Gewerkschafter gegen »Tarifeinheit«. Linke Aktivisten wollen Anti-Streik-Gesetz der Bundesregierung verhindern
Artikel von Daniel Behruzi aus der jungen Welt vom 28.01.2014
Der Konflikt um das Streikrecht rückt erneut in den Vordergrund. Nachdem Union und SPD in ihrer Koalitionsvereinbarung erklärt haben, die sogenannte Tarifeinheit gesetzlich festschreiben zu wollen, formiert sich Widerstand gegen das Vorhaben. Am Sonntag trafen sich rund 35 Vertreter aus verschiedenen Einzelgewerkschaften, anarchosyndikalistischen Organisationen, politischen Gruppen und der Partei Die Linke in Kassel, um entsprechende Aktivitäten vorzubereiten.
Die aus dem ganzen Bundesgebiet angereisten Teilnehmer waren sich darin einig, daß ein Gesetz zur Fixierung der »Tarifeinheit« verhindert werden muß. Denn dieses würde Beschäftigtenorganisationen, die eine Minderheit der jeweiligen Belegschaft organisieren, Arbeitskämpfe mindestens vorübergehend untersagen. Betroffen davon wären vor allem sogenannte Spartengewerkschaften wie der Marburger Bund und die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL). Für diese gälte die Friedenspflicht, auch wenn sie überhaupt keinen Tarifvertrag unterschrieben haben.
»Im Interesse aller Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter – auch im DGB – gilt es, diese Einschränkung des Grundrechts auf Streik zurückzuweisen«, betonte Christa Hourani, die als Vertreterin der »Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken« (IVG) an dem Kasseler Treffen teilnahm. »Wir gehen aber noch weiter und fordern das uneingeschränkte Streikrecht und die volle gewerkschaftliche Aktionsfreiheit«, sagte sie am Sonntag gegenüber junge Welt. Gemeint ist damit unter anderem das Recht auf politischen Streik, das die Gerichte den Beschäftigten hierzulande – anders als in anderen europäischen Ländern – verwehren.
Um solche Fragen zu diskutieren und Aktionen vorzubereiten, wollen die Gruppierungen im Juni zu einem größeren Kongreß einladen, voraussichtlich in Frankfurt am Main. Mit Flugblättern und Plakaten wollen sie am 1. Mai, bei den »Blockupy«-Aktionstagen und zu anderen Gelegenheiten über die Konsequenzen eines Anti-Streik-Gesetzes informieren. Zugleich ist geplant, das Bündnis zu verbreitern und die unmittelbar betroffenen Spartengewerkschaften einzubeziehen, die in Kassel zwar eingeladen, aber noch nicht präsent waren. Das nächste Treffen soll am 16. März stattfinden, ebenfalls in der nordhessischen Stadt.
Die IVG selbst will den Konflikt um die »Tarifeinheit« in den kommenden Monaten auch innergewerkschaftlich verstärkt zum Thema machen. Denn die Haltung der DGB-Spitzen zur Gesetzesinitiative ist keinesfalls ablehnend – eher im Gegenteil. Der scheidende Chef des Gewerkschaftsbundes, Michael Sommer, hatte kürzlich in der Süddeutschen Zeitung erklärt, er trage das Vorhaben der großen Koalition mit, da »die Spaltung der Belegschaft nur den Arbeitgebern und sonst niemandem« nutze. Das »Netzwerk für eine kämpferische und demokratische ver.di« hält dem in einer Stellungnahme entgegen, der Kampf um die Einheit der Beschäftigte müsse politisch geführt werden. »Es kann nicht sein, daß die Gewerkschaften sich zum Steigbügelhalter von Angriffen auf die Koalitionsfreiheit und das Streikrecht machen lassen.«
- Siehe dazu auch unser Dossier: Initiative „Hände weg vom Streikrecht“ und das Dossier: Gemeinsame Interessen: Koalition will »Tarifeinheit«