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»Cadillac-Steuer« – Vorwand für Kürzungen im US-Gesundheitswesen

Artikel von Alexandra Bradbury, erschienen in  express, Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 09/2013

mini_expressDas Leben ist am 1. Januar deutlich schwerer geworden für Abbey Bruce und ihren Ehemann Casey, der an Mukoviszidose erkrankt ist. Das war der Tag, an dem ihr Arbeitgeber, das St. Peter Hospital in Providence, Caseys Krankenversicherung änderte.
Die Zuzahlung für die Enzyme, die Casey nimmt, um Essen verdauen zu können, betrug früher 50 Dollar im Monat. Jetzt sind es 300 Dollar. Seine Inhalator-Lösung ist ebenfalls teurer geworden. Im Juli schuldeten sie der Apotheke in Providence 2000 Dollar.
»Ich rechne ja mit einer Zuzahlung. Ich bin nicht verrückt«, sagt Abbey, eine Hilfskrankenschwester, die 15 Dollar in der Stunde verdient. »Aber sie bewegten sich in Grenzen, die die Gesundheitsversorgung für uns nicht zu etwas Unerreichbarem machten.«
Zusätzlich zu den Zuzahlungen beträgt der jährliche Selbstbehalt, bevor die Versicherung greift, für die Bruces jetzt 3000 Dollar – fast zehn Prozent des Durchschnittseinkommens eines Mitglieds ihrer Gewerkschaft im St. Peter. Die Obergrenze für Zahlungen aus eigener Tasche liegt bei 6 000 Dollar. Eine »Wellness-Komponente« der neuen Versicherung ermöglicht den Angestellten, sich einmal im Jahr durchchecken zu lassen, wofür sie eine Barzahlung erhalten, die nicht annähernd die Kostensteigerungen abdeckt.
Abbey, die in der Ausbildung zur Krankenschwester war, musste die Schule verlassen. Sie hat zusätzlich zu ihrer Krankenhausarbeit zwei weitere Jobs in der häuslichen Altenpflege und als Putzfrau angenommen.
Die Personalabteilung forderte die Beschäftigten auf, ihre Schwierigkeiten mit der neuen Versicherung vorzutragen, also ging Abbey hin. Die Lösung der Personalmanagerin? »Sie bot mir an, ich könne ihr Haus putzen, wenn ich mehr Geld bräuchte«, sagte Abbey den Labor Notes.

Die Times versteht’s falsch

Die New York Times brachte die Geschichte der Bruces am 28. Mai und legte den LeserInnen nahe, »die sogenannte Cadillac-Steuer« ver­antwortlich zu machen, wenn Arbeitgeber eine angemessene Krankenversicherung durch gewaltige Selbstbeteiligungsmodelle ersetzen.
Aber die Times liegt falsch. Abbey‘s Gewerkschaft, die 1199 NW-Service Employees, hat nachgerechnet. Die Versicherung, die Providence abgeschafft hat, war nicht einmal nah dran, unter die Cadillac-Steuer zu fallen – und so oder so greift die Steuer nicht vor 2018. Sie ist ein willkommener Vorwand für die Öffentlichkeit, hinter dem sich Arbeitgeber verstecken können, die nur darauf aus sind, auf billigere und schlechtere Versicherungen umzustellen.
Providence versucht gegenüber den Beschäftigten nicht einmal, die »Cadillac-Steuer« als Entschuldigung zu benutzen – es wird nur gesagt, dass die neue Versicherung großartig ist und irgendwelche Probleme nur Gerüchte seien.
Die Beschäftigten akzeptieren das nicht. Sie haben deswegen im März fünf Tage gestreikt und machten deutlich, dass die unfairen Praktiken der Arbeitgeber mehr wiegen als die allgemeinen Änderungen. Die Krankenversicherung ist ein zentraler Gegenstand der Tarifverhandlungen. Abbey und Casey Bruce sind nicht die einzigen leidenden Providence-Beschäftigten. »Es gibt Leute, die Medikationen überspringen«, sagt Abbey. »Leute, die sich mit ihren Ehepartnern abwechseln: ›Du nimmst diesen Monat Medikamente, ich nächsten‹.« Eine schwangere Kollegin sorgt sich darum, wie sie ihr Kind zur Welt bringen soll. »Das ist es, was mich so wahnsinnig macht«, sagt Abbey. »In unserer Arbeit sollen wir Menschen versorgen – wir sorgen uns aber auch umeinander«.

(Quelle: Labor Notes, Nr. 413, August 2013)

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=44821
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