schulmeister “Mitten in der großen Krise – Ein New Deal für Europa” ausgeführt – nachgelesen werden und zuletzt in einem weiter klärenden Aufsatz “Realkapitalismus und Finanzkapitalismus – Zwei “Spielanordnungen” und zwei Phasen des langen Zyklus” wieder zusammenfassend vertieft werden (http://stephan.schulmeister.wifo.ac.at/fileadmin/homepage_schulmeister/files/Real-_Finanzkapitalismus_11_13.pdf oder auch noch in Kurzform: Stephan Schulmeister “Im Strudel der Deregulierung”: http://boeckler.de/45592_45620.htm – oder auch http://www.nachdenkseiten.de/?p=20617#h04 ).
In kapitalistischen Marktwirtschaften sind unterschiedliche “Spielanordnungen” möglich. Die Phase vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis in die 70-er Jahre bezeichnet der Ökonom als “realkapitalistische Spielanordnung”. In dieser Konstellation richtet sich das Profitstreben der Unternehmer fast ausschließlich auf Aktivitäten in der physischen Welt, also auf Investitionen in Maschinen statt in Finanzderivate. Feste Wechselkurse, niedrige Realzinsen, stabile Rohstoffpreise und “schlummernde” Aktienmärkte bildeten die Rahmenbedingungen. Die Konsequenz war, dass in dieser Phase hohe Wachstumsraten und anhaltende Vollbeschäftigung erreicht werden konnten.
Durchgehend sieht er als Strukturmerkmale dieser Periode einen Zins, der laufend unter dem Wachstum lag, an, sowie eine sinkende staatliche Verschuldung, da die Wirtschaft die Schulden – um zu wachsen – macht. Leider wird bei der Kritik an Schulmeister meist ausgespart, dass es gälte die Empirie dieser – für die jeweilige Periode durchgängigen – Strukturmerkmale in Zweifel zu ziehen, bzw. sie anderen Ursachen – als der Realkapitalbindung – zuzuordnen.
Umgekehrt liegt nach Schulmeister der Zins nach der Deregulierung zugunsten der Finanzwirtschaft, laufend über dem Wachstum – und trotz “immerwährenden” Sparens steigen die staatlichen Schulden immer weiter – bis ins exorbitante – an. Die Gewinne werden damit immer mehr im Finanzsektor gemacht, der keine Werte schafft, aber zu starker Krisenanfälligkeit neigt. (siehe die Kette von sogenannten Bankenrettungen)
Das gleiche Motiv leitet ja auch Paul Krugman in seinem großen Werk “Nach Bush” (= der deutsche Titel) an, wo er schreibt in der Nackkriegsphase war Amerika eine Mittelschichtsgesellschaft – die wir “verloren” haben. (vgl. sein Kapitel 1 “Wie es früher war”) Der Versuch seiner Erklärung ist etwas breiter noch – aber auch sein Hauptgewicht liegt in der “Wende” durch die Politik. (Normen und politische Macht) Nur kommt bei Krugman – wie bei anderen Ökonomen des angelsächsischen Bereiches – zum Ausdruck, dass sie weniger von Abstraktionen und Begriffsbildungen halten.
Seit den siebziger Jahren verwandelte sich die Wirtschaft “im neoliberalen Wechselschritt” – gemäß Schulmeister – vom Real- zum Finanzkapitalismus. Das war keine zufällige Entwicklung, sondern erfolgte nach einem spezifischen Muster, nach dem Deregulierungen regelmäßig Probleme schufen, die dann wiederum mit weiterer Deregulierung (“neoliberaler Wechselschritt”) bekämpft wurden.
So wurde der lange Weg zur aktuellen Krise, dieser europäischen Beschäftigungs- und Staatsschuldenkrise, durch die Abfolge politischer Entscheidungen zum Abbau von Regulierungen zugunsten der Finanzwirtschaft beschritten.
Diese hat heute jedoch eine Machtposition erlangt, dass der Bundestagsabgeordnete der Grünen Gerhard Schick zu dem Schluss kommt “Machtwirtschaft – Nein Danke” (siehe zu seinem Buch: http://www.nachdenkseiten.de/?p=21641 ) Und diese Position auch wacker gegen die Konzerne – wie den Finanzkonzern Allianz – verteidigt: “Die politische Macht großer Konzerne ist unerträglich” (http://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft/diskussion-um-marktwirtschaft-haben-finanzkonzerne-zu-viel-macht,10808230,27154152.html )
Müssen die Gewerkschaften weiter ihre “zugewiesene” Rolle im neoliberalen “Setting” beibehalten?
So ist es jetzt kein Wunder, dass der neue DGB-Vorsitzende strikt fordert, dass es von der neuen Lohnuntergrenze eines Mindestlohnes keine Ausnahmen mehr geben dürfe. Dafür musste er schon fast eine heftige Rüge von Detlef Essinger in der “Süddeutschen” einstecken, denn dieser meinte in seinem grundsätzlichen Kommentar auf der Seite 4 unter der Überschrift “Neuer Sound”, der DGB solle sich doch nicht so sehr um den Mindestlohn kümmern, da dort für ihn ohnehin keine Mitglieder zu holen seien, sondern er müsse sich doch in erster Linie um “seine” Mitglieder – und schon gar nicht um “die” Arbeitnehmerschaft kümmern.
Damit soll jedoch der DGB weiterhin auf diese reduzierte Rolle in dem ihm seit den Arbeitsmarktreformen von Rot-Grün vorgesehenen bloßen – vor allem betrieblichen – “Interessenvertretung”, die ihm ganz nach dem neoliberalen Setting zugewiesen wird, bleiben. Es kann auch als kleine Warnung an Rainer Hoffmann verstanden werden: Pass auf DGB, wenn du diese Rolle jetzt doch wieder einmal aufzubrechen versuchst, gibt es mediale “Haue” im neoliberalen Mainstream.
Hatte es doch mit dem sozialdemokratisch-auftretenden Basta-König Schröder gegenüber den Gewerkschaften so gut geklappt just die deutschen Gewerkschaften in diese Rolle durch die Einführung des größten Niedriglohnsektors in Europa zu “zwingen”. (http://www.nachdenkseiten.de/?p=4480 )
Der Ökonom Heiner Flassbeck hat nun jüngst noch einmal anschaulich versucht den theoretisch-empirischen “Nicht”-Sinn dieser Lohnmoderation darzustellen (http://www.flassbeck-economics.de/theorie-mit-empirie-garant-fuer-glaubwuerdigkeit-teil-2/ ). Ein Problem, das durchaus auch schon in der EU zur Debatte stand – aber dann nach altem ideologischen Muster unter den Tisch gefegt wurde. (Vgl. “Lagard (Frankreich) und die Lohnentwicklung in Deutschland und Frankreich: Im Schatten des deutschen Exportwunders…”: http://archiv.labournet.de/diskussion/eu/sopo/lohn_bahl.html)
Aber mit voller Wucht wird dies – auch unter der Regie der EZB – diese Erkenntnis mit den “altgewohnten” Ökonomen-Meinungskartell unter den Tisch noch zu kehren versucht für Europa, wie Heiner Flassbeck auf einer Konferenz erst kürzlich etwas irritiert konstatieren muss. (http://www.flassbeck-economics.de/eurokrise-reale-konvergenz-und-die-geschickten-versuche-des-mainstream-von-der-rolle-deutschlands-abzulenken/ ) Nun zuletzt hatte jedoch noch einmal die New York Times von den “underpaid german workers” berichtet (http://www.nachdenkseiten.de/?p=21513#h05 )
Der jetzige SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel jedenfalls hatte die Schwäche dieser Rolle der SPD – jedenfalls gegenüber dem DGB – erkannt – und hatte versucht, dieser doch allmählich zu entrinnen. (vgl. “Sehnsucht nach Versöhnung (http://www.fr-online.de/wirtschaft/sigmar-gabriel-sehnsucht-nach-versoehnung,1472780,27128724.html )
Aber die Messlatte zu einer solchen Versöhnung hat Frank Bsirske mit seiner eingangs erwähnten Analyse zu Europa in der “Gegenblende” recht anspruchsvoll, – d.h. hoch – gelegt. (vgl. oben den zweiten Abschnitt)
Und jetzt aber noch eine “Vollendung” des neoliberalen Fesselkonstruktes durch TTIP
Jetzt sollte es doch davon kein “plötzliches” Entrinnen mehr geben, denn gerade wollte man doch daran gehen – auch mit der Zustimmung einer Mehrheit im Europäischen Parlament (!) – nur ohne Grüne und Linke – das neoliberale Fessel-Konstrukt mit dem TTIP zu einer weiteren Vollendung zu bringen.(vgl. zu diese Zustimmung des Europa-Parlamentes die Seite 3 ganz unten f. “Und doch ein Endsieg des Kapitals über Demokratie und Sozialstaat…” bei https://www.labournet.de/?p=57408 – und zur Problematik des TIPP weiter auf der Seite 3 f. bei https://www.labournet.de/?p=53716 sowie John Hilary “Freibrief zur Deregulierung”: http://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/sonst_publikationen/TTIP-Hilary_de.pdf und Ulrike Herrmann: http://www.nachdenkseiten.de/?p=21624#h03 – oder allgemein noch http://rosalux-europa.info/aktuell/TTIPnews/ )
Dabei hatte gerade Rainer Hoffmann angesichts des Jubels über den Erfolg der EBI “Right2Water” gewarnt, nun darf dieser Erfolg der Bürgerinitiative Right2Water nicht durch das Freihandelsabkommen zwischen der EU und der USA doch wieder – sozusagen durch die Hintertür – kassiert werden, weil der Marktzugang für Wasser-Unternehmen dann eben gegen die Staaten oder auch die EU durchgesetzt werden kann. (Vgl. dazu in der Mitte der Seite 3 bei https://www.labournet.de/?p=53716) Zuletzt hatte noch der Europaabgeordnete Sven Giegold die Kritik auf den Punkt gebracht (http://www.nachdenkseiten.de/?p=21727#h01 )
Zum Ausbau der Instrumente des neoliberalen EU-Orchesters durch den dritten Pfeiler des neoliberalen Programmes – der Regelbindung – siehe auch die Seiten 3 ff. bei https://www.labournet.de/?p=55249 – sowie dort den großen Gegner einer Regelbindung, Adam Smith! (= S. 6)
Dennoch: Wie unzureichend bleibt der Sieg mit dem Mindestlohn – und die noch ausstehende Lohnkoordination für Europa
Es sind dann aber nicht so sehr die Ausnahmen – auf die sich die Öffentlichkeit so konzentriert – sondern die geringe Höhe von nur 8.50 Euro die diesen Mindestlohn in Deutschland doch eher zur Mogelpackung werden lassen. (http://www.nachdenkseiten.de/?p=21653 ) Denn auch dieser Mindestlohn lässt die meisten “Aufstocker” weiter bedürftig bleiben, wie das IAB kürzlich feststellen musste. (http://doku.iab.de/kurzber/2014/kb0714.pdf )
Nur das scheint auch dem neuen Vorsitzenden schon am Herzen zu liegen, denn – ganz im Gegensatz zu der Empfehlung von SZ-Esslinger – hält er auch den Mindestlohn nur für einen ersten Schritt, um damit kund zu tun, wie wenig die Politik mit ihren jetzigen bescheidenen Lösungen schon eine echte Grundlage für einen angemessenen Perspektiven-Wechsel – oder mit den Worten des IG-Metall-Kongresses – ein “Kurswechsel” – sein kann. (Siehe (http://www.deutschlandradiokultur.de/gewerkschaften-mindestlohn-ist-nur-ein-erster-schritt.990.de.html?dram:article_id=283655 )
Nur der Mindestlohn von rund 18 Euro war dann wiederum in diesem gesamten Kontext, dass die Löhne eine wichtige Stellschraube für den nationalen Wettbewerb bleiben, für die Schweiz ein falsches – oder auch zu unkoordiniertes – Signal (http://www.nachdenkseiten.de/?p=21758#h10 )
Hatte doch gerade auch Frank Bsirske – endlich wieder – die Koordination der Lohnpolitik für Europa eingefordert. (siehe den Eingangsabschnitt) Mal schauen, ob sich die Gewerkschaften es jetztunter dem Krisendruck schaffen? Dabei war die Koordination der Lohnpolitik als eine Anforderung an die Einführung des Euro schon vor dem Start des Euro klar auf dem gewerkschaftlichen Tisch. Es musste wohl erst die Zuspitzung dieses Problems durch die Krise kommen, um es als “bedrückendes” Problem wieder auf die gewerkschaftliche Agenda zu setzen.
Aber: Immer wieder rechtspopulistische Umdeutung der Krise – wieder wird mit dem Finger auf die “Anderen” gezeigt.
Wie heißt es doch in der Bibel so prägnant, dass man so gerne bereit ist den Splitter im Auge des anderen zu sehen, aber den Balken im eigenen Auge nicht wahrnehmen kann. Von dieser Art zeigt sich eine “Bild”-Offensive in diesen Tagen vor der Europawahl.
Genau hier setzt dann aber auch – wieder vor den Wahlen – eine Propaganda-Offensive durch “unser” finanzkapitalistisches “Zentralorgan”, die “Bild”-Zeitung ein, die die Angelegenheit auf den Kopf stellt – und erklärt, “wir seien die Lohndeppen Europas” (http://www.nachdenkseiten.de/?p=21533 ) – und so wird – wie schon früher relativ erfolgreich – die Krise einfach umgedeutet. (vgl. dazu http://archiv.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl42.html)
Bei diesem so offensichtlich erzeugten “Wirrwarr” fragt sich schon bald resignativ der Gewerkschafts-Sprecher der Linken, Michael Schlecht: “Euroskepsis – woher kommt die nur?” (http://www.michael-schlecht-mdb.de/europa-skepsis-woher-kommt-die-nur.html#more-4551 ) Waren es vor der Euro-Krise Ende 2009 noch 48 Prozent, die “eher Vertrauen” in die EU hatten, so sind es jetzt in den letzten Umfragen nur noch 32 Prozent.
Und Deutschland schwimmt wie das Fettauge auf der Suppe weiterhin oben auf der Euro-“Suppe” – und dennoch grassiert angesichts der sozialen Spaltung eine Abstiegsangst bis weit in die Mittelschichten, die empfänglich für Rechtspopulismus macht.
Aber so blieb es für Deutschland dabei, dass es sich alleine – jedenfalls “unter dem Strich” und im Verhältnis zu den “anderen” – immer weiter recht gut “retten” konnte – während andere “absoffen”.
Deshalb wäre es dann vielleicht doch wieder erwähnenswert, dass es gerade Deutschland ist, dass durch und mit der Krise gegenüber den anderen Ländern so eindeutig “profitiert hat – und damit auch viele ArbeitnehmerInnen. Wenn es auch immer wieder festgehalten werden muss, dass auch hier die Bilanz – wegen der sozialen Spaltung mit einem ständig gewachsenen Prekariat – nicht für alle “gleich” aussieht. (zum “vergessenen” Gleichheits-Diskurs siehe z.B. “Finanzkapitalismus macht Reiche immer noch reicher…”: https://www.labournet.de/?p=56871 – insbesondere die Seiten 1 und 2)
Jens Berger hat sich die “Lücke” in der Erhebung über die Vermögensverteilung nun noch einmal genauer angesehen – und damit auch eine Bilanz der sich weiter öffnenden Schere zugunsten der Reichen vorgelegt. (Jens Berger, “Wem gehört Deutschland” – Die wahren Machthaber und das Märchen vom Volksvermögen) Diese Fakten sind für ihn auch verbunden mit dem Ende einer Konstellation – dem Ende der – für Deutschland so lange gepriesenen “sozialen Marktwirtschaft”. (http://www.nachdenkseiten.de/?p=21731 – oder noch http://www.nachdenkseiten.de/?p=21754 ) Sein Buch schließt er dann mit den Überlegungen zum UmFAIRteilen: 16 Punkte für einen Weg zu einer gerechten und stabilen Gesellschaft.
Mit dem sozialwissenschaftlichen Blick auf die soziale Spaltung stellt der Sozialforscher Klaus Dörre fest, dass dieses soziale Auseinanderdriften in unserer Gesellschaft eben nicht nur für die direkt Betroffenen allein gilt – und sich dieses soziale Problem daher isolieren ließe – sondern die Verunsicherung bis in die “Mitte”, d.h. die Reihen der Festangestellten gehe. Und gerade diese Abstiegs-Angst den Rechtspopulismus so gefährlich mache. (http://www.boeckler.de/21561_21567.htm )
Aber dennoch wenn man hier wohl die Bilanz zieht, dann hat Deutschland – im Vergleich zu den anderen Ländern vor allem in der Eurozone – dadurch insgesamt nichts verloren, weil die Kosten – zumindest – bei Null sind, wie die Süddeutsche noch feststellen kann. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deutschland-und-der-euro-die-rechnung-bitte-1.1951836 )
Ja, jetzt hat sich auch noch das Wachstum verdoppelt (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/bruttoinlandsprodukt-wachstum-der-deutschen-wirtschaft-verdoppelt-sich-1.1964248 ) . Dies wird ausführlicher noch bei Heiner Flassbeck aufgezeigt. (http://www.flassbeck-economics.de/die-deutsche-und-europaeische-konjunktur-im-fruehjahr-2014-gemischte-zeichen-aber-keine-besserung-in-euroland/ – oder auch http://www.nachdenkseiten.de/?p=21758#h09 )
Stephan Hebel kam daher bei den Kundgebungen zum 1. Mai 2014 zu dem Ergebnis: “Protest der Zufriedenen” – In Deutschland fällt der “Kampftag” eher zu harmlos aus” (http://www.nachdenkseiten.de/?p=21624#h09 )
Mir fehlt jetzt noch eine echte, d.h. breitere Euro (Europa) – Bilanz, die alle – vor allem – Euroländer mit einbezieht – und nicht nur zeigt, dass Deutschland der “Gewinner” der Krise gegenüber den anderen in der Eurozone ist und bleibt (wohl bis es gerade dadurch den Euro noch “zerlegt”?)(Vgl. dazu noch einmal: “Bisher: Kein gemeinsames Europa – Dank Merkel”: https://www.labournet.de/?p=57408)
Vielleicht könnte ja die Eurokrise im Spiegel der Potentialschätzungen ein Weg werden, um zu angemessenen ökonomischen Lösungen zu finden? (http://library.fes.de/pdf-files/wiso/10710.pdf ), die dann in der oft schon geforderten Investitionsoffensive der öffentlichen Hand für eine wirtschaftliche Erholung münden könnte, wie sie jetzt gerade Florian Moritz aus der DGB-Wirtschaftsabteilung wieder gefordert hatte. (http://www.ipg-journal.de/rubriken/europaeische-integration/artikel/eurozone-wirtschaftliche-erholung-braucht-investitionen-400/ )
Aber bleibt da nicht – darauf reduziert – eine Leerstelle, um die Krise auch endgültig zu überwinden? (Diese Frage habe ich mir auf der Seite 4 ff. bei (https://www.labournet.de/?p=53716 gestellt)
Und die EZB bleibt ein – vielleicht immer unwirksamerer – Notanker für Euro-Europa
Die aktuelle Zinssenkung der EZB (http://www.fr-online.de/schuldenkrise/ezb-zinssenkung-zinsen-sollen-nochmals-sinken,1471908,27129604.html ) zeigt jedoch noch einmal die reichlich verzweifelte Lage auf. (http://www.fr-online.de/schuldenkrise/ezb-zinssenkung-aus-verzweiflung,1471908,27128672.html )
Es dürfte nämlich weiter bei der Situation bleiben, dass die Hedgefonds bei den südeuropäischen Staats-Schulden die anhaltenden Risiken dank der EZB – nebst dem dahinter stehenden Euro-Rettungs-Set die Risiken noch ausblenden. (vgl. dazu vor allem die Seite 5 f. bei https://www.labournet.de/?p=57408)
Aber vielleicht wäre so viel an – öffentlich vorgetragener – Reflektion für einen Gewerkschafter, der doch Interessenvertreter ist, einfach zu viel verlangt? So könnte er tatsächlich als “Präsident der leisen Töne” noch am effektivsten doch noch für Europa wirken? (http://www.fr-online.de/wirtschaft/dgb-chef-rainer-hoffmann-praesident-der-leisen-toene,1472780,27105052.html )
Jedenfalls ist der DGB gegen das Regierungsprojekt der GroKo zur Streikrechtseinschränkung
Es war schon eine erfreuliche Meldung, dass die DGB-Konferenz – angeregt durch Verdi – wenigstens jede weitere Einschränkung des Streikrechtes abgelehnt hat. (http://www.nachdenkseiten.de/?p=21727#h05 ) Eine Spaltung der Gewerkschaftsbewegung in dieser doch so existentiellen Frage konnte so doch noch verhindert werden. (vgl. “Ein deutscher Streik – und gibt es ein Recht darauf?”: https://www.labournet.de/?p=56495 – insbesondere auch die Seite 3 f.)
Das Beispiel Eurobonds zeigt u.a. die geringe Mobilisierungsfähigkeit der Gewerkschaften für ein solidarisches Europa – “Gewerkschafterlein”, du hast einen schweren Weg vor dir
Es erscheint daher sehr plausibel, dass die deutschen Gewerkschaften – wie wohl auch die anderen in Europa (= nur mit umgekehrten Vorzeichen) – wenig mobilisierungstauglich – gerade für Europa – sind. (http://www.nachdenkseiten.de/?p=21727#h06 )
Sehr deutlich wurde diese doch sehr unterschiedliche Interessenlage zwischen den europäischen Gewerkschaften aber an jenem 14. November 2014, wo die europäischen Gewerkschaften einfach “vaterländisch gespalten” blieben wie das Arno Klönne auszudrücken pflegte – und die deutschen Gewerkschaften es gar nicht so recht in Angriff nehmen wollten – mangels der Bereitschaft der Mitglieder –, “massenhaft” für Europa oder gar ein gemeinsames europäisches Generalstreikrecht zu demonstrieren. (Ein derartiger Streik für allgemeine soziale Angelegenheiten bleibt ja für Deutschland ausgeschlossen. (http://archiv.labournet.de/diskussion/gewerkschaft/erfahrung/polstreik_bahl2.html – oder auch http://www.nachdenkseiten.de/?p=15052#h06 )
Eingeklemmt zwischen einer so konservativ orientierten Interessenwahrnehmung durch die Mitgliedschaft einerseits und einer medialen Öffentlichkeit, die alles daran setzt, die Gewerkschaften gegenüber ihren Mitgliedern in dieser so eingeschränkten Interessenwahrnehmung gemäß dem neoliberalen “Setting” weiter zu fixieren, fällt einem nur der Spruch ein, den Marin Luther zum Reichstag zu Worms mit auf den Weg bekam: “Mönchlein, Mönchlein, du gehst einen schweren Weg”, den man jetzt auf Rainer Hoffmann aktualisiert umformulieren könnte: “Gewerkschafterlein, Gewerkschafterlein, du hast einen schweren Weg vor dir”.
Oder doch ein Ansatz zur Mobilisierung: Die “Gute Arbeit” ausgebaut als Gegenprojekt zum Finanzkapitalismus
Hier taucht nun die ganz zentrale Frage auf, über welche Ecke die Gewerkschaften doch noch eine “eigenständige” Kraft – eigentlich ein Markenzeichen für Gewerkschaften – mit oder “unter” Rainer Hoffmann werden könnten? Das Zugehen auf die Mitglieder in ihrer finanzkapitalistisch “destruierten” Arbeitssituation könnte einen Ansatz bilden.
Wenn diese ganzen ökonomischen Interpretationen, weil sie doch – anscheinend – den “eigenen” Interessen im Verhältnis zu den anderen so “vortrefflich” dienen, obwohl ihre Wirkung, wie wir schon oben bei Klaus Dörre beobachten mussten, tief ins soziale Selbstverständnis – angstverbreitend – eingreift, (http://www.boeckler.de/21561_21567.htm ), die Leute nicht hinter dem Ofen hervor locken, um sich dagegen zu engagieren, so bleibt vor allem das Thema “Gute Arbeit”, um den Menschen auch ihre eigene Misere im Finanzkapitalismus vor Augen zu führen.
Während Dörre bei den Abstiegsängsten bedingt durch die steigenden prekären Arbeitsverhältnisse ansetzt, sieht Sighart Neckel gerade in der sich ausbreitenden Burnout-Erkrankung eine Ansprachemöglichkeit für die Besserverdienenden, die durch diese neue Kultur der Arbeit bedingt wird. (http://www.gegenblende.de/++co++e1be1c78-b35f-11e3-b678-52540066f352 – oder auch den Hinweis auf sein Buch: http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ku&dig=2013%2F11%2F11%2Fa0103&cHash=75384d4c7eaef8698984a90718211c08 . Zu der Neckel`schen Einordnung dieser empirisch ausgeloteten Feststellungen in das Gesamt-Konzept einer finanzkapitalistischen “Refeudalisierung” – frei nach Habermas – siehe noch einmal die Seite 4 bei https://www.labournet.de/?p=56871)
Begrifflich trifft er sich als Sozialwissenschaftler mit der Refeudalisierungs-These des Ökonomen Thomas Piketty, das dann jedoch nur dem ersten Anschein nach – empirisch – zur Deckung kommen kann. (siehe dazu den nächsten Abschnitt zur “Organisierung eines Diskurses über Alternativen zum “herrschenden” Finanzkapitalismus”)
Deshalb sollte nicht übersehen werden, dass der DGB-Kongress als ein ganz wichtiges Anliegen beschlossen hat, den doch auch für die Beschäftigten in Deutschland so bedeutsamen “DGB-Index Gute Arbeit” auf Dauer fortzusetzen. (http://bundeskongress.dgb.de/die-woche/++co++Sede108c-da8e-11e3-a2cb-52540023ef1a , oder siehe einfach noch das Interview zur “Guten Arbeit” bei http://bundeskongress.dgb.de/die-woche beim 3. Tag “Jetzt beginnt die politische Arbeit” – weiter noch: http://www.dgb-index-gute-arbeit.de/ . Zur Diskussion auf dem DGB-Bundeskongress zu einer guten Bildung für gute Arbeit siehe auch noch http://www.nachdenkseiten.de/?p=21758#h16 )
Auch wenn dieses Interview auf der Bundeskongress-Seite (= dritter Tag) es nicht hergibt, so können wir die Beschränktheit eines solchen Konzeptes – nur auf die Feststellung der Unzufriedenheit über die Arbeit reduziert – auch überwinden, weil wie wir schon mit Neckel u.a. feststellen konnten, dass die konkrete Betroffenheit der “Schwierigkeiten” in der Arbeit sich aus den finanzkapitalistischen Rahmenbedingungen “ableitet”. Kein geringerer als Klaus Pickshaus, zuständig dafür bei der IG Metall, hat diesen Zusammenhang jetzt sogar in einem Buch deutlich werden lassen. (http://www.gegenblende.de/27-2014/++co++7f00060e-d872-11e3-805d-52540066f352 )
Barrieren und Chancen einer Gute-Arbeit-initiative lassen sich nur auf der Grundlage einer kritischen Analyse der Rahmenbedingungen des Finanzkapitalismus erkunden. Eine Mobilisierung als Kernelement der Gute-Arbeit-Initiative kann nur darüber erfolgreich werden. Das zeigt aber auch das politische Feld wieder für die Dachorganisation DGB auf, die eine solche kritische Analyse des Finanzkapitalismus (siehe oben z.B. schon Schulmeister und Schick) als “Ergänzung” zu dieser betrieblichen Mobilisierung – in einem möglichst breiten Diskurs – “liefern” könnte.
Nur an einem Ende könnte diese Konzept zu kurz greifen, wenn es nämlich um die Armut geht – und die Armut einfach krank macht. (http://www.nachdenkseiten.de/?p=21745 )
Und auch die Jugendlichen in Europa ohne Arbeitsplatz und Beschäftigungsperspektive bleiben in diesem – sicher dennoch wichtigen Ansatz – außen vor. (siehe dazu den Kommentar von Michael Braun zu den arbeitslosen Jugendlichen in Europa “Jeder zweite ohne Job und Perspektive” (http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=a1&dig=2014%2F05%2F21%2Fa0033&cHash=ab62926dbb7154760a6b1445e6531d97 ). Sie üben einfach in ihrer Arbeitslosigkeit auch einen enormen Druck auf die Situation der Beschäftigten aus.
Und so muss Michael Braun festhalten: “Vor allem springen alle bisherigen Lösungsansätze zu kurz… In Brüssel, in Berlin mag mancher glauben, die Eurokrise sei nunmehr im Griff, doch der Kontinent driftet weiter gefährlich auseinander. Erst wenn die EU bereit ist, sich dieses Dramas anzunehmen, könnte es auch eine Perspektive für die Millionen junger Arbeitsloser geben” – dieser ansonsten “verlorenen Generation”
Zur Organisierung eines solchen Diskurses über möglich Alternativen zum Finanzkapitalismus, um wieder gute Arbeit zu sichern
Der DGB-Kongress hat noch den Vorteil für sich, dass er in einer Zeit stattfindet, in der auch allgemeiner und breiter wieder über die neoliberalen Erklärungs”versuche” insbesondere zum Krisengeschehen nachgedacht wird. Da gerade an deutschen Universitäten der “Bestand” an Wissenschaftlern mit geschätzten 95 Prozent für diese auch “Neoklassik” genannten Mainstream der Betrachtung des Wirtschaftsgeschehens ist – und damit noch besonders hoch – hat sich eine studentische Initiative auf den Weg gemacht, diese Fehlentwicklung zur alles andere ausblendenden “Alternativlosigkeit” zu korrigieren. (http://www.plurale-oekonomik.de/ ). Und dem zur breiteren Stützung auch noch einen Aufruf hinzugefügt (http://www.plurale-oekonomik.de/projekte/aufruf/ )
Die “Süddeutsche” hat diese Initiative unter der Wahrhaft großen Überschrift “Zeitenwende” vorgestellt, Wobei gerade kürzlich auch noch einmal Stephan Schulmeister angesichts der eigentlich schon länger vorhandenen Kritik an diesen immer wieder so schräg interpretierten wirtschaftlichen Verhältnissen unter der Überschrift “Lernwiderstände der Eliten in einer große Krise” darauf hingewiesen hat, dass es nicht an zutreffenderen ökonomischen Erklärungen mangelt, sondern die Eliten diese einfach nicht “lernen” wollen (“Lernwiderstand”)(http://stephan.schulmeister.wifo.ac.at/fileadmin/homepage_schulmeister/files/Lernwiderstand_Schulmeister_01_01.pdf ). Dort stellt er dann fest, der Misserfolg der neoliberalen Therapien veranlasst die Eliten jedoch nicht, inne zu halten, Bilanz zu ziehen und nach neuen Wegen zu suchen.
Zwei Gründe findet er dann, warum dieser Lernwiderstand doch so “nachhaltig” bleibt: Zum einen liegt es an der cognitiven Dissonanz, welche die Mainstream-Ökonomen ausgesetzt wären, wenn sie die Einsicht zuließen, dass die neoliberale Navigationskarte über mehrere Jahrzehnte den Weg in die gegenwärtige Krise geebnet hat, ist wohl eine der wichtigen Ursache für den Lernwiderstand der ökonomischen Eliten.
Aber – und das ist sicher nicht unwesentlich – wird dieser Lernwiderstand dadurch verstärkt, dass die Annahmen und Schlussfolgerungen die Interessen der Vermögenden legitimieren und letztere auch am “Markt für Wirtschaftstheorien” – durch ihre gewaltige Finanzkraft – einen erheblichen Einfluss entfalten. Sie finanzieren weltweit viel “think tanks” und sind durchaus in der Lage diese “Investitionen” auszuweiten, wenn die Gefahr droht, dass der Neoliberalismus in Misskredit gerät. (Und zur konkreten Entwicklung in der Krise und wie sie sich von der Politik sowohl angetrieben – als auch dann wieder – nur – gedämpft – wurde vgl. auch noch einmal “Wetten auf Europa” – Die deutsche Bundesregierung als Teaparty für Europa” bei https://www.labournet.de/?p=55249 – insbesondre auch die Seite 2 f. “Ein weiterer Faktor, der die Spaltung in Europa vorantreibt: die Zinsen” – und wie das politisch beeinflusst wurde)
Jedoch wieder zurück zu der dem “Netzwerk Plurale Ökonomik”: Einer der Protagonisten erklärt (Süddeutsche vom 5. Mai 2014) “Das Vertrauen in den Markt, der es allein richten soll, ist erschüttert. Zu wünschen wäre jetzt “ein weniger leichtfertiger Umgang mit der Wirklichkeit”. (Im Prinzip kennen wir diese Zweifel doch auch schon aus dem “Untergang des Realsozialismus”. Scheitert nun der danach triumphierende “Finanzkapitalismus”?) Zu dieser Initiative siehe weiter noch (http://www.nachdenkseiten.de/?p=21624#h04 (NZZ) oder http://www.nachdenkseiten.de/?p=21632#h05 )
Ein Star für diese “Plurale Ökonomik” ist dann auch – ganz aktuell – der französische Ökonom Thomas Piketty, der mit seinem dicken Werk “Capital in the Twenty-First Century” einen Bestseller gelandet hatte. (http://www.taz.de/Pikettys-Buch-ueber-Kapitalismus/!138606/ )
Und so fand dieses Werk von Piketty ein recht breites Echo – gerade auch in den USA. (http://www.nachdenkseiten.de/?p=21240#h12 oder weiter http://www.nachdenkseiten.de/?p=21465#h17 (b) = Paul Krugman – aber dort in der Ziff. c) findet auch schon James Galbraith kritische Worte an diesem “Hype” – anders als Krugman und Stiglitz noch). Wie ich finde, hat gerade – zusammenfassend – das “Neue Deutschland” dieses Werk von Piketty auf den Punkt gebracht: “den Kapitalismus vor sich selbst retten” (http://www.nachdenkseiten.de/?p=21637#h13 )
Hier hakt dann auch Didier Eribon in “Le Monde” in Frankreich in der Diskussion zu dem Piketty-Buch ein. (http://www.lemonde.fr/idees/article/2014/05/10/la-gauche-contre-elle-meme_4414550_3232.html ) Und er findet es reichlich komisch, dass diejenigen, die jetzt Thomas Piketty in den Medien so applaudieren, doch diesselben seien, die Pierre Bourdieu anklagten, als er die sich ausbreitenden sozialen Verwüstungen durch den Neoliberalismus benannte.
Und erstaunlich ist weiterhin, dass dies jetzt so als linke Kritik an den linken Regierungen mit den Sozialisten daherkommen kann, weil gerade diese Regierungen sich gänzlich den Möglichkeiten verweigern, Steuern auf den ungeheuren Reichtum zu erheben – gerade auch in Frankreich. Gustav Horn meint dazu nicht nur, dass es doch lange Zeit gang und gäbe war – gemäß dieser neoklassischen Doktrin – dass Ungleichheit doch etwas Gutes sei. (zum bisherigen Gleichheits-Diskurs vgl. “Finanzkapitalismus macht Reiche immer noch reicher” (https://www.labournet.de/?p=56871)
Nur hat diese These inzwischen eben auch ihr Glaubwürdigkeitsproblem (Christoph Butterwegge) Den alten ökonomischen Kämpen Gustav Horn veranlasst das zu der Bemerkung: “Manche Erkenntnisse brauchen eben einfach eine Weile, bis sie sich durchsetzen” (http://www.fr-online.de/wirtschaft/gesellschaft-vermoegen-der-neue-sinn-fuer-gerechtigkeit,1472780,27149862.html )
Solange die Politik sich nicht der Macht des Finanzkapitals entzieht, wird es auch keinen Weg zu einer stärkeren Verteilungsgrechtigkeit geben – eben einfach nur weiter auf dem Weg zu einer “Refeudalisierung” unter zunehmender Krisengefahr.
Nur zu der Frage, warum denn in der Politik keine relevante Kraft in der Lage sei, diese immer einseitiger wachsenden Vermögen, die dazu noch über die ökonomischen Gefahren der Ungleichheit die Krise verschärfe, durch z.B. eine Vermögenssteuer zu korrigieren, meint Gustav Horn eben schlicht und einfach, dieser Reichtum bringt eben auch politische Macht mit sich, denn warum sollte es sonst so schwierig sein, auch in Deutschland eine Vermögenssteuer einzuführen?” Die politische Klasse also selbst bei Krisengefahren unfähig die krisenvermeidenden staatlichen Maßnahmen zu treffen? Und genau das macht dieses Werk von Thomas Piketty dann so “revolutionär” – obwohl es so prokapitalistisch ist und nur das Kapital”verhältnis” bewahren will. Und auch er von der anti-demokratischen Gefahr der Refeudalisierung durch diese ständig weiter wachsende Ungleichheit spricht. (siehe oben zu dem gleichen Begriff schon Sighard Neckel)
So bleibt die Analyse der Wirklichkeit – wie von diesem Netzwerk “Plurale Ökonomie” angestrebt – sicher eine Voraussetzung um dieses ökonomisch gefahrvollen Zustand für die Gesellschaft zu ändern, aber für eine politische Veränderung, um der Krise langfristig zu entgehen, reicht es nicht.
Ja, Didier Eribon, um auf dessen Intervention zu Piketty noch zurückzukommen, geht noch weiter und erklärt, dieser allein auf das Kapital bezogene Ansatz von Piketty in seiner Beschränkung auf die Rettung des Kapitals – und dafür vor allem diese 0,1 Prozent der Super-Reichen oder den erweiterten Kreis von vielleicht 10 Prozent der Vermögenden ins Visier zu nehmen als Problem, kommt unter dem Strich nur den Rechtsradikalen der Front National zu gute – eben “die da oben” sind an allem schuld.
Eine Erweiterung des Diskurses über den Finanzkapitalismus über diese “kapitalgerechte” Verteilungsgerechtigkeit hinaus erscheint daher auch politisch sinnvoll. Dafür könnte dann ein breiteres Konzept auch der Regulierung der Finanzmärkte noch zusätzlich sinnvoll sein, an dem die Politik bisher auch so kläglich scheitert. Rudolf Hickel hat dies nicht nur in seinem Buch (“Zerschlagt die Banken”) ausgeführt, sondern sich auch auf den kritischen Finanz-Guru George Soros hinbewegt – und – zusammen mit Soros – klar Position für den Euro bezogen (der ja gerade von den Rechten wie der AfD heftigst attackiert wird) und gleichzeitig mit ihm – dem Finanzhai – eine kritische Stellung gegen diese unsere Bundesregierung bezogen, die die Finanzmärkte eben nicht angemessen zu regulieren in der Lage ist. Und wer könnte – im Diskurs – da nicht besser die Schwächen der Politik aufdecken als ein solcher mit allen Finanzmarkt-Raffinessen gewaschener Finanzhai? Lernen kann man daraus wohl noch einiges. (http://rhickel.iaw.uni-bremen.de/ccm/homepages/hickel/aktuelles/im-streit-um-die-eurorettung-soros-gegen-merkel/ – dieser Text von Rudolf Hickel zu dem Soros-Buch erschien in unterschiedlichen Versionen in der “Süddeutschen” und den “Blättern”)
Nicht unerwähnt kann in diesem Zusammenhang auch das Werk von Matthias Weik und Marc Friedrich “Der größte Raubzug der Geschichte” bleiben, die die heutige Finanzwelt durchleuchten und dabei auch aufzeigen, “Warum die Fleißigen immer ärmer (siehe auch oben Sighard Neckel mit der Entkoppelung von Leistungsprinzip) und die Reichen immer reicher werden” (http://www.nachdenkseiten.de/?p=19862 )
Genüßlich zitieren sie auch Henry Ford, der meinte: “eigentlich ist es gut, dass die Menschen unser Banken- und Währungssystem nicht verstehen. Würden sie es nämlich, so hätten wir eine Revolution vor morgen früh”. (vgl. dazu auch den Abschnitt “Aber die Banken mit dem größten Raubzug der Geschichte – einfach so von der Politik unterstützt” auf der Seite 2 f. bei https://www.labournet.de/?p=56871)
Diese Auseinandersetzung über die Finanzmärkte und die ihnen fehlende Regulierung muss dann noch ergänzt werden durch die Darstellung des so gewaltig schnell Vermögen verschiebenden Hochfrequenzhandels, der auch eine lohnende Zukunftsaufgabe für die Europäischen Politiker werden muss. In einer Besprechung des Buches von Michael Lewis wird hervorgehoben, dass die Unkenntnis über den Hochfrequenzhandel zu falschen Vorstellungen über das Geschehen auf den Finanzmärkten beruhe – und daher zu einem Systemversagen mit gewaltigen Dimensionen führe. (Thomas Kniebe in der “Süddeutschen” (“Herrscher der Black Box”), auch http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/sachbuch/rezension-flash-boys-von-michael-lewis-12899266-p2.html – wobei die FAZ noch bemängelt, dass Michael Lewis die politischen Konsequenzen ausspart)
Paul Krugman wiederum macht in einem Beitrag deutlich, welche Riesensummen dafür dann investiert werden, um diesen Handel um “drei teure Millisekunden” noch zu beschleunigen. (http://www.nachdenkseiten.de/?p=21465#h06 )
Zur Europawahl 2014 hatte noch einmal ATTAC die bisherigen Defizite zur Bankenregulierung kurz zusammen gefasst. (http://www.attac-netzwerk.de/fileadmin/user_upload/bundesebene/Webredaktion/News/Stellungnahme_Finanzreformen_Wissenschaftlicher_Beirat_Attac.pdf )
Aber da die Politik – auf welcher Bühne auch immer – diesen Regulierungsproblemen nicht einmal besonders gekonnt hinterherhinkt, bleiben wir wohl vorläufig in diesem Finanzmarkt-Schlamassel gefangen – und es wird ein weites Feld auch für die gewerkschaftliche Arbeit und Aufklärung. Es gilt dabei eben sehr viel in den Blick zu nehmen – und die Einschränkung auf allein Wachstum durch Investitionen könnte doch dem gesamten Krisengeschehen auf Dauer nicht ganz ausreichend bleiben.
Aber im Wirbel des nächsten Krisengeschehens (vgl. “Freut euch nicht zu früh”: http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/41712/Freut-euch-nicht-zufrueh ), das möglicherweise schon in Aussicht ist, wird dieses “Außerachtlassen” sich schon wieder rächen können. (Vgl. den Abschnitt “Ein Blick “zurück” auf die Bekämpfung der Krise in Europa: eine unzureichende Bankenunion – wieder zu Lasten des Steuerzahlers – und doch schon im “Angesicht” der nächsten Finanzkrise” auf der Seite 5 f. bei https://www.labournet.de/?p=55740)
Es könnte unzureichend sein, wenn man allein bei der “Guten Arbeit” die Finanzmärkte und ihren Einfluss erfasst. Das muss schon eine Aufgabe des DGB als Dachorganisation im umfassenderen Sinne werden.
Siehe zum Hintergrund das Dossier im LabourNet Germany: Ordentlicher DGB-Bundeskongress 2014: Arbeit. Gerechtigkeit. Solidarität