Streit um EZB-Anleihenkäufe: Karlsruhe zweifelt an Euro-Politik

Zum „Count-Down“ des deutschen Rechts-Standpunktes gegen Europa – als Amtsanmaßung BVerfG und EuGH – Verfassungen im „Konflikt“? Und abweichende Meinungen eröffnen – jenseits der Mehrheit – eine Perspektive für ein politisch-gewolltes gemeinsames Europa. Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 10.2.2014

Es scheint jetzt doch so, dass in diesem Europa-Wahlkampf, wozu das BVerfG eine solch „explosive“ Vorlage gemacht hat, vor allem die Juristen über die weitere Perspektive für Europa in einer gemeinsamen Währungsunion („Euro“) ein „Wörtchen“ mitzureden haben! Vielleicht typisch deutsch? Wogegen sich auch die abweichenden Meinungen bei dieser Entscheidung des BVerfG richten.

So schreibt die Richterin Lübbe-Wolff in ihrer „dissenting opinion“ zu dieser Entscheidung: „In dem Bemühen, die Herrschaft des Rechts zu sichern, kann ein Gericht die Grenzen richterlicher Kompetenz überschreiten. Das ist meiner Meinung nach hier geschehen. Die Anträge hätten als unzulässig abgewiesen werden müssen. Die Frage, wie Bundestag und Bundesregierung auf eine Verletzung von Souveränitätsrechten der Bundesrepublik Deutschland, sei es kriegerischer oder nicht kriegerischer Art, zu reagieren haben, ist nicht sinnvoll im Sinne der Auferlegung bestimmter positiver Handlungspflichten verregelbar. Die Auswahl zwischen den vielfältigen Möglichkeiten der Reaktion, die von bloßen Missfallenskundgebungen bis hin zum Austritt aus der Währungsgemeinschaft reichen, kann nur Sache des poltischen Ermessens sein. Es verwundert daher nicht, dass sich diesbezügliche Regeln weder dem Verfassungstext noch der Rechtsprechungstradition entnehmen lassen.“ (Vgl. dazu die Seite 4 bei (https://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg14-009.html externer Link)

Von einem etwas anderen Szenario war ich noch ausgegangen – und hatte „gehofft“, dass nach einem – ziemlich voraussehbaren – ablehnenden Spruch aus Karlsruhe die Politik – im Europawahlkampf – sich klar für eine europäische Perspektive mit den zur Lösung der Eurokrise angemessenen politisch-institutionellen Vorschlägen positionieren müsste. (siehe die beiden Links in der Mitte (= in dem Abschnitt „Und eine Dominanz des Nationalen…. „)

Nun hat jedoch das Bundesverfassungsgericht sich doch nicht so klar europa-verfassungsrechtlich „überhoben“ – und den Fall,zumindest um das OMT-Programm, dem EuGH vorgelegt (siehe dazu „Streit um EZB-Anleihekäufe: Karlsruhe zweifelt an der Euro-Politik“ – aber legt den „Fall“ – erstmals – dem EuGH vor http://www.fr-online.de/wirtschaft/streit-um-ezb-anleihenkaeufe-karlsruhe-zweifelt-an-euro-politik,1472780,26121376.html externer Link). Die Süddeutsche sieht darin die Anerkennung – wenigstens für das OMT-Programm – der möglichen „höheren“ rechtlichen Kompetenz des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) – zumindest als Frage: „Soweit der Arm des Richters reicht“ (http://www.sueddeutsche.de/politik/bundesverfassungsgericht-und-ezb-so-weit-der-arm-des-richters-reicht-1.1882769 externer Link)

Nun hat das Bundesverfassungsgericht zwar einerseits diese Aufkäufe von Staatsanleihen, um die Spekulation auf deren „Untergang“ zu beenden, dem EuGH vorgelegt – aber dennoch andererseits kundgetan, dass es – aus rechtlichen Gründen und dabei doch ein spezifisches Verständnis von Ökonomie mit bloßer Einzelbetrachtung ohne Kontext für sich in Anspruch zu nehmen, das unter dem Strich deutlich interessenlastig (= zugunsten der Finanzmärkte) wirkt – gegen dieses Programm zum Aufkauf von Staatsanleihen ist.

Karlsruhe fordert die EU heraus

M.E. treffender formuliert daher die TAZ: „Karlsruhe fordert die EU heraus“ – denn die Verfassungsrichter – aus Deutschland – halten den unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen (um der Spekulation gegen die „Staatsschulden“ in den Krisenländern ein Ende zu bereiten) durch die Europäische Zentralbank für rechtswidrig. (http://www.taz.de/!132554/ externer Link, vgl. dazu auch noch einmal die verschiedenen Stellungnahmen zur EZB und ihrer Geldpolitik bei Rudolf Hickel bei http://www.iaw.uni-bremen.de/rhickel/ externer Link – sowie speziell jüngst noch besonders zu dem „peinlichen Euro-Rettungsjubel“: „Dabei werden jedoch das zentrale Krisenproblem der Staatsschulden und damit die Belastung durch Zinsausgaben nicht berücksichtigt“ bei http://rhickel.iaw.uni-bremen.de/ccm/homepages/hickel/aktuelles/gefaehrliche-eurorettungs-illusionen/ externer Link oder weiter noch „Der Kampf um die „Linientreue“ der EZB“ auf der Seite 3 bei https://www.labournet.de/?p=52278).

Und eine Dominanz des Nationalen durch Feststellung eines „Ultra-Vires-Aktes“ – geht das in einer Währungsunion? Eine Re-Nationalisierung als nationales Rechtsgebot?

Man konnte also davon ausgehen, dass das Bundesverfassungsgericht zu einer derartigen Entscheidung über die – angeblich nach deutschem Recht – rechtswidrige Entscheidung der EZB gelangen würde – und so hatte auch ich dies angenommen.(siehe „Könnte das Bundesverfassungs-gericht eine bisherige Blockierung für die Entwicklung der Eurozone durch angemessene europäische Institutionen aufbrechen?“ (https://www.labournet.de/?p=38216 oder auch noch http://www.nachdenkseiten.de/?p=17613#h08 externer Link)

Und im Klartext urteilt das BVerfG jetzt mit der Annahme eines „Ultra-Vires-Aktes“: „Nach Auffassung des Senats sprechen gewichtige Gründe dafür, dass er (der OMT-Beschluss der EZB) über das Mandat der Europäischen Zentralbank für die Währungspolitik hinausgeht und damit in die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten übergreift sowie gegen das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung verstößt. Der Senat neigt daher zur Annahme eines Ultra-Vires-Aktes“.

Dagegen haben zwei Richter – gegen die sechs anderen – ihre Einwände erhoben. Neben der schon oben aufgeführten Richterin Lübbe-Wolff (= S. 4) hat auch der Richter Gerhard – in seiner „abweichenden Meinung“ nicht nur die Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerden und des Organstreitverfahrens hervorgehoben, sondern auch noch in der Sache ausgeführt: „Bundesregierung und Bundestag muss bezüglich der Frage, ob ein qualifizierter Ultra-Vires-Akt vorliegt, ein vom Bürger hinzunehmender Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum zukommen. Der – vorliegende – Beschluss geht davon aus, dass eine Kompetenzüberschreitung auch dann offensichtlich sein kann, wenn dem ein längerer Klärungsprozess vorausgeht. Wie schwierig das Kriterium der Offensichtlichkeit zu handhaben ist, zeigt der Fall überdeutlich.

Währungs- und Wirtschaftspolitik sind aufeinander bezogen und können nicht strikt getrennt werden. In der Gesamtschau erscheint mir das Vorbringen, es gehe in erster Linie um die Wiederherstellung des monetären Transmissionsmechanismus, nicht mit der zu fordernden Eindeutigkeit widerlegbar.“ (vgl. die Seite 6 des Beschlusses = siehe Bundesverfassungsgerichts-Link oben)(vgl. des weiteren dazu: „Gleichzeitig bringt die fortdauernde Herrschaft der Finanzmärkte über die Staatsschulden eine permanente Verschärfung der Staatsschuldenquote“ auf der Seite 2 bei https://www.labournet.de/?p=49102 – sowie noch „Deutsche Ökonomen bei der Rolle der EZB so jenseits jeglicher Realität – in Deutschland nur perverse Angst“ auf der Seite 6 bei https://www.labournet.de/?p=50518).

Die Kontroverse im Gericht – und ein Schlagabtausch in der Öffentlichkeit

M.E. macht sich Christian Bommarius in völliger Verkennung der ökonomisch so positiven Wirkung des OMT-Programmes (vgl. dazu vor allem den zweiten Teil bei www.nachdenkseiten.de/?p=20637#h09 externer Link) daran, die Entscheidung des BVerfG gegen das OMT-Programm für angemessen zu halten. Aber schauen wir uns doch einmal die ökonomische Bedeutung dieses Programmes für Europa im allgemeinen und den Euro im besonderen an: „Ohne OMT hätten die Spekulanten, die auf die Pleite ganzer Staaten wetteten, – nicht zuletzt hatte Kanzlerin Merkel sie darauf hingewiesen – gewonnen und damit den Zerfall der Eurozone erreicht.

Allein die Ankündigung Draghis im Juli 2012 – und leider erst dann – beendete das Chaos an den Finanzmärkten. – Wohlgemerkt nur die Ankündigung! (vgl. z.B. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/maerkte-bejubeln-ezb-chef-draghi-will-euro-um-jeden-preis-retten-1.1423115 externer Link) – Denn das Programm ist bis heute nicht zum Einsatz gekommen. Die Richter in Karlsruhe wie auch die Bundesbanker, Politiker und Mainstream-Ökonomen geißeln also etwas, das bisher nur in der Theorie existiert.“

Bommarius scheint diese Zusammenhänge ignorieren zu können und stellt sich bedenkenlos hinter die „Höherrangigkeit“ des Bundesverfassungsgerichtes in dieser Entscheidung – so als ob es sich um Grundrechte in Deutschland handeln würde. (verbürgen den Deutschen ihre „Verfassungsidentität“…) (http://www.fr-online.de/meinung/streit-um-ezb-anleihekaeufe-karlsruher-kunststueck,1472602,26124460.html externer Link)

Die Kanzlerin wird es freuen: Nun soll Europa auch noch am deutschen Rechtsstandpunkt genesen!

Er sucht zwar dann noch – irgendwie langfristig – einen „Ausweg“ über den deutschen Bürger (Volksentscheid auf Bundesebene über eine europataugliche deutsche Verfassung) – aber zunächst hat das BVerfG recht – und das OMT-Programm der EZB bleibt rechtswidrig in Europa – durch die Deutschen.

Entschiedenen Widerspruch erfährt diese Haltung in der „Süddeutschen“ vom 10. Februar 2014 durch einen Kommentar von Wolfgang Janisch (Seite 4 = bisher leider nicht im Netz), der schlicht und einfach meint, das sei „Amtsanmaßung“ durch das Bundesverfassungsgericht.

Der Einspruch aus Karlsruhe ist als das allerletzte Wort – sozusagen als Letzt-kontrolle – gegen europäische Übergriffe diesem Gericht vorbehalten – und somit eigentlich als Feuerwehrfunktion gedacht.

Mit dieser EZB-Entscheidung indes verlässt das Gericht das Feuerwehrhaus – und will sich selbst machtvoll im europäischen Gerichtsverbund positionieren. Jedoch: Das Bundesverfassungsgericht ist ein Gericht: Es ist kein Super-Tribunal, das – wo immer nötig – die Welt retten kann.

Karlsruhe rügt, dass die EZB ihre Befugnisse überschreitet – und überdehnt dabei sein eigenes Mandat. Das ist Amtsanmaßung!

Und Wolfgang Janisch fährt fort, indem er noch einmal die Richterin Gertrud Lübbe-Wolff zitiert: Niemand hat den inneren Widerspruch der Entscheidung treffender formuliert als Gertrud Lübbe-Wolff, die zusammen mit Michael Gerhard gegen die sechs Senatskollegen gestimmt hat: „In dem Bemühen, die Herrschaft des Rechts zu sichern, kann ein Gericht die Grenzen richterlicher Kompetenzen überschreiten. Das ist meiner Meinung nach hier geschehen.“

Und wie konnte das Bundesverfassungsgericht – ohne Grundrechtsverletzung – zu dieser Amtsanmaßung gelangen?

Die Richter greifen hier wieder auf das Wahlrecht zurück, das sie längst zu einem Super-Grundrecht gegen europäische Unbotmäßigkeiten aufgepumpt haben. In diesem EZB-Beschluss haben sie es nun so prall aufgeblasen, dass es eigentlich platzen müsste: Das Wahlrecht deutscher Bürger sei verletzt, wenn sich die EZB nicht an die Regeln halte. – Und ironisch setzt Wolfgang Janisch dann noch hinzu: „Um darauf zu kommen, muss man wirklich sehr lange Jura studiert haben.“

Wird es also doch noch eine Perspektive für ein gemeinsames Europa jenseits dieses „nationalistischen“ Gerichts geben können? Und in der letzten Konsequenz – vielleicht durchaus gewollt -müsste das ansonsten den Austritt aus der Eurozone bedeuten.

Nun ist aber doch erst einmal der EuGH am Zuge – und wie die „Auguren“ vorhersehen, wird dieser dem OMT-Programm der EZB seinen Segen geben – und das Bundesverfassungsgericht hat dennoch noch einmal kundtun können, dass es – das Eurokrisen-Unverständnis vor sich hertragend – aus deutsch-verfassungsrechtlichen Gründen dagegen ist – und diesen Rechtsstandpunkt auch gegenüber dem EuGH behalten kann. Euro-Gegner wie die AfD werden dies im Europa-Wahlkampf zu nützen wissen.

Einordnung der Sparpolitik der EU als rechtswidrig – und die vergessene Frage der Souveränität auf der Grundlage des Europa-Parlamentes

Da wird es recht vorteilhaft, dass im Zuge dieser weiteren – juristischen – Auseinandersetzung, ein Rechtsprofessor aus Bremen, Andreas Fischer Lescano, die Rechtsmeinung etabliert, dass die EU-Sparpolitik, z.B. gegenüber Griechenland nicht nur die Lage dort verschlimmert, sondern auch noch rechtwidrig zustandegekommen ist. (vgl. den Abschnitt auf der Seite sechs (= ganz am Ende) „… aber dazu noch eine juristische Intervention“ bei https://www.labournet.de/?p=51131)

Diese Frage wird jedoch vor allem bei der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes am 18. März 2014 virulent, wenn das BVerfG sein Urteil zur Einrichtung eines Stabiltätsmechanismus (ESM) sowie zum Fiskalpakt verkünden wird. (Siehe dazu auch noch „Achtung, Deflation! Über die Leitzinssenkung der EZB – Das Problem ist der Spardiktat-Kürzungskurs!“: https://www.labournet.de/?p=47972)

Diese Reduzierung auf die allein nationale Souveränität in einem doch gemeinsam gewollten Währungsraum lässt außerdem vollkommen außer Acht, welche Rolle dem Europa-Parlament zukommt – bzw. zukommen müsste. (vgl dazu „Welche Rolle kann sich das Europa-Parlament in dieser Krise noch erkämpfen?“ auf der Seite 1 bei https://www.labournet.de/?p=52278)

Jedoch auch hier legt der EU-Ministerrat -die europäischen Regierungen – schon das Beil an die Wurzeln dieses Parlamentes, indem er die Mitbestimmung des Parlamentes – z.B. bei der Bankenunion – einfach auszuhebeln gedenkt – durch Einzelverträge! (www.nachdenkseiten.de/?p=20637#h05 externer Link)

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=52748
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