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Kündigungen bei Rheinmetall MAN Liesing in Wien

rheinmetall man liesingGegenüber der Konzernzentrale von Rheinmetall MAN Military Vehicles Österreich (RMMV) in Wien-Liesing hatte Mesut Kimsesiz in der Zeit vom 26.8. bis 28.8.2013 ein Zelt, Tische und Transparente aufgebaut und protestierte dort mit einem dreitägigen Hungerstreik gegen die geplante Kündigung von 150 Mitarbeitern. Die folgende Mail an die Redaktion des LabourNet Germany vom 08.09.2013 klärt über die Hintergründe des Streiks auf

Widerstand gegen Kündigungen bei Rheinmetall MAN in Wien.

Vom 26.8. bis 28.8.2013 stand gegenüber dem Rheinmetall MAN-Werk in Wien-Liesing ein Protestzelt. Der unabhängige Arbeiterbetriebsrat Mesut Kimsesiz führte hier einen dreitägigen Hungerstreik durch. Er protestiere damit

  • gegen die geplanten Kündigungen von 147 Kolleg_innen, die am Montag, 2.9.2013 ausgesprochen werden sollten, sowie
  • gegen die Untätigkeit der anderen im Betriebsrat vertretenen Fraktionen (7 Sozialdemokraten und 2 Freiheitliche), die einem angeblichen „Sozialplan“ zustimmten, der hauptsächlich in der Absichtserklärung der Geschäftsleitung besteht, bei Bedarf die Gekündigten bevorzugt wieder einstellen zu wollen.

Insgesamt soll bei Rheinmetall MAN Liesing nach den Plänen der Geschäftsführung ein Drittel der Belegschaft (die ca. 800 Arbeiter_innen und Angestellte umfasst) gekündigt werden. Mesut schreibt dazu in einem Brief an die Kolleg_innen:„Die Firma ist durch die Arbeitsleistung ihrer Beschäftigten reich und mächtig geworden. Warum wird bei den ArbeiterInnen als erstes eingespart, wenn das Geschäft schlecht geht? Werden etwa die Firmenprofite entsprechend mit uns geteilt, wenn das Geschäft gut geht?
Unsere Arbeit verschafft uns den Lohn, den wir zum Leben brauchen! Also müssen wir in Verantwortung für unsere Familien und unsere Zukunft zusammen halten!“

Mesut führte seine Aktion bis Mittwoch, den 28.8.2013, durch. Er begann um 6 Uhr früh und baute das Zelt um 18 Uhr ab. Am Freitag, den 30.8.2013 fand dann eine Betriebsversammlung bei Rheinmetall MAN statt, bei der das Management die Kündigungen offiziell bekanntgab. Da war dann nur mehr von 70 Kündigungen am darauffolgenden Montag die Rede.
Die Betriebsversammlung selbst war eine bürokratisch abgezogene Veranstaltung der Betriebsratsmehrheit. Keine Diskussion wurde zugelassen und erst gegen heftigen Widerstand konnte Mesut doch noch das Wort für eine Erklärung ergreifen.

Die Reduktion der Anzahl der Kündigungen auf etwas ca. die Hälftel der ursprünglich genannten Zahl ist zweifellos ein Erfolg der Aktion von Mesut und auch der Reaktionen im Betrieb (viele Mitarbeiter_innen haben nach Arbeitsschluss die Kundgebungen besucht). Es ist aber nur ein teilweiser Erfolg, denn Mesut hat immer klar gesagt – und er sagt das auch weiter – dass er jede einzelne Kündigung ablehnt.

Rheinmetall baut 2500 Armeefahrzeuge für Australien

Ein Großauftrag der australischen Armee könnte einen Teil der Arbeitsplätze sichern, die im MAN-Werk von Rheinmetall in Wien-Liesing nach dem Auslaufen der Fahrzeugproduktion für die englische Armee abgebaut werden sollten: Ab 2016 sollen die Anlagen, auf denen bis Mai dieses Jahres insgesamt 7000 teilweise gepanzerte Lkws für England gebaut wurden, für die Produktion australischer Spezialfahrzeuge genutzt werden.

Auftragswert: 1,1 Milliarden Euro, von denen rund 70 Prozent bei Rheinmetall verbleiben. Das heißt in der Praxis, dass Chassis und Fahrerkabine in Österreich gefertigt werden, die Aufbauten aber von australischen Partnern hergestellt werden.

Von den 2500 Fahrzeugen des Typs „Land 121“ sind rund 1000 mit Panzerung für die Fahrerkabine bestellt worden. Logistikfahrzeuge sind in Krisenregionen vermehrt der Wirkung von Infanteriewaffen, Granatsplittern und IEDs („Improvised Explosive Devices“ beziehungsweise „roadside bombs“) ausgesetzt, entsprechende Panzerungen werden daher immer mehr nachgefragt.

Schwerere Fahrzeuge

Armeefahrzeuge werden dadurch tendenziell schwerer, brauchen mehr Achsen und einen entsprechenden Antrieb. Das MAN-Werk von Rheinmetall in Wien-Liesing hat sich auf dem Gebiet fünf- und sechsachsiger Fahrzeuge eine Spezialistenrolle innerhalb des Konzerns erarbeitet, der englische Auftrag, ein Eurofighter-Gegengeschäft, hat dafür gesorgt, dass entsprechendes militärtechnisches Know-how in Wien erhalten wurde.

Als Anfang April die Meldung kam, dass der Rheinmetall-Konzern seine Struktur straffen muss, wurden auch für das Werk in Liesing Kündigungspläne bekannt. Damals hieß es, dass von den ca. 750 Mitarbeiter_innen mehr als ein Drittel gehen müsste. In Verhandlungen mit dem Betriebsrat wurde erreicht, dass zunächst Kurzarbeit eingeführt wurde. Das gab einigen Mitarbeitern Zeit, nach Kassel zu ziehen, wo sie mit dem Bau von Panzern beschäftigt werden.

Im Wiener Werk sollten im September etwa 150 Mitarbeiter_innen abgebaut werden – denn auch mit dem Australien-Auftrag wird angeblich die bisherige Auslastung von 440.000 Fertigungsstunden im Jahr nicht mehr erreicht werden.

Im aktuellen Jahr rechnet man damit, dass rund 1300 Fahrzeuge in Liesing gebaut werden, im kommenden Jahr sollen es 1400 sein – was etwa 260.000 Arbeitsstunden entspricht. Derzeit ist der größte Teil der in Liesing gefertigten Fahrzeuge für zivile Zwecke gedacht – das reicht von Spezialfahrzeugen für den Transport von Pkws bis zu Betonpumpen für Baustellen. Der Australien-Auftrag, der von 2016 bis 2020 durchgeführt werden soll, wird im Schnitt 170.000 Fertigungsstunden pro Jahr auslasten, und es könnte ein weiterer Auftrag aus Norwegen folgen.

MAN und Rheinmetall sind Riesenkonzerne. Das Werk in Liesing muss keine Rüstungsgüter herstellen, sondern kann genauso gut zivile Nutzfahrzeuge erstellen – und hier ist genug Bedarf vorhanden. MAN gehört zum VW-Konzern, dessen Besitzer_innen, die Familie Porsche-Piech, gut 35 Milliarden Euro schwer sind und die reichste Familie Österreichs sind. Sie machen ihre Profite auf Kosten von Arbeiter_innen. Alleine im letzten Jahr kassierten sie 300 Millionen Euro Dividende. Wenn es ihnen gerade nicht so passt (also wenig Profit in Aussicht ist), werden Arbeiter_innen vor die Tür gesetzt und damit Existenzen zerstört.

Interview mit Betriebsrat Mesut Kimsesiz zum Hungerstreik gegen die geplanten Kündigungen bei MAN Wien.  (Am 28. August, dem letzten Tag des Hungerstreiks.)

Seit wann bist du bei Rheinmetall-MAN?

Mesut Kimsesiz: Seit sieben Jahren. Zuerst war ich hier als Leiharbeiter beschäftigt, eineinhalb Jahre lang. Ich begann als Schweißer. Heute stehe ich am Band. Seit zwei Jahren bin ich in der Gewerkschaft aktiv und vor rund eineinhalb Jahren wurde ich zum Betriebsrat gewählt.

Gab es schon mal so eine Kündigungswelle bei euch? Wie sind eure Erfahrungen im Umgang damit?

Mesut: 2006, knapp vor meiner Zeit, war eine ähnliche Situation. Doch Gegenwehr oder Ähnliches, da war damals nichts. Alle haben das akzeptiert. Jetzt sehen die Leute das ernster und teilweise auch kämpferischer.

2004 wurden 300 Leute rausgeworfen, 2005 waren es 400 Leiharbeiter. Doch später im Jahr 2005 gab es einen Großauftrag von 7.000 Fahrzeugen für Großbritannien. Deshalb brauchten sie dann wieder mehr Arbeitskräfte und nahmen wieder Leiharbeiter auf (Da bin ich dann in den Betrieb gekommen!). Doch seit 2011 werden wieder Leiharbeiter abgebaut, aus jeder Abteilung. Ende 2012 waren es nur noch drei Leiharbeiter in allen Abteilungen! Diese drei sind derzeit (noch) befristet beschäftigt. Das alles zeigt ein Hin- und Herschieben von Arbeitern, je nachdem, ob sie von den Unternehmern gerade akut benötigt werden oder nicht. Die Spaltung zwischen Leiharbeitern und Stammbelegschaft ist ein großes Problem. Denn so trifft es für den Einen immer „nur den Anderen“. Doch im Endeffekt zahlen wir so alle drauf. Salamitaktik eben – Scheibe für Scheibe wird abgeschnitten.

Warum sollen die Kolleg_innen entlassen werden?

Mesut: Laut der Geschäftsführung haben wir Auftragsprobleme für 2014. Wir sind aber in einem großen Konzern mit zwei Seiten: Rheinmetall und MAN. Von MAN bekommen wir jedes Jahr Aufträge für 1500 Autos, und Rheinmetall hat gerade einen Auftrag mit Australien abgeschlossen, der soll aber erst 2015 begonnen werden. Außerdem steht die Firma kurz vor der Unterzeichnung eines anderen großen Auftrags mit Schweden. Ab 2015 sind die Auftragsbücher voll. Deswegen schlage ich Kurzarbeit statt Kündigungen vor.

Wie ist derzeit die Stimmung unter den Kolleg_innen im Werk? Hast du Unterstützung im Betrieb?

Mesut: Natürlich ist es so, dass manche dafür sind, andere dagegen. Das hängt mit der politischen Grundeinstellung und Organisiertheit zusammen und wird sich an sich auch nicht ändern lassen, was ja wiederum ganz gut ist. Aber unter den Arbeitern ist die Mehrheit mit mir. Die Kollegen reden darüber und sind aufgerüttelt für das anstehende Problem. In Debatten innerhalb des Werkes wird mein Protest von Vielen verteidigt, auch wenn ich hier draußen im Zelt sitze und nicht in der Werkshalle. Das ist ein großer Erfolg im Vergleich dazu, wie solche Kündigungswellen die letzten Male abgelaufen sind.

Unser Betriebsrat hat 10 Mitglieder. Die anderen 9 haben die Kündigungen zwar auch abgelehnt, aber sie haben nichts unternommen. Ich möchte zeigen, dass ich auch gegen die Kündigungen bin, aber auch etwas für die Belegschaft tun möchte. Es muss eine Reaktion geben.

Natürlich möchte ich auch ein Beispiel für den Rest Österreichs setzen. Arbeiter_innen müssen sich gegen Kündigungen und Angriffe auf ihre Rechte wehren. Ich habe die Form des Hungerstreiks gewählt. Das wird natürlich sehr unangenehm. Wenn Leute hören, dass ich im Hungerstreik bin, sind sie zuerst sehr überrascht. Das möchte ich nutzen, um sie zu sensibilisieren.

Welche Perspektive siehst du für den Protest und die von Kündigung bedrohten Kollegen?

Mesut: Ich bin darüber informiert, dass auch an den Arbeitsplätzen im Betrieb sehr viel mit einer positiven Einstellung über diese Aktion diskutiert wurde. Das hat eine wichtige Grundlage geschaffen und zeigt, dass man durchaus etwas machen kann. Man kann Ansätze und Grundlagen schaffen für weitere Aktionen. Man muss eben dran bleiben. Ein Sprichwort sagt, dass man schon halb gewonnen hat, wenn man etwas ernsthaft und entschlossen probiert. Naja, ich habe etwas probiert und derzeit sieht es nicht schlecht aus. Mit manchen der Kollegen ist es jetzt so, dass man mit ihnen in Zukunft auf jeden Fall weiter gehen kann. Andere sind solchen Aktionen gegenüber jetzt zumindest aufgeschlossener und haben ein offeneres Ohr dafür als früher. Ich denke dass wir derzeit vielleicht (!) nicht alle 147 Kündigungen verhindern werden können, doch einen größeren Teil schon. Nach der Betriebsversammlung am 30.8. werden wir mehr wissen und klarer sehen.

Wie soll es weitergehen?

Mesut: Ich bin bis Mittwoch im Hungerstreik. Am Freitag gibt es eine Betriebsversammlung. Am Montag erfahren wir, wie viele Kolleg_innen gekündigt werden sollen. Ich möchte Proteste organisieren. Ich möchte alle einladen, gemeinsam zu kämpfen für das, was gerecht ist.

Könntest du dir vorstellen, dass am Freitag Streik zum Thema wird?

Mesut: Streik ist sehr schwer, dafür brauchen wir eine Mehrheit im Betriebsrat. Und ich bin nur 1 gegen 9. Ich möchte einen taktischen Zusammenhalt der Belegschaft. Sie sollen das Mikrofon nehmen und sagen, was sie denken.

Du bist ja Gewerkschaftsmitglied. Was erwartest du dir von deiner Gewerkschaft an Unterstützung?

Mesut: Ihre Aufgabe erfüllen. Und ihre Aufgabe ist es, die Belegschaft zu verteidigen. Ich bin Mitglied der Pro-Ge. Sie muss Unterstützung auch in anderen Firmen organisieren. Alleine kann man nichts schaffen. Aber eine gemeinsame solidarische Bewegung ist stark und kann viel für die Zukunft lernen. Alleine die Pro-Ge Wien Süd hat ungefähr 300 BetriebsrätInnen. Wenn nur die Hälfte hierher kommt, ist die Situation gleich komplett anders.

Dieses Flugblatt wurde vor der Betriebsversammlung am Freitag verteilt

Solidaritätskomitee „Keine Kündigungen bei Rheinmetall MAN Liesing“

Bei Rheinmetall-MAN Liesing soll es zu Kündigungen kommen. Absurd, denn Rheinmetall-MAN gehört zu einem großen Konzern-Konglomerat, das Rekordumsätze schreibt. Seine Besitzer, Familie Porsche-Piech haben rund 35 Mrd €. Alleine im letzten Jahr kassierten sie 300 Mio € Dividende. Warum sollen jetzt wegen eines kurzen Auftragseinbruchs bis zu 147 Beschäftigte vor die Tür gesetzt werden? Es gibt keine Garantie, dass gekündigte KollegInnen wieder eingestellt werden. Die Geschäftsleitung kann versuchen, mehr LeiharbeiterInnen einzusetzen, Druck machen, dass die Arbeitszeit flexibilisiert wird und vieles mehr.

Ein Jobverlust bedeutet – egal wie gut oder schlecht ein allfälliger Sozialplan ist – massive Einkommensverluste und eine unsichere Zukunft! Es ist daher nötig, um jeden Arbeitsplatz zu kämpfen!

Die Belegschaft muss gemeinsam entscheiden, wie es weiter geht!

Die heutige Betriebsversammlung darf nicht nur dazu benutzt werden, um die Belegschaft über den Personalabbau zu informieren. Leider scheint die Mehrheit des Betriebsrats auf die Sozialplan-Karte zu setzen. Notwendig wäre es, in der Betriebsversammlung – ohne Geschäftsführung – über möglichen Widerstand gegen Kündigungen zu diskutieren. Jedes Für und Wider sollte abgewogen werden. Das weitere Vorgehen sollte in einer geheimen Urabstimmung von der Belegschaft entschieden werden.

Alle sollen wissen was bei Rheinmetall MAN-Liesing los ist. 

Der Hungerstreik von Kollegen Mesut Kimsesiz hat die drohenden Kündigungen in die Öffentlichkeit gebracht, (z.B.: ORF). Jetzt sollen es nur noch Weniger sein. Ein Erfolg! Das zeigt: Wenn die Belegschaft, Betriebsrat und die Gewerkschaften PRO-GE und GPA-DjP ihre Möglichkeiten nutzen, ist noch mehr drin.

Eine gemeinsame Demonstration von Belegschaft mit den zuständigen Gewerkschaften durch den Bezirk wäre ein erstes Zeichen und würde Druck auf die Geschäftsleitung machen. So gäbe es eine Chance die Kündigungen zu verhindern.

Handeln ist besser als Verhandeln! 

Die Ausgangssituation, die Kündigungen zu verhindern, ist gut. Es ist Wahlkampf, der Konzern schreibt Rekordumsätze, bald gibt es große Aufträge. Jetzt ist es wichtig, dass sich die Belegschaft nicht in Gekündigte und nicht Gekündigte spalten lässt sondern gemeinsam kämpft.

Wir meinen: Es ist nötig die Kündigungen zu verhindern. Wenn es sein muss, auch mit Kampfmaßnahmen bis zum Streik.

Wer sind wir?

Solidarische Betriebsräte aus anderen Betrieben, Bewohner_innen aus dem Bezirk, linke Organisationen, Arbeiterkammerfraktionen und Gewerkschaftsgruppen, ehemalige MAN-Arbeiter_innen. Wir wollen möglichst viele Menschen auf die Situation im Werk aufmerksam machen und alle Kolleg_innen, die Widerstand gegen Personalabbau organisieren wollen, unterstützen.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=43880
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