Die Zeit ist – endlich nach 40 Jahren – reif für eine andere Ökonomie, jenseits von Steinbrück, Merkel & Co.!
Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 12.9.2013
Nur die Politik findet dazu doch keine Mehrheit?
Wir blicken voller Grauen zurück an einen Beginn der neoliberalen Revolution – nämlich nach Chile!
Vor 40 Jahren – am 11. September 1973 – putschen die Militärs gegen die demokratisch gewählte Linksregierung von Präsident Allende, um ein radikal neues Wirtschaftssystem zu etablieren. Aktiv unterstützt wurden die chilenischen Militärs um den General Pinochet von der US-amerikanischen Regierung und begrüßt wurde dieser Putsch vom Ökonomen und Nobelpreisträger Milton Friedman und den „Chicago-Boys“. Dieser Militär-Putsch sollte den Siegeszug des Neoliberalismus einläuten – der heute noch Europa drangsaliert. „Schockstrategie“ (Naomi Klein) ist der Begriff, der das Damals und das Heute verbindet.
Der uruguayische Schriftsteller Galeano („Dier offenen Adern Amerikas“) stellte dazu fest: „Die Menschen saßen im Gefängnis, damit die Preise frei sein konnten.“ (http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=me&dig=2013%2F09%2F07%2Fa0191&cHash=2b9f3412fcb66a8d06ede47396db5b38 oder auch noch https://www.taz.de/Debatte-Chile/!123260/ )
Während sich die Lateinamerikanischen Länder aus dieser „Schock-Phase“ des Neoliberalismus schon allmählich wieder herauswinden oder herausgewunden haben, eilt Europa mit dem „Pakt für Wettbewerbsfähigkeit“ auf seine Vollendung zu.
Europa noch in der „Schockstarre“ des „ewigen“ Neoliberalismus? Und ein Bundespräsident preist den Franzosen nach Oradour die Agenda 2010
Auf Bundesebene reicht die „Fähigkeit“ der SPD noch keineswegs dazu aus dieser einmal eingeschlagen „Sackgasse“ herauszufinden – und deshalb allenfalls noch zur „Großen Koalition“ (http://www.berliner-zeitung.de/bundestagswahl-2013/leitartikel-zum-tv-duell-merkel-vs–steinbrueck-wieder-kein-wahlkampf,20889098,24182364.html ). Muss das schon das Ende der „Fahnenstange sein? – Oder kommt es danach auf die europäische Ebene an? Hier noch ein aktueller Versuch die aktuelle Sackgasse des politischen „Krisendenkens“ im „fiktionalsten und unpolitischten Rennen“ doch noch „perspektivisch“ hinter sich zu lassen. („Transquillizer gegen Aufreger“: https://www.labournet.de/politik/eu-politik/eu-krise/eukrise-gw/tranquillizer-gegen-aufreger-das-fiktionalste-und-unpolitischte-rennen-aller-zeiten/)
Und wenn man sich im letzten Link vor allem auch noch einmal den Offe mit „Europa in der Falle“ (= der „Aufreger“) vorgenommen hat, dann kommt man wohl nicht umhin „unseren“ Bundespräsident Joachim Gauck ein „gewisses“ Unverständnis bezüglich der aktuellen ökonomischen Konstellationen zu attestieren. Gauck spricht angesichts der Erinnerung an das barbarische Verbrechen des SS-Massakers in Ordour / Frankreich davon, dass Deutschland seine Lektion aus der Geschichte gelernt habe – und sagte: „Deutschland will Europa nicht beherrschen.“ (http://www.sueddeutsche.de/politik/praesident-gauck-in-frankreich-deutschland-will-europa-nicht-beherrschen-1.1762666 )
Und dies wird dann von der konservative Elite wie eine Mantra immer wiederholt – völlig „weltabgewandt“ von dem tatsächlich in Europa herrschenden Gläubiger-Schuldner-Verhältnis – zuletzt durch den früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, der erklärt, er glaube nicht, dass sich „Deutschland zu einem neuen Hegemon in Europa aufschwingt.“ (= in einer europaweiten Ausgabe von Süddeutscher Zeitung u.a. vom 11.September 2013 – Richard von Weizsäcker: „Deutschland ist ein gutes Vorbild“: http://www.sueddeutsche.de/politik/alt-bundespraesident-weizsaecker-zu-europa-wir-sind-ein-gutes-vorbild-1.1767512 )
Nur dieses „Selbstbild“ der Deutschen wird enorm getrübt durch den Blick der „Anderen“ auf Deutschland – und so bleibt dieses Selbstbild eine platte Autosuggestion (= außer einem selbst, glaubt keiner daran). So ergab eine Online-Umfrage von „Guardian“, „Le Monde“, „El Pais“ und „La Stampa“ zu Deutschlands Rolle in Europa: Arrogant, dominant, autoritär! (http://www.sueddeutsche.de/politik/online-umfrage-zu-deutschlands-rolle-in-europa-arrogant-dominant-autoritaer-1.1767431 )
Und so wurde die Frage, ob Deutschland in Europa eher als Retter (Weizsäcker: „Vorbild“) oder als machthungriger Peiniger handelt, umso harscher beantwortet, je weiter es nach Süden ging. Das zeigt aber auch nur immer weiter, dass die deutschen Eliten nicht die Anforderungen an eine gemeinsame Währungsunion verstanden haben.
Denn sie abstrahieren vollkommen von der Durchsetzung des deutschen „Exportüberschuss-Lohndumping-Modells“ – der dann jetzt mit dem „Pakt für Wettberwerbsfähigkeit“ für alle in der Eurozone mit einer festgefügten Spirale nach unten etabliert werden soll. (siehe weiter unten im Abschnitt „Die Zeit ist reif…. “ auch Gerhard Bosch „Low wages…usw.) Von der „Gewalt“ eines Gläubiger-Schuldner-Verhältnisses, das so mutwillig mittelfristig unter dem Dach der gemeinsamen Währung etabliert wurde, scheinen sie alle auch vollkommen unberührt zu sein, während Claus Offe das mit drastischen Worten in den Mittelpunkt seiner europäischen Betrachtungen rückt.
In seiner nächsten Rede in Frankreich nach Oradour gibt dann der jetzige deutsche Bundespräsident gleich eine Kostprobe seines so ökonomisch „gewalttätigen“ Unverständnisses: In einem nächsten Schritt – nachdem er in Ordour noch gesagt hatte, dass Deutschland Europa nicht beherrschen wolle, gab er dann doch den Franzosen den Ratschlag, es Deutschland mit den Hartz-Reformen – und es dem sozialdemokratischen „Vorbild“ aus Deutschland, dem Kanzler Gerhard Schröder mit seiner Agenda 2010 gleich zu tun. (http://www.spiegel.de/politik/ausland/joachim-gauck-in-oradour-heikles-kapitel-in-der-geschichte-a-920259.html )
So soll also das „Vorbild“ Deutschland aussehen?
Und so schreibt die „Süddeutsche“ in ihrem Kommentar (5.9.13) zu diesem Treffen von Hollande und Gauck „abschließend“: „Schwieriger wird es mit der Zukunft. Deutsche und Franzosen haben sich immer weniger zu sagen – und schlimmer noch: Sie verstehen einander nicht. Überhaupt wird Deutschland auch von anderen Nachbarn wie den Polen als weltabgewandte Nation wahrgenommen, die ihre eigene – noch – ökonomische Stärke ausspielt, ansonsten aber mit der Heimat im Herzen die Welt benotet.“ (vgl. zu diesem wachsenden Unverständnis gegenüber Deutschland auch „Deutsche Vormacht in Europa: Frankreichs Linke träumt von Anti-Deutschland-Bund“ (https://www.labournet.de/politik/eu-politik/eu-krise/eukrise-allg/deutsche-vormacht-in-europa-frankreichs-linke-traumt-von-anti-deutschland-bund/)
Nicht als Vorbild aber Vormacht erscheint Deutschland so stark, dass die griechische Partei Syriza zu dieser Wahl einen Aufruf an das deutsche Volk geschrieben hat. (https://www.labournet.de/wp-content/uploads/2013/09/syriza_brd.pdf )
Zieht die neoliberale „Schockstarre“ die SPD in ihren Untergang? „Süddeutsche“ sieht endlich bei Steinbrück klar
Aber bevor wir weiter einsteigen, sollte zur „Einführung“ dringend der Kommentar von Heribert Prantl vom Samstag, 7. September 2013 auf der Seite 4 gelesen werden: „Gefährliche Langeweile“ – Die angebliche Langeweile ist eine Reaktion auf die Undurchschaubarkeit der Finanz- und Eurokrise: Die Menschen versuchen dieser Krise aus dem Weg zu gehen – obwohl sie wissen, dass sie ihre Zukunft betrifft. – Jedoch: Die Langweiligkeit des Wahlkampfs ist nur eine Kullisse, hinter der es brodelt. (vgl. dazu „Das bedrohte Paradies“: Die auffällige Zunahme von Ressentiments zeigt die Zunahme der Untiefen, die sich derzeit in einem Land und in einem Wahlkampf zeigen, in dem vordergründig gilt: „Still ruht der See.“ (http://www.rheingold-marktforschung.de/veroeffentlichungen/artikel/Wahl_2013_Das_bedrohte_Paradies.html )
Die Leute wollen wissen, wie die Politiker nach dem Wegräumen der Kulisse agieren werden. Wenn die Leute erleben, dass sie es nicht sagen, weil sie es selber nicht wissen oder sagen: Dann lullen sich die Leute wieder ein in die Pseudosicherheit der Langeweile. Einigkeit macht stark? Die deutsche Einigkeit in der Langeweile macht Merkel stark und die SPD schwach. Aber langweilig ist gar nichts! Langweilig ist nur das Gerede darüber. Schon gar nicht langweilig ist die SPD; deren Schicksal ist spektakulär…
Zwei Wochen vor der Wahl muss man sich vor Augen halten, welche Dramatik sich da binnen einen Jahres entwickelt hat: Als der damals hochgelobte Steinbrück am 1. Oktober 2012 als Kandidat nominiert wurde, lag Rot-Grün in Griffweite. Die SPD legte in Umfragen auf 31 Prozent zu, in der allgemeinen Zustimmung lag sie mit 36 Prozent nur noch wenig hinter der Union. Dann nahm die SPD-Tragödie ihren Lauf! (http://www.sueddeutsche.de/politik/wahlkampf-zur-bundestagswahl-truegerische-langeweile-1.1764897 )
Ein schon vorher bestens prognostiziertes Scheitern der SPD mit „ihrem“ Finanzmarkt-Kandidaten
So hat eben jeder „seinen“ Horizont, deshalb ist es bemerkenswert, dass dieses Scheitern des Deregulierers Steinbrück in der Finanzkrise eigentlich ziemlich deutlich voraussehbar war – oder wie Albrecht Müller schon vor rund drei Jahren – also noch lange vor dieser Nominierung schrieb „Aus dem Versager Steinbrück wird auch weiterhin der erfolgreiche Retter gemacht – ein Musterbeispiel für die Möglichkeit der nahezu totalen Manipulation (http://www.nachdenkseiten.de/?p=6777 )
Und trotz dieses sachlich begründeten Einwandes der so heftig neoliberal durchtränkten Vorgeschichte von Steinbrück – übrigens in der großen Koalition zusammen mit der damaligen und jetzigen Kanzlerin – schrieb die Süddeutsche dann ein Jahr später noch: „Die Kanzlerkandidatur von Peer Steinbrück scheint das eigentlich wirklich Interessante an der SPD“ (http://www.sueddeutsche.de/politik/peer-steinbrueck-und-die-kanzlerfrage-der-selbstlaeufer-1.1112565 ). Es sei jetzt mir erspart, die ähnlich lautenden Lobeshymnen in den Medien auf die Kanzlerkandidatenauswahl von Peer Steinbrück durch die SPD – in den damaligen Zeiten – noch hinzuweisen.
Im Gegensatz zu diesen so neoliberal ideologisch eingefärbten Prognosen war eben Peer Steinbrück überhaupt kein Selbstläufer, sondern stand sich – gefestigt in seiner „alten“ Ideologie – nur selbst im Wege. Die SPD konnte so nie Abstand zu den neoliberalen Dogmen gewinnen, auf deren Grundlage sie in ihrem ganzen Deregulierungs-„Furor“ im Interesse des Finanzkapitals mit dem Kandidaten Peer Steinbrück eben nur „weiterwurschtelte“ (vgl. auch www.nachdenkseiten.de/?p=9891#h18 )
Dazu muss man einfach die „ganze“ Geschichte von Peer Steinbrück – nebst „seiner“ SPD – rekapitulieren: „Schon 2003 und in Kenntnis der heraufziehenden Finanzkrise hat eine große CDU/CSU/SPD/FDP/Grüne-Koalition mit der Förderung des Finanzkasinos weitergemacht.“ (www.nachdenkseiten.de/?p=4130 ) – und so gab es auch keinerlei Distanz zu der ganzen „Latte“ von Finanzmarkt-Förderung und -Deregulierung (www.nachdenkseiten.de/?p=3692 ). Und so lag Steinbrück auch bei allem Getöse gerne – voll im Interesse des Kapitals – neben der tatsächlichen Situation – z.B. wenn es um die Steueroase Deutschland ging (www.nachdenkseiten.de/?p=4162#h01 )
Der Weg zu einer „anderen Ökonomie“ – wie jetzt gerade aktuell von Bullmann eingefordert – konnte mit Steinbrück gar nicht angegangen werden.
Mit einem Zitat von Willy Brandt (1964)- aus der Feder von Heribert Prantl jetzt noch einmal – kann man die anschließende so deutlich hervortretende Unfähigkeit des Kanzler-Kandidaten der SPD in dieser Wahlkampagne charakterisieren: „Langeweile gehört ebensowenig zur Demokratie wie deutsche Niederlagen zur Olympiade. Beides lässt sich ändern. Und beides werden wir ändern.“ Nun das hat weder Peer Steinbrück vermocht, noch hat die SPD es angestrebt, diese neoliberale Schockstarre zu überwinden. So wird Steinbrück angesichts seiner finanzmarktlastigen Vergangenheit in seinen heutigen sozialdemokratischen Äußerungen auch allenfalls als „Vollzieher“ des Parteiprogrammes wahrgenommen. (http://www.sueddeutsche.de/politik/ard-wahlarena-mit-spd-kanzlerkandidat-steinbrueck-veranschaulicht-das-parteiprogramm-1.1768768 )
Aber bei Franklin Roosevelt in seinem Engagement gegen die Finanzkrise wäre niemendem auf die Idee gekommen, dass er jetzt ein „Parteiprogramm veranschaulicht“, was ja auch soviel ausdrückt, dass er als glaubwürdiger Politiker überhaupt nur wenig selbst dahinter steht. Franklin D. Roosevelt sagte nämlich an dem Vorabend der Wahl 1936 im Madison Square Garden in einer berühmten Wahlkampfrede: „Wir mussten uns der alten Feinde des Friedens erwehren – des Wirtschafts- und Finanzmonopols, der Spekulation, der rücksichtslosen Banken, der Klassenfeind-schaft, des Partikularismus, des Kriegsgewinnlertums.
Sie betrachteten die Regierung der Vereinigten Staaten schon als bloßes Anhängsel ihrer eigenen Geschäfte (sic!). Wir wissen jetzt, dass die Regierung des organisierten Geldes genauso gefährlich ist wie die Regierung des organisierten Pöbels“ (Hitler war 1933 an die Macht gekommen!) „Nie zuvor in unserer Geschichte waren diese Kräfte so gegen einen Kandidaten geeint wie heute. Sie sind sich einig in ihrem Hass auf mich – und ihr Hass ist mir recht.“ (zitiert aus Paul Krugman, „Nach Bush“, S.69 f.) Und so kommt Krugman zu dem Schluss: So war Franklin D. Roosevelt genau der richtige Mann zur rechten Zeit. Und unter seiner Führung hat sich die amerikanische Gesellschaft sehr zu ihrem Vorteil geändert. Nur wer könnte das heutzutage von irgendeinem dieser KandidatInnen behaupten? Aber – zum Glück – wird wohl auch keine(r) so viel Macht ausüben können, wie der Präsident der Vereinigten Staaten in den USA – und so können in den „Differenzen“ in Europa auch noch Lernprozesse möglich werden.
Jedoch zum großen Schrecken kann man in Deutschland feststellen,dass man auch auf der linken Seite geneigt ist, dass die SPD – sogar mit den Gewerkschaften! – für einen Endpunkt im neoliberalen Sieg in Europa – nach der Zustimmung zum Fiskalpakt – auch noch den „Pakt für Wettbewerbsfähigkeit“ großkoalitionär durchzusetzen bereit ist(vgl. den Schlussabschnitt „Und das lohndumpende Deutschland bleibt weiter unfähig… „) – und damit die bisherige Austeritätspolitik in Europa „verewigt“ – doch wieder ganz im Interesse des Finanzkapitals.
Gibt es doch noch einen Lichtschimmer am Endes des neoliberalen Tunnels? Etwa jenseits der finanzmarktfixierten „Steinbrück-SPD“?
Ein wenig wurde bisher doch die Bedeutung dieses Beitrages von Bullmann aus dem Europa-Parlament übersehen – immer weiter bloß fixiert auf die „Steinbrück-SPD“. Dabei könnte auch hier das gemeinsame Europa im dann folgenden Wahlkampf für das Europa-Parlament eine gewisse „Auflockerung“ – in Zukunft? – noch bieten: deshalb nun sei noch auf diesen „spd-seitigen“ Vorstoß – jetzt aktuell aus dem Europa-Parlament – hingewiesen! Ja, einer muss von der SPD – jetzt mit Udo Bullmann – ja schon einmal den Anfang zu einer „Umkehr“ machen!
Denn nach Steinbrück-Merkels eurokrisenarmen Bundestagswahlkampf kommt demnächst der Wahlkampf zum Europa-Parlament – und vielleicht wird der doch noch spannungsgeladener?:
Ein Blick aus Europa: Die Zeit ist reif für eine andere Ökonomie
Die größte Herausforderung seit der deutschen Wiedervereinigung war lange kein Thema im Bundestagswahlkampf : Die andauernde Finanzkrise in Europa. Warum diese gespenstische Stille in einer streitbaren Mediendemokratie?: Die Bundesregierung hat allen Grund, das Thema totzuschweigen. Angela Merkel betreibt eine nationalchauvinistische Wirtschaftspolitik. Damit schadet sie der EU und Deutschland.
Was die Konservativen nicht verstanden haben: Im 21. Jahrhundert funktioniert ein ökonomischer Nationalchauvinismus nicht mehr. Über allem steht das größte Problem der Eurozone, die beschämend hohe Arbeitslosigkeit. Der konservative Europa-Kurs einseitiger Kürzungen ist gescheitert.
Zwei Entwicklungen strafen neoliberale und konservative Theoretiker Lügen: Je härter die Staaten auf Geheiß der Bundeskanzlerin und ihrer Gefolgsleute Investitionen und Ausgaben kürzten, umso stärker stieg die Verschuldung. Und je mehr die Reallöhne sanken, desto massiver stieg die Arbeitslosigkeit. Die schwarz-gelbe Regierung des einflussreichsten und ökonomisch gewichtigsten Landes der Eurozone setzt eine fatale Politik durch.
Angela Merkel versucht, in der Euro-Krise einen auf den ersten Blick nationale Kurs zu fahren. Aus ihrer Sicht hat die Kanzlerin alles dafür getan, deutsche Interessen und deutsche Vermögen zu schützen, auch wenn die Wirtschaft im restlichen Europa darunter leidet. Mit zunehmender Dauer der Krise machen sich bei dieser Herangehensweise natürlich auch die negativen Auswirkungen bei uns bemerkbar. So senkte das IMK seine Wachstumsprognose für 2013 von bisher 0,9 auf 0,3 Prozent.
In einer Währungsunion dürfen wir nicht länger akzeptieren, dass realitätsferne Ideologen das Schiff auf Havariekurs steuren. (vgl dazu auch noch einmal www.nachdenkseiten.de/?p=18171#h12 – oder auch https://www.labournet.de/politik/eu-politik/eu-verfassung/noch-kein-jenseits-des-neoliberalismus-keine-bundestags-wahl-fur-eine-anderung-der-eurokrisenpolitik/)
Wir können unser Schicksal weder rückwärtsgewandten nationale Politikkonzepten noch spekulativen Märkten anvertrauen. Stattdessen ist es höchst Zeit für eine neue Wirtschaftspolitik mit verbindlichen Zielen, Anreizen und richtig justierten Sanktionen. Deswegen streiten wir mit unseren Vorschlägen für ein anderes, ein besseres Europa. (FR: http://www.fr-online.de/meinung/gastbeitrag-zur-eurokrise-die-zeit-ist-reif-fuer-eine-andere-oekonomie,1472602,24195530.html )(Udo Bullmann ist der Vorsitzende der SPD im Europäischen Parlament)
Dieser Vorstoß des Politikers Bullmann kann noch gut ergänzt werden für die weitere europäische Perspektive durch den Verfassungsrechtler Andreas Fisahn: „Vier Jahre Merkel, vier Jahre Eurokrise“ in den „Blättern“ (http://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2013/september/vier-jahre-merkel-vier-jahre-eurokrise ), der als Quintessenz des Merkel`schen Politikhandelns nur sehen kann: „Die wirklichen Krisenursachen werden durch immer neue Spardiktate – und anschließende Kredite – jedoch nicht angegangen, sondern nur verstärkt. Sicher ist nur eins: Dass Europa und der Euro bei einer Fortsetzung der gegenwärtigen Politik schon bald in die nächste (noch teuerere) Krise schlittern werden.“
Dies hat Gerhard Bosch noch einmal – diese Mal geschickterweise auf englisch, damit „uns“ unsere Nachbarn auch besser verstehen, denn hierzulande will das ja so recht noch „keiner“ verstehen – auf den berühmten Punkt gebracht: Low wages in Germany and the European imbalance problem“ (http://www.nachdenkseiten.de/?p=18499 ): „German economic policy continues to be characterisd by the extensiv focus on exports… The policy, however, cannot be applied at will to other countries, since only by abolishing the laws of mathematics would be possible for all countries to have export surpluses.“
Aber genau diese mathematische Unmöglichkeit bleibt das Ziel des „Paktes für Wettbewerbs-fähigkeit“ für die Eurozone – damit Deutschland egozentrisch und „weltabgewandt“ weiter „seinen“ engstirnigen“ Vorteil sichern kann – jedoch um gleichzeitig aus der besseren Position mit den anderen auch mitabzurutschen.
Aber mit Gerhard Bosch ist die empirische Sozialwissenschaft in einer Diskussion angekommen, die bei uns in Deutschland schon lange der Ökonom Heiner Flassbeck einnahm, der schon 2005 in einem Gewerkschaftsorgan warnte, die „deutsche Lohnpolitik sprengt die Europäische Währungsunion“ (http://www.boeckler.de/wsimit_2005_12_flassbeck.pdf )(weiter und im allgemeinen – auch mit Flassbeck / Spiecker – vgl. dazu die Diskussionszusammenstellung aus dem Jahre 2009 „Die ökonomischen Ungleichgewichte werden in der Krise zu einer besonderen Belastung – Deutschland als „Spielverderber“ für ein europäisches Sozialmodell“: www.nachdenkseiten.de/?p=3877 oder http://archiv.labournet.de/diskussion/eu/sopo/bahl2.html)
Diese Position wurde in Europa auch vertreten von dem französischen „Wirtschaftsweisen“ Patrick Artus – speziell auch mit dem Blick auf die lohndrückenden deutschen Arbeitsmarktreformen. (http://library.fes.de/pdf-files/wiso/06933.pdf ) Damit unterstützte er auch einen Vorstoß der französichen Regierung vor dem „Ecofin-Rat“ (zu dieser „Lagarde-Intervention“ vgl. http://archiv.labournet.de/diskussion/eu/sopo/lohn_bahl.html). Die französische Regierung unter Sarkozy schwenkte nur von diesem Ansatz weg – man könnte auch sagen, fiel um.
Wo bleibt die ökonomische Vernunft zur Krisenlösung in Europa? Doch noch Mut zum Konkreten, um das „Merkel`sche Ungefähre“ hinter sich zu lassen?
Nur die beste europapolitische Voraussetzung für eine Überwindung der Euro-Krise wäre ein Rot-Rot-Grünes Regierungsbündnis in Berlin, wie Wolfgang Münchau nüchtern im Spiegel analysiert hatte. (http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/wolfgang-muenchau-ueber-das-wahlprogramm-der-linken-a-919067.html )
Dabei kommt Münchau auch beim Blick auf die Grünen noch zu einer besseren Bewertung der SPD, die anscheinend überhaupt nichts gelernt hat. (vgl. zu den „Rückbau“-Ansätzen der Grünen den letzten Abschnitt mit den beiden letzten Links auf der Seite 5 bei https://www.labournet.de/?p=43343 oder auch http://www.sozialismus.de/kommentare_analysen/detail/artikel/prekarisierung-ungebrochen/ – sowie https://www.labournet.de/politik/arbeit/arbeit-all/die-welt-der-potemkinschen-dorfer-des-arbeitsmarktes-oder-die-jobwunder-marchen/)
So entwicklelten die Grünen – genauso wie die Linke – gerade doch noch den Mut zum Konkreten, um das Merkel`sche „Ungefähre“ hinter sich zu lassen! Ein Mut der der SPD einfach abging. Aber man braucht wohl kein großer Prophet sein, dass diese ökonomische Vernunft zur Krisenlösung schon bisher nicht die „große“ Stärke der SPD war – und sie deshalb gefangen in ihrer Arbeitsmarkt- und Finanzmarkt-Deregulierungs“Vergangenheit“ gar nicht offen für die Lernprozesse sind, denen sie in einer Koalition mit der Linken ausgesetzt wäre.
Oder wie Stephan Hebel es ausdrückt: „Zu spät! – Ein Jahr lang hat Rot-Grün der Amtsinhaberin ihre Strategie des „Kanzlerin-für-alle“-Gestus einfach durchgehen lassen, offensichtlich aus Angst, die Beliebtheit der Kanzlerin könnte als Ablehnung auf die Kritiker zurückschlagen. Dieses Risiko gibt es. Aber was wäre es für ein spannender Wahlkampf geworden, hätten SPD und Grüne den Angriff – auch auf ihre eigenen politischen „Untaten“ der Deregulierungskoalition unter der rot-grünen Schröder-Kanzlerschaft – dennoch gewagt, getreu dem schönen Satz von Ernst Bloch: „Wer sich nicht in Gefahr begibt, kommt darin um.“ (www.nachdenkseiten.de/?p=18505 )
Aber jetzt ist es zu spät, meint Stephan Hebel. – Oder ist das ganze doch nur ein Scheingefecht, weil es nur um die Alternativen Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün noch gehen kann? So habe ich den schönen Spruch von Ernst Bloch noch um den schönen Spruch von Friedrich von Logau / Alexander Kluge ergänzt: „In Gefahr und größter Not ist der Mittelweg der Tod“ (https://www.labournet.de/?p=43024) – also hin zu den politischen „Ausweich-Manövern“ nach Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün. Das würde den Zerfall der Eurozone aber nicht aufhalten können – und den Rückfall in die „Nationalismen“ weiter vorantreiben (vgl. hierzu auch „Nation – Ausgrenzung – Krise“ (http://www.gegenblende.de/++co++8e768d02-15fd-11e3-88de-52540066f352 ). Man kann dabei die ökonomische Auseinandersetzung von der Memorandungsgruppe gleichzeitig mitverfolgen. (http://www.alternative-wirtschaftspolitik.de/andere_veroeffentlichungen/2013_/index.html ), wobei für mich die Beiträge von Rudolf Hickel zur Rolle der EZB und ihre Grenzen in der Euro-Krisenlösung sogar die „Rosinen“ in diesem auch sonst interessanten Diskussions-Angebot darstellen.
Mit Blick auf das bevorstehende Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur beschränkten Kompetenz der Europäischen Zentralbank hat auch Paul De Grauwe Stellung bezogen: „In this column we argue that the fears that German taxpayers may have to cover losses made by the ECB are misplaced. They are based on a misunderstanding of solvency issues that central face.“ (http://www.voxeu.org/article/fiscal-implications-ecb-s-bond-buying-programme )
Muss jetzt Europa die Krisenlösungskompetenz zuwachsen, wenn die „bloß“ nationale Ebene versagt?
Nur jetzt taucht die Frage auf, muss man sich deshalb allein auf diese bundespolitische SPD-Formation allein beziehen, von der ja bekannt ist, dass Steinbrück weiter nur schwadronniert, (http://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2013/september/angela-merkel-sicher-ist-sicher ) , wie von Lucke wieder konstatiert. Gerade aber wenn man auf die europäische Kompetenz dieser Bundes-SPD blickt, so geraten wir schon eher in ein populistisch getrimmtes „Irrenhaus“ als ein Kompetenz-Zentrum zur Auflösung der Euro-Krise (www.nachdenkseiten.de/?p=18508#h09 )
Ja, von der ökonomischen Krisenlösungs-Kompetenz eines Keynes hatte sich die SPD schon lange gelöst, wie Wolfgang Münchau bedauert (http://www.spiegel.de/wirtschaft/wolfgang-muenchau-ueber-die-wirtschaftspolitik-der-spd-a-920348.html ). Aber die wirtschaftliche Verschlechterung erreicht auch immer stärker Deutschland selbst (www.nachdenkseiten.de/?p=18564#h02 ). Besteht jetzt die Hoffnung, dass aus dem Europa-Parlament „alternative“ wirtschaftspolitische Vorstellungen wieder ein Stück weiter gelangen – oder auch „zurück“ (zu Keynes)?
Und das lohndumpende Deutschland bleibt weiter unfähig seine krisenverschärfende Rolle für die Eurozone anzuerkennen. Einzig der Weg zum Pakt für Wettbewerbsfähigkeit?
Deshalb werden in Deutschland – jetzt auch in den Gewerkschaften – zu dem deutschen Lohndumping einfach andere Geschichten – sogenannte die eigene Rolle entlastende „Parallel-Geschichten“ – aufgebaut, ohne je der Krisenlösung näher kommen zu können. Soll so – wenigstens mental – die eigene Klientel „geschont“ werden?
Dabei gilt die Aussage von Udo Bullmann,“je mehr die Reallöhne sanken, desto stärker stieg die Arbeitslosigkeit“ auch für das deutsche „Euro-Krisen-Mutterland“, das nur immer weiter „schön-gefärbt“ wird. (http://www.freitag.de/autoren/der-freitag/schluss-mit-maerchenstunde )(Zu den weiteren „Parallell-Erzählungen“ (oder Märchen wie man will) beim Arbeitsmarkt und einer dramatischer werdenden Realität der Prekarisierung auf dem weiteren oder auch „endlosen“ Weg der „Wettbewerbsfähigkeit“ des sozialen Niveaus nach unten – über den Werkvertrag, siehe https://www.labournet.de/?p=43343). Jedenfalls weiß uns Heiner Flassbeck einen Rat für das bisher so lohndrückende Deutschland: „Herauskonsumieren aus der Krise“ (http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/2240485/ )
Statt Rauskonsumieren aus der Krise Herausinvestieren – Die Prioritäten beim Weg aus der Krise verschieben?
Schon früh hat Stephan Schulmeister in einem sehr aufschlussreichen Interview darauf hingewiesen, dass es zwar ökonomisch nicht von der Hand zu weisen sei, dass man so über die Nachfrage aus der Krise kommen könne – sozusagen rein theoretisch -, dass aber bei diesem Weg die Widerstände des Kapitals, das für sich darin zunächst keine Perspektive erkennen kann, nicht zum schnellen Erfolg führen könnten.
Er würde beim Weg aus der Krise einfach die Prioritäten anders setzen – und in einem ersten Schritt die Investitionen erhöhen – und über dieses Wachstum entstünde dann sowieso die Möglichkeit, die Löhne wieder anzuheben. – Also nicht herauskonsumieren, sondern herausinvestieren! Er nannte seine kleine Streitschrift deshalb auch ein „New Deal für Europa“. (http://www.wirtschaftundgesellschaft.de/2012/08/%e2%80%9ees-besteht-die-gefahr-von-wirtschaftskriegen-%e2%80%9c-im-gesprach-mit-stephan-schulmeister/ )
Man kann diese ökonomische Grundierung noch dadurch ergänzen, dass bisher politisch keine Aussicht besteht, das Lohndumping durch den Niedriglohnsektor „rasch“ aufzuheben – nachdem gerade auch die deutschen Gewerkschaften die politische Auseinandersetzung gegen die Arbeitsmarktreformen aufgegeben haben (https://www.labournet.de/?p=43343) – geschweige denn, dass sie ihre politische Durchsetzungsstärke etwa durch einen Generalstreik – wie in den übrigen Ländern Europa weithin üblich – noch erhöhen wollten. (vgl. jetzt ganz aktuell auch den politischen Streik in Frankreich gegen die von der Regierung Hollande angestrebte Renten“reform“: http://communismeouvrier.wordpress.com/2013/09/10/greve-contre-la-reforme-des-retraites-entre-155-000-et-360-000-manifestants/ ). So vergesst die Löhne zur Krisenüberwindung – es wär so schön gewesen, aber die Chancen ihrer Durchsetzung sind zumindest auf mittlere Sicht für Deutschland zu gering.
Und dieser Weg über Investitionen scheint sich auch für die Politik als der gangbarere erweisen. So hat auch der Europa-Parlamentarier Udo Bullmann zusammen mit dem DGB einen Marshall-Plan für Europa im Visier, der einen langfristigen Investitionsplan für alle 28 EU-Länder vorsieht. (siehe dazu im Rahmen des IG Metall-Kungresses für einen Kurswechsel auf der Seite 10 den Abschnitt „Dann doch noch der DGB mit einem Marshall-Plan für Europa“ – auf der Grundlage des Beschlusses des DGB-Bundesvorstandes vom 8. Dezember 2012 (https://www.labournet.de/?p=17959 )
Der schöne Schein des „Uns geht`s ja noch gut“: Dramatischer Investitionsrückstand braucht massive Investitions-Initiative
Der Ökonom Roland Schettkat beschrieb die bisherige Entwicklung in Europa unter dem Vorzeichen einer Austeritäts-politik: „Von Gipfel zu Gipfel: Verlorene Generation, verlorenes Jahrzehnt“ – und fährt fort: Durch den Abbau des Investitionsstaus könnte das Wachstumspotential Deutschlands deutlich gesteigert werden – was gleichzeitig die europäische Binnennachfrage stimuliert – und auch die Exportchancen der übrigen Euroländer wieder verbessert.
Und das wäre keine Politik, die Deutschland bezahlt, sondern eine – gesamteuropäische! – Win-Win-Situation, in der auf der einen Seite der Wohlstand im Lande wachsen würde, statt mit riesigen Exportüberschüssen Forderungen gegenüber dem Ausland aufzubauen, die dann eventuell abgeschrieben werden müssen. Die Rettung des europäischen Projektes, die Integration der Jugend Europas verlangt von Deutschland keine Opfer, sondern geht im Gegenteil mit Wohlstandssteigerungen im eigenen Land einher. (http://www.boeckler.de/wsimit_2013_06_kommentar.pdf )
Und damit steht Roland Schettkat überhaupt nicht allein, denn Michael Dauderstädt, der Leiter der Wirtschaftsabteilung der Friedrich-Ebert-Stiftung, hatte auch schon dieses jetzt so grassierende „Märchen“ über das Wunder in der deutschen Wirtschaft unter die Lupe genommen: „Deutschland gilt als Wirtschaftslokomotive Europas mit geringer Arbeitslosigkeit, gesunden Staatsfinanzen und robustem Wachstum. Aber der Glanz entsteht mehr durch den düsteren europäischen Hintergrund als durch eigenen Fortschritt. Tatsächlich ist das Wachstum kaum höher als vor 10 Jahren, als man Deutschland den kranken Mann Europas nannte. Kein Wunder: Weder der Arbeitsimput noch die Arbeitsproduktivität haben nachhaltig und / oder schneller zugenommen als der langfristige Trend.
Und: Die stolzen Exportüberschüsse zeugen von verschenktem Konsum und unterlassenen Investitionen in Deutschland, die dann wieder als Grundlagen für künftiges Wachstum fehlen.“ (http://library.fes.de/pdf-files/wiso/10164.pdf )
In die gleiche Kerbe haut dann noch der Chef des renommierten „Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung“ (DIW) in Berlin, Marcel Fratzscher – und er mahnt, „Deutschland unterliegt Illusion – uns geht es wirtschaftlich gar nicht so gut, wie wir glauben“. Kurzfristig sind wir bisher zwar „relativ“ (= im Verhältnis zu den anderen) gut durch die Krise gekommen, aber in einer langfristigen Perspektive hält die These, dass es uns wirtschaftlich so gut geht, der Wirklichkeit nicht stand. Und das macht Fratzscher in Zahlen fest: 70 Prozent der Arbeitnehmer haben heute niedrigere Reallöhne als vor 10 Jahren. Auch die Produktivität, die Deutschland so gerne von anderen Ländern einfordert, habe sich in Deutschland seit 1999 verschlechtert – und – das Wichtigste – die Investitionsquote sei in diesen Jahren von über 20 Prozent auf 17 Prozent gesunken. Und in dieser Investitionslücke sieht der DIW-Chef das Hauptproblem. Er identifiziert diese Lücke auf drei Prozent der Wirtschaftsleistung oder in Euro umgerechnet auf die Summe von 80 Milliarden Euro. Dadurch habe Deutschland nur noch ein langfristiges Wachstumspotential von einem Prozent. Zum Vergleich: Ein solches Wachstumspotential trauen die Ökonomen auch Spanien zu.
Anstatt das, was erwirtschaftet wird, wieder zu investieren, tragen es die Deutschen ins Ausland. Fratzscher fordert deshalb auch ein umfassendes Investitionspaket im öffentlichen und privaten Bereich. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/warnung-des-instituts-fuer-wirtschaftsforschung-gefaehrliche-deutsche-illusionen-1.1740400 )
Dazu meint der Europaabgeordnete Jo Leinen bezüglich der Alternativen zu der Merke`schen Krisenpolitik: Schuldenabbau und Investitionen sind kein Widerspruch: Sinnvolle und zukunftsfähige Investitionen müssen möglich sein, denn sie rechnen sich mittelfristig. Das ist der Unterschied zwischen einem rigorosen Kaputtsparen – a la Merkel – und kluger Haushaltskonsolidierung… Dadurch werden Menschen in Arbeit gebracht, wodurch die Steuereinnahmen steigen und die Sozialausgaben sinken werden. (http://www.euractiv.de/wahlen-und-macht/artikel/deutschlands-wahl—europas-zukunft-007991 oder englisch http://www.euractiv.com/elections/germany-rethink-strategy-remain-analysis-530331 )
Wichtige Voraussetzung für eine tragfähige Investitionsentwicklung ist die Schließung des Finanz-Casinos – aber die Finanzindustrie triumphiert auf der ganzen Linie
Diese gerade geschilderte so schon „krankhafte“ Schwäche der realen Investionen (= im Gegensatz zu Finanz“investitionen“, um zu spekulieren) in der deutschen Wirtschaft hängt wiederum eng mit der oben dargestellten „Entfesselung“ der Finanzmärkte zusammen, deren hohe Gewinn-Chancen die Unternehmen „ihr“ Geld lieber dort – mit leichterem Gewinn – „investierten.
Wenn man also die Entwicklung wieder stabil auf diese „Real-Investitionen“ hinlenken will, brauchen wir vorher ein Austrocknen des alles destabilisierenden Finanzmarkt-Sumpfes. (siehe auch oben (= Abschnitt „Statt Herauskonsumieren…“) das Interview mit Stephan Schulmeister). Roosevelt hatte dies mit dem – bis unter die Regierung Clinton in den USA geltenden – Glass-Steagall-Act von 1933 gleich zu Beginn seiner Regierungszeit in der Weltwirtschaftkrise der 30-er Jahre des letzten Jahrhunderts erreicht. (Vgl. Joseph Stiglitz, „Im Freien Fall“ S. 216 ff. und 84 f.)
Das dort etablierte „Trennbankensystem“ wurde in der aktuellen Finanz-Krise auch bei uns ins Auge gefasst, aber wie die Verhältnisse von Politik und Finanzbranche – auch bei uns immer noch sind, wurde die diesbezüglichen Regulierungsvorstellungen von Liikanen (EU), von Volckers (USA) und Vickers (GB) so kleingekocht, dass – wie Jens Berger feststellen muss, wohl erst der nächste Krisenschub erneute Anstrengungen erst ermöglichen könnte – sozusagen ist mit dieser „unausgegorenen“ und durch die Finanzindustrie wieder verwässerten Ansätze die nächste Finanzkrise noch keineswegs gebannt. (www.nachdenkseiten.de/?p=17998 )
Dabei sind heutzutage die bedeutsamsten Krisenherde in der Finanzwirtschaft die sogenannten „Schattenbanken“, die jenseits aller Regeln den „ordentlichen“ Banken die Abwicklung ihrer „unseriösen“ Geschäfte in diesen „Schattenbanken“ – sozusagen „schrankenlos“ – erlauben. Seit Beginn der Finanzkrise war klar, dass dies abgestellt werden müsse – jedoch die Finanzlobby hat auch hier auf dem letzten G20-Gipfel gegenüber den Regierungen der großen Industrieländer wieder einen „Sieg“ errungen, die ein gemeinsames Vorgehen hier „verunmöglicht“ hat. Wieder hat sich die Politik von der Finanzindustrie wie einen Tanzbären am Ring durch die Nase durch die Manege führen lassen – und all ihre Unfähigkeit und Ohnmacht vor den Finanzriesen unter Beweis gestellt. Fazit: es gab nichts Entscheidendes die Schattenbanken als rechts- und regelfreien Raum „auszutrocknen“. (vgl. http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/schattenbanken-und-der-g-gipfel-jenseits-aller-regeln-1.1762975 – und vorher schon: http://www.sven-giegold.de/2013/schattenbanken-michel-barnier-gefahrdet-seinen-guten-ruf/ wie auch http://www.die-linke.de/nc/dielinke/nachrichten/detail/zurueck/nachrichten/artikel/g20-politik-des-kleinsten-gemeinsamen-nenners/ )
Der zentrale Punkt für ein stabiles Finanz-System ist sicher die Eigenkapitalausstattung, die gesetzlich ziemlich hoch festgelegt sein müsste (http://diepresse.com/home/spectrum/literatur/1449771/Kapital-bilden?_vl_backlink=/home/spectrum/literatur/index.do ), damit würde auch dieses – schon beim Trennbankensystem zu erörterndes – „Too Big To Fail“-Problem reduziert werden können, das dann immer dem Steuerzahler auf die Füße fällt. (vgl. z.B. www.nachdenkseiten.de/?p=18530#h08 und http://www.fuw.ch/article/das-too-big-to-fail-problem-ist-grosser-als-vor-2008/ )
Und der Merkel`sche Dauerbrenner Finanztransaktionssteuer – vor dem endgültigen „Aus“?
Es war schon ein übliches Ritual der Bundeskanzlerin sich für die Finanztransaktionssteuer „einzusetzen“, was man bei ihrer Liebe zum Ungefähren nur als ein Verschieben auf den „Sankt-Nimmerleinstag“ deuten konnte. Aber nun haben EU-Juristen just im Wahlkampf in Deutschland diesem „Spiel“ ein Ende bereitet – das „Heilgtum“ Wettbewerbsfähigkeit in der EU-Verfassung hoch über die Einführung einer solchen Steuer gestellt – was nur an die wichtige Aufgabe erinnert, diese EU-Verfassung zu erneuern. (vgl. auch „Könnte das Bundesverfassungsgericht eine bisherige Blockierung für die Entwicklung der Eurozone durch angemessene europäische Institutionen aufbrechen?“ (https://www.labournet.de/?p=38216 )
Gerade für den Ökonomen Stephan Schulmeister spielt jedoch für den Übergang vom „entfesselten“ Finanzkapitalismus zu einer investiven Entwicklung für Europa („New Deal“) die Finanztransaktionssteuer eine zentrale Rolle, um das „permanente“ Spekulieren unattraktiver zu gestalten – und Bullmann hat sie für seinen Investitionsoffensive als Marshall-Plan für Europa auch schon verplant.
Nun soll aber daraus – endgültig? – nichts werden, weil die Juristen der EU sie nicht als „verfassungskonform“ mit der EU ansehen. (http://www.faz.net/-gvf-7hda7 ) Sie soll jetzt den Wettbewerb, der ja in der EU das sakrosankte Zentrum allen Daseins ausmacht, in der EU verzerren. Zwar hält die deutsche Bundesregierung – es ist ja Wahlkampfzeit – an der Finanztransaktionssteuer fest (http://www.handelsblatt.com/politik/internationale/gutachten-eu-juristen-melden-zweifel-an-boersensteuer-an/8768748.html ), aber die Süddeutsche stellt fest, dass dieses Projekt noch nicht einmal mehr auf der Tagesordnung der Ministertreffen steht – titelt: „Stirb langsam, Finanztransaktionssteuer.“ (http://www.sueddeutsche.de/geld/umsatzsteuer-auf-finanzgeschaefte-stirb-langsam-finanztransaktionssteuer-1.1767506 ) Dabei waren die letzten Fassungen der FTS schon deutlich politisch „abgespeckt“. (vgl. dazu Axel Troost, „Finanztransaktionssteuer unter Beschuss“ (http://www.die-linke.de/nc/dielinke/nachrichten/detail/zurueck/nachrichten/artikel/finanztransaktionssteuer-unter-beschuss/ )
Deshalb muss sich jetzt deutlich die Frage stellen, ob mit diesem Scheitern jeglichen Ansatzes von Finanzmarktregulierung auch der gesamte Vorstoß für eine arbeitsplatzschaffende Investitionsentwicklung entsprechend dem Marshall-Plan keinen stabilen und langfristigen Erfolg haben kann, weil das Geld weiterhin spekulativ angelegt wird? Wie zuletzt auch in der Krise, was die Reichen in der Krise noch einmal gewaltig reicher werden ließ.
Finanzkapitalismus lässt Reiche immer reicher werden – nur Wohlstand und Arbeitsplätze entstehen daraus nicht
Deshalb musste das IMK noch einmal festhalten: Das Verteilungsproblem schwächt die Wirtschaft. Atypische Beschäftigung (siehe dazu „Bewährungsprobe für die Unterschicht“ (www.nachdenkseiten.de/?p=18483 sowie ergänzend noch http://www.sozialismus.de/kommentare_analysen/detail/artikel/prekarisierung-ungebrochen/ – und noch speziell für die Stadt Nürnberg: http://www.br.de/fernsehen/bayerisches-fernsehen/programmkalender/sendung634138.html ). Kapitaleinkommen und weniger Ausgleich im Steuersystem steigern die Einkommensungleichheit. (weiter auch www.nachdenkseiten.de/?p=18538#h03 ) und noch die folgenden Ziffern 4 und 5)
Die wirtschaftliche Ungleichheit ist in Deutschland
Die wirtschaftliche Ungleichheit ist in Deutschland heute deutlich größer als Anfang der 1990-er Jahre oder auch noch zur Jahrtausendwende. Und: Nach Untersuchungen der Industrieländer-Organisation OECD wuchs die Ungleichheit in Deutschland in der ersten Haälfte der 2000-er Jahre erheblich stärker als in den meisten anderen Mitgliedsländern. (http://idw-online.de/de/news550208 und ausführlich http://www.boeckler.de/pdf/p_imk_study_32_2013.pdf ) Gerade auf diesem Gebiet der Ungleichheit hatten sich die Gewerkschaften im Bündnis „UmFairTeilen“ sehr engagiert und ihre Mitglieder auch entsprechend informiert (vgl. z.B. http://wipo.verdi.de/broschueren/fair-teilen )
Nur angesichts der Schwäche in der Lohnpolitik und der Aufgabe des Widerstandes gegen die lohnsenkenden Arbeitsmarktreformen wird in Deutschland nur das Intrument der Steuer zur Verfügung stehen um dieser riesigen Umverteilung in Deutschland entgegen zu wirken.
Die Gewerkschaften werden jedoch – über ihre Btriebsräte? – angesichts dieser reduzierten Durchsetzungsfähigkeit gegen die allgemeine Ungleichheit Maßstäbe hernehmen müssen, um durch eine Arbeitspolitik – sozusagen „vom individuellen Risiko zur kollektiven Neuordnung der Arbeit“ – einen mitbestimmten Erwerbsverlauf zu mehr Gleichheit wieder zu erreichen. (http://www.gegenblende.de/++co++9ebe2d20-156f-11e3-ae52-52540066f352 ) oder auch (www.nachdenkseiten.de/?p=18530#h11 )
Durch Steuern Umverteilen von oben nach unten
Nur bei SPD, Grünen und den Linken finden wir jeweils Ansätze,sich gerade der Einkommenssteuer wieder als Mittel der Umverteilung zu erinnern. (http://www.fr-online.de/bundestagswahl—hintergrund/einkommensteuer-umverteilen-von-oben-nach-unten,23998104,24237446.html )
Interessanterweise war es dabei gerade die SPD, die einer von den Medien gefühlten „Angst“ vor Steuererhöhungen – anders als die Grünen – nachgab ( vgl. „statt des notwendigen Wettbewerbs der oppositionellen Parteien um eine den zukünftigen Anforderungen entsprechende Steuererhöhung gibt es harte Kritik“ (von der SPD): www.labournet.de/politik/wipo/finanzmaerkte/steuerpolitik/umverteilen-mit-steuern/)
Da die mediale Öffentlichkeit beschlossen hat, nur rot-grün als mögliche Alternative wahrzunehmen, setzte eine schlicht als Panikattacke zu bezeichnende Attacke gegen deren Steuerpläne ein, wobei sich „normalerweise“ eine Mehrbelastung von ca. 130 Euro im Jahr ergeben würde, was manche Journalisten anscheindend schon in die „Weißglut“ bei ihrem Schreiben treiben kann. (www.nachdenkseiten.de/?p=18526 )
Aber derart „wahrheitsliebend“ im Interesse der Reichen scheinen dann schon Teile der Medien „verkommen“ zu sein.
Dabei wird gerne schon der Tatbestand übersehen, wie sich die Reichen – obwohl sie „selbstverständlich“ unsere Infrastruktur für sich in Anspruch nehmen – ihrer schon jetzt reduzierten Steuerpflicht einfach entziehen – und der Staat dadurch schon in seiner allgemeinen Funktion bedroht ist (siehe „Zeitbombe Steuerflucht“ (http://www.arte.tv/guide/de/047158-000/zeitbombe-steuerflucht – oder ergänzend auch noch „OffshoreLeaks“ – Ein Kampf um die Bestimmung einer „neuen Öffentlichkeit“: https://www.labournet.de/?p=38729)