Unpolitische Politische Wissenschaften? Der Konflikt um eine Studentin mit Funktionen in der NPD wirft Fragen zum Selbstverständnis der Politischen Wissenschaften auf.
„Kann die Politische Wissenschaft unpolitisch sein? Vor dieser Frage des fachlichen Selbstverständnisses sieht sich gegenwärtig das Institut für Politische Wissenschaft der Leibniz-Universität Hannover gestellt. Der Anlaß ist unmittelbar praktisch-politischer Natur: Seit dem Wintersemester studiert eine Frau am Institut, die nicht nur Funktionärin der NPD ist, sondern darüber hinaus sich positiv auf die Gruppierung „Besseres Hannover“ bezogen hat, die wegen ihrer offen rassistischen Propaganda von den Behörden verboten und aufgelöst worden ist…“ Artikel von Gregor Kritidis mit Unterstützung eines großen Autor_innenkollektiv in sopos 11/2013
- Aus dem Text: „… Das IPW spricht hingegen davon, dass die Universität „kein Ort weltanschaulicher Konfliktaustragung“ sei. Politik ist in ihrem Wesenskern das Aufeinanderstoßen von unterschiedlichen Auffassungen im öffentlichen Raum, und die Wissenschaft von der Politik kann und darf sich diesen Konflikten nicht entziehen. Wenn aber das IPW sich nicht mit weltanschaulichen Konflikten befassen will – hat sie dann überhaupt noch einen Gegenstand? Damit ist ein Kernproblem der vorherrschenden Tendenzen in der Politik und in den gegenwärtigen Politikwissenschaften nicht nur in Deutschland charakterisiert. Die zunehmende Anlehnung an Begrifflichkeiten und Modelle der neoklassischen Ökononomietheorie haben dazu geführt, dass die Politik im eigentlichen Sinne der Tendenz nach zum Verschwinden gebracht wird, es eigentlich gar nicht mehr um widerstreitende Auffassungen und Interessen geht, sondern um die Anpassung an die von der Ökonomie gesetzten Zwänge. Das ist aber die Aufgabe von Verwaltung, von „effektiven“ Management-Techniken, nicht eine Frage der Politik. Politik hat nach dieser ökonomistischen Vorstellung die Zustimmung zu diesen Prozessen zu organisieren. Die Organisationsreformen an den Hochschulen stehen mit diesem Paradigmenwechsel in engem Zusammenhang. (…) Die These, dass die Universität ein geschützter Raum sei, in der die vernunftgeleitete Argumentation möglich wäre, verwechselt den politischen Anspruch mit der empirischen Wirklichkeit. Keineswegs stehen die Politischen Wissenschaften außerhalb der Gesellschaft davon zu abstrahieren, wäre schlicht unwissenschaftlich. Eine Wissenschaft, die das Bewußtsein für ihre sozialen und politischen Voraussetzungen sowie die Folgen ihres Handelns verliert, gibt jedoch ihre eigenen fachlichen Grundlagen preis…“