Zum ersten Mal in der BRD: Treffen des Europäischen Netzwerkes der alternativen und Basisgewerkschaften
Bericht von Helmut Weiss (LabourNet Germany) vom 03. April 2014
Vom 14. Bis 16. März 2014 trafen sich im Berliner Mehringhof etwa 60 alternative und BasisgewerkschafterInnen aus mehreren europäischen Ländern (mit Gästen aus Brasilien und Kolumbien).
Auch wenn es weitgehend Organisationen und Gruppierungen waren, die auch dem im letzten Jahr in Paris gegründeten globalen Netzwerk angehörten, so ist es dennoch nicht so, dass dies sozusagen ein Treffen einer – nicht existenten – Sektion Europa des globalen Netzwerkes war: Unter anderem, weil dieses europäische Netzwerk bereits viel länger existiert und dementsprechend auch mehr an praktischer Gemeinsamkeit aufweist.
Letzteres zeigte sich vor allem an den Arbeitsgruppen wie jener des Bahnbereichs an der auch Berliner S-Bahner teilnahmen, deren TeilnehmerInnen auf eine gemeinsame Aktivität gegen Privatisierung und für einen öffentlichen Verkehr unter Kontrolle von Beschäftigten und NutzerInnen aufbauen können und so auch zu weitaus konkreteren Diskussionen und praktischen Überlegungen kamen als andere. Aber auch an theoretisch anspruchsvolleren Debatten wie die über Betriebsbesetzungen und Grenzen der Selbstverwaltung im Kapitalismus, wozu auch ein Text verabschiedet wurde, der deutlich über jene Ansammlung von Grundsatzstatements hinausging, die in Paris von vielen als eine Schwäche bewertet worden waren. (Die Diskussionsgrundlage dazu war ein Text, den SUD Solidaires erarbeitet hatte („Nationalisierung (Verstaatlichung), Privatisierung, Vergesellschaftung, Selbstverwaltung – Das Recht auf Eigentum steht in Frage“ , der auch in deutscher Übersetzung vorlag, weswegen wir ihn dokumentieren).
Theoretisch hätte konkrete Arbeit auch in der Gesundheitsgruppe geleistet werden können, zu der die polnische Krankenschwestergewerkschaft mit dem “Europäischen Manifest gegen die Kommerzialisierung des Gesundheitswesens”, das vor rund anderthalb Jahren von zahlreichen Fachorganisationen verabschiedet worden war anreisten – allein fehlten insbesondere TeilnehmerInnen aus der BRD aus diesem Bereich, weswegen es weitgehend bei einer Vorstellung des Manifests blieb. Hier bliebe schon zu überlegen, inwieweit es Sinn machen kann, als ersten Schritt etwas breiter einzuladen, auch wenn die kommenden Tagungen sicherlich anderswo stattfinden werden – die nächste ist für Oktober 2014 in Paris geplant.
Ohnehin ist es ein praktisches Problem, das für die GewerkschafterInnen aus Spanien (CGT und CNT), aus Frankreich (SUD und CNT) und aus Italien (vor allem verschiedene Einzelgewerkschaften der Cobas Strömungen) gilt, dass sie zwar minoritär, nicht aber marginal sind, was auf die Verhältnisse in der BRD ja nun wohl eher nicht zutrifft… in der Hoffnung, dass jetzt niemand beleidigt ist.
Ein praktisches Problem, das sich auch in der Organisierung des Wochenendes zeigte. Der von der Berliner Vorbereitungsgruppe gemachte Vorschlag, eine speziell moderierte Zukunftswerkstatt zu machen, scheiterte an dem Unwillen zahlreicher TeilnehmerInnen: Was eben nicht nur darauf zurückzuführen ist, dass die SüdeuropäerInnen weniger demokratischen Geist hätten, sondern auch darauf, dass viele dieser KollegInnen eben als VertreterInnen von größeren Organisationen für solche Vorgehensweisen wenig Spielraum sahen.
Aber der Schwerpunkt der Plenararbeit lag eindeutig auf der Verabschiedung von Resolutionen, die einerseits der Unterstützung der von teilnehmenden Gruppierungen (mit)geplanten bzw in Vorbereitung befindlichen Aktionen galten, andrerseits gemeinsam entwickelte Initiativen betrafen. Letzteres vor allem die gemeinsame Positionierung gegen die Kriminalisierung (und politische Einschränkung) gewerkschaftlicher Aktivitäten quer durch Europa. Wer die gegenwärtigen Prozesse gegen GewerkschafterInnen in Frankreich und Spanien sieht, die Offensive gegen gewerkschaftliche Aktivität wie das Streikrecht in Italien und Griechenland (um nur die deutlichsten Beispiele zu nennen zu denen auch der BRD-Vorstoß “Tarifeinheit” gehört), weiß, dass diese gemeinsame Festlegung ein wichtiger Schritt ist, dem hoffentlich viele praktische Aktivitäten folgen. Ansonsten standen die Unterstützung der Würdemärsche in Spanien am 22. März (die deutsche Übersetzung des Aufrufs – und viele Berichte dazu – haben wir bereits an anderer Stelle in LabourNet Germany veröffentlicht), des für den 11. April geplanten Schulstreiks in Italien (ein Abriß der Unione Sindacale Italiana über die Vorgeschichte des geplanten Aprilstreiks lag ebenfalls auf deutsch vor) und der vorgestellten Aktivitäten der brasilianischen Conlutas (Proteste gegen die WM samt dazu entwickelter Sondergesetzgebung) und der kolumbianischen Sinaltrainal (landesweiter Protestmarsch im April, bei dem es auch einige TeilnehmerInnen aus der BRD geben wird) im Mittelpunkt.
Einige fanden das der Resolutionen zuviel, im Verhältnis zu praktischen Aktivitäten: Schwer zu entscheiden, da dies durchaus sein mag, andrerseits aber kaum zu umgehen ist und eben, wie bereits gesagt, weniger als beim globalen Netzwerk.
Die für die Tagung wesentlichen inhaltlichen Impulse kamen vor allen Dingen von SUD Solidaires und der CGT, die auch einzelne Papiere vorbereitet hatten – ohnehin war die Vorbereitung wesentlich exakter als etwa in Paris, wobei, nochmals unterstrichen, dieser Vergleich insofern hinkt, als das damals eben das erste Treffen des globalen Netzwerkes war und viele es nötig fanden, ihre Position zu der Entwicklung im je eigenen Land vorzustellen – in Berlin passierte dies in der Tat im Rahmen schriftlicher Vorbereitung. Was trotz längerer Debatten zu einigen Punkten immerhin jenen, damals oft anzutreffenden, Eindruck der “totalen Erschlagenheit” verhinderte.
Ich weiss nicht genau, welchen Eindruck teilnehmende jüngere Menschen, die vielleicht erstmals auf einem solchen Treffen waren, im Nachhinein hatten. Wenn jemand da bereits einige Erfahrungen gesammelt hat, denke ich schon, dass man sagen kann, es war eines der besseren Treffen.
Helmut Weiss (LabourNet Germany)
03. April 2014
Siehe zum Hintergrund: Treffen europäischer Basisgewerkschafter_innen in Berlin im März 2014