Zu spät für die Gewerkschaften? Oder kann man verlorene Chancen doch retten?
Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 26.11.2013
Politikwechsel lohnt sich. Doch einmal ein „fruchtbares“ Wechselspiel zwischen DGB und IG Metall?
Ich finde, mit dieser DGB-Presse-Erklärung kann man die Absichten und Vorstellungen des neuen IG Metall-Vorsitzenden Dieter Wetzel (vgl. „Mindestlohn kann jeder Depp fordern – lasst uns uns anstrengen, dass wir aus eigener Kraft die Arbeitgeber zu vernünftigen Löhnen zwingen“: http://www.taz.de/Neuer-Chef-der-IG-Metall/!128131/ – oder auch „Detlef Wetzel ist dafür bekannt, sich in besonderem Maße für Leiharbeiter und Beschäftigte mit Werkverträgen einzusetzen – Die Stimme des Prekariats“: http://www.fr-online.de/wirtschaft/detlef-wetzel-die-stimme-des-neuen-prekariats-,1472780,25133590.html ) recht gut makroökonomisch „kommentieren“: Diese Presseerklärung des DGB würde gerade jetzt auch noch ergänzend zu dem passen, was der neue IG Metall-Vorsitzende Dieter Wetzel nicht sieht – oder in „organisationspatriotscher“ Beschränktheit (allein die Betriebe) nicht sehen kann. Denn sein auch geäußertes Ziel einen „Gegenentwurf zur unmenschlichen Glaubenslehre des Neoliberalismus“ kann er allein auf „diesem“ IG-Metall-Weg wohl nicht erreichen.
Das ist zwar alles richtig und unterstützenswert, was da von Seiten des DGB in dieser Presse-Erklärung vorgeschlagen wird, nur hatte der DGB gerade nicht den Mut, diese politische „Schlagseite“ im Wahlkampf zum Thema zu machen – sondern er zeigte sich so „bescheiden“ gerade die Einschnitte durch die Hartz-Reformen nicht anzusprechen. (vgl. „So siegt das „Ungefähre“, um das alte Übel zu belassen – der Mut zum Konkreten fehlt“ – ab der Seite 2 unten „Die Arbeitsmarkt-Scheinwelt… – jetzt auch der Gewerkschaften“ bei (https://www.labournet.de/?p=43343)
Aber jetzt zu dieser – inzwischen! – so zutreffenden DGB-Presse-Erklärung selbst: DGB: Politikwechsel lohnt sich
Deutschland steht wegen seiner hohen Außenhandelsüberschüsse weltweit in der Kritik. Nun reagieren Bundesregierung und die deutsche ökonomische Zunft mit Empörung. Die deutschen Überschüsse gäben lediglich unsere Wettbewerbsfähigkeit wieder, die gerade auf eine vernünftige Lohnentwicklung und die Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010 zurückzuführen sind (siehe dazu mit einem etwas anderen Blick Christoph Butterwegge, „Expandierender Suppenküchenstaat“ : und so ist heute die Prekarisierung der Lohnarbeit das Haupteinfallstor für Armut. (http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ku&dig=2013/11/25/a0097&cHash=c4d2383a8b42bdf713450e7945576503 )
Bescheidenheit soll sich von nun auch das europäische Ausland zu eigen machen, also nur so viel konsumieren, wie es sich leisten kann. Das heißt nicht mehr importieren als exportieren – und am besten sogar gegenüber dem nichteuropäischen Ausland Überschüsse erzielen.
Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) hat in einer Studie untersucht, was eigentlich passiert wäre, wenn die ausländischen Handelspartner von 1999 bis 2011 – der Zeit des Euro – nur so viel aus Deutschland importiert hätten, wie es ihnen gelang, Güter und Dienstleistungen hierzulande in Deutschland abzusetzen, sich also nicht gegenüber der deutschen Volkswirtschaft zu verschulden. Das Ergebnis erschreckt: Zwar wären die deutschen Exporte weiter angestiegen, letztlich hätten sie aber 20 Prozent unter dem tatsächlich erreichten gelegen.
Damit hätte das Wirtschaftswachstum bei uns stagniert – und die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland wäre um fünf Millionen in die Höhe geschnellt!
Dass es nicht so gekommen ist, lag vor allem daran, dass insbesondere unsere europäische Nachbarn nicht dem deutschen Vorbild gefolgt sind, die Staatsausgaben nicht zurückgefahren haben – und das Lohn-Niveau mit Arbeitsmarktreformen – wie bei uns – nach unten gefahren haben.
Davon hat Deutschland profitiert!
Diese IMK-Studie untersucht aber auch die Frage (vgl. dazu den IMK-Report 87 „Wie eine einseitige deutsche Wirtschaftspolitik Chancen vergeben hat und Europa schadet“ (http://www.boeckler.de/pdf/p_imk_report_87_2013.pdf ), wie die Verhältnisse in Deutschland hätten sein können, wenn Deutschland die Arbeitsmarktreformen nicht gemacht und mehr öffentlich Investitionen getätigt hätte. Etwa indem die Politik darauf geachtet hätte, das Tarifsystem zu stabilisieren, den Wildwuchs in nicht tariflich gebundenen Bereichen einzudämmen und einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen.
Unter diesen – durchaus politisch möglichen – Annahmen wäre ein Szenario durchaus realistisch, in dem die Löhne und Gehälter jährlich um drei Prozent hätten steigen und der Staat seine Ausgaben knapp unter dem Wirtschaftswachstum hätte erhöhen können.
Im Ergebnis stünden heute rund 1,5 Millionen Menschen mehr in Lohn und Brot, das öffentliche Defizit hätte sich nicht erhöht – und durch dieses im Ergebnis sechs Prozent höhere Sozialprodukt wäre die Staatsschuldenquote um mehr als 10 Prozent niedriger als heute.
Zudem hätte sich das öffentliche Vermögen vermehrt und sich nicht – wie tatsächlich geschehen – durch unzureichende Investitionen drastisch verringert (siehe Grafik in der Anlage)
- DGB:http://www.dgb.de/themen/++co++2760522e-55cc-11e3-8ccd-00188b4dc422 ,vgl. zu diesem Bericht u.a auch noch ab dem Abschnitt „Deutschland mit dem Vorteil des Euro, tut so als gäbe es keinen Euro“ ab der Seite 3 f.: https://www.labournet.de/?p=48233
- oder insbesondere auch noch ab dem Abschnitt „Makroökonomie ist keine moralische Veranstaltung, sondern zeigt „technische“ Funktionsstörungen auf“ ab der Seite 2 f. bei: www.labournet.de/?p=47524